Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.05.2009
OVG NRW: prüfungsordnung, hochschule, akkreditierung, medizin, unrichtigkeit, verordnung, glaubhaftmachung, wissenschaft, forschung, verfassung
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 62/09
Datum:
12.05.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 62/09
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 6 Nc 391/08
Tenor:
Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen
Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Beschlüsse des
Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 werden auf Kosten der
jeweiligen Antragsteller zurückgewiesen.
Der Streitwert wird für die Beschwerdeverfahren auf jeweils 5.000,--
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Senat kann über die entscheidungsreifen Beschwerden entscheiden. Er muss nicht
den Eingang weiterer Stellungnahmen der Beteiligten abwarten.
2
Die zulässigen Beschwerden, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO - im
Grundsatz - nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen
3
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = NJW
2004, 2510, 2511; Bay. VGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 - 1 CS 02.1922 -, NVwZ
2003, 632 -
4
der Antragsteller befindet, sind unbegründet. Die angefochtenen Beschlüsse des
Verwaltungsgerichts sind bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs nicht zu
beanstanden.
5
Zweifel an der Darrstellung des Antragsgegners, dass 277 Studierende im ersten
Fachsemester für den Studiengang Humanmedizin immatrikuliert sind, hat der Senat
6
nicht. Der Antragsgegner hat zur Glaubhaftmachung seiner Angaben die
Einschreibestatistik im Studiengang Humanmedizin vom 18. November 2008 vorgelegt.
Dies reicht aus, um die Richtigkeit der Angaben zu belegen. Anhaltspunkte für die
Unrichtigkeit dieser Angaben liegen nicht vor.
Auch das Vorbringen der Antragsteller zu dem von der RFWU C. durchgeführten
Losverfahren verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Die Antragsteller bemängeln,
dass die zusätzlich festgestellten 5 Studienplätze im Wege des Losverfahrens verteilt
worden seien und nicht nur die Studienbewerber im gerichtlichen Eilverfahren, sondern
alle Studienplatzbewerber beteiligt worden seien, die bis zum 5. Oktober 2008 bei der
Hochschule die Zulassung beantragt hätten.
7
Die Hochschule war nach § 10 Abs. 8 der Vergabeverordnung vom 15. Mai 2008 (GVBl.
NRW S. 386) in entsprechender Anwendung verpflichtet, Studienplätze, die nach
Abschluss der Nachrückverfahren „noch verfügbar sind oder wieder verfügbar werden",
im Losverfahren zu vergeben, da die Kapazität durch das Vergabeverfahren der ZVS
nicht ausgeschöpft wurde.
8
Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 25. April 2007 - 13 C 113/07 -.
9
Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass es sich bei den
festgestellten zusätzlichen Studienplätzen daher um solche innerhalb der Kapazität
handelt.
10
Der von den Antragstellern als fehlerhaft gerügte Dienstleistungsabzug verhilft der
Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.
11
Die mit jedem Dienstleistungsexport einer Lehreinheit einhergehende Beeinträchtigung
des grundrechtlichen Anspruchs eines Studienbewerbers auf Studienzulassung, der bei
NC- Studiengängen als Recht auf Teilhabe an den vorhandenen
Ausbildungskapazitäten gewährleistet ist, ist nicht unverhältnismäßig, weil die als
Dienstleistung exportierte Lehre nicht verloren geht, sondern Ausbildungskapazität in
einem anderen Studiengang schafft und der bei der Bewerbung um einen „verdeckten"
Studienplatz erfolglose Studienbewerber auf eine Zulassung im zentralen
Studienplatzvergabeverfahren der ZVS angewiesen ist, in welchem er nach den
Regelungen der VergabeVO infolge seiner unzureichenden leistungsbezogenen
Auswahlkriterien nach einer gewissen, nicht unzumutbaren Wartezeit - auch im
Studiengang Medizin - die Zulassung erlangen wird. Ein von einer Lehreinheit für
„harte" Studiengänge erbrachter Dienstleistungsexport dürfte verfassungsrechtlichen
Bedenken unterliegen, wenn er sachlich nicht geboten ist oder qualitativ gleichwertig
auch von einer Lehreinheit, der keine „harten" Studiengänge zugeordnet sind, erbracht
werden könnte.
12
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 1999 - 13 C 1/99 - und vom 16. Mai 2008 -
13 C 160/08 -.
13
Die Einrichtung eines neuen Studiengangs an einer Hochschule als rechtsfähige
Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 HG n. F.) ist letztlich
Ausdruck der ihr eingeräumten Selbstverwaltung, die sie im Rahmen der Gesetze (Art.
16 Abs. 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen) ausübt.
14
Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 11. Mai 2004 - 13 C 1283/04 -.
15
Vor diesem Hintergrund unterliegt der vorliegend zu betrachtenden
Dienstleistungsexport keinen Bedenken. Es ist zudem nicht zu erkennen, dass die
Hochschule bestrebt war, die Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin
unabhängig von der Einführung des neuen Studiengangs zu verringern.
16
Vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 - 13 C 75/08 -, juris, vom 13. Mai
2008 - 13 C 154/08 - und vom 16. Mai 2008 - 13 C 160/08 u. a. -, jeweils mit weiteren
Nachweisen.
17
Soweit die Antragsteller rügen, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den
Dienstleistungsexport der Vorklinischen Medizin für den Master-Studiengang
„Arzneimittelforschung" berücksichtigt, verhilft dies den Beschwerden nicht zum Erfolg.
18
Maßgeblich für die Berechnung von Dienstleistungen für nicht zugeordnete
Studiengänge sind nach § 11 Abs. 1 der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die
Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung
- KapVO -) vom 25. August 1994 (GV. NRW. S. 732) in der Fassung der
Änderungsverordnung vom 12. August 2003 (GV. NRW. S. 544) die
Lehrveranstaltungsstunden, die der Dienstleistungsstudiengang zu erbringen hat. In
Rede steht eine Dienstleistungspflicht, also in der Regel eine rechtlich verbindliche
Regelung, um feststellen zu können, welche Lehrveranstaltungsstunden als
Dienstleistungen für einen nicht zugeordneten Studiengang zu erbringen sind. Danach
sind grundsätzlich nur solche Lehrveranstaltungen als Dienstleistungsexport vom
Lehrangebot abzuziehen, die nach der jeweiligen Studien- oder Prüfungsordnung des
nicht-zugeordneten Studiengangs für den erfolgreichen Abschluss des Studiums
erforderlich sind.
19
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2008 - 13 C 160/08 u. a. -, m. w. N.; Bay VGH,
Beschluss vom 19. September 2007 - 7 CE 07.10334 -, juris; Zimmerling/Brehm,
Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rn. 182 f. m.w.N.
20
Eine solche Prüfungsordnung war für den Master-Studiengang „Arzneimittelforschung"
zwar zum Stichtag 15. September 2008 noch nicht wirksam und wurde erst am 29.
Oktober 2008 durch den Fakultätsrat verabschiedet und am 12. Dezember 2008 amtlich
bekannt gemacht. Allerdings lagen zum Stichtag die wesentlichen Elemente der
Prüfungsordnung wie ein Studienverlaufsplan, ein Modulhandbuch sowie der Entwurf
einer Prüfungsordnung vor. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zutreffend
angenommen, dass die Erforderlichkeit eines Dienstleistungsexports an den
Masterstudiengang „Arzneimittelforschung" im Umfang von 0,29 DS vor dem Stichtag i.
S. d. § 5 Abs. 2 KapVO hinreichend erkennbar war, so dass gegen den
Dienstleistungsexport insoweit rechtlich nichts zu erinnern ist.
21
In Abweichung von § 84 Abs. 4 HG a.F., wonach in einem neuen Studiengang der
Lehrbetrieb erst aufzunehmen war, wenn eine entsprechende Prüfungsordnung in Kraft
getreten war, setzt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 HG n. F. die Aufnahme des
Studienbetriebs den erfolgreichen Abschluss der Akkreditierung voraus. Eine
Akkreditierung war hinsichtlich des Master-Studiengangs „Arzneimittelforschung" zu
Beginn des Wintersemesters 2008/09 noch nicht erfolgt. Statt dessen ist unter dem 11.
Juli 2008 eine Ausnahmegenehmigung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 HG n. F. für diesen
22
Studiengang durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und
Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (MIWFT) ergangen, was
kapazitätsrechtlich erheblich ist, da sie die Notwendigkeit der durchzuführenden
Veranstaltungen aufzeigt. Diese Wertung stimmt auch mit der Systematik der
Kapazitätsverordnung überein, wonach grundsätzlich nur existierende Studiengänge
berücksichtigt werden dürfen.
Vgl. hierzu bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Juni 1997 - 13 C 46/97 und vom - 27.
Januar 1999 - 13 C 1/99 - sowie vom 16. Mai 2008 - 13 C 160/08 u. a. -.
23
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
24
Der Streitwert wird für die Beschwerdeverfahren entsprechend der geänderten
Rechtsprechung des Senats in Verfahren nach § 123 VwGO auf vorläufige Zulassung
zum Studium auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2
GKG).
25
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2009 - 13 C 264/08 u. a. - und vom 16. März
2009 - 13 C 1/09 -, jeweils juris.
26
Von einer Änderung des Streitwerts für die erstinstanzlichen Verfahren hat der Senat vor
dem Hintergrund seiner bisherigen langjährigen Rechtsprechung abgesehen.
27
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
28
29