Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.04.2000

OVG NRW: ausnahmebewilligung, genehmigung, auflösende bedingung, chemische industrie, erlass, werk, gesundheit, hauptsache, betriebszeit, konkurrenz

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 A 756/97
Datum:
10.04.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 A 756/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 1 K 4697/96
Tenor:
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt
erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt; insoweit ist das
angefochtene Urteil wirkungslos.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer Ausnahmebewilligung vom Verbot der
Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen nach § 13 Abs. 5 des
Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vom 6. Juni 1994, BGBl. I S. 1170.
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Die Klägerin, die Teil eines weltweit tätigen Unternehmensverbundes der chemischen
Industrie ist, stellt in ihrem Werk in H. -U. unter anderem Kunststofffolien (Polyvinyl-
Butyral-Folien mit den Bezeichnungen Butacite und Butaform) her, die bei der
Erzeugung von Verbundglas für Kraftfahrzeuge verwendet werden. Butacite wird in H. in
einem Schmelzbetrieb hergestellt, in dem auf Grund von § 10 Abs. 1 Nr. 15 ArbZG auch
an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden darf. Für das Erzeugnis Butaform wird als
Vorprodukt eine Folie aus den USA importiert. Diese Folie wird in H. umgeformt. In
diesem Geschäftsbereich wurde an Sonn- und Feiertagen zunächst nicht gearbeitet.
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Der Konzern, dem die Klägerin angehört, betreibt Butaformanlagen in H. und in
Australien. Mit den Produkten Butacite und Butaform beliefert die Klägerin die
europäische Automobilindustrie. Konkurrent ist insoweit die F. M. , die gleiche Produkte
in B. herstellt und auch an Sonn- und Feiertagen produzieren darf.
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Im November 1995 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die Sonn- und
Feiertagsarbeit für die Produktion von Butaform- Folien in ihrem Werk in H. zu
genehmigen. In der Antragsbegründung, bei einer mündlichen Erörterung im Werk in H.
und in nachgereichten weiteren Unterlagen trug die Klägerin im Wesentlichen
Folgendes vor:
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Die durchschnittliche wöchentliche Maschinenlaufzeit in der im Mehrschichtbetrieb
geführten Butaformanlage habe im ersten Quartal 1995 121 Stunden, im zweiten Quartal
127 Stunden und im dritten Quartal 124 Stunden betragen und werde im vierten Quartal
voraussichtlich auf 137 Stunden gesteigert werden. Spätestens im Januar 1996 werde
eine wöchentliche Maschinenlaufzeit von 144 Stunden nicht mehr ausreichen, um die
Aufträge zu erfüllen. Dies werde den Verlust von Kunden und Arbeitsplätzen zur Folge
haben, weil 73 % des Verkaufsvolumens von Butaform sich auf sechs Großkunden
verteile, die an einer Teilerfüllung von Aufträgen nicht interessiert seien. Dieses Produkt
werde bereits jetzt auch von der Tochtergesellschaft in Australien bezogen, um der
hohen Nachfrage gerecht zu werden. Die Bereiche Butaform und Butacite bildeten im
Werk H. eine organisatorische Einheit. Im ersten Quartal 1996 stehe die Entscheidung
der Konzernleitung in den USA über den Bau einer weiteren Butacite-Anlage in Europa
an. Das Werk H. stehe insoweit in einer konzerninternen Wettbewerbssituation mit
Standorten in Spanien und in B. . In beiden Ländern sei die Sonn- und Feiertagsarbeit
erlaubt, auch die Arbeitskosten seien dort niedriger. Bei einer Verweigerung der
Genehmigung sei damit zu rechnen, dass die Muttergesellschaft mittelfristig die gesamte
europäische Produktion von Butacite und Butaform nach B. verlegen werde. Der
bisherige Produktionsablauf sei auch deshalb ungünstig, weil nach jedem
Maschinenstillstand in den ersten drei bis vier Stunden des Neuanlaufs ausschließlich
Abfall produziert werde. Von der geplanten Sonn- und Feiertagsarbeit seien vier
Mitarbeiter je Schicht, insgesamt 16 Personen, betroffen. Es sei vorgesehen, bei
Erteilung der beantragten Genehmigung zwei neue Mitarbeiter einzustellen.
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Der Betriebsrat des Werkes H. -U. der Klägerin, die Bezirksverwaltung Nordrhein-
Westfalen der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik und der Westfälische
Arbeitgeberverband für die chemische Industrie Sitz Bochum e.V. unterstützten durch
entsprechende Stellungnahmen den Antrag der Klägerin.
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Mit Bescheid vom 6. Mai 1996 erteilte die Beklagte der Klägerin auf Grund des § 13 Abs.
5 ArbZG die Genehmigung, abweichend von § 9 ArbZG an allen Sonn- und Feiertagen
mit Ausnahme der so genannten hohen Feiertage, also des Ostersonntags, des
Ostermontags, des 1. Mai, des Pfingstsonntags, des Pfingstmontags, des 1. und 2.
Weihnachtsfeiertags und des Neujahrstags, insgesamt bis zu vier über 18 Jahre alte
Arbeitnehmer/innen je Schicht in dem Produktionsbereich Butaform zu beschäftigten.
Diese Genehmigung war mit der Bedingung verbunden, bis zum 30. April 1998 in dem
Bereich Butaform/Butacite keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen und
keine sozial nicht abgesicherten Arbeitsplätze zu schaffen.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 31. Mai 1996 insoweit
Widerspruch, als ihr nicht an allen Sonn- und Feiertagen die Beschäftigung von
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Arbeitnehmern bewilligt und die Genehmigung mit der auflösenden Bedingung
versehen worden war, dass bis zum 30. April 1998 keine betriebsbedingten
Kündigungen in dem Bereich Butaform/Butacite ausgesprochen werden. Zur
Begründung trug sie im Wesentlichen Folgendes vor:
Es sei mit § 13 Abs. 5 ArbZG nicht vereinbar, die Voraussetzungen für eine
Ausnahmebewilligung anzunehmen, von ihr jedoch bestimmte Feiertage auszunehmen.
Dieses Vorgehen entspreche zwar einem Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit
und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1994. Dieser Erlass sei mit
dem eindeutigen Gesetzeswortlaut jedoch nicht zu vereinbaren. Unabhängig hiervon sei
ihre, der Klägerin, Konkurrenzfähigkeit erheblich beeinträchtigt, wenn sie die Sonn- und
Feiertagsarbeit nicht uneingeschränkt einführen könne. Die Bedingung, keine
betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, sei ebenfalls rechtswidrig. Eine
derartige Nebenbestimmung sei im vorliegenden Fall nur zulässig, wenn sie sicher
stellen solle, dass die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt würden. Die
Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 ArbZG könnten jedoch auch dann weiterhin gegeben
sein, wenn es zu einer betriebsbedingten Kündigung komme.
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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1996,
zugestellt am 2. August 1996, mit folgender Begründung zurück:
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Die so genannten hohen Feiertage könnten wegen ihrer Bedeutung von der fraglichen
Ausnahmebewilligung ausgenommen werden. Die in § 1 ArbZG normierten Ziele,
nämlich die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der
Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten, Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten
zu verbessern und den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der
Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen, stünden
gleichrangig nebeneinander. Es entspreche daher Sinn und Zweck des Gesetzes, die
Sonn- und Feiertagsarbeit auf ein Minimum zu beschränken. Hierfür spreche auch die
verfassungsrechtliche Garantie der Sonn- und Feiertagsruhe in Art. 140 des
Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung. Das
Verbot der Arbeit an den so genannten hohen Feiertagen beruhe auch auf den weiterhin
gültigen Verordnungen über Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung von
Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Eisen- und Stahlindustrie sowie in der
Papierindustrie vom 31. Juli 1968 bzw. 20. Juli 1963. Nach diesen Vorschriften seien
die genannten Feiertage beschäftigungsfrei zu halten. Damit habe der
Verordnungsgeber die besondere Bedeutung dieser Feiertage zum Ausdruck gebracht.
Der Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 23. Juni 1994
beruhe letztlich auf diesen Verordnungen. Im vorliegenden Fall habe die Prüfung
ergeben, dass durch den Ausschluss der so genannten hohen Feiertage der Zweck der
Vorschrift des § 13 Abs. 5 ArbZG nicht unterlaufen werde. Es sei nicht davon
auszugehen, dass die Wettbewerbsfähigkeit dermaßen eingeschränkt werde, dass
Arbeitsplätze gefährdet sein könnten, nur weil acht Feiertage nicht zu
Produktionszwecken genutzt werden könnten. Das als Bedingung ausgestaltete Verbot
betriebsbedingter Kündigungen finde seinen Grund in dem Gesetzeszweck, die
Beschäftigung zu sichern.
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Mit der am 30. August 1996 entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des
Widerspruchsbescheids beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erhobenen und von
dort an das Verwaltungsgericht Arnsberg verwiesenen Klage hat die Klägerin ihr
Begehren weiter verfolgt und zur Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens vorgetragen:
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Die wöchentliche Maschinenlaufzeit in dem Produktionsbereich Butaform betrage seit
Juli 1996 149 Stunden. Die Ausklammerung der so genannten hohen Feiertage aus der
Ausnahmebewilligung und die damit verbundene Verringerung der jährlichen
Produktionstage von 365 auf 357 habe zur Folge, dass 2,2 % der Produktionskapazität
in einem ständig wachsenden Marktsegment nicht genutzt werden könnten. Dies stelle
einen erheblichen Standortnachteil gegenüber dem Wettbewerber dar und entspreche
einem durchschnittlichen jährlichen Umsatzverlust von etwa 1 Million DM. Der Konzern
habe sich bislang noch nicht endgültig auf einen bestimmten Standort für die geplante
neue Butacite- Produktionsanlage in Europa festgelegt. Die Einführung des
Vierschichtbetriebs im Produktionsbereich Butaform in H. - U. habe zur Neueinstellung
eines Mitarbeiters und zur betriebsinternen Umsetzung dreier weiterer Personen geführt.
Betriebsbedingte Kündigungen habe es in diesem Bereich bislang nicht gegeben.
14
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte unter entsprechender Änderung ihres Bescheids vom 6. Mai 1996 und des
Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 1996 zu verpflichten, ihr die Ausnahmebewilligung
nach § 13 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetzes für die Beschäftigung von insgesamt bis zu
vier über 18 Jahre alten Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen je Schicht in dem
Produktionsbereich "Butaform" in dem Werk H. -U. auch für die in den Bescheiden
genannten so genannten hohen Feiertage und ohne die auflösende Bedingung
betriebsbedingter Kündigungen zu erteilen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie auf ihren Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1996 verwiesen
und ergänzend Folgendes ausgeführt:
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Sie habe die Ausnahmebewilligung für den Bereich Butaform erteilt, um die
Arbeitsplätze in diesem Produktionsbereich zu sichern und die Investitionen zu fördern,
die in dem eng hiermit verknüpften Butacite-Bereich in Aussicht gestellt worden seien.
Damit diene die Ausnahmebewilligung insgesamt der Sicherung bzw. Schaffung von
Arbeitsplätzen. Mit der Zielsetzung des § 13 Abs. 5 ArbZG sei eine
Ausnahmebewilligung nicht vereinbar, die unmittelbar betriebsbedingte Kündigungen
nach sich ziehe. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass die Bewilligung zwingend für
alle Sonn- und Feiertage zu erteilen sei. Es sei vielmehr zulässig, die hohen Feiertage
wegen ihrer besonderen Bedeutung von der Bewilligung auszunehmen, solange dies
Sinn und Zweck des § 13 Abs. 5 ArbZG nicht zuwiderlaufe.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben.
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Gegen das ihr am 11. Januar 1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Februar
1997 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie auf ihre Klageerwiderung vom 13.
September 1996 und den Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1994 verweist.
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Die Beklagte hat zunächst beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Nachdem die Beteiligten das Verfahren insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt
haben, als die durch Zeitablauf erledigte Bedingung, bis zum 30. April 1998 keine
betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, angefochten war,
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beantragt sie,
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das angefochtene Urteil, soweit es in der Hauptsache nicht erledigt ist, zu ändern und
die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt sie Folgendes aus:
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Der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei uneingeschränkt zuzustimmen. Das
Verwaltungsgericht habe zu Recht erklärt, dass sich die Beklagte nicht auf den Erlass
des Ministeriums berufen könne, weil es sich dabei nicht um eine Rechtsnorm handele.
Die Vorschrift des § 13 Abs. 5 ArbZG sehe die Einschränkung, an bestimmten Sonn-
und Feiertagen nicht produzieren zu dürfen, nicht vor. Demgemäß könne der unterhalb
des Gesetzes angesiedelte Erlass sich nicht gegen das Gesetz stellen. Außerdem weist
die Klägerin darauf hin, dass Behörden außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen die
Genehmigung nach § 13 Abs. 5 ArbZG für alle Sonn- und Feiertage erteilten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt
erklärt haben, ist es einzustellen und das angefochtene Urteil für wirkungslos zu
erklären. Im Übrigen ist die zulässige Berufung nicht begründet. Das Verwaltungsgericht
hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, der Klägerin die Beschäftigung von
Arbeitnehmern an allen Sonn- und Feiertagen zu bewilligen; denn die Ablehnung des
Antrags der Klägerin hinsichtlich der acht so genannten hohen Feiertage ist rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Gemäß § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen
nicht beschäftigt werden. Nach § 13 Abs. 5 ArbZG hat die Aufsichtsbehörde jedoch
abweichend von § 9 dieses Gesetzes die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn-
und Feiertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich
zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland
die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von
Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann. Es handelt sich
somit um eine gesetzliche Regelung der Berufsausübung im Sinne von Art. 12 Abs. 1
Satz 2 GG in Form eines repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt.
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Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 ArbZG für die Bewilligung der Beschäftigung von
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Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen liegen hier vor. Die Klägerin nutzt die
gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten weitgehend aus; denn die
gesetzlich höchstzulässige Betriebszeit von 144 Stunden wird ausgeschöpft.
Vgl. hierzu Schliemann in Stahlhacke/Leinemann, GewO, arbeitsrechtlicher Teil, § 13
ArbZG, Rdnr. 68, Neumann/Biebl, ArbZG, § 13 Rdnr. 19; Zmarzlik/Anzinger, Kommentar
zum ArbZG, 1995, § 13 Rdnr. 110; Baeck/Deutsch, ArbZG, Komm. 1999, § 13 Rdnr. 71;
Kraegeloh, ArbZG, kommentierte Ausgabe 1995, § 13 Rdnr. 5; Schmatz/Nöthlichs,
Sicherheitstechnik, Bd. IX, Nr. 15090 Arbeitsrecht, § 13 ArbZG Nr. 5; Buschmann/Ulber,
ArbZG, Basiskommentar mit Nebengesetzen, 2. Aufl. 1999, § 13 Rdnr. 25; Erasmy, NZA
1995, 97 (101).
37
Weiter wird die Konkurrenzfähigkeit des Betriebs der Klägerin bei längeren
Betriebszeiten im Ausland unzumutbar beeinträchtigt. Der Konkurrent der Klägerin im
Bereich der Butaformproduktion, die F. M. in B. , kann an allen Sonn- und Feiertagen
produzieren, sodass die wöchentliche Betriebszeit 168 (7 x 24) Stunden beträgt und
damit die der Klägerin übersteigt. Ebenso wie das Verwaltungsgericht ist auch der
Senat der Überzeugung, dass die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin gegenüber dieser
Konkurrentin unzumutbar beeinträchtigt wird. Dass überhaupt eine Beeinträchtigung der
Konkurrenzfähigkeit gegeben ist, liegt auf der Hand; denn eine längere Betriebszeit hat
unmittelbar eine bessere Nutzung des in die Produktionsanlage investierten Kapitals zur
Folge. Daneben entfallen Kosten für das An- und Abfahren der Anlage sowie für das
Misslingen von Arbeitsergebnissen wegen Arbeitsunterbrechung an Sonn- und
Feiertagen.
38
Vgl. Schliemann, aaO, Rdnr. 82; Zmarzlik/Anzinger, aaO, Rdnr. 123; Baeck/Deutsch,
aaO, Rdnr. 81.
39
Diese Umstände führen zu höheren Fertigungskosten und beeinträchtigen bereits
dadurch die Konkurrenzfähigkeit.
40
Vgl. Neumann/Biebl, aaO, Rdnr. 20; Baeck/Deutsch, aaO, Rdnr. 81.
41
Die Beeinträchtigung der Konkurrenzfähigkeit der Klägerin ist für diese auch
unzumutbar. Ob eine Unzumutbarkeit erst dann gegeben ist, wenn die Beeinträchtigung
der Konkurrenzfähigkeit auf längere Sicht zu einem Verlust von Marktanteilen und damit
letztlich zu einer Gefährdung des Betriebes und damit von Arbeitsplätzen führen kann,
42
so Neumann/Biebl, aaO, Rdnr. 20; ähnlich Buschmann/Ulber, aaO, Rdnr. 28; vgl. auch
Nr. 1.4.1 des von den Bundesländern beschlossenen Kriterienkatalogs für
Entscheidungen nach § 13 Abs. 5 ArbZG, abgedruckt bei Schliemann, aaO, Rdnr. 64,
43
oder ob sie bereits dann vorliegt, wenn sich die betriebliche Situation in Folge der
Minderung von Absatzchancen auf absehbare Zeit deutlich verschlechtert
44
vgl. Baeck/Deutsch, aaO, Rdnr. 83; Schliemann, aaO, Rdnr. 85,
45
und der antragstellende Betrieb durch die Beeinträchtigung Gefahr läuft, entscheidende
Marktanteile und damit auf Dauer Arbeitsplätze zu verlieren, ohne dass eine Gefährdung
der Existenz des Betriebs gegeben ist,
46
so Zmarzlik/Anzinger, aaO, Rdnr. 129;
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kann hier dahinstehen. Denn der Produktionszweig Butacite/Butaform der Klägerin wäre
in seiner Existenz gefährdet, wenn die Klägerin nicht an allen Sonn- und Feiertagen in
diesem Bereich arbeiten lassen dürfte.
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Die Konkurrentin der Klägerin, die F. M. in B. , kann wegen der dort möglichen längeren
wöchentlichen Betriebszeiten und des dort vorhandenen niedrigeren Lohnniveaus
kostengünstiger produzieren als die Klägerin und das Produkt daher auch zu einem
niedrigeren Preis anbieten als diese, was dazu führen wird, dass die Autohersteller
bevorzugt bei der F. M. einkaufen werden und die Klägerin Marktanteile an diese
verlieren wird. In Anbetracht des Umstandes, dass sowohl die Klägerin als auch die F.
M. auf identischen Anlagen, die vom selben Hersteller stammen, produzieren, kann die
Klägerin den Kostennachteil auch nicht dadurch ausgleichen, dass sie effektivere
Produktionsmethoden anwendet. Weiter ist nicht auszuschließen, dass der Verlust von
Marktanteilen dazu führen wird, dass die Klägerin ihre Anlagen nicht mehr voll
auslasten kann, damit noch teurer produziert und letztlich der Betriebszweig der
Butaformproduktion insgesamt gefährdet ist mit der Folge, dass Arbeitsplätze wegfallen.
Damit ist aber auch die letzte in § 13 Abs. 5 ArbZG genannte Voraussetzung, nämlich
die Möglichkeit der Sicherung der Beschäftigung, gegeben. Abgesehen davon wird die
Beschäftigung auch dann im Sinne von § 13 ArbZG gesichert, wenn neue Arbeitsplätze
geschaffen werden,
49
vgl. Baeck/Deutsch, aaO, Rdnr. 86; Neumann/Biebl, aaO, Rdnr. 20; Zmarzlik/Anzinger,
aaO, Rdnr. 133, Schliemann, aaO, Rdnr. 89,
50
was die Klägerin durch Schaffung eines weiteren Arbeitsplatzes getan hat.
51
Liegen aber alle Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 ArbZG vor, hat die Beklagte
abweichend von § 9 ArbZG die Beschäftigung von Arbeitnehmern an allen Sonn- und
Feiertagen zu bewilligen.
52
Denn entgegen der Regelung im Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und
Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1994, wonach die "hohen"
Feiertage generell von der Bewilligung nach § 13 Abs. 5 ArbZG auszunehmen sind -
darauf stützt sich letztlich die angefochtene Entscheidung der Beklagten - ergeben sich
aus dem Wortlaut des Gesetzes keine Anhaltspunkte, zwischen solchen Feiertagen und
"normalen" Sonn- und Feiertagen zu unterscheiden
53
So auch Schliemann, aaO., Rdnr. 88; Baeck/Deutsch, aaO., Rdnr. 90.
54
§ 13 Abs. 5 ArbZG nimmt ausdrücklich Bezug auf § 9 des Gesetzes, der in Absatz 1 ein
Beschäftigungsverbot an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen, also ausnahmslos an
allen diesen Tagen, ausspricht, so dass davon auszugehen ist, in § 13 Abs. 5 ArbZG
seien als der Kehrseite dieses generellen Verbots unter "Sonn- und Feiertagen"
ebenfalls alle diese Tage gemeint.
55
Anderer Ansicht Zmarzlik/Anzinger, aaO., Rdnr. 140 unter Hinweis auf die "besondere
Bedeutung" der "hohen" Feiertage.
56
Die Bewilligung nach § 13 Abs. 5 ArbZG ist somit bei Vorliegen der gesetzlichen
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Voraussetzungen dem Grunde nach auf alle Sonn- und Feiertage zu erstrecken
So wohl Schiefer, DB 1997, 581.
58
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte für ihre abweichende Ansicht auf den Zweck des
Arbeitsschutzgesetzes, auch den Schutz der verfassungsrechtlich abgesicherten Sonn-
und Feiertagsruhe zu gewährleisten (vgl. § 1 Nr. 2 ArbZG). Denn dieser Zweck wird
durch die Vorschriften über die Sonn- und Feiertagsruhe im dritten Abschnitt des
Gesetzes (§§ 9 ff.) erfüllt, lässt jedoch gerade Ausnahmen vom Verbot der
Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen, u.a. in § 13 Abs. 5 ArbZG, ausdrücklich zu.
Dementsprechend ist auch, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat,
den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 12/5888, SS. 9, 31, 44 und 54 sowie 12/6990,
S. 41) bei der Anwendung des § 13 Abs. 5 ArbZG keine Differenzierung nach
bestimmten Feiertagen, erst recht nicht im Sinne eines von vornherein bestehenden
Ausschlusses bestimmter Tage, zu entnehmen. Dies kann entgegen der Ansicht der
Beklagten auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Verordnungen über
Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen
in der Eisen- und Stahlindustrie in der Fassung vom 31. Juli 1968, BGBl. I S. 886, bzw.
in der Papierindustrie vom 20. Juli 1963, BGBl. I S. 491, eine Ausnahme vom
Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen nicht für die "hohen" Feiertage
zulassen, wobei allerdings die Verordnung betreffend die Papierindustrie den 1. Januar
nicht einbezieht. Im Gegenteil folgt daraus, dass diese Verordnungen durch Art. 13 bzw.
14 des Arbeitszeitrechtsgesetzes geändert worden sind, der Gesetzgeber des
Arbeitszeitgesetzes, das durch Art. 1 des Arbeitszeitrechtsgesetzes eingeführt worden
ist, aber in Kenntnis dieser Regelungen davon abgesehen hat, eine entsprechende
Sonderregelung für die "hohen" Feiertage zu treffen, dass sich die
Ausnahmebewilligung nach § 13 Abs. 5 ArbZG dem Grunde nach auf alle Sonn- und
Feiertage zu erstrecken hat.
59
Schließlich folgt auch aus dem Gesetzeszweck, dass die Ausnahmebewilligung nach §
13 Abs. 5 ArbZG nicht von vornherein die "hohen" Feiertage ausnehmen darf. Dieser
Zweck besteht nämlich darin, durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit
eine unzumutbare Beeinträchtigung der Konkurrenzfähigkeit des Inlandsbetriebs mit der
Folge der Sicherung der Beschäftigung zu beseitigen. Ob in Fällen, in denen dieser
Zweck auch bei Herausnahme bestimmter Sonn- und Feiertage von der Bewilligung
erreicht werden könnte, etwa weil bereits eine teilweise Bewilligung die unzumutbare
Beeinträchtigung der Konkurrenzfähigkeit beseitigen würde oder die im Ausland
ansässige Konkurrenz nicht an allen Sonn- und Feiertagen produzieren darf, und ob
dann vorrangig die "hohen" Feiertage von der Bewilligung ausgenommen werden
dürften,
60
vgl. dazu Baeck/Deutsch, aaO., Rdnr. 90,
61
kann offen bleiben. Denn die betriebliche Situation der Klägerin ist im maßgeblichen
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung dadurch geprägt, dass sie aus
Konkurrenzgründen gezwungen ist, eingehende Aufträge je nach deren Umfang
innerhalb von zwei bzw. vier Wochen auszuführen, aber in der Regel erst nach
Auftragseingang das Vorprodukt für Butaform bei der Muttergesellschaft in den USA
bestellen kann, so dass sich der für das Anfertigen zur Verfügung stehende Zeitraum
noch durch die Lieferzeit dieses Vorprodukts verringert. Demgemäß ist die Klägerin für
die fristgerechte Ausführung der Aufträge auf die Erlaubnis zur Arbeit an Sonn- und
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Feiertagen - und zwar ohne Rücksicht auf deren Charakter als "hohe" oder "normale"
Feiertage - angewiesen. Selbst wenn die Klägerin nicht an allen Feiertagen arbeiten
lassen muss, damit ihre Konkurrenzfähigkeit nicht unzumutbar beeinträchtigt wird, muss
sie doch die Möglichkeit haben, auch an den so genannten hohen Feiertagen zu
produzieren, um nicht Aufträge an die Konkurrenz in B. zu verlieren; denn die nicht
fristgerechte Ausführung von Aufträgen dürfte genau dazu führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht
billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, die
Kosten auch insoweit der Beklagten aufzuerlegen, als sie hinsichtlich des erledigten
Verfahrensteils anfallen; denn auch insoweit hätte die Berufung keinen Erfolg gehabt.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Bedingung, bis
zum 30. April 1998 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, nicht durch §
36 Abs. 1 VwVfG NRW gedeckt war, weil sie weder durch Rechtsvorschriften
zugelassen war noch sicher stellen sollte, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des
Verwaltungsakts erfüllt werden. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 14/15
des Urteilsabdrucks)
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diesen zustimmend Schliemann, aaO, Rdnr. 98; Schiefer, aaO, S. 581; ohne
Begründung Baeck/Deutsch, aaO, Rdnr. 91; a.A. ohne Begründung Buschmann/Ulber,
aaO, Rdnr. 33
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wird Bezug genommen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr.
10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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