Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.08.1996

OVG NRW (kläger, gegenstand des verfahrens, einkommen, konstitutive wirkung, rückzahlung, höhe, betrag, berechnung, monat, gegenstand)

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 A 4546/95
Datum:
28.08.1996
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 A 4546/95
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 18 K 6884/94
Tenor:
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung wird
aufgehoben.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Das Bundesverwaltungsamt stellte zunächst mit Feststellungs- und
Rückzahlungsbescheid vom 12. Juli 1986 die Darlehensschuld des Klägers auf 23.847,-
- DM fest und setzte das Ende der Förderungshöchstdauer auf den letzten Tag des
Monats Februar 1982 und den Rückzahlungsbeginn auf den 31. März 1987 fest. Mit
Bescheid vom 15. August 1989 bestimmte das Bundesverwaltungsamt gemäß § 66 a
Abs. 5 BAföG als Ausbildungsende den 31. August 1987 und als Beginn der
Rückzahlungsverpflichtung den 30. September 1990. Mit Änderungsbescheid vom 3.
Juli 1990, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 3. August 1990, erhöhte das
Bundesverwaltungsamt die monatliche Rückzahlungsrate für das Darlehen von 120,--
DM auf 200,-- DM. Mit weiterem Schreiben vom 3. August 1990 teilte das
Bundesverwaltungsamt dem Kläger mit, daß es bei einer vorzeitigen Tilgung der
Darlehensschuld einen Nachlaß in Höhe von insgesamt 10.731,15 DM gewähre. Gegen
dieses Schreiben legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, daß er eine
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Rückzahlung nur von dem Betrag von 10.731,15 DM leisten müsse. Die unter anderem
gegen den Bescheid vom 3. August 1990 und gegen das Schreiben gleichen Datums
erhobene Klage (VG Köln - 21 K 3362/90 -) wurde durch Gerichtsbescheid vom 4.
November 1991 abgewiesen. Die hiergegen erhobene Berufung (OVG NW - 16 A
492/92 -) blieb erfolglos. Im Oktober 1990 zahlte der Kläger auf seine Darlehensschuld
einen Betrag in Höhe von 1.311,58 DM.
Das Bundesverwaltungsamt lehnte es mit Bescheid vom 2. Februar 1993 ab, den Kläger
für 1990 von seiner Rückzahlungsverpflichtung freizustellen, da das durch den
Einkommensteuerbescheid belegte Einkommen für dieses Jahr die durch § 18 a Abs. 1
BAföG vorgeschriebene Einkommensgrenze übersteige. Den hiergegen eingelegten
Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 20. Juli 1994 als
unbegründet zurück.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers mit dem von ihm dahingehend
ausgelegten Antrag,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Februar 1993 und des
Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1994 zu verpflichten, den Kläger antragsgemäß
von der Verpflichtung zur Rückzahlung des ihm gewährten Darlehens freizustellen,
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durch den angefochtenen Gerichtsbescheid abgewiesen und die Berufung hiergegen
nicht zugelassen.
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Der Kläger hat sowohl Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung als auch
Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 27. April 1995 eingelegt. Zur Begründung
trägt er im wesentlichen sinngemäß vor: Er habe immer wieder beantragt, das Darlehen
unter Inanspruchnahme eines Nachlasses vorzeitig zurückzahlen zu können. Auch sei
die Erhöhung der monatlichen Raten von 120,-- DM auf 200,-- DM nicht in Ordnung.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und
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1. die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung aufzuheben,
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2. die Beklagte zu verpflichten, ihm bei vorzeitiger Rückzahlung einen Nachlaß zu
gewähren,
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3. den Änderungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 3. Juni 1990 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1990 aufzuheben,
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4. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 2.
Februar 1993 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1994 zu verpflichten, ihn
für 1990 von der Verpflichtung zur Rückzahlung des ihm gewährten Darlehens
freizustellen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der vom Bundesverwaltungsamt vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie
der Verfahrensakte gleichen Rubrums mit dem Aktenzeichen OVG NW 16 A 4421/95
(VG Köln 7811/94) und VG Köln 18 L 2022/94 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Zunächst ist auf die Beschwerde des Klägers die in dem angefochtenen
Gerichtsbescheid enthaltene Entscheidung des Verwaltungsgerichts, daß die Berufung
nicht zugelassen wird, aufzuheben, weil sie rechtswidrig ist. Dem Kläger steht das
Rechtsmittel der Berufung zu, ohne daß es einer Zulassung bedarf. Bei dem Begehren
des Klägers auf Freistellung von der Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 18 a BAföG
handelt es sich nicht um eine Klage im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, die
eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft (vgl. Beschluß
des Senats vom 22. September 1992 - 16 A 955/92 -). Eine derartige Klage setzt voraus,
daß die in dem Verwaltungsakt getroffene oder zu treffende Regelung unmittelbar auf
eine Geldleistung abzielen muß (vgl. insoweit OVG NW, Beschluß vom 14. Februar
1991 - 22 B 3495/90 -, NWVBL 1991, 281). Die vom Kläger begehrte Freistellung ist in
dem beschriebenen Sinne aber nicht unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet, denn
er will (lediglich) erreichen, daß seine Verpflichtung zur Rückzahlung der
Darlehensraten für einen gewissen Zeitraum hinausgeschoben wird.
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Der Kläger hat bei der gegebenen Rechtslage auch ein Rechtsschutzbedürfnis an der
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung, obgleich dem Ausspruch in dem
angefochtenen Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts, daß die Berufung nicht
zugelassen werde, keine konstitutive Wirkung zukommt, und die nach richterlichem
Hinweis eingelegte Berufung ohne besondere Zulassung statthaft ist (vgl. OVG NW,
Beschluß vom 26. Juli 1989 - 8 B 1128/89 -, OVGE 41, 178 = DÖV 1990, 118, VGH
Baden-Württemberg, Beschluß vom 18. Mai 1990 - 14 S 619/89 -, NVwZ-RR 1991, 278,
VGH Kassel, Beschluß vom 23. Juni 1992 - 9 TE 705/92 -, NVwZ-RR 1993, 447, OVG
Hamburg, Beschluß vom 25. August 1993 - BS IV 126/93 -, NVwZ-RR 1994, 236). Der
Ausspruch des Verwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Berufung erweckt den
Anschein, daß dieses Rechtsmittel kraft Gesetzes ausgeschlossen sei und es bedürfe
zu ihrer Statthaftigkeit der besonderen Zulassung durch das Gericht.
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Dagegen hat die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß
§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, insgesamt
keinen Erfolg.
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Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm bei einer vorzeitigen
Rückzahlung des Darlehens einen Nachlaß zu gewähren, fehlt ihm unter anderem
bereits das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Das Bundesverwaltungsamt hat dem
Kläger mit Schreiben vom 3. August 1990, das ebenfalls Gegenstand des rechtskräftig
abgeschlossenen Verfahrens VG Köln - 21 K 3362/90 - gewesen ist, bei vorzeitiger
Rückzahlung des Darlehens einen Nachlaß in Höhe von 10.731,15 DM in Aussicht
gestellt. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht und ist
vielmehr, ohne ansonsten eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens substantiiert
anzubieten, mit seinen Rückzahlungsverpflichtungen in Rückstand geraten.
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Soweit der Kläger sich im Berufungsverfahren sinngemäß erneut gegen den
Änderungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 3. Juni 1990 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 3. August 1990 wendet, mit dem die Rückzahlungsrate
von 120,-- DM auf 200,-- DM erhöht worden ist, hat dieses Begehren schon deshalb
keinen Erfolg, weil es bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen
Verfahrens VG Köln - 21 K 3362/90 - gewesen ist (vgl. § 121 VwGO). Im übrigen stellt
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diese erst im Berufungsverfahren erfolgte Klageerweiterung eine nach § 125 Abs. 1
VwGO in Verbindung mit § 91 VwGO unzulässige Klageänderung dar.
Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihn für 1990 von seiner
Rückzahlungsverpflichtung freizustellen, hat die Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Der
Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 18 a BAföG, daß er für den Zeitraum September
bis Dezember 1990, der insoweit ausschließlich Gegenstand des Verfahrens ist, von der
Verpflichtung freigestellt wird, das ihm gewährte Ausbildungsförderungsdarlehen
zurückzuzahlen. Die begehrte Freistellung scheitert daran, daß das Einkommen des
Klägers die zu beachtende Freistellungsgrenze um mehr als eine monatliche
Rückzahlungsrate übersteigt.
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Im Monat September 1990 hat die für eine Freistellung maßgebliche
Einkommensgrenze aufgrund der nach § 18 a Abs. 1 BAföG in der Fassung des Art. 2
des 11. BAföGÄndG vom 21. Juni 1988 (BGBl I 829) für den Kläger mit 1.170,-- DM, für
seine Ehefrau mit 530,-- DM und für sein in diesem Monat geborenes Kind mit 400,-- DM
anzusetzenden Freibeträgen bei 2.100,-- DM gelegen. Für die übrigen Monate Oktober
bis Dezember 1990 ist gemäß § 18 a Abs. 1 BAföG in der Fassung des 12. BAföGÄndG
vom 22. Mai 1990 (BGBl I 936), eine Freistellungsgrenze von 2.160,-- DM maßgeblich.
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Das Einkommen des Klägers überschreitet die genannten Freistellungsgrenzen um
mehr als eine monatliche Rückzahlungsrate in Höhe von 200,-- DM. Die Berechnung
des Einkommens vollzieht sich in entsprechender Anwendung des § 18 a Abs. 4 BAföG,
weil sich nach den eigenen Angaben des Klägers sein Einkommen von 3.064,88 DM
(netto) in den Monaten September und Oktober 1990 auf 6.320,-- DM im Monat
November 1990 und auf 3.848,52 DM im Monat Dezember 1990 verändert hat. Zwar
kommt diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach erst zur Anwendung, nachdem das
Bundesverwaltungsamt zunächst eine Entscheidung gemäß § 18 a Abs. 2 Satz 2 BAföG
unter Berücksichtigung des Einkommens im Antragsmonat getroffen und im Fall einer
Änderung der Einkommensverhältnisse einen unter Vorbehalt stehenden
Änderungsbescheid nach § 18 a Abs. 3 BAföG erlassen hat. Die Beachtung der beiden
vorgenannten Bestimmungen ergibt indes keinen Sinn mehr, wenn sich im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung über ein Freistellungsbegehren das Einkommen im
streitbefangenen Zeitraum im Sinne von § 18 a BAföG endgültig feststellen läßt (vgl.
Urteil des Senats vom 28. Februar 1990 - 16 A 464/89 -). Danach und unter
Berücksichtigung der sich aufgrund des Einkommensteuerbescheides 1990
ergebenden Einkommensverhältnisse hat der Kläger in diesem Jahr über ein
anrechenbares Jahreseinkommen von 32.889,90 DM verfügt. Insoweit nimmt der Senat
zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Berechnung des
Bundesverwaltungsamtes in seinem, eine Freistellung ablehnenden Bescheid vom 2.
Februar 1993. Diese Berechnung berücksichtigt in rechtlich nicht zu beanstandender
Weise auch die auf den Kläger für 1990 anteilmäßig entfallenden Steuern. Bei einem
Jahreseinkommen von 32.889,90 DM ergibt sich ein nach § 18 a Abs. 4 BAföG zu
berücksichtigendes Monatseinkommen von 2.740,82 DM, welches für den Monat
September die Freistellungsgrenze um 640,82 DM und für die Monate Oktober bis
Dezember 1990 um 580,82 DM überschreitet.
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Ein Freistellungsanspruch steht dem Kläger auch dann nicht zu, wenn man im Hinblick
auf den unter anderem mit Schreiben vom 1. September 1990 sinngemäß gestellten
Freistellungsantrag und die Bestimmung des § 18 a Abs. 2 Satz 1 BAföG, nach der die
Freistellung in der Regel für ein Jahr erfolgt, trotz der vom Bundesverwaltungsamt
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vorgenommenen Beschränkung des Freistellungszeitraumes auf die letzten vier Monate
des Jahres 1990 bei der Berechnung des Einkommens des Klägers nach § 18 a Abs. 4
BAföG die Einkommensverhältnisse des Jahres 1991 berücksichtigt. Bei einer
derartigen Berechnung stellen sich die Einkommensverhältnisse des Klägers wie folgt
dar:
1) zu berücksichtigendes Einkommen für die Monate September bis Dezember 1990
2.740,82 DM x 4 = 10.963,28 DM
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2) zu berücksichtigendes Einkommen 1991 auf der Grundlage des
Einkommensteuerbescheides 1991 a) Bruttoarbeitslohn 64.415,-- DM abzüglich
Werbungskosten 11.579,-- DM 52.836,-- DM abzüglich 19 v. H. Pauschale für Renten-,
Lebens-, Krankenversicherung, Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit usw. gem. § 21
Abs. 2 Nr. 1 BAföG in der Fassung des 12. BAföGÄndG 10.038,84 DM 42.797,16 DM
abzüglich Steuern, Solidaritätszuschlag 6.009,63 DM Jahreseinkommen 1991
36.787,53 DM
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b) zu berücksichtigendes Einkommen 1991 für 8 Monate 36.787,53 DM : 12 x 8 =
24.525,02 DM
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3) monatliches Einkommens gemäß § 18 a Abs. 4 BAföG für den Freistellungszeitraum
September bis Dezember 1990 unter Berück- sichtigung der Einkommensverhält- nisse
1991
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a) Einkommen September bis Dezember 1990 10.963,28 DM b) Januar bis August 1991
24.525,02 DM 35.488,30 DM
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monatliches Einkommen gemäß § 18 a Abs. 4 BAföG 35.488,30 DM : 12 = 2.957,35 DM
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Der Betrag von 2.957,35 DM übersteigt ebenfalls die für den Kläger maßgeblichen
Einkommensgrenzen von 2.100,-- DM und 2.160,-- DM um mehr als eine monatliche
Rückzahlungsrate von 200,-- DM.
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Bei dieser Sach- und Rechtslage kann die Entscheidung der Frage offenbleiben, ob
angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalles das für eine klageweise
Durchsetzung des Freistellungsbegehrens erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, da
der Kläger im Oktober 1990 einen Betrag von 1.311,58 DM überwiesen und gegen die
Mitteilung des Bundesverwaltungsamtes, daß dieser Betrag mit den fälligen Raten
verrechnet werde, keine Einwände erhoben hat. Ebenfalls bedürfen die
Einkommensverhältnisse der Ehefrau in dem streitbefangenen Zeitraum vom September
bis Dezember 1990 keiner weiteren Überprüfung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung
über deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Senat läßt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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