Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.03.2008
OVG NRW: recht der europäischen union, anschluss, kanalisation, abrede, einbau, gemeindeordnung, sicherheit, anfechtung, gefahr, entwässerung
Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 480/08
Datum:
14.03.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 A 480/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 14 K 1272/06
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Antragsverfahrens tragen die Kläger.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 20.000,-- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher
Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) nicht vorliegt. Die Kläger haben keinen
tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen
Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.
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Der Einwand der Kläger, es hätte eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie des Rates
vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. EG 1991 L
135/40) angenommen werden müssen, die dem Anschlusszwang entgegenstehe,
begründet keine ernstlichen Zweifel. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Richtlinie
unter bestimmten Bedingungen ein Verbot zu entnehmen wäre, eine Kanalisation zu
erstellen und den Anschluss daran zu verlangen. Die Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten
auf, unter bestimmten Voraussetzungen für eine Ausstattung der Gemeinden mit einer
Kanalisation zu sorgen. Voraussetzung für eine unmittelbare Wirkung ist u.a., dass dem
Mitgliedsstaat durch die Richtlinie eine unbedingte und hinreichend genaue Pflicht
auferlegt wird.
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Vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union,
Loseblattsammlung (Stand: Oktober 2007), Art. 249 EGV Rn. 161 ff.; von Danwitz,
Rechtswirkungen von Richtlinien in der neueren Rechtsprechung des EuGH, JZ 2007,
697 (699).
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Eine Pflicht, Kanalisationsmaßnahmen und ein Anschlussverlangen zu unterlassen,
begründet die in Rede stehende Richtlinie an keiner Stelle noch nicht einmal im Ansatz,
vielmehr geht es genau um das Gegenteil, nämlich die Pflicht zur Erstellung einer
Kanalisation.
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Das Verwaltungsgericht hat auch keine erhebliche Tatsache unberücksichtigt gelassen,
insbesondere nicht, dass - wie die Kläger vortragen - die häuslichen Abwässer in einem
Drei-Kammer-System gereinigt würden und somit keine Gefahr für die Volksgesundheit
vorliege. Damit können die Voraussetzungen des § 9 Satz 1 der Gemeindeordnung für
das Land Nordrhein-Westfalen nicht in Abrede gestellt werden, der den Anschluss- und
Benutzungszwang hinsichtlich der Kanalisation vom Erfordernis, der Volksgesundheit
zu dienen, abhängig macht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senates, dass
sich hinsichtlich des Schmutzwassers der Anschluss- und Benutzungszwang schon
daraus rechtfertigt, dass die zentralisierte Beseitigung des Schmutzwassers durch die
Gemeinde einen maßgeblichen Gesichtspunkt der Volksgesundheit darstellt. So
erübrigt sich in diesem Falle, die Funktionsfähigkeit einer Vielzahl von Kleinkläranlagen
durch Überwachung oder entsprechende Anordnungen bei Missständen
sicherzustellen. Dadurch wird die Sicherheit der Schmutzwasserbeseitigung erhöht,
was der Volksgesundheit dient.
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Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 15 A 3396/06 -, S. 2 f. des
amtlichen Umdrucks; Urteil vom 5. Juni 2003 - 15 A 1738/03 -, NVWBl. 2003, 435 (436).
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Auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu kostengünstigeren Lösungen unter
Einbeziehung von Nachbargrundstücken begegnen keinen Bedenken. Das gilt schon
deshalb, weil dieser Gesichtspunkt vom Verwaltungsgericht nur als obiter dictum und
damit nicht entscheidungstragend für den Umstand angeführt wird, dass die Anfechtung
des Anschlusszwangs treuwidrig sein "dürfte". Im Übrigen bestreiten die Kläger mit
ihrem Hinweis auf die Notwendigkeit der Eintragung einer Baulast gegen ein
entsprechendes Entgelt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert,
dass sie beim Beklagten um einen Anschluss in der E.-----straße nachgesucht hätten.
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Schließlich führen auch die Angriffe gegen den vom Verwaltungsgericht
prognostizierten Kostenaufwand für den Kanalanschluss nicht zum Erfolg des Antrags.
Das Verwaltungsgericht hat sich der substantiierten Kostenschätzung des Beklagten in
dessen Schriftsätzen vom 2. Juni und 13. September 2006 angeschlossen. Die
Beklagten wiederholen im Zulassungsverfahren lediglich ihren erstinstanzlichen
Vortrag, die Kosten der Verlegung einer Druckleitung beliefen sich auf 550,-- Euro je
Meter. Solch exorbitante Kosten widersprechen dem allgemein bekannten Umstand,
dass die Verlegung einer Druckleitung wegen des geringeren Durchmessers und der
oberflächennahen Verlegung regelmäßig weniger kostet als eine Freigefälleleitung,
sodass ein Druckanschluss trotz der Notwendigkeit eines Pumpwerks sogar günstiger
sein kann als die Entwässerung im Freigefälle.
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Vgl. zum Verhältnis von Druckentwässerung und Freigefälleentwässerung OVG NRW,
Urteil vom 25. Juli 2005 - 15 A 2089/04 -, NWVBl. 2007, 151 (152).
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Von daher erweisen sich die Ausführungen der Kläger als unglaubhafter Vortrag ins
Blaue hinein, der im Laufe des Verfahrens ständig gesteigert wurde ("Die Kosten für
diesen Anschluss dürften bereits überschlägig einen 5-stelligen Eurobetrag erreichen." -
Widerspruchsschreiben vom 27. August 2005 -; "teilen wir mit, daß nach einer
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Schätzung der Kläger die Anschlußkosten ca. 25.000,00 EUR betragen werden." -
Schriftsatz vom 3. April 2006, ebenso Schriftsatz vom 20. April 2006 -; "Es errechnet sich
somit ein Investitionsbedarf von ca. 37.750,00 EUR für die sach- und fachgerechte
Verlegung der Druckleitungen und den Einbau einer Hebeanlage." Schriftsatz vom 14.
Juli 2006 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den
Streitwert beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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