Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.04.2003

OVG NRW (antragsteller, fahrzeug, verwaltungsgericht, verfügung, fahrer, zweifel, glaubhaftmachung, wohnung, umstände, benutzung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 B 216/03
Datum:
11.04.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 B 216/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 L 4855/02
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien
Beschwerdeverfahrens jeweils zu gleichen Teilen.
Gründe:
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Die Beschwerde, mit der die Antragsteller den erstinstanzlich gestellten Antrag
weiterverfolgen, ist nicht begründet. Die Darlegungen in der Beschwerdebegründung,
die zugleich den gerichtlichen Prüfungsumfang gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO
bestimmen, vermögen die angegriffene Entscheidung im Ergebnis nicht zu erschüttern.
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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann eine die abschließende Sachentscheidung
vorwegnehmende einstweilige Anordnung auf Gewährung von Sozialhilfe nur ergehen,
wenn der jeweilige Antragsteller glaubhaft macht, dass der geltend gemachte
Hilfeanspruch besteht (Anordnungsanspruch) und dass es im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung - im Beschwerdeverfahren der Beschwerdeentscheidung -
aus den in § 123 Abs. 1 VwGO aufgeführten besonderen Gründen notwendig ist, dem
Begehren sofort zu entsprechen (Anordnungsgrund). Das Verwaltungsgericht hat den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen fehlender Glaubhaftmachung
eines Anordnungsanspruchs abgelehnt, und zwar im Hinblick auf Zweifel an der
Hilfebedürftigkeit der Antragsteller, die sich daraus ergeben, dass die Antragsteller zu 1.
und 2. am 21. November 2002 von der Polizei beim Führen eines mit
Sperrmüllgegenständen beladenen LKW angetroffen worden sind, ohne die Situation in
zureichender Weise plausibel machen zu können. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht
in diesem Zusammenhang gewürdigt, dass der Antragsteller zu 1. in den Jahren 1999
und 2000 wiederholt als Nutzer verschiedener Kraftfahrzeuge - darunter ebenfalls ein
LKW - ermittelt und in diesem Zusammenhang wegen Betruges durch Vortäuschen von
Hilfebedürftigkeit zu Lasten des Antragsgegners strafrechtlich belangt worden war. Zu
Recht hat es ferner berücksichtigt, dass der Antragsteller zu 1. nach seinem eigenen
Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren auch den am 21. November 2002 geführten
LKW noch weitere Male als Fahrer genutzt hat. Diese Umstände gewinnen umso mehr
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Bedeutung, als nicht glaubhaft ist, dass Herr auf den der LKW im November 2002
zugelassen gewesen ist, die durch das Fahrzeug verursachten Kosten letztlich getragen
hat.
Wer Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes
bzw. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragt oder erhält, ruft nach
der Rechtsprechung des Senats Zweifel an seiner Hilfebedürftigkeit nicht nur dann
hervor, wenn auf seinen Namen ein Kraftfahrzeug zugelassen ist,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 1998 - 8 A 5181/95 -, FEVS 49, 37,
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sondern auch dann, wenn er ein solches Fahrzeug - ohne dass es auf ihn zugelassen
wäre - nicht nur vereinzelt tatsächlich benutzt und nicht plausibel ist, aus welchen
Mitteln er die entstehenden Kosten aufbringt bzw. warum und zu welchen Konditionen
Dritte ihm die Benutzung eines solchen Fahrzeugs ermöglichen. Auch in diesem Fall
muss der Hilfe Suchende oder -empfänger durch konkrete, ins Einzelne gehende und
nachprüfbare Angaben darlegen und notfalls beweisen bzw. in einem Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft machen, welche Ausgaben ihm durch den
Betrieb des Autos entstehen und wie diese Ausgaben bestritten werden. Werden die
Zweifel an der Hilfebedürftigkeit nicht ausgeräumt, geht dies zu seinen Lasten mit der
Folge, dass seine Hilfebedürftigkeit nicht festgestellt werden kann und er deshalb
keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hat. Auch in diesem Fall kann nicht
ausgeschlossen werden, dass höhere Einkünfte erzielt werden, als durch den Betrieb
des Kraftfahrzeuges Kosten verursacht werden. Zur Ausräumung von Zweifeln an der
Hilfebedürftigkeit, die sich aus der Benutzung eines Kraftfahrzeuges ergeben, kann es
nicht ausreichen, dass abstrakt Konstellationen denkbar sind, in denen u.U. auch
Hilfeempfänger finanziell in der Lage sind, ein Kraftfahrzeug zu betreiben.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 2000 - 5 B 217.99 -, FEVS 52, 444.
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Die Vereinbarkeit mit der Hilfebedürftigkeit muss vielmehr im konkreten Fall jeweils
nachvollziehbar sein. Wird eine kostenlose Überlassung durch Dritte behauptet, muss
der Dritte namentlich bezeichnet und plausibel gemacht werden, warum dieser bereit
und in der Lage ist, ein Kosten verursachendes Kraftfahrzeug ohne Gegenleis-tung zur
Verfügung zu stellen. Werden zu wesentlichen Punkten der Kfz-Haltung falsche oder
unglaubhafte Angaben gemacht, steht dies der Glaubhaftmachung eines
Anordnungsanspruchs auf Erbringung von Hilfeleistungen zunächst entgegen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2003 - 16 B 2420/02 -.
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Unglaubhaft ist vorliegend, dass Herr ,auf den der vom Antragsteller zu 1. geführte LKW
im November 2002 zugelassen gewesen ist, das Fahrzeug auf eigene Rechnung
gehalten und die durch das Fahrzeug verursachten Kosten letztlich tatsächlich getragen
hat. Herr ist alkoholabhängig und besitzt keine Fahrerlaubnis, so dass schon die
Einlassung, er habe das Fahrzeug gekauft, um sich selbstständig zu machen, nicht
ohne weiteres plausibel ist. Ein anderer Fahrer für das Fahrzeug als der Antragsteller zu
1. ist nämlich auch angesichts der Ausführungen im angefochtenen Beschluss nicht
benannt worden. Höchst zweifelhaft ist auch, ob Herr überhaupt in der Lage gewesen
ist, die insgesamt nicht unerheblichen Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt des
Fahrzeugs - allein auf den jährlichen Versicherungsbeitrag von 334,08 EUR sollen 300
EUR gezahlt worden sein - zu tragen. Nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen
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Angaben des Antragsgegners hat dieser für die Zeit vom 2. Oktober bis 13. November
2002 Kosten für die Unterbringung des Herrn in der Nichtsesshaften- Einrichtung -Haus
übernommen, mag sich Herr wie von den Antragstellern in der Antragsschrift
vorgetragen - tatsächlich auch bei wechselnden Freunden aufgehalten haben. Dass ihm
in dem entsprechenden Zeitraum andere Mittel als das vom Antragsgegner gezahlte
Taschengeld zur Verfügung gestanden haben, ist trotz des Vorhalts im angefochtenen
Beschluss jedenfalls nicht vorgetragen worden.
Nicht ohne weiteres stimmig ist auch der Vortrag zum Verhalten des Herrn Das gilt
sowohl hinsichtlich des Ankaufs des LKW als auch für die angeblich den Antragstellern
gewährten Unterstützungsleistungen. Der Senat kann ebenso wenig wie das
Verwaltungsgericht nachvollziehen, warum Herr der noch im September 2002 laufende
Sozialhilfeleistungen erhalten hatte und für sein gerade erst aufgenommenes Gewerbe
über ein Fahrzeug bereits verfügte, ein - nach Angaben der Antragsteller schrottreifes -
weiteres Fahrzeug erworben hat, das dann umgehend abgemeldet worden ist. Ebenso
wenig ist plausibel, warum Herr der eidesstattlich versichert hat, die Antragsteller erst
Ende November 2002 kennen gelernt zu haben, von da an bemüht gewesen sein will,
von seinen als begrenzt beschriebenen Mitteln das für die große Familie der
Antragsteller Nötigste abzuzweigen.
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Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass anders als in anderen
entschiedenen Fällen der Kfz-Nutzung durch Hilfeempfänger nicht der Gebrauch eines
PKW, sondern (auch) eines LKW in Frage gestanden hat, was eine auf die Erzielung
von Erwerbseinkommen gerichtete Tätigkeit nahe legt. Der Antragsteller zu 1. hat 1999,
2000 (damals neben einem PKW) und auch nunmehr einen Lastkraftwagen zur
Verfügung gehabt, was darauf hindeutet, dass er - wobei er dann ja auch angetroffen
worden ist - das Fahrzeug zum Transport größerer Gegenstände benutzt hat. Es muss in
Betracht gezogen werden, dass er im Zusammenwirken mit Herrn als Scheinhalter -
Herr selbst war nicht befugt, ein Kraftfahrzeug zu führen, und hatte außer dem
Antragsteller zu 1. soweit ersichtlich keinen anderen Fahrer zur Verfügung - und
möglicherweise auch im Zusammenwirken mit Herrn Sachen transportiert und verkauft
hat. Die Umstände des vorliegenden Falles würden - anders als nach der bisher von
den Antragstellern gebotenen Sachverhaltsdarstellung, die der Senat insgesamt nicht
für glaubhaft hält - stimmig, wenn der Antragsteller sich auf die erwogene Weise betätigt
hätte. Die mehrfache Nutzung des LKW lediglich, um Möbel vom Sperrmüll für die
eigene Wohnung zu transportieren, lässt sich mit der beschriebenen kärglichen
Ausstattung der Wohnung kaum in Einklang bringen, zumal auch nicht angegeben
worden ist, welche der derzeit in der Wohnung befindlichen Einrichtungsgegenstände
seinerzeit transportiert worden sein sollen.
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Im Ergebnis kann vorliegend schließlich auch nicht von der Glaubhaftmachung eines
Anordnungsgrundes ausgegangen werden. Zwar hat die Flüchtlingsberaterin der
Arbeiterwohlfahrt die Versorgungslage der Antragsteller als kritisch beschrieben. Die
Tatsache, dass der Antragsteller zu 1. erst am 17. Januar 2003 bei dem Antragsgegner
vorgesprochen hat, obwohl der Antragsgegner bereits unter dem 6. bzw. 7. Januar 2003
für die seinerzeitigen Antragsteller zu 8. - 10. Leistungen angeboten hatte, spricht dafür,
dass seinerzeit die Situation weniger zugespitzt gewesen ist als behauptet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 und 188 Satz 2 VwGO i.V.m.
§ 100 Abs. 1 ZPO.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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