Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.09.2008

OVG NRW: beendigung des dienstverhältnisses, rechtliches gehör, anhörung, erheblichkeit, general, versetzung, entlassung, dienstgeheimnis, leiter, vertrauensperson

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 467/08
Datum:
24.09.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 A 467/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 27 K 840/06
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Berufungszulassungsverfahren auf
54.975,96 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Mit ihm macht der Kläger ausschließlich geltend, die Rechtssache habe mit den offenen
Fragen (Blatt 289 ff. GA),
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ob ein General, der nach § 50 SG in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden soll,
dann gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG zuvor über sein Recht zu belehren ist, die
Beteiligung durch Anhörung der Vertrauensperson am Verfahren gemäß § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 6 SBG zu beantragen, wenn sich der Minister zur Begründung dessen, dass
er das Vertrauen verloren habe, auf den Vorwurf eines Dienstvergehens des betroffenen
Generals stützt, zu dem dieser (allerdings nur durch den WDA) disziplinarrechtlich
gehört worden ist,
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ob dann, wenn diese Belehrung und die Beteiligung der Vertrauensperson unterbleiben,
der Bescheid über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand aufzuheben ist,
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ob dem von einer Entscheidung nach § 50 SG betroffenen General dazu vor ihrem
Vollzug rechtliches Gehör zu gewähren ist,
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ob das Verfahren nach § 50 SG dann gewählt werden und die (einzige) Begründung für
die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand darauf gestützt werden darf, dass dem
betroffenen General der Vorwurf gemacht wird, ein Dienstvergehen begangen zu haben,
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ob in diesem Fall die disziplinare Vorermittlung mit Rücksicht auf die Zurruhesetzung
ausgesetzt und von der Einleitung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens
abgesehen werden darf,
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ob der Begriff des politischen Vertrauensverlustes auch dann zur Anwendung des § 50
SG herangezogen werden kann, wenn ausschließlich disziplinarrechtliche Vorwürfe
den Vertrauensverlust begründen,
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ob der Leiter der oberen Einleitungsbehörde unbefugt handelt und ersichtlich ein
Dienstgeheimnis verletzt, wenn er einen von disziplinaren Vorermittlungen gegen ihn
und gegen Kameraden betroffenen Soldaten durch dessen Vater - über den wegen
dieser Ermittlungen eine dienstliche Meldung an die Leitung des Ministeriums erfolgen
soll - über den Stand des Verfahrens informiert,
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ob der Vater, der vom Leiter der oberen Einleitungsbehörde gebeten wird, als
Kameradenvater mit seinem Sohn zu sprechen und auf ihn im Sinne der Sache positiv
einzuwirken, durch dieses Verhalten unbefugt handelt und ein Dienstgeheimnis verletzt,
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ob der Kläger als Kameradenvater privat oder dienstlich handelte, als er dem
vorgenannten Wunsch folgte,
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wie der Kläger sich hätte verhalten sollen,
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"das Verhältnis des Verfahrens nach § 50 SG zum Disziplinarverfahren bedarf einer
Grundsatzentscheidung, die einer verfassungsgemäßen Rechtsanwendung genügt",
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grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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Zu den in einem sachlogischen Zusammenhang stehenden Fragen 1. bis 3. fehlt es
bereits an ausreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit und zur über den
Einzelfall hinausgehenden Bedeutung jener Fragestellungen. Dem Vorbringen des
Klägers ermangelt es insoweit in erster Linie an einer nachvollziehbaren
Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(Beschluss vom 26. Mai 1992 - 2 B 13.92 -, ZBR 1992, 284 bis 285), der sich der Senat
in seinem Beschluss vom 19. September 2006 - 1 B 1103/06 - angeschlossen hat. Der
Kläger setzt sich namentlich nicht mit dem Grundproblem auseinander, dass § 23 Abs. 1
Satz 1 SBG eine Vorschrift ist, welche die Anhörungspflicht nur für den Regelfall und
auch nur dann vorsieht, wenn die Anhörung von dem Soldaten beantragt wird. Die
Zulassungsbegründung entbehrt deswegen jeglicher Auseinandersetzung mit der
Frage, weshalb die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses auf der Grundlage
des § 50 Abs. 1 SG einen Regelfall des § 23 SBG darstellen und weshalb ein
Ausnahmefall nicht vorliegen soll. Dies liegt unter anderem auch daran, dass der Kläger
von der falschen Rechtsansicht ausgeht, das Beteiligungsverfahren sei in § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 6 SBG ohne jede Ausnahme für alle Fälle vorgesehen, in denen das
Dienstverhältnis vorzeitig beendet werde. Das ist nach dem Wortlaut der genannten
Bestimmung ganz offensichtlich nicht der Fall, zumal die Beteiligung antragsabhängig
ist.
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In der Zulassungsbegründung fehlt jeder - die Erheblichkeit des einschlägigen
Vorbringens betreffende - nachvollziehbare Anhalt dafür, dass die fehlende Anhörung
des Klägers vor seiner Zurruhesetzung eine zu deren Aufhebung führende
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Rechtsverletzung enthalten könnte. Dies liegt daran, dass der Kläger sich mit § 28
VwVfG als einer Ausprägung rechtsstaatlicher Anhörung nicht wirklich beschäftigt hat.
Zur Darlegung der Erheblichkeit fehlender Anhörung hätte es nämlich in erster Linie
einer näheren Auseinandersetzung mit den einzelnen Gründen in § 28 Abs. 2 VwVfG
bedurft, aus denen von einer Anhörung abgesehen werden kann. Zu nennen sind
insoweit das in § 28 Abs. 2 Nr. 1 genannte öffentliche Interesse ebenso wie der von § 28
Abs. 2 Nr. 3 vorausgesetzte Fall, dass von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten
nicht abgewichen werden soll, sowie der in § 28 Abs. 3 erwähnte Fall des einer
Anhörung entgegenstehenden zwingenden öffentlichen Interesses. Aus den gleichen
Gründen ist ein Klärungsbedarf und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
der Fragestellung schon nicht dargelegt. Zur Darlegung der Erheblichkeit,
Klärungsbedürftigkeit und der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der
Rechtsfrage hätte es darüber hinaus der Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob
eine etwa rechtsstaatlich gebotene vorherige Anhörung des Klägers auch dann noch zur
Aufhebung seiner Zurruhesetzung führen kann, wenn wie hier im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Gründe für die Zurruhesetzung ausführlich
erörtert worden sind und der Kläger hinreichende Gelegenheit hatte, sich hierzu zu
äußern, § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 VwVfG. Fehlt es aber hinsichtlich der
Anhörungsproblematik an ausreichenden Darlegungen zur Erheblichkeit,
Rechtsgrundsätzlichkeit und Klärungsbedürftigkeit der einschlägigen Fragestellungen,
so gilt dies erst recht für die auf § 23 SBG bezogenen Fragen.
Die vierte Frage ist ohne weiteres dahin zu beantworten, dass die Anwendung von § 50
Abs. 1 SG im Falle des Vorwurfs eines Dienstvergehens selbstverständlich ist. Die
Vorschrift soll das reibungslose Funktionieren des Übergangs von der politischen
Führungsspitze in die militärische Hierarchie sicherstellen. Bedenken gegen die
Fähigkeit oder Bereitschaft des betroffenen Berufsoffiziers, seiner
Verschwiegenheitspflicht gerade dann nachzukommen, wenn private Belange betroffen
sind, können ohne weiteres einen Vertrauensverlust begründen, der zur jederzeitigen
Entlassung führen kann. Insoweit sind der Bewertung des jeweiligen Ministers
Schranken lediglich durch das Willkürverbot gesetzt. Die Erheblichkeit der
Fragestellung unter 4. unterliegt im Übrigen durchgreifenden Zweifeln deswegen, weil
hier die Entlassung nicht nur auf einem Vorwurf beruhte, sondern auf der - nachträglich -
höchstrichterlich bestätigten Bewertung, dass der Kläger ein Dienstvergehen begangen
hat.
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Zur 5. Fragestellung ist zu bemerken, dass vom Bundesverwaltungsgericht
letztinstanzlich bestätigt worden ist, dass hier die Durchführung eines
Disziplinarverfahrens nicht erforderlich gewesen ist, weil die Feststellung eines
Dienstvergehens zu Recht erfolgt ist. Ein Klärungsbedarf wird darüber hinaus von der
Klägerseite nicht dargelegt.
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Die sechste Frage bezieht sich thematisch auf die vierte Frage mit der fernliegenden
Auffassung, das Zurruhesetzungsverfahren habe hier zu Unrecht die gültige
Disziplinarordnung und deren Sanktionsgefüge ersetzt. Ein Klärungsbedarf ist in diesem
Zusammenhang bereits mit Blick auf die Fragen 4. und 5. nicht weiter dargelegt. Es ist
im Übrigen auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass
die Zurruhesetzung nach § 50 Abs. 1 SG nicht lediglich einen politischen
Vertrauensverlust voraussetzt. Fehlende Flexibilität wie auch fehlende tadellose
Amtsführung stellen selbstverständlich einen willkürfreien Entlassungsgrund dar (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1993 - 2 BvR 1107/92 -, DVBl. 1994, 103 bis 104).
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Die Fragen 7. und 8. sind durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in
dem den Kläger betreffenden Verfahren 2 WDB 7.06 beantwortet. Ein
darüberhinausgehender Klärungsbedarf ist nicht dargelegt. Soweit in der Fragestellung
7. das Verhalten von Generalleutnant a.D. E. angesprochen ist, wird diese
Fragestellung ebenfalls vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Verfahren - 2 WDB
6.06 - beantwortet. Die den Fragestellungen 7. und 8. nachfolgenden Ausführungen auf
den Seiten 6 bis Seite 9 unten liegen deswegen gänzlich neben der Sache.
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Die Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit der Frage 9. sind in keiner
Weise nachvollziehbar dargelegt. Zur Fragestellung 10. fehlt es an allem. Weder
Erheblichkeit, Klärungsbedürftigkeit noch über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung dieser Fragestellung erschließen sich aus dem Text der
Zulassungsbegründung. Desgleichen fehlen Darlegungen zur Erheblichkeit und
Klärungsbedürftigkeit der Fragestellung zu 11.
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Das Vorbringen des Klägers in seiner Zulassungsbegründung führt auch nicht nur
sinngemäß auf einen weiteren Zulassungsgrund. Namentlich für das Vorliegen
ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
besteht kein Anhalt. Dies würde voraussetzen, dass zumindest ein einzelner für die
Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine für sie erhebliche Tatsachenfeststellung
mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt würde und sich ohne nähere
Prüfung die Frage nicht beantworten ließe, ob die Entscheidung möglicherweise im
Ergebnis aus einem anderen Grund richtig sein könnte. Hierauf bezogene
nachvollziehbare Darlegungen enthält die Zulassungsbegründung nicht. Der Kläger
vermeidet es vielmehr sorgfältig, auf den insoweit einzig erheblichen Rechtssatz des
verwaltungsgerichtlichen Urteils verständlich einzugehen, wonach in einem Fall des §
50 Abs. 1 SG die Verwaltungsgerichte nur zu prüfen haben, ob die Versetzung des
Betroffenen in den einstweiligen Ruhestand die Grenzen der Willkür überschritten hat.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1993 - 2 BvR 1107/92 -, a.a.O.
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Die Anwendung und Beachtung dieses Obersatzes reduziert den Kern des Rechtsstreits
auf die überschaubare Fragestellung, ob es willkürlich sein kann, einen
Vertrauensverlust daraus herzuleiten, dass der Verschwiegenheitspflicht unterliegende
dienstliche Vorgänge an einen offensichtlich nicht zur Einsichtnahme befugten Dritten -
hier den Sohn des Klägers - weitergegeben werden, um dadurch zumindest eine private
Klärung von gegen diesen (Sohn) erhobenen disziplinarrechtlich erheblichen Vorwürfen
herbeizuführen. Dieser Fokussierung der Rechtsprobleme weicht der Kläger
demgegenüber erkennbar durch Heranziehung einer Fülle von Scheinproblemen
hartnäckig aus. Er belegt auch damit die Notwendigkeit, gerade in Kreisen so genannter
Machteliten jeder Form des Nepotismus entschieden entgegenzutreten. Hiervon
ausgehend war aber der zur Entlassung führende Vertrauensverlust des Ministers für
jeden Kundigen einsehbar und damit von einer unterstützenswerten, jeder Willkür
fernliegenden Motivation getragen. Nur mittelbar zielt weitgehendes Vorbringen des
Klägers darauf, eine Willkür zu begründen. Dazu geht der Kläger allerdings von einem
anderen als dem vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt aus, ohne die
Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts im Einzelnen mit durchgreifenden
Zulassungsrügen erschüttern zu können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts
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auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GKG i.V.m. § 52 Abs. 5 Satz 2 i.V.m.
Satz 1 Nr. 1 GKG.
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