Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.05.2009

OVG NRW: auflage, arzneimittel, anfechtungsklage, treu und glauben, dosierung, asthma bronchiale, anpassung, gestaltung, form, streichung

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 678/08
Datum:
11.05.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 678/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 7 K 3115/04
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Köln vom 15. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die
Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.000,- Euro
festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Mit Bescheid vom 11. Juni 1981 hatte das Institut für Arzneimittelwesen der DDR das als
Gesundheitspflegemittel bezeichnete Produkt unter dem Namen F. in das beim
Ministerium für Gesundheitswesen der DDR geführte Register eingetragen. Es enthielt
je 100 g unter anderem 10 g Kampferbaumöl, 2 g Rosmarinöl und 3 g Koniferenöl. Mit
Anzeige vom 25. März 1991 änderte die Klägerin die arzneilich wirksamen Bestandteile
in Kampferbaumöl 10 g und Koniferenöl 6 g je 100 g und gab an, es erfolge eine
Anpassung an die Monographie Koniferenölbäder vom 12. Juli 1990. Im Juni 1991
beantragte die Klägerin bei dem seinerzeit zuständigen Bundesgesundheitsamt (BGA)
die Verlängerung der Zulassung für das Arzneimittel gemäß § 2 Nr. 2, Anlage 3, Kapitel
II, § 4 der EG-Recht-Überleitungsverordnung vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2915).
Am 8. Dezember 1994 zeigte die Klägerin eine Änderung der arzneilich wirksamen
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Bestandteile pro 100 g in 10 g Eukalyptusöl DAB 10 und 3 g Kiefernnadelöl DAB 10 und
gab an, es erfolge eine Anpassung an die Monographie "Fixe Kombinationen aus
Eukalyptusöl und Kiefernnadelöl". Die Bezeichnung des Arzneimittels wurde in "F. ®-
Balsam S" geändert. Der Anzeige war eine Fachinformation beigefügt, in der die
Anwendungsgebiete wie folgt bezeichnet wurden: "F. ®-Balsam S" dient der
unterstützenden Behandlung von Infektionen der oberen Luftwege, besonders
Bronchitiden, leichten Fällen von Laryngitis und Pharyngitis, Rhinitiden sowie
Reizzuständen der oberen und tieferen Luftwege verschiedener Genese." Des Weiteren
war als Art der Anwendung neben Einreibung und Dampfinhalation ein Vollbad
angegeben.
Im Januar 2001 reichte die Klägerin die Erklärung zum Zehnten AMG- Änderungsgesetz
ein und beantragte die Verlängerung der Zulassung nach § 105 Abs. 4a AMG i. V. m. §
22 Abs. 3 AMG. Eine Änderung der Anwendungsgebiete oder der Art der Anwendung
erfolgte nicht. In der beigefügten Fachinformation war als Gegenanzeige unter anderem
Asthma bronchiale und Keuchhusten aufgeführt.
4
Mit Schreiben vom 26. März 2003 übersandte das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) der Klägerin eine medizinische Stellungnahme und gab ihr
Gelegenheit, den dort genannten Mängeln innerhalb von 6 Monaten abzuhelfen. Die
Klägerin übersandte der Beklagten am 24. September 2003 das
Mängelbeseitigungsschreiben und legte unter anderem den Abschlussbericht einer
Anwendungsbeobachtung vor. Die Badeanwendung wurde von der Klägerin gestrichen.
Zu der vom BfArM angekündigten absoluten Gegenanzeige für Kinder unter 2 Jahren
führte die Klägerin aus: Eine derartige Beschränkung sei in der Monographie "Fixe
Kombination aus Eukalyptusöl und Kiefernnadelöl" nicht niedergelegt. In der später
veröffentlichten Monographie zu Cineol sei zwar ausgeführt, dass Cineol nicht bei
Säuglingen und Kleinkindern bis zu 2 Jahren angeordnet werden dürfe, da es in
seltenen Fällen zum Atemstillstand bei Glottiskrampf nach Inhalation cineolhaltiger Öle
gekommen sei. Dies sei aber nicht mit konkreten Fällen aus der Literatur zu belegen.
Bei Eukalyptusöl seien toxische Reaktionen lediglich bei versehentlichem Verschlucken
bekannt geworden. Bei der durchgeführten Anwendungsbeobachtung seien lediglich
mäßige Hautreaktionen als Nebenwirkung festgestellt worden. Auch in der
phytotherapeutischen Literatur werde das Risiko eines Glottiskrampfes bei
sachgemäßer Anwendung nicht gesehen.
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Mit Bescheid vom 2. April 2004 verlängerte das BfArM die Zulassung für das
Arzneimittel und verband diese mit Auflagen. Unter anderem ist nach der Auflage A.13
a. in der Gebrauchs- und Fachinformation unter Gegenanzeigen die Auflistung um die
Punkte "bei Kindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr" und "in der Stillzeit" zu
ergänzen. Gemäß Auflage A.13 b. ist in der Gebrauchs- und Fachinformation zu dem
Punkt "Was müssen Sie in der Schwangerschaft und Stillzeit beachten" der vorhandene
Text zu streichen und unter der Überschrift "Was müssen Sie in der Schwangerschaft
beachten" der in der Auflage formulierte Text zu übernehmen. In der Auflage A.13 c.
wird verfügt, dass in der Gebrauchs- und Fachinformation die von der Klägerin
beantragten Texte, die sich auf Kinder unter 2 Jahren beziehen, zu streichen sind.
Gemäß Auflage A.15 ist in der Gebrauchs- und Fachinformation unter
"Dosierungsanleitung, Art und Dauer der Anwendung" und "Dosierung mit Einzel- und
Tagesangaben" der vorhandene Text zu streichen und der in der Auflage formulierte
Text zu übernehmen. Zur Begründung dieser Auflagen führte das BfArM aus: Die
Dosierungsanleitung für Kinder unter 2 Jahren entfalle gemäß der Kontraindikation für
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die Anwendung in dieser Altersgruppe. Die Einschränkung bei Kindern bis zum
vollendeten 2. Lebensjahr sei im Rahmen der Arzneimittelsicherheit notwendig. Sie
berücksichtige die entsprechende Gegenanzeige der Cineol- Monographie und
recherchierte respiratorische UAW-Fälle. Die vorgelegte Anwendungsbeobachtung
stehe dem nicht entgegen, da die Fallzahl zu gering sei. Angesichts der
Kontraindikation für Kleinkinder bestehe auch in der Stillzeit eine Kontraindikation, da
nach perkutaner Resorption der Übergang in die Muttermilch oder eine passive
Inhalation durch den Säugling auch beim Einreiben außerhalb des Brustbereichs
möglich sei.
Mit ihrer am 27. April 2004 erhobenen Klage hat die Klägerin (unter anderem) die
Aufhebung der Auflagen A.13 und A.15 begehrt.
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Durch Bescheid vom 25. Mai 2005 fasste das BfArM die Auflage A.15 neu und sah in
dem verfügten Text eine Dampfinhalation erst für Kinder ab 6 Jahren vor; außerdem
wurde die Einzeldosis bei Dampfinhalation geändert. Zur Begründung führte es aus, die
Inhalation halbfester Zubereitungen über Wasserdampf sei aus Gründen der
Patientensicherheit erst für Kinder ab 6 Jahren zu akzeptieren. Durch einen weiteren
Änderungsbescheid vom 30. Mai 2006 gestattete das BfArM die Anwendung des
Inhalators für die Dampfinhalation.
8
Die Beteiligten haben (unter anderem) im Hinblick auf die Dosierung bei
Dampfinhalation und die Anwendung eines Inhalators für Kinder ab 6 Jahre und
Erwachsene die Hauptsache für erledigt erklärt.
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Zur Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen: Das Bundesverwaltungsgericht
habe in seinem Urteil vom 21. Juni 2007 (3 C 39.06) klargestellt, dass es sich bei einem
Anwendungsausschluss für eine bestimmte Personengruppe um eine anfechtbare
Auflage handele, die weder nach § 28 Abs. 2 AMG noch nach § 36 Abs. 1 VwVfG
zulässig sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Bescheid keine
Aussage über die Dosierung für diese Altersgruppe treffe. Die Klägerin habe die
Streichung der Dosierung für Kinder unter zwei Jahren angefochten. Eine
Gegenanzeige für Kinder unter zwei Jahren sei sachlich auch nicht gerechtfertigt. Eine
besondere Gefährdung von Säuglingen und Kleinkindern durch "F. ®-Balsam S" sei
nicht zu erkennen. Zumindest sei bei einer Beschränkung der Art der Anwendung auf
die Einreibung des Rückens die Gefahr eines Glottis-Ödems oder Glottis-Krampfes bei
Kindern unter 2 Jahren ausgeschlossen. Ebenfalls sei eine absolute Kontraindikation
während der Stillzeit nicht erforderlich. Aus den von der Beklagten vorgelegten
Unterlagen ergebe sich nicht, dass Cineol in einer relevanten Menge bei einer
Dampfinhalation in die Muttermilch übergehe. Eine Dampfinhalation mit einem Inhalator
sei für Kinder ab 2 Jahren bei einer Überwachung durch einen Erwachsenen durchaus
möglich. Unfälle seien bisher nicht bekannt geworden und bei einer Überwachung
durch Erwachsene auch nicht zu erwarten. Die von der Beklagten genannten Fälle von
Verbrühungen bezögen sich auf eine Inhalation über einer Schüssel mit heißem Wasser
mit Hilfe eines Handtuchs, nicht auf die Anwendung eines geschlossenen und
standsicheren Inhalators. Bei diesem werde nur eine geringe Menge heißen Wassers,
die in etwa einer Tasse Tee entspreche, verwendet.
10
Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Auflage A.13 in dem Zulassungsbescheid vom 2. April 2004 aufzuheben, soweit
12
sie nicht ihrem Antrag entspricht,
2. die Auflage A.15 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 30. Mai 2006 insoweit
aufzuheben, als die beantragte Dosierung für Kinder unter 2 Jahren gestrichen worden
ist sowie die Dampfinhalation mit Hilfe eines Inhalators für Kinder von 2 bis 6 Jahren
einschließlich der entsprechenden Dosierung gestrichen worden ist,
13
3. hilfsweise,
14
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Auflagen A.13 und A.15 zu verpflichten, die
Zulassung ohne Gegenanzeigen für Kinder bis 2 Jahren und Stillende sowie mit der
Anwendungsart Inhalator für 2- bis 6-jährige Kinder und den von der Klägerin für diese
Personengruppen beantragten Dosierungen zu erteilen.
15
Die Beklagte hat beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Über ihre bisherige Begründung hinaus hat sie vorgetragen: Auch bei einer auf den
Rücken beschränkten Einreibung sei davon auszugehen, dass Säuglinge und
Kleinkinder die ätherischen Öle des Arzneimittels einatmeten. Die Frage der
Unbedenklichkeit einer Resorption über die Haut bei Kindern unter 2 Jahren sei
ungeklärt. Eine sichere Dosierung sei nicht bekannt. Die Klägerin könne sich insoweit
nicht auf eine langjährige Anwendungserfahrung berufen. Es sei unbekannt, in welchem
Umfang Kinder unter 2 Jahren in der Vergangenheit mit dem Arzneimittel behandelt
worden seien. Die Anteile, die bei der Anwendungsbeobachtung ermittelt worden seien,
könnten schon deshalb nicht hochgerechnet werden, weil sich die
Anwendungsbeobachtung auf Patienten unter 17 Jahren beschränkt habe, das
Arzneimittel aber auch von Erwachsenen angewendet werde. Die Kontraindikation
Stillzeit sei erforderlich, weil festgestellt worden sei, dass Cineol in die Muttermilch
übergehe; Daten über die Menge des Übertritts seien indes nicht vorhanden. Bei der
Anwendungsart Inhalation bestehe bei Kindern bis zu 6 Jahren eine
Verbrühungsgefahr. In zwei Publikationen werde über erhebliche Verbrühungen bei
einer Inhalation mit Hilfe von heißem Wasser berichtet.
18
Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren hinsichtlich der für in der Hauptsache erledigt
erklärten Teile eingestellt und die Klage im Übrigen unter Zulassung der Berufung
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Anfechtungsklage gegen die in der
Auflage A.13 verfügten Gegenanzeigen für Kinder unter 2 Jahren und Stillende sei
unzulässig, soweit sie die in der Auflage A.13 inzident zum Ausdruck kommende
Teilablehnung des Antrags der Klägerin auf Verlängerung der Zulassung
(Nachzulassung) betreffe. Die in der Auflage A.13 angeordneten zusätzlichen
Gegenanzeigen seien insoweit Auflagen im Sinne einer Nebenbestimmung nach § 36
Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, als sie eine Änderung der beantragten Informationstexte beträfen.
Die Anfechtungsklage gegen die in der Auflage A.13 a. weiterhin enthaltenen
Regelungen, die die Teilversagung für Kinder unter 2 Jahren und Stillende in die
Gebrauchs- und Fachinformation umsetze, sei zulässig, aber nicht begründet. Das
BfArM habe gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG durch Auflage anordnen dürfen, dass die
Informationstexte den genehmigten Unterlagen entsprächen. Soweit sich der
Hauptantrag gegen die in Auflage A.15 des Nachzulassungsbescheids in der Fassung
des Änderungsbescheids vom 30. Mai 2006 getroffenen Regelungen wende, sei er
19
ebenfalls teilweise unzulässig und teilweise unbegründet. Die Auflage A.15 enthalte
hinsichtlich der Streichung einer Anwendungsart konkludent eine Teilablehnung des
Antrags der Klägerin. Hinsichtlich der in der Auflage A.15 verfügten Änderungen der
Informationstexte sei die Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet, da diese
Änderungen gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 AMG rechtmäßig seien, weil sie die
Teilablehnung in die Informationstexte umsetzen. Die hilfsweise erhobene
Verpflichtungsklage, die Nachzulassung ohne Gegenanzeigen für Kinder unter zwei
Jahren und Stillende sowie mit der Anwendungsart Dampfinhalation mittels Inhalators
bei Kindern von 2 bis 5 Jahren zu erteilen, sei nicht begründet. Eine fiktive Zulassung für
das Arzneimittel bestehe nicht, weil sie erloschen sei. Die Klägerin habe das
Arzneimittel nicht insgesamt an die Monographie "Fixe Kombinationen aus Eukalyptusöl
und Kiefernnadelöl" angepasst.
Die Klägerin wiederholt und vertieft im Berufungsverfahren ihr erstinstanzliches
Vorbringen dazu, dass auch die Nachzulassung ohne die Auflagen sinnvoller- und
rechtmäßigerweise Bestand haben könne, weil Versagungsgründe nach § 25 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 und AMG hinsichtlich der Anwendung bei Kindern unter 2 Jahren und
Stillenden nicht vorlägen. Darüber hinaus macht sie geltend: Auch wenn die Auffassung
des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage
zutreffend wäre, dürfte diese Klage nicht als unbegründet abgewiesen werden. Die
Ansicht, ein Anspruch auf eine Verlängerung der Zulassung über das vom BfArM
Gewährte hinaus bestehe mangels fiktiver Zulassung nicht, sei irrig. Diese Auffassung
habe zur Folge, dass Auflagen zu einer Zulassung zwar wirksam seien, aber nicht
angefochten werden könnten. Außerdem sei eine Anpassung an die in Bezug
genommene Monographie erfolgt.
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Die Klägerin beantragt,
21
das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. Januar 2008 zu ändern und
22
1. die Auflage A.13 in dem Zulassungsbescheid vom 2. April 2004 aufzuheben, soweit
sie Gegenanzeigen für Kinder unter 2 Jahren und Stillende anordnet,
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2. die Auflage A.15 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 30. Mai 2006 insoweit
aufzuheben, als die beantragte Dosierung für Kinder unter 2 Jahren sowie die
Dampfinhalation mit Hilfe eines Inhalators für Kinder von 2 bis 6 Jahren einschließlich
der entsprechenden Dosierung gestrichen worden sind,
24
3. hilfsweise,
25
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Auflagen A.13 und A.15 zu verpflichten, die
Zulassung ohne Gegenanzeigen für Kinder bis 2 Jahren und Stillende sowie mit der
Anwendungsart Inhalator für 2- bis 6- jährige Kinder und den von der Klägerin für diese
Personengruppen beantragten Dosierungen zu erteilen.
26
Die Beklagte beantragt,
27
die Berufung zurückzuweisen.
28
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens macht sie
insbesondere geltend, das Arzneimittel sei ohne die streitigen Auflagen nicht
29
zulassungsfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte,
die Verwaltungsvorgänge des BfArM sowie die von den Beteiligten eingereichten
Unterlagen Bezug genommen.
30
II.
31
Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 130a der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil er sie einstimmig für unbegründet und die
Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Über die in
diesem Verfahren bedeutsame und von den Beteiligten kontrovers diskutierte Frage der
statthaften Klageart im Hinblick auf einen arzneimittelrechtlichen Zulassungsbescheid
mit Auflagen, der konkludent die Ablehnung der beantragten Zulassung ohne diese
Einschränkungen und damit die Teilversagung eines begünstigenden Verwaltungsakts
beinhaltet, hat der Senat mit Urteilen vom 11. Februar 2009 in den Berufungsverfahren
13 A 2150/06 und 13 A 385/07 entschieden und insoweit die Verpflichtungsklage als
statthaft angesehen. Die weitere Frage einer notwendigen Monographieanpassung im
Zuge einer Änderungserklärung war bereits Gegenstand von Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts NRW.
32
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 14.07 -, NVwZ-RR 2008, 692 sowie OVG
NRW, Beschluss vom 27. August 2008 - 13 A 4034/05 -, juris.
33
Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsform unter Mitteilung des voraussichtlichen
Ergebnisses gehört worden.
34
III.
35
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
36
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht vollständig abgewiesen.
37
1. Die Klage ist hinsichtlich der Antrags zu 1, der die Anfechtung der Auflage A.13
betrifft, teilweise unzulässig.
38
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft, soweit sie unmittelbar gegen die Auflage
A.13 gerichtet ist. Im Übrigen steht eine Teilversagung der Verlängerung der Zulassung
ohne die streitigen Einschränkungen in Rede; insoweit ist die Anfechtungsklage
unzulässig.
39
Die "Auflage" A.13 enthält zwei von einander zu unterscheidende Regelungen, von
denen eine die "Zulassungsebene" betrifft, während die andere sich als "echte" Auflage
darstellt, mit der Folge, dass hier (Teil-)Verpflichtungsklage und (isolierte)
Anfechtungsklage nebeneinander zulässig sind. In erster Linie enthält dieser Teil der
"Auflage" A.13 - konkludent - eine Teilversagung hinsichtlich der Anwendung des
Arzneimittels bei den genannten Personengruppen. Charakteristisch ist in Fällen der
vorliegenden Art die rechtliche Verengung bei der Bescheidung der beantragten
Vergünstigung. Diese ist indes rechtmäßig (dazu nachfolgend unter 3.). Darüber hinaus
liegt auch eine "echte" Auflage hinsichtlich der Gestaltung der Gebrauchs- und
Fachinformation vor. Diese ist ebenfalls rechtmäßig (dazu im Folgenden unter 1.).
40
Bei dem von der Beklagten geforderten Hinweis, dass das streitgegenständliche
Arzneimittel bei Kindern unter 2 Jahren und bei Stillenden nicht angewendet werden
dürfe, handelt es sich unstreitig um die Angabe von Gegenanzeigen. Gegenanzeigen
beschreiben Umstände, bei deren Vorliegen das Arzneimittel nicht, nur eingeschränkt
oder nur unter besonderen Voraussetzungen angewendet werden darf. Sie sind damit
das Gegenstück zur Festlegung der Indikationen, die den Einsatzbereich eines
Arzneimittels bezeichnen, was auch durch das gebräuchliche Synonym
"Kontraindikationen" zum Ausdruck kommt.
41
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Februar 2009 - 13 A 2150/06 -, juris.
42
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Anordnung jedenfalls solcher
Gegenanzeigen, die ganze Personengruppen von der Anwendung des Arzneimittels
ausschließen, auf der Zulassungsebene selbst erfolgen muss, also nicht zum
Gegenstand einer mit der Zulassung verbundenen selbständigen Auflage gemacht
werden darf. Denn die Festlegung der Anwendungsgebiete und damit auch diejenige
von Kontraindikationen ist das zentrale Element der Zulassungsentscheidung. Die
Wirksamkeit und das Nutzen-Risiko-Verhältnis als wesentliche
Zulassungsvoraussetzungen lassen sich nur bezogen auf ein bestimmtes
Anwendungsgebiet beurteilen. Die Bedeutung einer Gegenanzeige, die eine ganze
Personengruppe von der Anwendung ausschließt, ist für den pharmazeutischen
Unternehmer und auch für die auf das Arzneimittel angewiesene Bevölkerung von
gleichem Gewicht wie die Abgrenzung der Anwendungsgebiete.
43
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007 - 3 C 39.06 -, NVwZ-RR 2007, 776; OVG NRW,
Urteile vom 27. September 2005 - 13 A 4090/03 -, PharmaR 2005, 497, und - 13 A
4378/03 -, A&R 2006, 128.
44
Vor diesem Hintergrund ist die Auflage A.13 nicht nur als eine die Gestaltung der
Informationstexte betreffende Auflage, sondern zugleich auch als eine (konkludente)
Teilversagung der Nachzulassung hinsichtlich der betreffenden Personengruppen, also
als eine Regelung auf der Zulassungsebene, anzusehen. Bei der Auslegung des
Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts ist auf den Empfängerhorizont, also darauf
abzustellen, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen
müssen oder dürfen. Insoweit ist festzustellen, dass der angeordnete Hinweis aus Sicht
der Anwender und Ärzte und damit auch aus Sicht des pharmazeutischen
Unternehmers nur - wie oben ausgeführt - als Einschränkung des für die Anwendung in
Betracht kommenden Personenkreises, also als Gegenanzeige, verstanden werden
kann, was letztlich wohl auch dem Willen des BfArM entspricht. Dass sich die Auflage
A.13 formal nur auf die Gestaltung der Informationstexte bezieht, steht der Annahme
einer Regelung auf der Zulassungsebene, also einer Teilversagung, nicht entgegen.
45
Vgl. bereits OVG NRW, Urteile vom 6. September 2007 - 13 A 4643/06 -, A&R 2007,
279, und - 13 A 4644/06 -, juris, Beschluss vom 21. Mai 2008 - 13 A 1096/06 -, juris,
Urteil vom 11. Februar 2009 - 13 A 385/07 - (jeweils hinsichtlich anderer Bestandteile
der Zulassungsentscheidung); anders in Bezug auf Gegenanzeigen noch OVG NRW,
Urteile vom 27. September 2005 - 13 A 4090/03 und 13 A 4378/03 -, a. a. O.; anders
wohl auch BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007 - 3 C 39.06 -, a. a. O.
46
Auf den Seiten 1 bis 3 des Bescheids vom 2. April 2004 ist entsprechend der ständigen
47
Verwaltungspraxis des BfArM der Zulassungsinhalt nur torsohaft geregelt. Denn es
fehlen dort etwa Angaben zur Dosierung und zu den Gegenanzeigen. Diese Angaben
gehören jedoch zu den unverzichtbaren Kernbestandteilen der Zulassung; ohne sie
kann eine (Nach-) Zulassung weder beantragt (§ 105 Abs. 4 Satz 1 und 2 i. V. m. § 22
Abs. 1 AMG) noch erteilt werden. In Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG zur
Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. November 2001
ist außerdem vorgesehen, dass dem Unternehmer bei der Erteilung der Genehmigung
die von der Zulassungsbehörde genehmigte "Zusammenfassung der Merkmale des
Erzeugnisses", die gemäß Art. 11 Satz 1 Nr. 4.3 der Richtlinie unter anderem auch
Gegenanzeigen umfasst, mitgeteilt wird.
Von diesen Erwägungen ausgehend ist der Hauptantrag zu 1. rechtlich wie folgt zu
bewerten:
48
Die Anfechtungsklage gegen die in der Auflage A.13 verfügten Gegenanzeigen für
Kinder unter 2 Jahren und Stillende ist unzulässig, soweit sie die in der Auflage A.13
zum Ausdruck kommende Teilablehnung des Antrags der Klägerin auf Verlängerung
der Zulassung (Nachzulassung) betrifft. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht von der
grundsätzlichen Unzulässigkeit einer solchen Klage ausgegangen, da bei
unverändertem Klageziel kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, an Stelle der
Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage die isolierte Anfechtungsklage zu wählen.
49
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 7. September 1987 - 6 C 30.86 -, BVerwGE 78, 93 =
NVwZ 1988, 61.
50
Besondere Gründe, die eine isolierte Anfechtung rechtfertigen könnten, hat das
Verwaltungsgericht zu Recht nicht angenommen.
51
Zu den Voraussetzungen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für eine isolierte
Anfechtungsklage vgl. Kötters, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, § 42 Rn. 47.
52
Die Anfechtungsklage gegen die in der Auflage A.13 a. weiterhin enthaltenen
Regelungen, die die Teilversagung für Kinder unter 2 Jahren und Stillende in die
Gebrauchs- und Fachinformation vollziehen und umsetzen, ist zulässig, allerdings nicht
begründet. Diese Auflage ist rechtmäßig. Das BfArM kann gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 3
AMG durch Auflage anordnen, dass die Informationstexte den eingereichten Unterlagen
entsprechen. Da die Anordnung gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG mit dem
Zulassungsinhalt (nachfolgend unter 3.) korrespondiert, ist - wie das Verwaltungsgericht
zu Recht aufgeführt hat - auf die eingereichten Unterlagen in der genehmigten Form
abzustellen. Die in der Auflage A.13 b. und c. verfügten Änderungen der Gebrauchs-
und Fachinformation gründen sich demnach ebenfalls auf § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG.
53
2. Der Antrag zu 2., mit dem sich die Klägerin gegen die in der Auflage A.15 des
Nachzulassungsbescheids in der Fassung des Änderungsbescheids vom 30. Mai 2006
getroffenen Regelungen wendet, ist gleichfalls teilweise unzulässig und teilweise
unbegründet. Nach dieser Auflage ist eine Anwendung des Arzneimittels mittels
Inhalators für Kinder unter 6 Jahren ausgeschlossen und die entsprechende Dosierung
gestrichen worden. Da in den auf den Seiten 1 bis 3 des Bescheids genannten
Merkmalen die Art der Anwendung nicht erwähnt ist, enthält auch die Auflage A.15 aus
den oben ausgeführten Gründen eine konkludente Teilablehnung des Antrags der
Klägerin, soweit die Streichung einer Anwendungsart für eine bestimmte
54
Personengruppe in Rede steht. Es handelt sich - wie bei den Gegenanzeigen - um ein
Weniger gegenüber dem von der Klägerin gestellten Antrag. Diese Teilversagung kann
nicht mit der Anfechtungsklage angefochten werden. Hinsichtlich der in der Auflage
A.15 verfügten Änderungen der Informationstexte ist die Anfechtungsklage zulässig,
aber unbegründet. Diese Änderungen sind gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 AMG rechtmäßig,
weil sie die Teilablehnung in die Informationstexte umsetzen.
3. Auch die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage, die Nachzulassung ohne
Gegenanzeigen für Kinder unter zwei Jahren und Stillende sowie mit der
Anwendungsart Dampfinhalation mittels Inhalators bei Kindern von 2 bis 5 Jahren zu
erteilen, bleibt ohne Erfolg. Der Hilfsantrag ist nicht begründet. Die Teilablehnung der
Nachzulassung ist rechtmäßig.
55
Ein Anspruch auf Verlängerung der Zulassung über das vom BfArM Gewährte hinaus
besteht mangels fiktiver Zulassung nicht. Das Arzneimittel ist im Zuge der
Änderungsanzeige vom 8. Dezember 1994 nicht an die Monographie "Fixe
Kombinationen aus Eukalyptusöl und Kiefernnadelöl" angepasst worden. Die fiktive
Zulassung des Arzneimittels erstreckt sich nicht auf das geänderte Arzneimittel, weil die
im Dezember 1994 angezeigte Änderung den durch § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG in
der auch insoweit maßgeblichen,
56
vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 14.07 -, a. a. O., Urteil vom 21. Mai 2008 - 3
C 15.07 -, A&R 2008, 184,
57
im Zeitpunkt der Änderung geltenden Fassung des Fünften Änderungsgesetzes
gesteckten Rahmen überschritten hat. Das geänderte Arzneimittel bedurfte daher
mangels fortbestehender fiktiver Zulassung einer Neuzulassung.
58
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 14.07 -, a. a. O., sowie OVG NRW,
Beschluss vom 27. August 2008 - 13 A 4034/05 -, a. a. O.
59
Die fiktive Zulassung umfasste nur das Arzneimittel in der Form zum Zeitpunkt ihrer
Entstehung oder in einer später zulässig geänderten Form. Die erteilte Nachzulassung
für das Arzneimittel gründet sich daher nicht auf eine verlängerte fiktive Zulassung. Die
Nachzulassung ist ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit indessen rechtswirksam und in
Bestandskraft erwachsen. Das Erlöschen der fiktiven Zulassung führt jedoch dazu, dass
die fehlerhaft erteilte Nachzulassung nicht im Wege der Verpflichtungsklage erweitert
werden kann und die Verpflichtung der Beklagten zu einer weitergehenden Bewilligung
ausgeschlossen ist.
60
Vgl. auch VG Köln, Urteil vom 20. Januar 2006 - 18 K 9912/03 -, juris.
61
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dieses materiell-rechtliche Ergebnis nicht
von der als statthaft angesehenen Klageart abhängt. Auch wenn gegen die
Nebenbestimmungen, wie es die Klägerin für zutreffend hält, allein die isolierte
Anfechtungsklage statthaft wäre, ergäbe sich in der materiell-rechtlichen Bewertung kein
Unterschied. Ob eine solche Klage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung
führen kann, hängt nämlich davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die
Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann.
62
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007 - 3 C 39.06 -, a. a. O.
63
So kann es hier aber von vornherein nicht liegen, da die fiktive Zulassung, wie
nachstehend ausgeführt wird, erloschen war.
64
Die Klägerin beruft sich im Rahmen ihrer Änderungsanzeige vom Dezember 1994 auf
die Aufbereitungsmonographie "Fixe Kombinationen aus Eukalyptusöl und
Kiefernnadelöl" (vgl. § 25 Abs. 7 AMG), bekannt gemacht im Bundesanzeiger vom 14.
Juli 1993 (Nr. 128). Es fehlt jedoch an einer "Anpassung" an diese Monographie. Die
Forderung, das Arzneimittel "insgesamt" an die Aufbereitungsmonographie
anzupassen, kann, wie nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht entschieden ist,
65
Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 14.07 -, a. a. O.,
66
nur dahin verstanden werden, dass die Monographie vollständig zu übernehmen ist.
Eine Übernahme unter Modifikationen läuft der gesetzgeberischen Intention zuwider,
das BfArM zu entlasten und die Verzögerungen bei der Bearbeitung der
Nachzulassungsverfahren zu reduzieren. Denn im Falle derartiger Modifikationen wäre
das BfArM über den bloßen Abgleich des Wortlauts der Änderungsanzeige mit dem Text
der Aufbereitungsmonographie hinaus gezwungen, in eine inhaltliche Prüfung
einzusteigen. Es reicht daher nicht aus, wenn nur "die charakteristischen und
wesentlichen Grundaussagen der Monographie beibehalten werden".
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Vgl. zum Problem der vollständigen Anpassung an die Monographie auch OVG NRW,
Beschluss vom 15. Juli 2008 - 13 A 1707/05 -, A&R 2008, 238.
68
Eine vollständige Übernahme der Monographie hat nicht stattgefunden. Die Klägerin ist
sowohl hinsichtlich der Anwendungsgebiete und der Art der Anwendung von dieser
Monographie abgewichen. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, wird das
beanspruchte Anwendungsgebiet "Reizzustände der oberen und tieferen Luftwege
verschiedener Genese" von dem in der Monographie genannten Anwendungsgebiet
"Zur Inhalation und äußeren Anwendung bei Erkältungskrankheiten der Luftwege" nicht
erfasst. Außerdem nennt die Monographie nicht die von der Klägerin seinerzeit
vorgesehene Anwendung mittels eines Vollbads.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §
708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
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Die Revision ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
vorliegen.
72
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
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