Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.05.2007

OVG NRW: vereinfachtes verfahren, ewr, eugh, inhaber, konkurrenz, referenz, rechtsgrundlage, gemeinschaftsrecht, bedürfnis, konkurrent

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 647/07
Datum:
29.05.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 647/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 13 L 179/07
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Köln vom 30. März 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme eventueller außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen, die
diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen
der fristgerechten Darlegungen der Antragstellerin befindet, ist unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung
der Widersprüche bzw. Klagen der Antragstellerin gegen drei näher bezeichnete
Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen für die Beigeladene zu Recht und mit zutreffenden
Gründen abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin führt zu keinem
anderen Ergebnis.
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Bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen
Prüfungsdichte ist die Antragstellerin auch aus Sicht des Senats nicht widerspruchs-
bzw. klagebefugt. Sie kann sich nicht auf eine mögliche Verletzung von auch dem
Schutz ihrer Rechte und Interessen dienenden Rechtsnormen durch die angegriffenen
Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen berufen.
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Die Erteilung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen beruht auf § 16c PflSchG. Dieser
Vorschrift kommt keine drittschützende Wirkung zu. Weder ihr Wortlaut noch der mit ihr
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verfolgte Gesetzeszweck weist auf den Schutz eines Unternehmens hin, das im Hinblick
auf ein Pflanzenschutzmittel in Konkurrenz zu einem Antragsteller für eine
Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für ein vergleichbares Pflanzenschutzmittel steht. In §
16c PflSchG ist der Inhaber einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung für ein
Referenzmittel weder wörtlich noch sinngemäß angesprochen; es kommt vielmehr nur
auf die Vergleichbarkeit des Pflanzenschutzmittels, das eingeführt und in den Verkehr
gebracht werden soll, mit dem Referenzmittel an.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel nur nach Zulassung in
den Verkehr gebracht werden. Gemäß Satz 2 gelten Pflanzenschutzmittel als
zugelassen, für die die Verkehrsfähigkeit nach § 16c PflSchG festgestellt ist. Hiervon
ausgehend hat die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung die gleiche Rechtswirkung wie
eine Zulassung und sie erfüllt, obgleich sie keine Zulassung ist, den gleichen
Gesetzeszweck wie die Zulassung. Dieser geht nach § 1 PflSchG erkennbar dahin, den
notwendigen Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt vor von Pflanzenschutzmitteln
ausgehenden Gefahren herzustellen. Keinen anderen Zweck soll auch die
Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erfüllen. Als einer durch die Rechtsprechung des
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EuGH, Urteil vom 11. März 1999 - C-100/96 -, EuGHE I 1999, 1499 ff.,
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initiierten, den Rahmen der Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1991 über das
Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (91/414/EWG), Abl. Nr. L 230/1,
überschießenden Regelung dient § 16c PflSchG ferner dem Ziel, dem
gemeinschaftsrechtlich verbindlichen Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit zum Erfolg
zu verhelfen. Dies wird bestätigt durch die Erläuterungen zum Entwurf eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes, A. Problem und Ziel, nach
welchen eine "Abschottung der Märkte gegeneinander" und "negative Auswirkungen
auf die Preisgestaltung" verhindert werden sollen.
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Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks. 16/645, S. 1.
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Dies und die im Rahmen der Regelungsvoraussetzungen angesprochene Betroffenheit
des innerdeutschen und innereuropäischen Handels,
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vgl. die Gesetzesbegründung a. a. O., S. 6,
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verdeutlichen, dass Sinn und Zweck der Regelung über die Erteilung einer
Verkehrsfähigkeitsbescheinigung in § 16c PflSchG die Wahrung allein öffentlicher
Anliegen und nicht der - dem Staat ohnehin nicht erlaubte - Schutz anderer
Pflanzenschutzmittel-Unternehmer vor Konkurrenz oder Ausnutzung vermögenswerter
Erkenntnisse pflanzenschutzrechtlicher Art ist. Gerade die im Gesetzgebungsverfahren
erfolgte Betonung des angestrebten innereuropäischen Handels und der in dessen
Folge regulierten Preisgestaltung drängt die Erkenntnis auf, dass gegenläufige
erwerbswirtschaftliche Interessen von Inhabern nationaler Zulassungen für
Referenzprodukte gerade nicht von § 16c PflSchG geschützt werden sollen.
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Ein Schutz aus § 16c PflSchG zu Gunsten des Inhabers einer nationalen Zulassung für
ein Referenzmittel kann sich auch nicht in Zusammenhang mit § 13 PflSchG ergeben.
Diese Vorschrift findet im Verfahren der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung keine
Anwendung; sie gilt erkennbar nur für das Verfahren der Zulassung. § 13 PflSchG dient
der Umsetzung des Art. 13 Abs. 3 u. 4 RL 91/414/EWG. Weder diese Richtlinie noch
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das Pflanzenschutzgesetz in seiner Fassung vor dem Zweiten Änderungsgesetz vom
22. Juni 2006, mit welchem u. a. § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 16c eingeführt wurden,
kennen bzw. kannten den Berechtigungsakt der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung. Auf §
13 PflSchG wird im Verfahren der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung auch nicht Bezug
genommen. Im Gegenteil ist dem Antragsteller für eine
Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ein "vereinfachtes Verfahren" eröffnet.
Vgl. insoweit die Gesetzesbegründung a. a. O., S. 7.
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Das bedeutet, dass der Antragsteller die Anforderungen des Zulassungsverfahrens, also
die Vorlage der Unterlagen gemäß § 12 Abs. 3 PflSchG i. V. m. §§ 1 u. 1a
Pflanzenschutzmittelverordnung, nicht zu erfüllen braucht, stattdessen aber Unterlagen
und Proben nach § 16c Abs. 2 Satz 2 PflSchG i. V. m. § 1c
Pflanzenschutzmittelverordnung zu übermitteln hat. Dabei handelt es sich aber gerade
nicht um die umfangreichen, kostenaufwendigen Unterlagen aus dem
Zulassungsverfahren, auf die - nach der Formulierung der genannten Richtlinie - die
Mitgliedsstaaten nicht zu Gunsten anderer Antragsteller zurückgreifen dürfen. Der
Gesetzgeber des Pflanzenschutzgesetzes geht für das Verfahren der
Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erkennbar davon aus, dass es bei einer für ein
Pflanzenschutzmittel vorliegenden Zulassung eines EU-Mitgliedsstaats/EWR-
Vertragsstaats und bei Übereinstimmung mit einem in Deutschland zugelassenen
Referenz-Pflanzenschutzmittel der Unterlagen des Zulassungsverfahrens nicht bedarf.
Folglich kommt ein Zugriff auf diese Unterlagen auch nicht in Betracht und braucht § 13
PflSchG im Verfahren nach § 16c PflSchG nicht beachtet zu werden.
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Es besteht zudem auch mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht kein Bedürfnis für eine
Anwendung des § 13 PflSchG im Verfahren nach § 16c PflSchG. Wer als Konkurrent ein
Pflanzenschutzmittel importiert bzw. in Verkehr bringt, nutzt nicht ohne eigenen
Vermögensaufwand vermögenswerte Erkenntnisse aus Unterlagen des Inhabers der
deutschen Zulassung für das Referenzmittel. Denn er hat seinerseits zur Erlangung der
Zulassung für das Pflanzenschutzmittel im EU- Mitgliedsstaat/EWR-Vertragsstaat
Unterlagen von Vermögenswert entsprechend der genannten Richtlinie vorlegen
müssen. Andererseits hat der Inhaber der deutschen Zulassung für das Referenzmittel
entsprechend der zitierten Entscheidung des EuGH ebenfalls die Möglichkeit, im
vereinfachten Verfahren die Verkehrsfähigkeit seines Produkts in dem anderen Staat
unter Hinweis auf die dortige Zulassung eines Pflanzenschutzmittels zu erlangen.
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Die Frage, ob und auf welcher Rechtsgrundlage der Antragstellerin ggf.
Ersatzansprüche gegen die Beigeladene oder die Antragsgegnerin zustehen, berührt
die Schutzwirkung des hier allein maßgeblichen § 16c PflSchG nicht.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Absätze 1 u. 3, 162 Abs. 3 VwGO und §§
47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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