Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.11.2007

OVG NRW: beihilfe, fürsorgepflicht, anspruch auf bewilligung, recht des beamten, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, krankenversicherung, minderung, arzneimittel, gefährdung, besoldung

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 995/06
Datum:
12.11.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 995/06
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 3.
November 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 29. November
2004 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Beihilfeantrag vom 18. Oktober
2004 eine weitere Beihilfe in Höhe von 30,00 EUR zu bewilligen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Der 1956 geborene Kläger stand bis zu seiner Zurruhesetzung im Jahr 2006 als Amtsrat
(Besoldungsgruppe A 12 BBesO) in Diensten der Beklagten. Er ist unverheiratet und hat
keine Kinder.
2
Mit Beihilfeantrag vom 18. Oktober 2004 machte er u. a. Aufwendungen für ambulante
ärztliche Behandlungen betreffend die ersten drei Quartale 2004 geltend.
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Mit Beihilfebescheid vom 3. November 2004 setzte die Beklagte die Beihilfe fest und
zog dabei unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV einen Eigenbehalt ("Praxisgebühr")
in Höhe von 10,00 EUR je Quartal, insgesamt 30,00 EUR, ab. Den hiergegen
gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
29. November 2004 als unbegründet zurück.
4
Mit seiner am 10. Januar 2005 - rechtzeitig - erhobenen Klage hat der Kläger geltend
gemacht, die Praxisgebühr stelle einen mittelbaren Eingriff in das Gefüge der
Alimentationspflicht dar, indem sie eine dem Beihilferecht wesensfremde
Erstattungsschwelle einführe, die sich mittelbar auch auf die Alimentation selbst
auswirke und daher in den grundgesetzlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten
Bereich der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eingreife. Sie führe im
Ergebnis zu einer einseitigen Belastung der Beihilfeberechtigten, weil eine
ausgleichende Entlastung bei der ergänzenden privaten Krankenversicherung weder
vorgenommen worden noch geplant sei. Statt dessen hätten Privatversicherte in der
Vergangenheit deutliche Erhöhungen der Versicherungsbeiträge hinnehmen müssen.
Überproportional seien Bezieher unterer Einkommen betroffen, da die Beiträge der
privaten Krankenversicherung nicht vom Einkommen abhängig und nach oben begrenzt
seien wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung.
5
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 3. November
2004 und des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2004 zu
verpflichten, ihm Beihilfe ohne Abzug von Eigenanteilen gemäß § 12 Abs. 1
Satz 2 BhV zu gewähren.
7
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Vorschrift des
§ 12 Abs. 1 Satz 2 BhV zutreffend angewandt. Nach der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23. September 2005 - 10 A
10534/05 -), der das Verwaltungsgericht sich anschließe, sei diese Bestimmung gültig
und verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Die Fürsorgepflicht verlange nicht, dass
durch Beihilfe und Versicherungsleistungen die Aufwendungen in Krankheitsfällen
vollständig gedeckt würden, dass der Dienstherr in jedem Fall einen Teil der
Aufwendungen übernehme oder dass das von der Beilhilfe nicht gedeckte Risiko in
vollem Umfang versicherbar sei. Ungeachtet dessen, dass die Bestimmungen über die
Besoldung bzw. Versorgung sowie die Beihilfebestimmungen auf die finanzielle
Belastbarkeit der Beamten Rücksicht zu nehmen hätten und die Besoldung bzw.
Versorgung und die Beihilfe wechselseitig aufeinander bezogen seien, gebe es kein
tradiertes Anspruchsniveau, das einer Kürzung der Beihilfeleistungen durch
Eigenbeteiligungen von vornherein entgegenstehe. Die Fürsorgepflicht verbiete es
insofern lediglich, dem Beamten Risiken aufzubürden, deren wirtschaftliche
Auswirkungen unüberschaubar seien. Dies sei jedoch nicht zu besorgen, wenn das
nicht versicherbare Risiko - wie hier - auf einen Betrag von weniger als 1 v. H. des
Jahreseinkommens begrenzt bleibe.
10
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur
Begründung führt er im Wesentlichen aus: Die sog. Praxisgebühr verletze sowohl die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn als auch das Sozialstaatsprinzip. Sie gelte sowohl für
den Beihilfeberechtigten selbst als auch für beihilfeberechtigte Angehörige und könne
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sich je Quartal und je Person auf maximal 30,00 EUR belaufen. Der Betrag sei durchaus
erheblich. Dabei sei zu bedenken, dass die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV eben
nicht - wie andere Vorschriften - bei der Beihilfefähigkeit einer Behandlungsmaßnahme
oder bei der Frage der Beihilfefähigkeit des entstandenen Aufwands ansetze, sondern
vielmehr die grundsätzlich entstandene Beihilfe reduziere. Diese Reduzierung der
Beihilfe sei nicht durch den Abschluss einer Versicherung aufzufangen. Darüber hinaus
seien alle Besoldungsgruppen ohne Rücksicht auf ihre unterschiedliche wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit gleichmäßig betroffen, was dem Sozialstaatsgebot widerspreche.
Schließlich sei mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts davon auszugehen, dass die Beihilfevorschriften des
Bundes als solche inzwischen nicht mehr anwendbar seien, da die dem Gesetzgeber
zugebilligte Übergangsfrist mittlerweile verstrichen sein dürfte.
Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter teilweiser
Aufhebung des Bescheides vom 3. November 2004 und des
Widerspruchsbescheides vom 29. November 2004 zu verpflichten, ihm auf
seinen Beihilfeantrag vom 18. Oktober 2004 eine weitere Beihilfe in Höhe
von 30,00 EUR zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
14
die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil sowie
in dem dort in Bezug genommenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
vom 23. September 2005.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) Bezug genommen.
17
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18
Die (form- und fristgerecht begründete) Berufung des Klägers hat Erfolg.
19
Der Kläger hat Anspruch auf die beantragte weitere Beihilfe für das Jahr 2004. Der
angegriffene Bescheid der Beklagten vom 3. November 2004 und ihr
Widerspruchsbescheid vom 29. November 2004 sind insoweit rechtswidrig und
verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
20
Der Anspruch auf Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 30,00 EUR folgt aus
§ 79 BBG in Verbindung mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in
Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV). Die sich
daraus ergebende Beihilfe darf nicht durch die Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV
gemindert werden.
21
Der Beurteilung zugrunde zu legen ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des
Entstehens der Aufwendungen (§ 5 Abs. 2 BhV), für die eine Beihilfe verlangt wird (hier
die ersten drei Quartale 2004).
22
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 C 35.04 -, BVerwGE 125,
21 (= Juris Rn. 13) mit weiteren Nachweisen.
23
Für den vorliegenden Fall maßgeblich ist damit die Fassung der Beihilfevorschriften
vom 1. November 2001 (GMBl. S. 918) unter Einbeziehung der 27. und 28. allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 17. Dezember 2003
(GMBl. 2004 S. 227) und vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379). Beide Änderungen sind,
soweit hier von Interesse, mit Wirkung zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten.
24
Nach § 12 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz BhV in der hier maßgeblichen Fassung mindert
sich die Beihilfe um einen Betrag von 10,00 EUR je Kalendervierteljahr je
Beihilfeberechtigten und je berücksichtigungsfähigen Angehörigen für jede erste
Inanspruchnahme von ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder
psychotherapeutischen Leistungen ("Praxisgebühr"). Die Voraussetzungen dieser
Regelung sind hier - was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - erfüllt. Eine
Ausnahme gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 3
BhV ist nicht gegeben.
25
Gleichwohl war die Beklagte nicht berechtigt, die dem Kläger zustehende Beihilfe in
Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV zu mindern, da diese Bestimmung wegen
Verstoßes gegen höherrangiges Recht nicht wirksam ist.
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Dabei ist im Ausgangspunkt allerdings davon auszugehen, dass die Beihilfevorschriften
des Bundes für den vorliegenden Fall als solche überhaupt anwendbar sind. Zwar hat
das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Beihilfevorschriften als
Allgemeine Verwaltungsvorschrift den Anforderungen des verfassungsrechtlichen
Gesetzesvorbehaltes nicht genügen, da es sich um wesentliche Entscheidungen über
den Umfang der Beihilfeleistungen handelt, die dem Gesetzgeber vorbehalten sind.
27
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103,
109 ff.
28
Es hat jedoch zugleich hervorgehoben, dass trotz des Defizits normativer Regelungen
für eine Übergangszeit von der Weitergeltung der Vorschriften auszugehen ist. Damit ist
gewährleistet, dass die Leistungen im Falle der Krankheit, Pflegebedürftigkeit und
Geburt nach einem einheitlichen Handlungsprogramm erbracht werden.
29
Dieser Übergangszeitraum war jedenfalls bis zum Ende des Jahres 2004 ersichtlich
noch nicht abgelaufen, so dass dessen genaue Länge unter Beachtung des hier für die
gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkts keiner grundsätzlichen Klärung
bedarf.
30
Gleichwohl sieht sich der Senat durch diesen rechtlichen Ausgangspunkt nicht daran
gehindert, einzelnen Regelungen aus hiervon unabhängigen Gründen die Wirksamkeit
abzusprechen und sie im Rahmen eines Rechtsstreits über Beihilfeansprüche inzident
zu verwerfen. Die Übergangsrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht
dahin zu verstehen, dass sie die Anwendbarkeit der Beihilfevorschriften bis zum Ende
der Karenzzeit auch gegen jeden sonstigen Fehler immunisieren soll. Der gerichtlichen
Befugnis zur inzidenten Verwerfung (Nichtanwendung) von Beihilfevorschriften des
Bundes steht auch nicht die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zusätzlich eröffnete Möglichkeit
prinzipaler Normenkontrolle dieser Regelung entgegen.
31
Vgl. dazu BVerwG, Entscheidung vom 25. Juni 1987 - 2 N 1.86 -, BVerwGE
77, 345, sowie Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 47
Rn. 124 ff. m.w.N.; ferner BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 -,
NJW 2000, 3584.
32
Die Minderungsregelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV verstößt schon deshalb gegen
höherrangiges Recht, weil es in verfahrensrechtlicher Hinsicht an einer angemessenen
Willensbildung des Vorschriftengebers im Blick auf die Verträglichkeit der Regelung mit
dem Alimentationsprinzip fehlt. Der Senat hat bereits in einem Verfahren betreffend den
Ausschluss von Aufwendungen zur Behandlung der erektilen Dysfunktion in § 6 Abs. 1
Satz 2 Buchst. a BhV mit Urteil vom 15. Oktober 2007 (1 A 2896/06) entschieden, dass
die Willensbildung des Fürsorgegebers insoweit besonderen verfahrensrechtlichen
Anforderungen unterliegt. Hieran ist auch nach erneuter Überprüfung festzuhalten.
33
Zwar unterliegt der Erlass von Beihilferegelungen nach § 200 BBG keinen
ausdrücklichen Form- oder Verfahrensvorschriften; auch in der Rechtsprechung sind in
der Vergangenheit besondere Anforderungen nicht formuliert worden. Daraus kann
jedoch nicht geschlossen werden, dass insoweit keinerlei Bindungen bestünden. Die
allgemein bekannten, sich verengenden Rahmenbedingungen der Beihilfegewährung
geben Veranlassung, diese Bindungen genauer als bislang geboten herauszuarbeiten.
Insbesondere bedarf dabei der Fortentwicklung und Präzisierung, welche
Anforderungen das Verfassungsrecht bei Leistungsminderungen oder -ausschlüssen an
die Willensbildung des zuständigen Bundesministeriums und an die Herleitung und
Konsistenz stellt. Dabei ergibt sich insbesondere als erkenntnisleitender Gesichtspunkt,
dass eine hinreichend klare Ableitung von Maßstäben, die zudem eine wirksame
Rechtskontrolle von Einschränkungen erlauben würden, innerhalb des praktizierten
Systems der Beihilfe nicht in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise
möglich ist.
34
Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage nicht unmittelbar im
Alimentationsprinzip, sondern in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dieser muss
Vorsorge treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner
Familie auch bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Pflege-,
Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird.
35
Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 -
2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225, 232 und 240 (= Juris Rn. 29);
Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89, 99 ff.;
BVerwG, z.B. Urteile vom 25. Juni 1987 - 2 C 57.85 -, BVerwGE 77, 331,
vom 12. Juni 1985 - 6 C 24.84 -, BVerwGE 71, 342, 352, und schon vom
7. Oktober 1965 - VIII C 63.63 -, BVerwGE 22, 160, 164.
36
Nach der geltenden Rechtslage erfüllt der Dienstherr diese Verpflichtung gegenüber
den Beamten (bzw. Richtern) durch eine finanzielle Hilfeleistung, die zu der
Eigenvorsorge des Beamten hinzutritt, um seine wirtschaftliche Lage in Fällen
besonderer Belastung durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Diese
anlassbezogenen Leistungen sollen den Beamten von den durch die Besoldung nicht
gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen. Da die
dergestalt ergänzend konzipierte Beihilfe nur einen Teil der aus Anlass von Krankheits-,
Pflege-, Geburts- und Todesfällen entstehenden Aufwendungen des Beamten abdeckt,
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setzt sie voraus, dass der Beamte aus seinen Mitteln für die Begleichung des übrigen
Teils der Aufwendungen selbst Vorsorge trifft. Hierfür stellt der Besoldungsgesetzgeber
dem Beamten einen Alimentationsteil zur Verfügung, mit dem er den von der Beihilfe
nicht abgedeckten Teil der im Krankheitsfalle zu erwartenden Aufwendungen
begleichen kann und soll. Innerhalb des dargestellten Mischsystems genügt der
Dienstherr den Anforderungen der Fürsorgepflicht, wenn er sicherstellt, dass der
Beamte in den genannten Fällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt,
die er auch über eine zumutbare Eigenvorsorge nicht abdecken kann.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990, a.a.O. S. 101 m.w.N.;
BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277, 279 ff.
38
Das System von Beihilfeleistung einerseits und aus allgemeiner Alimentation
finanzierter Eigenvorsorge andererseits ist daher in einem Ergänzungsverhältnis
wechselseitig aufeinander bezogen, so dass eine Minderung der Beihilfeleistungen -
hier durch Abzug eines quartalsweisen Eigenbehalts - im Ergebnis eine Absenkung
des Standards bewirkt, den sich der Beamte oder Ruhegehaltsempfänger tatsächlich
aus seinen Bezügen leisten kann.
39
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 1715/03, u. a.
-, Juris.
40
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass es den Verwaltungsgerichten im
gegenwärtigen System der Beihilfe - und nach den in der Rechtsprechung hierzu
bislang entwickelten präzisierenden Prinzipien - unter den gewandelten finanziellen
Bedingungen schon im Ansatz nicht gelingen kann, eine allgemeingültige Grenze für
materielle Einschränkungen von Beihilfeleistungen festzulegen, die rechtsstaatlichen
Grundsätzen genügen würde. Die Gründe dafür sind eindeutig auszumachen: Die Höhe
des Alimentationsteils für die Eigenvorsorge im Krankheitsfall ist betragsmäßig
vollständig unbestimmt. Von Verfassungs wegen gedeckt sein müssen lediglich
(mindestens) die Kosten einer solchen Krankenversicherung, die zur Abwendung
krankheitsbedingter Belastungen erforderlich ist, die von den aufgrund der
Fürsorgepflicht erbrachten Leistungen nicht ausgeglichen werden.
41
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O. S. 233, 238;
Beschluss vom 13. November 1990, a.a.O. S. 98 m.w.N.
42
Wie hoch dieser Anteil zu veranschlagen ist und ob gar darüber hinausgehende
Bezügeanteile in die Alimentation eingerechnet sind, bleibt mangels gesetzgeberischer
Präzisierung ungewiss. Denn die Bezüge der Beamten, Richter und
Versorgungsempfänger enthalten keinen exakt bestimmbaren Satz oder proportionalen
Anteil, mit dem die Eigenvorsorge betrieben werden kann und soll.
43
Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277, 281;
ebenso schon die (rechtskräftigen) Urteile des erkennenden Senats vom
12. November 2003 - 1 A 4753/00 - (Juris) und - 1 A 4755/00 -, IÖD 2004, 53
= NWVBl. 2004, 194 = NVwZ-RR 2004, 546 = Schütz/Maiwald,
Beamtenrecht, Entscheidungssammlung C IV 2 Nr. 154 = ZBR 2005, 272;
nachfolgend BVerwG, Beschlüsse vom 10. März 2004 - 2 B 5.04 -, vom
11. März 2004 - 2 B 6.04 - und vom 12. März 2004 - 2 B 7.04 - (n.v.).
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Demgemäß ist nach der bislang vorherrschenden Auffassung die verfassungsrechtliche
Grenze der dem Beamten oder Richter zumutbaren finanziellen Belastung im Hinblick
auf die Eigenvorsorge erst erreicht, wenn der amtsangemessene Lebensunterhalt nicht
mehr gewährleistet ist. Diese Grenze ist ihrerseits u. a. aus Rückwirkungen zu
erschließen, die von Kürzungen im Bereich der fürsorgebedingten Hilfeleistungen auf
die Alimentation ausgehen. Unter diesem Gesichtspunkt sind in der Vergangenheit etwa
solche Kürzungen unbeanstandet geblieben, die sich als im Wesentlichen
alimentationsneutral erwiesen oder Leistungen betrafen, die zur Gewährleistung einer
medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Versorgung im Krankheitsfall nicht
notwendig waren.
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Vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 a.a.O. S. 233
(Wahlleistungen in der Krankenhausversorgung); Beschluss vom
13. November 1990, a.a.O. S. 102 ff. (100 %-Grenze für die Erstattung);
BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 2 C 10.04 -, NVwZ 2006, 217
(Zuzahlungen zu Wahlleistungen).
46
In anders gelagerten Fällen sind Einschnitte gebilligt worden, wenn sie als "geringfügig"
qualifiziert werden konnten. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit in seiner
Entscheidung zur niedersächsischen Kostendämpfungspauschale (Urteil vom 3. Juli
2003, a.a.O. S. 281) - im Kern übereinstimmend mit Erwägungen des Senats zur
nordrhein-westfälischen Kostendämpfungspauschale I (Urteile vom 12. November
2003) - eine Einkommensminderung von "weniger als einem Prozent der
Jahresbezüge" für den Regelfall gebilligt.
47
Vgl. näher Urteil des Senats vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 -,
amtlicher Umdruck S. 11 m.w.N.
48
Derartige Bagatellgrenzen gehen letztlich Hand in Hand damit, dass die geschuldete
Fürsorge keine "lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen" in Ergänzung der
zumutbaren Eigenvorsorge verlangt. Gewisse weitere Einschränkungen der
Alimentation - über das zur Abdeckung von Krankenversicherungsprämien hinaus -
können dadurch mit abgedeckt sein.
49
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 2442/94 -, DVBl
2002, 114, 115 (zu 2 a bb) unter Bezug auf Beschluss vom 13. November
1990, a.a.O. S. 100 f., 102; BVerwG, Urteile vom 3. Juli 2003, a.a.O. S. 282,
vom 15. Dezember 2005 - 2 C 35.04 - a.a.O. (= Juris Rn. 33), und vom
31. Januar 2002 - 2 C 1.01 -, NJW 2002, 2045 m.w.N. aus der ständigen
Rechtsprechung.
50
Soweit allerdings vor diesem Hintergrund in der hierzu bisher ergangenen
Rechtsprechung auch die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV als rechtmäßig
angesehen worden ist,
51
vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2007 - 2 B
56.07 -, Juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. März 2007 - 4 B
31.05 -, Juris; BayVGH, Beschluss vom 12. Oktober 2005 -14 ZB 05.1819 -,
Juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. September 2005 - 10 A
10534/05 -, NVwZ 2006, 954; VG Hamburg, Urteil vom 24. März 2006 - 8 K
5654/04 -, Juris; VG Neustadt, Urteil vom 13. März 2006 - 3 K 954/05.NW -,
52
NVwZ 2006, 1204; VG München, Urteil vom 20. September 2005 - M 5 K
05.73 -, Juris; VG Osnabrück, Urteil vom 22. Juni 2005 - 3 A 216/04 -, Juris;
VG Frankfurt/Main, Urteil vom 25. April 2005 - 9 E 5765/04 -, Juris; VG
Augsburg, Urteil vom 26. Januar 2005 - Au 7 K 04.1487 u.a. -, Juris; VG
Saarlouis, Urteil vom 11. Januar 2005 - 3 K 174/04 -, Juris,
vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.
53
Zum einen kann die durch die "Praxisgebühr" bedingte finanzielle Belastung nicht ohne
Weiteres als nur geringfügig angesehen werden. Die Höhe der den einzelnen Beamten
treffenden Belastungen hängt entscheidend von individuellen Faktoren wie dem
Familienstand und der regelmäßigen quartalsweisen Inanspruchnahme sowohl von
ärztlichen bzw. psychotherapeutischen als auch zahnärztlichen Leistungen ab. Nach
den Hinweisen des Bundesministeriums des Innern zu den Beihilfevorschriften des
Bundes - hier maßgeblich in der Fassung der Neubekanntmachung durch
Rundschreiben vom 15. Dezember 2004 - D I 5 - 213 100 1/1f - (GMBl. 2005 S. 542) -
betreffend § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV werden psychotherapeutische Leistungen den
ärztlichen Leistungen gleichgesetzt, so dass eine Minderung der Beihilfe für
psychotherapeutische Leistungen nicht in Betracht kommt, wenn im gleichen
Kalendervierteljahr ambulante ärztliche Leistungen in Anspruch genommen worden
sind und dafür die Beihilfe bereits um 10,00 EUR gemindert wurde; Gleiches gilt, wenn
zuvor die Beihilfe auf Grund der Inanspruchnahme von psychotherapeutischen
Leistungen gemindert wurde. Im Ergebnis beläuft sich die "Praxisgebühr" daher - bei
Inanspruchnahme sämtlicher Leistungen in jedem Quartal - auf maximal (lediglich)
80,00 EUR jährlich für einen alleinstehenden Beamten wie den Kläger. Ein anderes Bild
ergibt sich jedoch schon dann, wenn der jeweilige Beamte verheiratet und der Ehegatte
ebenfalls im Rahmen der Beihilfe berücksichtigungsfähig ist. In diesem Fall fällt
systembedingt auch für den Ehegatten ein maximaler Eigenbehalt in Höhe von
80,00 EUR an. Weitere Belastungen in je maximal dieser Höhe entstehen, wenn der
Beamte zudem ein berücksichtigungsfähiges Kind oder mehrere
berücksichtigungsfähige Kinder hat, welches/welche nach Vollendung des
18. Lebensjahres ebenfalls der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV
unterfällt/unterfallen (vgl. Satz 3 Buchst. a der Vorschrift). Diese Überlegungen zeigen,
dass die mit der "Praxisgebühr" zu leistenden Eigenbehalte durchaus in einer
beachtlichen Zahl von Beihilfefällen einen Umfang erreichen können, der es jedenfalls
nicht mehr ohne Weiteres erlaubt, von einer in aller Regel unterhalb der
Marginalitätsgrenze liegenden Belastung zu sprechen. Allein Letzteres könnte es aber
rechtfertigen, die Möglichkeit eines Überschreitens dieser Grenze im Einzelfall im
Rahmen einer typisierenden und pauschalierenden Betrachtung von vornherein außer
Betracht zu lassen.
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Zum anderen greift die der vorzitierten Rechtsprechung im Wesentlichen zugrunde
liegende Betrachtungsweise, die vorrangig die einzelne Leistungsminderung in den
Blick nimmt und deren Auswirkung auf die Amtsangemessenheit der dem Beamten
gewährten Alimentation jeweils isoliert untersucht, unter den vorliegend gegebenen
Rahmenbedingungen der Alimentation einerseits und der Beihilfebemessung
andererseits schon im Ansatz zu kurz.
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Wie oben gesagt, entspricht es gesicherter Erkenntnis, dass die Minderung des als
Alimentation zur Verfügung Gestellten nicht bereits als solche bedeutsam ist, sondern
erst dann, wenn etwa infolge zusätzlich auferlegter Belastungen ihre
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Amtsangemessenheit infrage gestellt ist. Damit wird allerdings der unklare Maßstab der
Fürsorge nur durch einen anderen, nicht weniger unklaren ausgetauscht.
Die Frage nach dem Umfang der Beeinflussung der individuellen Besoldungssituation
anhand des Maßstabs der Amtsangemessenheit der Alimentation ist - für sich gesehen -
als Kriterium für rechtliche Grenzziehungen indes nur dann brauchbar, wenn die
Rahmenbedingungen der Alimentation und Beihilfebemessung erkennen lassen, dass
insgesamt keine allzu erheblichen Einschnitte bewirkt werden. Hingegen sind
Leistungskürzungen und -einschränkungen umso kritischer zu würdigen, je mehr
dasjenige, was den Beihilfeberechtigten in seiner Gesamtheit abverlangt wird, in die
Nähe eines Eingriffs in die amtsangemessene Alimentation rückt. Eine solch kritische
Situation ist im maßgeblichen Zeitpunkt des Jahres 2004 erreicht worden, und zwar
sowohl aufgrund beihilferechtlicher Kürzungen als auch mit Blick auf die - das gesamte
Bundesgebiet betreffende - Entwicklung der Dienst- und Versorgungsbezüge. Der Bund
hat mit dem BBVAnpG 2003/2004 das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998
(BGBl. I S. 3642) und das Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom
16. Mai 2002 (BGBl. I S. 1780) aufgehoben und bestimmt, dass diese Gesetze
(lediglich) bis zum Inkrafttreten bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen zur
Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen weiter anzuwenden sind. Durch das am 1.
Januar 2004 in Kraft getretene Bundessonderzahlungsgesetz (BSZG) vom
29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076, inzwischen neugefasst durch Bekanntmachung
vom 28. Februar 2005, BGBl. I S. 464, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom
29. Juni 2006, BGBl. I S. 1402) sind die vorgenannten Gesetze ersetzt worden. In der
Folge wurde der Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung auf 5 v. H. der dem
Beamten für das Kalenderjahr zustehenden Bezüge abgesenkt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1
BSZG in der für das Jahr 2004 maßgeblichen Fassung); das bisherige Urlaubsgeld
wurde ersatzlos gestrichen. Der fortlaufend und zunehmend regressiven Entwicklung
der Bezüge stand die progressive Entwicklung der Leistungsminderung der Beihilfe
gegenüber. In der Summe hatten die Notwendigkeiten der Eigenvorsorge auch im Bund
2004 einen so erheblichen Umfang erreicht, dass nicht mehr die Feststellung
gerechtfertigt war, die Niveauabsenkungen in der Beihilfe könnten über den Zugriff auf
Alimentationsanteile aufgefangen werden. Der Senat hat insoweit in der Sache,
57
vgl. Urteile vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 (betr. das Jahr 2003), 1 A
1180/06 (betr. das Jahr 2004) und 1 A 3539/06 (betr. das Jahr 2005),
58
ins Einzelne gehend dargelegt, dass sich die Beamtenbesoldung inzwischen -
besonders verschärft in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahre 2003 - allgemein am
Rande des Amtsangemessenen bewegt, namentlich wenn der Vergleich mit den
Zuwachsraten beim Einkommen im allgemeinen Tarifbereich (Unterschied zwischen
etwa 30 % bis 60 %) angestellt wird. Hierauf wird im vorliegenden Zusammenhang
verwiesen.
59
Auch wenn der Umfang des den Beihilfeberechtigten des Bundes an Belastungen
Abverlangten individuell sehr stark variiert, wie gerade auch die "Praxisgebühr", deren
Höhe im Einzelfall von einer Reihe von Faktoren abhängt, zeigt, und
verallgemeinerungsfähige Quantifizierungen deshalb schwer fallen, sind die Eckpunkte
der Entwicklung und ihre Auswirkungen doch allgemeinkundig und gerichtsbekannt. Sie
ergeben sich namentlich aus den eingangs bezeichneten 27. und 28. allgemeinen
Verwaltungsvorschriften zur Änderung der Beihilfevorschriften. Neben der Einführung
60
der "Praxisgebühr" sind hier insbesondere die in § 12 Abs. 1 Satz 1 BhV normierten
Eigenbehalte sowohl für Arznei- und Verbandmittel sowie für bestimmte Hilfsmittel und
Fahrtkosten als auch bei vollstationären Krankenhausleistungen u. ä. zu nennen, die auf
entsprechenden Kostendämpfungsmaßnahmen aufbauen, die bereits im Jahr 1993 in
die Beihilfevorschriften aufgenommen worden sind.
Vgl. hierzu ausführlich Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und
Kommunen, Stand: Juli 2007, § 12 Abs. 1 Anm. 1.
61
Zudem ist an die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a und b BhV zu denken,
wonach nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sowie verschreibungspflichtige
Arzneimittel, die von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
ausgeschlossen sind, von der Beihilfefähigkeit (mit wenigen Ausnahmen)
ausgenommen worden sind.
62
Siehe zu Letzterem Urteil des Senats vom 15. Oktober 2007 - 1 A 2896/06 -.
63
Für die Entscheidung des vorliegenden Falles bedürfen diese - beispielhaft genannten -
Einschnitte keiner weitergehenden Präzisierung; denn maßgeblich sind die für die
rechtliche Prüfung zu ziehenden Konsequenzen, die nicht von einer genaueren
Quantifizierung der Einschnitte abhängen.
64
Diese Konsequenzen aus der dargestellten Entwicklung von Alimentation und
Fürsorgeleistungen sind im Wesentlichen aus dem Rechtsstaatsgebot herzuleiten. Lässt
sich nach Maßstäben materiellen Rechts nicht mehr hinreichend bestimmen, ob die
Einschnitte "einen solchen Umfang erreichen, dass der amtsangemessene
Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist",
65
so BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. September 2001, a.a.O. S. 115 (zu 2
b),
66
oder der "Wesenskern der Fürsorgepflicht" verletzt ist,
67
so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. November 2006 - 4 S 101/05 -,
VBlBW 2007, 263 (= Juris Rn. 22),
68
müssen im Gesamtgefüge erheblicher Einschnitte andere Wege beschritten werden, um
das verfassungsrechtlich gesicherte Ziel angemessener Fürsorgegewährleistungen zu
erreichen, zumal dem Dienstherrn als Fürsorgegeber ein "weiter Gestaltungsspielraum"
zugestanden wird.
69
Zum Gestaltungsspielraum des Normgebers im Beihilferecht vgl. BVerwG,
Urteil vom 15. Dezember 2005, a.a.O. S. 29 f.
70
Anderenfalls könnte das isolierte gerichtliche Argumentieren mit dem (materiell-
rechtlichen) Wesenskern der Fürsorgepflicht unter Hinweis auf die Notwendigkeit
wesentlicher Alimentationsminderungen für Normgeber nahezu als Aufforderung
missverstanden werden, eine "Salamitaktik" zu verfolgen, mit der - wie in der
Vergangenheit geschehen - in kleinen Schritten Beihilfeempfängern sich fortwährend
vermehrende Belastungen auferlegt werden, ohne dass bei der einzelnen Kürzung die
Gefährdung der Amtsangemessenheit der Alimentation greifbar gemacht werden
71
konnte. Verantwortbar ist die bisher praktizierte gerichtliche Herangehensweise
vielmehr nur solange, wie der Abstand zu einer Beeinträchtigung des
Amtsangemessenen objektiv und deutlich gewahrt ist. Dies lässt sich für den
maßgeblichen Zeitpunkt aber, wie ausgeführt, nicht mehr annehmen.
Befähigt und verpflichtet zur Wahrung des erforderlichen Abstands zur
Unteralimentation ist - soweit es im gegenwärtigen System um die Regelung von
Beihilfeansprüchen geht - der Dienstherr als Fürsorgegeber. Es ist hingegen nicht
Sache der betroffenen Beihilfeberechtigten, eine Gefährdung ihrer Alimentation
substanziiert aufzuzeigen, wenngleich sie in bestimmten Prozesslagen gehalten sein
mögen, die ihrer Sphäre zuzurechnenden Umstände zur individuellen Besoldungs- oder
Versorgungssituation darzulegen.
72
Vgl. etwa jüngst BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. September 2007 - 2
BvR 1673/03 u.a. -, amtlicher Beschlussabdruck S. 14.
73
Verfassungsrechtlich ist jedoch klar, dass es der Dienstherr ist, der den Anforderungen
genügen muss, die ihm aus der Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten erwachsen; er
- nicht der Beamte - muss abstrakt-generelle Vorkehrungen treffen und sicherstellen,
dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer
finanzieller Belastungen u.a. durch Krankheit nicht gefährdet wird.
74
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001, a.a.O. S. 115; Beschluss
vom 7. November 2002 a.a.O. S. 232; Beschluss vom 13. November 1990,
a.a.O. S. 100, 101.
75
Die rechtliche Konsequenz dieser Zusammenhänge ist von daher, dass den
Dienstherrn, der Kürzungen oder Einschränkung der Beihilfe unter wesentlich sich
verengenden Rahmenbedingungen der Fürsorgegewährung vornehmen will, eine
verfassungsrechtlich begründete Pflicht trifft, sich über die Auswirkungen seiner
Regelung im Gesamtgefüge von Eigenvorsorge, Beihilfe und verfügbarer Alimentation
angemessen zu vergewissern. Gerade bei kleinschrittigen Einschränkungen ist es
unabdingbar, die Gesamtbelastung in den Blick zu nehmen. Eine solche
sachangemessene Aufklärung der Entscheidungsgrundlagen und der Auswirkungen ist
Mindestvoraussetzung dafür, dass eine einschränkende Beihilferegelung
unbeanstandet bleiben kann. Letztlich ist dem Dienstherrn damit eine Ausgestaltung
des Erlassverfahrens abverlangt, die ihm ausreichende Entscheidungsgrundlagen
verschaffen kann.
76
Fehlen - wie bei planerischen oder sonst zielorientierten Regelungen - materielle
Standards gültiger und objektiv nachvollziehbarer Ableitung, so gewinnt der
Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes "durch Verfahren" zugunsten der von einer
Regelung Betroffenen an Bedeutung, hier zum Schutz der grundrechtsähnlichen Rechte
aus Art. 33 Abs. 5 GG. Eine derartige verfahrensrechtliche Komponente der
Beihilfekonkretisierung war und ist auch ohne einfachrechtliche Vorgabe stets zu
beachten. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als ein sachlogisches Element des
Gestaltungsauftrags des Fürsorgegebers und folgt aus dem objektiv-rechtlichen
Gewährleistungsgehalt der verfassungsrechtlich fundierten Fürsorgepflicht.
77
Wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher in diesem Zusammenhang das
Bestehen eines von den Gerichten zu akzeptierenden Gestaltungsspielraums des
78
Dienstherrn bei der Konkretisierung der Beihilfe betont hat, so war damit stets
vorausgesetzt, dass die eingeräumten Freiräume den Fürsorgegeber zu der ihm
aufgetragenen Gestaltung in die Lage versetzen sollen und dass der Fürsorgegeber
seinen Gestaltungsauftrag auch wahrnimmt. Ist dies festzustellen, so kann das Ergebnis
gerichtlicherseits grundsätzlich nicht unter Hinweis auf denkbare abweichende
Gestaltungen kritisiert werden. Davon abzugrenzen ist aber der Fall, dass - erkennbar
oder nicht - eine Regelung ohne jene Schritte getroffen wird, die nach den Verhältnissen
des Falles zur angemessenen Ausübung von Gestaltungsfreiheit erforderlich sind. Denn
Gestaltung ohne hinreichende Kenntnis ihrer Bedingungen ist ein Widerspruch in sich.
Die verfahrensrechtliche Dimension der Überprüfung durch den Fürsorgegeber liegt
nicht in abstrakter Weise fest. Sie kann und muss sich namentlich den Verhältnissen der
Zeit und den voraussichtlich eintretenden Gestaltungswirkungen anpassen. Der
Aufwand bei deren Ermittlung und Bewertung kann daher gering bleiben, wenn sich
eine Beihilfeeinschränkung auf die Alimentation letztlich nicht auswirkt oder deren Höhe
erkennbar deutlich über dem Amtsangemessenen liegt. Es dürfte auf solche
Rahmenbedingungen zurückgehen, dass in der Rechtsprechung bislang nicht
thematisiert worden ist, unter Beachtung welcher Rechtsgrundsätze die Festlegung des
angemessenen Umfangs fürsorgerischer Hilfeleistungen gelingen kann. Unter
wesentlich veränderten Vorzeichen kann es dabei indes nicht bleiben. Der Dienstherr ist
dann vor Reduzierungen von Beihilfeleistungen rechtlich gehalten, die
Rahmenbedingungen seiner Fürsorge, zu denen insbesondere auch die gewährte
Alimentation gehört, in den Blick zu nehmen und die Umstände und Auswirkungen der
von ihm geplanten Regelung - auch aus Bereichen anderer Leistungsträger - umso
intensiver zu ermitteln und zu bewerten, je mehr sich die Randbedingungen der Beihilfe
verschärfen. Das Verfehlen dieser verfahrensrechtlichen Anforderungen kann ein
betroffener Beamter als Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs.
5 GG geltend machen.
79
Dieses grundrechtsgleiche Recht ist hier das Recht des Beamten darauf, dass der
fürsorgegebende (hier: beihilfegewährende) Dienstherr nicht die amtsangemessene
Alimentation gefährdet.
80
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 a.a.O.
81
Handelt es sich hierbei wie dargelegt nicht um eine numerisch festlegbare Größe,
sondern ist die amtsangemessene Alimentation nur durch die Beachtung der Relation
des (verbleibenden) Nettoeinkommens mit demjenigen im Tarifbereich für vergleichbare
Tätigkeiten üblichen Nettogehalt festzumachen, so bezieht sich die entsprechend zu
fordernde Vergewisserung über die Auswirkungen einer Beihilfekürzung gerade auf die
vom Fürsorgegeber insoweit zu berücksichtigende Gesamtheit gegebenenfalls
bestehender weiterer und weitergehender Einschnitte im Fürsorge- und/oder
Alimentationsbereich. Der selbst vom Bundesverfassungsgericht,
82
- vgl. zuletzt Beschluss vom 2. Oktober 2007 a.a.O. Juris Rn. 29 -,
83
immer wieder bemühte, prozessual und inhaltlich aber folgenlos gebliebene Hinweis,
bei Absenkung der Beihilfe und entsprechender Auswirkungen auf die
Nettoalimentation müsse der Beamte an den Alimentationsgeber mit der gegebenenfalls
berechtigten Beschwerde herantreten, er, der Beamte, sei nunmehr unteralimentiert,
übersieht erstens, dass die oben dargelegte verfassungskräftige Pflicht zur Vermeidung
84
einer Unteralimentation gerade auch für den fürsorgegebenden Dienstherrn besteht und
zweitens, dass es bei Identität von alimentierendem und beihilfegewährendem
Dienstherrn wie vorliegend einen nachvollziehbaren Grund für die getroffene
Unterscheidung zwischen alimentierendem und fürsorgegebendem Dienstherrn nicht
gibt. Streitgegenstand einschlägiger im Beihilferecht wurzelnder Klagen ist nämlich die
Rechtsbehauptung, die amtsangemessene Alimentation werde durch jeweils in Rede
stehende beihilferechtliche Restriktionen sowie eventuelle sonstige finanzielle
Einschnitte gefährdet. Allein daraus, dass unter den obwaltenden Umständen die
Gesamtheit der die Bezüge ebenso wie die Beihilfeleistungen betreffenden
Restriktionen die Alimentation der Beamten an den Rande des Amtsangemessenen
gebracht haben, erwächst die Pflicht des Dienstherrn, vor dem Ergreifen einschlägiger
Restriktionen deren potentielle Auswirkungen auf die Amtsangemessenheit der
Alimentation sachbezogen zu ermitteln und diese Auswirkungen mit den öffentlichen
Belangen abwägend zu gewichten, die - offen benannt - mit den weitergehenden
finanziellen Restriktionen verfolgt werden. Bei dieser Sichtweise bleibt es außer
Betracht, den betroffenen Beamten darauf zu verweisen, sich an (denselben)
Dienstherrn als Alimentationsgeber zu wenden. Der Senat übersieht selbstverständlich
nicht, dass durch die erwähnte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
letztlich dem Dienstherrn als Fürsorgegeber "freie Hand" eröffnet sein soll, ersatzlos
Beihilfe zu streichen und abzuwarten, ob die betroffenen Beamten sich an ihn selbst als
Alimentationsgeber klagend wenden. Da wie im gegebenen Fall der Dienstherr aber als
solcher überhaupt nicht rechtlich teilbar, sondern in einer Rechtsperson sowohl
Alimentations- als auch Fürsorgegeber ist, enthielte es einen verfassungsrechtlich
bedeutsamen Verstoß gegen die Treue- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wenn
dieser Absenkungen auf der Beihilfeseite einseitig, d.h. ohne Ausgleich auf der
Alimentationsseite vornehmen würde und dabei klar wäre, dass die Beamten aktuell
und generell bereits am Rande des Amtsangemessenen der Alimentation gehalten
werden. Letzteres ist hier, wie bereits dargelegt, der Fall. Die von der Pflicht zur
amtsangemessenen Alimentation zu unterscheidende, aber ebenso verfassungskräftig
verbürgte Pflicht, sie, diese amts-angemessene Alimentation, nicht zu gefährden,
ergänzt den zunehmend dringlicher werdenden Schutz der Beamten vor weiteren
Aushöhlungen ihrer finanziellen Lebensgrundlage.
Den daraus erwachsenden Anforderungen an die materielle Überprüfung der
Auswirkungen einer einschränkenden Beihilferegelung kann nicht mit dem Hinweis
begegnet werden, dass es sich um untergesetzliche Normen handele, bei denen nach
allgemeinen - auch in der Rechtsprechung des erkennenden Senats anerkannten -
Grundsätzen für die Gültigkeit das Ergebnis des Rechtssetzungsaktes maßgeblich ist
und eine Prüfung des Abwägungsvorgangs nur dann erfolgt, wenn eine besonders
gestaltete Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven
besteht.
85
Vgl. dazu Senatsurteil vom 10. September 2007 1 A 4955/05 - amtlicher
Abdruck S. 24 m. zahlr. Nachw.
86
Bei den Beihilfevorschriften handelt es sich um administrative Bestimmungen
(Innenrecht der Verwaltung), die nicht die Eigenschaft von Rechtsnormen haben.
87
Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2005 a.a.O., und vom 25. Juni
1964 - 8 C 23.63 -, BVerwGE 19, 48, 53 ff.
88
Daran ändert der Umstand nichts, dass sie in gewisser Hinsicht wie revisible
(Außen)Rechtsnormen behandelt werden, nämlich in ihrer anspruchsbegründenden
Wirkung (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 BhV) und hinsichtlich der Auslegung.
89
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 a.a.O. S. 108 m.w.N.
90
Diese Rücksichten dienen im Wesentlichen dem Schutz der Anspruchsberechtigten und
erlauben noch keine Einschränkung des Prüfungsumfangs, der bei Einzelakten,
insbesondere solchen mit vergleichbaren Abwägungsnotwendigkeiten auch bezogen
auf den Entstehungsvorgang selbstverständlich ist. Die bei Rechtssetzungsakten - auch
solchen der Exekutive - geübte Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolle, die vor allem
im Absehen von einer Motiverforschung besteht, wurzelt nämlich in der Anerkennung
des typischerweise mit ihnen verbundenen normativen Ermessens, das in einer
besonderen demokratischen Legitimation der Normgeber seine Rechtfertigung findet.
Der Bundesminister des Innern hingegen kann bei der Wahrnehmung der
Fürsorgepflicht durch Erlass der Beihilfevorschriften keine vergleichbare Legitimation in
Anspruch nehmen. Er kann sich nicht einmal auf eine Inhalt, Zweck und Ausmaß
umreißende Ermächtigung (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) stützen, in deren Rahmen der
parlamentarische Gesetzgeber eigene Gestaltungsfreiräume an den Fürsorgegeber
weiterleitet und mit der vorbehaltlich gesetzlicher Beschränkungen
Bewertungsspielräume verbunden sind, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber
selbst zustehen.
91
Den so zu umreißenden Anforderungen hat der Fürsorgegeber mit Blick auf die streitige
Minderungsregelung nicht ansatzweise genügt. Hiergegen lässt sich nicht einwenden,
dass ihm mit der Prüfung der Gestaltungswirkungen etwas Unmögliches abverlangt
werde. Der Senat hat hierzu in den bereits oben zitierten Urteilen vom 10. September
2007, a.a.O., aufgezeigt, dass § 14 Abs. 1 BBesG ein ähnliches Verfahren zur
Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG vorsieht
und in anderen Zusammenhängen (im Zusammenhang mit der Reform des Systems der
nordrhein-westfälischen Abgeordnetenentschädigung) eigens Verfahrensweisen zu
Prüfung amtsangemessener Verhältnisse ersonnen worden sind. Es ist nicht ersichtlich,
dass entsprechend nicht auch zur Gewährleistung der Fürsorge vorgegangen werden
könnte.
92
Vor Erlass der streitigen Regelung ist jede Prüfung dieser Art unterblieben; insofern ist
ein (vollständiger) Ausfall bei der Wahrnehmung der dem Fürsorgegeber eingeräumten
Prärogativen festzustellen. Dies ergibt sich aus der parlamentarisch bekundeten
Absicht, jene Be- und Entlastungen, welche die gesetzlich Krankenversicherten infolge
der Maßnahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes treffen,
93
- Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-
Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190,
2194, in Kraft ab 1. Januar 2004 -
94
"wirkungsgleich in die Beihilfe- und Versorgungsregelungen für Minister, Abgeordnete
und Beamte" zu übertragen.
95
Vgl. Nr. IV der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und
Soziale Sicherung vom 24. September 2003, BT-Drucks. 15/1584, S. 10,
angenommen vom Deutschen Bundestag mit Beschluss vom 26. September
96
2003, Stenografischer Bericht der 64. Sitzung, Plenarprotokoll 15/64,
S. 5475.
Die vorliegend gebotene Prüfung konnte mithin nicht vorgenommen werden, weil die
vorgegebene wirkungsgleiche Übertragung der Be- und Entlastungen von gesetzlich
Krankenversicherten auf die Beihilfe- und Versorgungsberechtigten sich ansonsten
kaum hätte durchsetzen lassen. Darin liegt zwar ein nachvollziehbarer und nicht aus
sich heraus und von vornherein zu verwerfender Grund für die vorgenommenen
Belastungen. Es sind jedoch keine Ermittlungen oder Erwägungen angestellt worden,
um zu klären, ob sich das vorgegebene Ziel ohne unzumutbare Rückwirkungen auf die
Alimentationssituation möglicher Betroffener verwirklichen ließ. Das Ergebnis solcher
Ermittlungen oder Erwägungen kann schließlich auch nicht darin gesehen werden, dass
§ 12 Abs. 2 BhV eine Belastungsgrenze von 2 v. H. - bzw. 1 v. H. für chronisch Kranke -
des jährlichen Einkommens vorsieht, bei deren Überschreiten Beträge nach § 12 Abs. 1
BhV auf Antrag des Beihilfeberechtigten nicht mehr abzuziehen sind. Diese
Bestimmung ist selbst lediglich der im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung
geltenden (allgemeinen) Härtefallregelung des § 62 SGB V nachempfunden und nimmt
daher insoweit die (besondere) Alimentationssituation der Beamten erkennbar nicht in
den Blick. Dessen ungeachtet erfasst die Belastungsgrenze nach § 12 Abs. 2 BhV mit
den Eigenbehalten nach Absatz 1 auch nur einen Teil der im hier zu betrachtenden
Zusammenhang maßgeblichen Belastungen und betrifft etwa den Ausschluss
verschreibungs- bzw. nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gemäß § 6 Abs. 1
Satz 2 Buchst. a und b BhV schon im Ansatz nicht.
97
Nach alledem ist der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV insgesamt die Wirksamkeit
abzusprechen. Dass die hierdurch bewirkte Beihilfeminderung nicht einkommensneutral
bleibt, liegt auf der Hand. Die "Praxisgebühr" ist zudem auch nicht versicherbar, so dass
die streitige Regelung zu jenen Regelungen zählt, die nicht nur eine - gegebenenfalls
auf ihre Zumutbarkeit überprüfbare - Vermehrung der aus der Alimentation zu
bestreitenden Krankenversicherungsprämien im Gefolge haben, sondern vollständig
mindernd auf die Bezüge durchschlagen. Der Dienstherr hat aber bei der Ausgestaltung
des Beihilferechts zu beachten, ob und inwieweit sich der Beamte bezogen auf nicht
übernommene Leistungen versichern kann.
98
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 a.a.O. S. 101.
99
Das schließt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar nicht
aus, dem Beamten in gewissem Umfang nicht versicherbare finanzielle Risiken
aufzuerlegen,
100
vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O. Leitsatz 2 und S. 282,
101
begründet aber unter den vorstehend aufgezeigten Umständen einen erhöhten
verfahrensrechtlichen Aufwand der sachlichen Rechtfertigung. Ein solcher Aufwand ist
hier - wie dargelegt - nicht ansatzweise betrieben worden.
102
Mit alledem nicht zu vereinbaren ist - wie oben dargelegt - die ständig wiederholte,
innerhalb der behandelten Sachprobleme aber nicht näher erläuterte und auf die
Nichtlösbarkeit der einschlägigen Streitfälle hinauslaufende Ansicht des
Bundesverfassungsgerichts, der betroffene Beamte müsse in jedem einschlägigen Fall
der Absenkung von Beihilfeleistungen, die zur Alimentations"kürzung" führen, sich
103
zwingend an den Alimentationsgeber wenden und geltend machen, infolge der
vermehrten Belastung im Beihilfebereich sei seine Alimentation nicht mehr
amtsangemessen. Demgegenüber erlaubt es die bisherige Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zu den Aufgaben des Fürsorgegebers
- vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 a.a.O. Leitsätze 1
und 2a, S. 100 ff. -
104
ohne weiteres, dem Fürsorgegeber im Bereich der Beihilfe Pflichten zuzuordnen, deren
Beachtung der Beamte notfalls mit gerichtlicher Hilfe einfordern kann. Diese
Rechtsprechung wird vom Bundesverfassungsgericht nun aus für den erkennenden
Senat nicht nachvollziehbaren Gründen nicht mehr angemessen beachtet. Der
erkennende Senat hält demgegenüber daran fest, dass klagbare Rechte gegen den
Fürsorgegeber zumindest dann bestehen, wenn dieser innerhalb des geltenden
Systems von Alimentation und ergänzender Beihilfe in einer Gesamtschau im oben
ausgeführten Sinne zu einer Gefährdung der Alimentation beiträgt.
105
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
106
Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage der Wirksamkeit einer Beihilfeminderung
nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV unbeschadet etwa auslaufenden Rechts grundsätzliche
Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat.
107