Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.06.2005

OVG NRW: gewöhnlicher aufenthalt, lebensmittelpunkt, begriff, umzug, haushalt, verordnung, rüge, inbetriebnahme, beendigung, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 4576/02
Datum:
27.06.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 4576/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 26 K 5127/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des
angegriffenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die tragende Begründung
der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung - die Hilfeempfängerin habe mit der
Aufnahme in den Haushalt ihres Sohnes in M. am 24. Mai 1997 einen gewöhnlichen
Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Klägers begründet - wird durch die
Ausführungen in der Zulassungsschrift nicht durchgreifend erschüttert. Der Einwand des
Klägers, die Liste des K. , in die die Hilfeempfängerin eingetragen worden sei, sei keine
"Warteliste", sondern eine "Aufnahmeliste" gewesen, da klar gewesen sei, dass sie mit
Inbetriebnahme der Einrichtung aufgenommen werden sollte, rechtfertigt nicht die
Schlussfolgerung, dass es sich nicht um einen Aufenthalt "bis auf weiteres" im Sinne
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelte. Selbst wenn mit der
Eintragung in eine "Aufnahmeliste" feststand, dass die Hilfeempfängerin dort Aufnahme
finden würde, war der Zeitpunkt der Aufnahme bis zum 25. Juni 1997 ungewiß. Bei einer
solchen Sachlage ist die Annahme, es sei bereits am 24. Mai 1997 ein gewöhnlicher
Aufenthalt begründet worden, keineswegs ausgeschlossen. Das gilt insbesondere vor
dem Hintergrund, dass sich der Umzug der Hilfeempfängerin zu ihrem Sohn nach
Beendigung des Klinikaufenthaltes als alternativlos darstellte. Von einem gewöhnlichen
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Aufenthalt kann auch dann ausgegangen werden, wenn bei einer Aufenthaltsnahme
außerhalb einer Einrichtung eine Heimunterbringung erforderlich ist, aber bis auf
weiteres nicht realisiert werden kann und der Betreffende solange seinen
Lebensmittelpunkt außerhalb der Einrichtung hat.
Vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 2003 - 5 B 211.02 -, juris sowie OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Juni 2000 - 12 A 10423/00 -, FEVS 53, 91 zu einem
ähnlichen Sachverhalt.
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Diese Würdigung führt im Übrigen entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht
dazu, dass dem vom Gesetzgeber bezweckten Schutz der Anstaltsorte nicht
ausreichend Rechnung getragen würde.
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Vgl. hierzu näher OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Juni 2000, a.a.O.
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Dass Lebensmittelpunkt der Hilfeempfängerin seit dem Umzug zu ihrem Sohn nicht
mehr P. , sondern der Wohnort des Sohnes im Zuständigkeitsbereich des Klägers war,
ist vom Verwaltungsgericht der Sache nach mit den Ausführungen zu ihrer
Lebenssituation in M. und zu ihrem Unvermögen, weiter allein in P. zu leben,
hinreichend begründet worden. Die dagegen gerichteten pauschalen Einwände des
Klägers geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
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Bei dieser Sachlage greift die nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO erhobene Rüge
unzureichender Sachaufklärung schon deshalb nicht durch, weil die Entscheidung auch
bei dem vom Kläger im Zulassungsverfahren behaupteten Sachverhalt, den das
Verwaltungsgericht seiner Ansicht nach zu ermitteln versäumt haben soll, nicht anders
zu treffen gewesen wäre.
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Der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, wonach die Berufung zuzulassen
ist, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des
Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht, ist ebenfalls nicht gegeben.
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Hinsichtlich der in der Zulassungsschrift genannten Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1999 fehlt es schon an einer schlüssigen
Darlegung, dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung unter Aufstellung eines
eigenen abstrakten Rechtssatzes von (zumindest) einem der in einer der zitierten
Entscheidungen aufgestellten abstrakten Rechtssätze abgewichen ist. Vielmehr wird
der Sache nach lediglich eine unzutreffende Einzelfallwürdigung durch das
Verwaltungsgericht gerügt. Auf eine etwaige Abweichung von Ausführungen in der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 1973 kommt es schon
deshalb nicht an, weil diese Ausführungen nicht den Begriff des gewöhnlichen
Aufenthalts nach § 97 Abs. 2 BSHG bzw. § 30 SGB I, sondern nach § 28 Abs. 1 der
Verordnung zur Kriegsopferfürsorge in der Fassung von 1965 betreffen und zudem
jedenfalls durch die vorgenannten späteren Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des §
30 SGB I überholt sind.
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Auf eine Abweichung von einer Entscheidung des Bayerischen VGH oder des
Bundessozialgerichts kommt es - wie der Kläger selbst einräumt - für eine Divergenz im
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Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht an.
Ob das Vorbringen des Klägers in der Zulassungsschrift zu solchen Abweichungen
dahin gewertet werden kann, dass der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
bezeichnet werden soll, mag dahinstehen. Jedenfalls hat die Sache im Sinne des
Gesetzes keine grundsätzliche Bedeutung. Die hier maßgeblichen Grundsätze sind
durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1999 und 3.
Juli 2003 geklärt, letztlich geht es nur um deren Anwendung auf den vorliegenden
Einzelfall.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenpflichtigkeit
des Verfahrens ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO in der seit dem 1. Januar 2002
geltenden Fassung. Nach § 194 Abs. 5 VwGO in der Fassung von Art. 1 Nr. 28
RmBereinVpG ist die Gerichtskostenfreiheit für nach Inkrafttreten des Gesetzes
anhängig gemachte Rechtsmittelverfahren entfallen.
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Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 26. April 2004
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- 12 A 2434/02 - sowie BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 2004 - KSt 1/04 - (5 C 54.02),
juris.
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Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14
GKG a.F.
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Mit diesem Beschluss, der nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist, wird das
angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln rechtskräftig (vgl. § 124a Abs. 5 Satz
4 VwGO).
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