Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.03.2004

OVG NRW: aufschiebende wirkung, treu und glauben, treppe, verzicht, zugang, nachbar, gebäude, vergleich, terrasse, einverständnis

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 B 2430/03
Datum:
30.03.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 B 2430/03
Tenor:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. November 2003 wird mit
Ausnahme der Streit¬wertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom
18. September 2003 gegen die dem Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung vom 4. September 2003 (Errichtung einer
Außentreppe mit Podest) wird angeordnet.
Der Antragsgegner und der Beigeladene tragen die Kosten des
Verfahrens in beiden Instanzen je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfah¬ren auf 2.500,00
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
2
Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist begründet.
3
Entgegen der mit der Beschwerdebegründung gerügten Ansicht des
Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin mit Einwendungen gegen die dem
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 4. September 2003 nicht ausgeschlossen.
In dem außergerichtlichen Vergleich mit dem Beigeladenen vom 5. Dezember 2001 hat
sie sich nicht generell mit einer (Stahl-)Treppe als gesondertem Zugang zum 2.
Obergeschoss des Gebäudes des Beigeladenen einverstanden erklärt. Vielmehr
bezieht sich ihre Erklärung ausdrücklich auf die Baugenehmigung vom 14. Dezember
2000 und die deren Inhalt bestimmenden Bauunterlagen.
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Die Zustimmung eines Nachbarn zu einem Bauvorhaben, die sich beispielsweise aus
der Unterzeichnung der Bauunterlagen durch den Nachbarn ergeben kann, ist als
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Verzicht auf eventuelle Abwehrrechte zu werten.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2002
6
– 7 B 1061/02 -; Beschluss vom 30. August 2000
7
– 10 B 1145/00 -, BRS 63 Nr. 204.
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Ein Nachbar ist grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob er einem Vorhaben
zustimmt oder nicht. Dementsprechend kann er einerseits sein Einverständnis frei
begrenzen, einschränken oder von Bedingungen abhängig machen, andererseits aber
auch relativ pauschal sein Einverständnis mit einer Nachbarbebauung erklären. Die
Frage, wie weit sich ein Einverständnis des Nachbarn mit einem Vorhaben bzw. sein
Verzicht auf ein etwa gegen dieses Vorhaben gerichtetes Abwehrrecht auf seine
nachbarliche Abwehrposition auswirkt, beantwortet sich daher allein nach dem
konkreten, gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt der von ihm zu dem
Nachbarvorhaben abgegebenen Erklärung. Eine Unterschrift unter die das Vorhaben
verdeutlichenden Baupläne stellt dabei regelmäßig die schlüssige Erklärung eines
umfassenden Verzichts auf nachbarliche Einwendungen gegenüber dem in diesen
Bauzeichnungen konkretisierten Vorhaben dar.
9
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2000
10
– 10 B 1145/00 -, BRS 63 Nr. 204.
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Gleiches gilt für einen nach Erteilung der Baugenehmigung erklärten Verzicht auf
Abwehrrechte gegen ein konkretes, in der Baugenehmigung bestimmtes Vorhaben. In
einen solchen Verzicht kann nicht ohne weiteres hinein gelesen werden, die Erklärung
erstrecke sich auch auf (spätere) Nachbarrechtsverletzungen durch ein abweichendes
Vorhaben oder durch abweichend genehmigte Teile des ursprünglichen Vorhabens.
Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn sich das spätere Vorhaben oder dessen
teilweise geänderte Bauausführung objektiv als weniger beeinträchtigend herausstellen
sollte als dasjenige, mit dem sich der Nachbar einverstanden erklärt hatte. Wenn ein
Vorhaben Nachbarrechte (möglicherweise) verletzt, kann der Bauherr es entweder auf
eine gegebenenfalls gerichtliche Klärung dieser Frage ankommen lassen oder aber den
Verzicht des Nachbarn, zu dem dieser aus subjektiven Überlegungen heraus inhaltlich
bereit ist, hinnehmen und das Vorhaben, auf das sich der Verzicht bezieht,
verwirklichen. Dabei ist der Nachbar rechtlich grundsätzlich nicht gehindert, eine
bestimmte Beeinträchtigung hinzunehmen, ohne auf Abwehrrechte gegen eine objektiv
geringere Beeinträchtigung zu verzichten. Er kann sogar ein eigenes (subjektives)
Interesse daran haben, gerade die konkrete Beeinträchtigung, nicht aber eine
möglicherweise (objektiv) geringere hinzunehmen. Dies leuchtet unmittelbar ein, wenn
der Nachbar beispielsweise auf Abwehrrechte gegen eine geschlossene Einfriedung an
der Grenze mit einer Höhe von 3 m (vgl. § 6 Abs. 11 Nr. 2 BauO NRW) verzichtet, aber
mit einer nur knapp über 2 m hohen Mauer nicht einverstanden ist, weil er z.B. selber
Interesse an einer höheren Abschirmung zum Baugrundstück hat. Es gibt keinen
rechtlichen Grundsatz, dass ein Verzicht auf ein Abwehrrecht gegen ein konkretes
Bauvorhaben generell auch für alle (nach Ansicht des Bauherrn und der
Genehmigungsbehörde) objektiv weniger belastende Vorhaben gilt.
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Nach diesen Maßgaben kann der vorliegende – nachträgliche – Verzicht der
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Antragstellerin auf eventuelle Abwehrrechte in dem außergerichtlichen Vergleich mit
dem Beigeladenen vom 5. Dezember 2001 nur dahin ausgelegt werden, dass sie sich –
soweit der äußere Zugang zu der oberen Wohnung des Beigeladenen betroffen ist –
ausschließlich mit der in der Baugenehmigung vom 14. Dezember 2000 konkret
genehmigten Wendeltreppe einverstanden erklärt hat. Dies ergibt sich bereits aus der
eindeutigen Bezugnahme in dem genannten Vergleich auf diese Baugenehmigung, den
hiergegen eingelegten Widerspruch und das Eilrechtsschutzverfahren 3 L 413/01 (VG
Aachen). Dieser Widerspruch, zu dessen Rücknahme sich die Antragstellerin in dem
Vergleich verpflichtet hatte, und das einstweilige Rechtsschutzverfahren richteten sich
(nur) gegen das mit der Baugenehmigung zugelassene Vorhaben. Bezogen auf den
Zugang zu dem Bauvorhaben hat sich die Antragstellerin mithin mit der Errichtung der
Wendeltreppe quasi "in der Ecke des Hofes" des Beigeladenen einverstanden erklärt.
Es sind keine Anhaltspunkt dafür ersichtlich oder vorgetragen, die Antragstellerin habe
darüber hinaus auch auf mögliche Abwehrrechte gegen (mehr als geringfügig)
abweichende Vorhaben verzichten wollen. Gegenstand der Baugenehmigung vom 4.
September 2003 ist auch keine geringfügige, möglicherweise unbeachtliche
Abweichung in diesem Sinne. Unter anderem weist die genehmigte Treppe erheblich
andere Maße und Ausdehnungen auf als die Wendeltreppe und wird zudem teilweise
an dem Gebäude der Antragstellerin entlang geführt. Auf den sinngemäßen Vortrag der
Antragstellerin, sie habe sich mit der Wendeltreppe einverstanden erklärt, weil sie
angenommen habe, diese werde auch in Zukunft nicht der einzige Zugang zu der
oberen Wohnung im Gebäude des Beigeladenen bleiben, kommt es nicht einmal an, so
dass die Relevanz dieses Vorbringens dahin stehen kann.
Das Verwaltungsgericht wollte mit den Ausführungen, die Antragstellerin sei mit
Einwendungen gegen die nunmehr genehmigte Treppe ausgeschlossen,
möglicherweise darauf abstellen, die Antragstellerin könne sich jedenfalls unter dem
Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht auf den geltend gemachten Verstoß gegen
Abstandsflächenvorschriften berufen, weil die nunmehr genehmigte Treppe sie
offensichtlich geringer in eigenen Rechten verletze als es die Wendeltreppe getan hätte.
Diese Ansicht trifft jedenfalls in der Sache nicht zu. Eine Verwirkung
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- vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4/89 -, BRS 52 Nr. 218;
OVG NRW, Urteil vom 9. April 1992 – 7 A 1521/90 -, BRS 54 Nr. 201 –
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scheidet ohnehin aus, da die Antragstellerin sich bereits vor Erteilung der
angefochtenen Baugenehmigung gegen die nunmehr zugelassene Außentreppe
gewandt hatte. Es kann auch keine Rede davon sein, dass die nunmehr genehmigte
Außentreppe die Antragstellerin in geringerem Umfang in öffentlich-rechtlichen
Nachbarrechten beeinträchtigt als die Wendeltreppe.
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Die Wendeltreppe sollte nicht, wie das Verwaltungsgericht, die Antragstellerin und der
Beigeladene annehmen, einen Abstand von 0,24 m zur Grundstücksgrenze der
Antragstellerin aufweisen. Diese Maßangabe in den Grundrissen (Blatt 49 bis 52 der
Beiakte 1) bezieht sich auf die Dicke der zur Nachbargrenze ausgerichteten
Außenwand des Wohnhauses des Beigeladenen. Nach den genannten Grundrissen
beträgt der Abstand (des gedachten Kreises um die Treppe, jeweils abgegriffen und
gerundet) im Erdgeschoss 0,10 m und im 2. Obergeschoss sowie im Dachgeschoss je
0,05 m. Der Grundriss des 1. Obergeschosses stellt die Treppe sogar grenzständig dar.
Die Westansicht zeigt eine Treppe, deren Stufen im Erdgeschossbereich teilweise bis
an das Nachbargebäude heranreichen, weitestgehend jedoch einen Abstand von ca.
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0,80 m einhalten. Nach den Bauunterlagen mündet die Treppe in einer Entfernung von
ca. 0,90 m zur Nachbargrenze in den Zugang zur "Terrasse" im 2. Obergeschoss. Die
Wendeltreppe weist einen Gesamtdurchmesser von ca. 1,80 m auf und tritt im
entferntesten Punkt bis etwa 2,10 m vor die rückwärtige Außenwand des Gebäudes des
Beigeladenen im Erd- und 1. Obergeschoss (im 2. Obergeschoss ca. 1,90 m hinter die
Brüstung der "Terrasse"). Nach den Maßangaben im Erdgeschossgrundriss soll der
Mittelpunkt der Wendeltreppe 0,90 m von der Nachbargrenze entfernt errichtet werden.
Ausgehend von diesen Maßen dürfte die Baugenehmigung vom 14. Dezember 2000
dahin auszulegen sein, dass die Wendeltreppe grenzständig genehmigt ist. Damit dürfte
sie gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW mit den Abstandsflächenvorschriften im
Einklang stehen. Zur Klarstellung sei angemerkt, dass sich der Verzicht der
Antragstellerin auf mögliche Abwehrrechte auch auf eine nur grenznahe Errichtung der
Wendeltreppe erstrecken dürfte.
Die nunmehr genehmigte Außentreppe weist erheblich größere Maße auf und erlaubt
darüber hinaus eine Einsicht auf das Grundstück der Antragstellerin, die in diesem
Umfang mit der ursprünglich vorgesehenen Wendeltreppe nicht verbunden wäre.
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Die jetzt genehmigte Treppe – soweit sie parallel zur Grundstücksgrenze verläuft - hält
durchgängig einen Abstand von 0,40 m ein. Der Zugang zur "Terrasse" befindet sich ca.
0,40 m von der Nachbargrenze entfernt. Die Treppe tritt maximal 2,90 m vor die
Brüstung im 2. Obergeschoss und 3,15 m vor die rückwärtige Außenwand im Erd- und 1.
Geschoss. Dabei soll in dieser Entfernung, 0,40 m von der Nachbargrenze entfernt und
in einer Höhe von ca. 3,20 m über Grund ein 0,90 x 0,90 m großes Podest errichtet
werden, von dem aus – wie die Antragstellerin unwidersprochen vorträgt – über das
rückwärtige Gebäude des Beigeladenen ihr Hof eingesehen werden kann. Obwohl,
worauf der Beigeladene in dem Verfahren 3 L 413/01 (VG Aachen) zu Recht
hingewiesen hatte, die Einsehbarkeit in ein Nachbargrundstück alleine keine
Nachbarrechte verletzt, zeigt dieser Umstand dennoch auf, dass der durch die
Abstandflächenvorschriften auch geschützte Belang des hinreichenden Sozialabstands
durch die nunmehr genehmigte Treppe (erstmals oder stärker als bei Errichtung der
Wendeltreppe) berührt wird.
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Kann nach alledem die erstinstanzliche Entscheidung mit der von dem
Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Begründung nicht bestätigt werden, ist das
Antragsbegehren umfassend zu prüfen.
20
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. März 2002
21
– 7 B 315/02 -, BRS 65 Nr. 87.
22
Die nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt
zugunsten der Antragstellerin aus. Die Baugenehmigung vom 4. September 2003
verstößt offensichtlich gegen die nachbarschützenden Abstandflächenvorschriften des §
6 BauO NRW. Die Antragstellerin kann sich aus den oben dargelegten Gründen hierauf
auch berufen.
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Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW sind vor Außenwänden von Gebäuden
Abstandflächen freizuhalten. Bauteile und Vorbauten, die nicht privilegiert im Sinne von
§ 6 Abs. 7 BauO NRW sind, sind als Bestandteile des Gebäudes den für Außenwände
geltenden Regelungen über die durch sie ausgelösten Abstandflächen unterworfen.
24
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Dezember 1998
25
– 7 A 2822/96 -; Beschluss vom 19. Januar 1999
26
– 10 B 1/99 -, JURIS-Dokumentation.
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Wegen der Maße der Außentreppe bedarf es keiner Erörterung, ob es sich um eine
Hauseingangstreppe im Sinne des § 6 Abs. 7 BauO NRW handelt. Sie tritt jedenfalls
mehr als 1,50 m vor die hofseitige Außenwand des Gebäudes des Beigeladenen.
Demzufolge muss die Treppe als Teil des Gebäudes grundsätzlich eine Abstandfläche
wahren, vorliegend eine Mindestabstandsfläche von 3 m zur Nachbargrenze, § 6 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2, Abs. 5 Satz 5 BauO NRW. Eine Abstandfläche ist nur dann nicht
einzuhalten, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a) oder b)
oder Satz 3 BauO NRW vorliegen. Neben weiteren Voraussetzungen ist hiernach
erforderlich, dass "ohne Grenzabstand" gebaut wird. Dieses Merkmal erfüllt die
genehmigte Außentreppe nicht. Sie soll nicht ohne, sondern mit einem Grenzabstand
von 0,40 m errichtet werden. Ob eine vergleichbare Außentreppe grenzständig entlang
dem Gebäude der Antragstellerin errichtet werden dürfte, ist in diesem Verfahren nicht
zu entscheiden.
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Der Beigeladene macht geltend, die Antragstellerin werde deshalb nicht durch die
Außentreppe in eigenen Rechten verletzt, weil die Belichtungs- und Belüftungssituation
des Grundstücks der Antragstellerin nicht nachteilig verändert werde. Damit soll
möglicherweise zum Ausdruck gebracht werden, der Abstandflächenverstoß führe zu
keiner tatsächlichen oder nennenswerten Beeinträchtigung der Antragstellerin.
Abgesehen davon, dass der durch die Abstandflächenvorschriften geschützte Belang
des hinreichenden Sozialabstands – wie oben dargelegt - vorliegend betroffen ist, kann
dem Abwehrrecht der Antragstellerin hiermit nicht begegnet werden.
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Jeder Baukörper in Grenznähe, auch wenn er die Abstandflächen wahrt, stellt eine
Beeinträchtigung des Nachbarn dar. Ein Abwehrrecht gegen diese Beeinträchtigung
wird dem Nachbarn aber erst dann eingeräumt, wenn die gesetzlich vorgesehenen
Abstandflächen unterschritten werden. Die Beeinträchtigung des Nachbarn ist
unbeschadet des Vor- und Zurückspringens vor oder hinter das maßgebliche
Abstandsmaß annähernd gleich groß. Allerdings wird sie erst rechtlich "verwertbar",
wenn das Abstandsmaß unterschritten wird. Demzufolge kann einer nicht bedeutsamen
Unterschreitung der Abstandswerte nicht mit dem Argument begegnet werden, diese sei
vom Nachbarn hinzunehmen, weil sie nicht ohne weiteres quantitativ festzulegen und
deshalb de facto nicht beeinträchtigend sei.
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Vgl. ausführlich OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 1994 – 7 A 2002/92 -,
BRS 56 Nr. 196 (Seite 507).
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Verstößt eine Baugenehmigung gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 6 Abs. 1
Satz 1 BauO NRW, verletzt sie den Nachbarn in seinen Rechten, ohne dass zusätzlich
eine tatsächliche Beeinträchtigung festgestellt werden müsste.
32
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 1996 – 10 A 1464/92 -, BRS 58 Nr.
115 (Seite 316).
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Schließlich kommt es für einen Abwehranspruch des Nachbarn wegen Verstoßes
gegen Abstandflächenvorschriften nicht darauf an, ob der Nachbar diesen Verstoß
tatsächlich wahrnehmen kann. Ob die zwei Fenster im Gebäude der Antragstellerin, die
zum Baugrundstück ausgerichtet sind, genehmigt sind oder zumindest Bestandsschutz
genießen, ist hiernach ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der
Abstandflächenverstoß jedenfalls mit Blick auf den Belang "Sozialabstand" für die
Antragstellerin wahrnehmbar ist.
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Verletzt nach alledem die Baugenehmigung vom 4. September 2003 die Antragstellerin
in eigenen Rechten, ist die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung wird auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG gestützt.
37
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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