Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.05.1998

OVG NRW (gebäude, kläger, 1995, treu und glauben, verfügung, standort des gebäudes, mutter, errichtung, fester wohnsitz, wohnhaus)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 4312/96
Datum:
18.05.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 4312/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 2 K 6916/95
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen eine bauordnungsrechtliche Räumungsverfügung.
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Der Kläger bewohnt ein in massiver Bauweise erstelltes, teilweise mit Holz verkleidetes
Gebäude, das aus einem größeren mittleren Gebäudeteil und zwei angrenzenden
kleineren Seitenflügeln besteht. Das Gebäude ist jedenfalls zu seinem ganz
überwiegenden Teil auf dem im Eigentum der Mutter des Klägers stehenden Grundstück
Gemarkung E.--ringhausen , Flur 2, Flurstück 171 mit der Anschrift "C. 8 A" (bis zum 1.
August 1993 lautete die Anschrift "C. 11 A") errichtet. Das vorgenannte Grundstück ist
umgeben von unbebautem Gelände und liegt in einem Waldgebiet. In einer Entfernung
von über 100 m sind noch drei weitere Wohngebäude auf einem anderen, der Mutter
des Klägers gehörenden Grundstück vorhanden (C. 4, 6 und 8), die von
Familienmitgliedern des Klägers bewohnt werden.
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Nachdem der Beklagte im Jahre 1993 eine Ortsbesichtigung durchgeführt hatte, gab er
dem Kläger mit einer ersten Verfügung vom 23. März 1993 auf, begonnene Bauarbeiten
an dem so bezeichneten "Wochenendhausgrundstück C. 11 A" zu unterlassen und eine
am Haus befindliche Toilette nebst Abwassergrube nicht mehr zu nutzen. Den
hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im wesentlichen wie folgt:
Es handele sich um kein Wochenendhaus. Das Haus habe seit der Errichtung
unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ständig als fester Wohnsitz für seinen Erbauer
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sowie eine nachfolgende Familie gedient. Die zwischenzeitlich von ihm eingebaute
Heizung sei von dem damaligen Bezirksschornsteinfegermeister abgenommen worden.
Auch das Bauamt habe in diesem Zusammenhang vor ca. sieben Jahren eine
Besichtigung vorgenommen, ohne daß es hierbei oder in der Folgezeit zu
Beanstandungen gekommen sei.
Mit der angefochtenen Verfügung vom 17. März 1995 hob der Beklagte die vorgenannte
Ordnungsverfügung wieder auf und forderte den Kläger nunmehr auf, die Nutzung des
Gebäudes "C. 8 A" zu Wohnzwecken innerhalb von acht Monaten nach Bestandskraft
der Verfügung zu beenden und das Gebäude bis dahin vollständig zu räumen.
Gleichzeitig drohte er dem Kläger bei Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von
5.000,-- DM an. Zur Begründung war im wesentlichen ausgeführt: Für das vermutlich als
Behelfsheim errichtete Gebäude sei niemals eine Baugenehmigung erteilt worden. Das
Gebäude sei auch nicht genehmigungsfähig, da es im Außenbereich liege und den
Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspreche, der das Grundstück als Fläche
für die Landwirtschaft darstelle. Außerdem liege das Grundstück in einem
ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiet und führe zu einer städtebaulich
unerwünschten Zersiedelung der Landschaft. Zudem gehe von dem Gebäude eine
Brandgefahr aus, da es ohne ausreichenden Sicherheitsabstand dreiseitig von Wald
umgeben sei. Schließlich genüge auch die vorhandene Abwassergrube nicht den dafür
geltenden Anforderungen. Das Gebäude genieße auch keinen Bestandsschutz.
Angesichts der formellen und materiellen Illegalität des Gebäudes sei es erforderlich,
die Räumung des Gebäudes zu fordern, weil der baurechtswidrige Zustand nur auf
diese Weise beseitigt werden könne.
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Am gleichen Tage erließ der Beklagte gegenüber der Mutter des Klägers als
Grundstückseigentümerin eine Beseitigungsverfügung mit im wesentlichen
gleichlautender Begründung. Die Mutter des Klägers wandte sich mit Schreiben vom 3.
April 1995 an den Beklagten und bat um Fristverlängerung mit dem Bemerken, sie wolle
dem Kläger "die Möglichkeit geben, für sein Wohnrecht etwas zu unternehmen".
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Mit Schreiben vom 12. April 1995 legte der Kläger gegen die ihn betreffende
Ordnungsverfügung Widerspruch ein, den er wie folgt begründete: Er habe seit der
Aufnahme seiner Wohnnutzung im Jahre 1985 bereits viele Mängel an dem Gebäude
beseitigt. Er sei auch bereit, die noch offenstehenden Mängel in Bezug auf die Grube
und die Brandgefahr abzustellen. Im übrigen sei davon auszugehen, daß das Haus
bereits seit langem genehmigt sei, da es in den Plänen eingezeichnet sei. Seine Mutter
sei ebenfalls mit einer weiteren Wohnnutzung einverstanden und werde den von ihr
eingelegten Widerspruch gegen die sie betreffende Ordnungsverfügung demnächst
noch weiter begründen.
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Der Oberkreisdirektor des Rheinisch-Bergischen Kreises wies mit
Widerspruchsbescheid vom 16. August 1995, zugestellt am 21. August 1995, den
Widerspruch des Klägers im wesentlichen unter Wiederholung der Ausführungen des
Ausgangsbescheides zurück und führte ergänzend aus: Die an die Mutter des Klägers
ergangene Abrißverfügung sei mittlerweile bestandskräftig, da die Mutter des Klägers
hiergegen keinen Widerspruch eingelegt habe.
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Der Kläger hat am 19. September 1995 Klage erhoben und zur Begründung noch
geltend gemacht: Seine Mutter habe mit ihrem Schreiben ebenfalls Widerspruch gegen
die sie betreffende Abrißverfügung eingelegt, auch wenn das Schreiben nicht
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ausdrücklich als Widerspruch bezeichnet worden sei. Die Ansicht, die Abrißverfügung
sei bestandskräftig geworden, entspreche somit nicht der Wahrheit.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
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die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 17. März 1995 (Az.: 63/671-25
Kuprat2.WPD) in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des
Rheinisch-Bergischen Kreises vom 16. August 1995 (Az.: 633.800-62/95 W) hinsichtlich
der darin angeordneten Nutzungsuntersagung und Räumungsanordnung sowie der
hierzu ergangenen Zwangsgeldandrohung aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er noch ausgeführt: Die Mutter des Klägers habe in einer
persönlichen Vorsprache erklärt, daß sie der vorgenommenen baurechtlichen
Beurteilung grundsätzlich folge. Dementsprechend habe sie der ihr gegenüber
ergangenen Beseitigungsverfügung nicht widersprochen. Im übrigen seien mit der
Klage keine neuen Argumente vorgetragen worden, die eine andere als die bisherige
Beurteilung rechtfertigen könnten.
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In einem Erörterungstermin am 9. April 1996, an dem der Kläger trotz ordnungsgemäßer
Ladung nicht teilgenommen hat, hat das Verwaltungsgericht auf die Möglichkeit einer
Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen und Gelegenheit zur
Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben. Einen Nachweis über die Zustellung des
Protokolls des Erörterungstermins an den Kläger enthält die Gerichtsakte nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 1996, auf
dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
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Der Kläger hat gegen den ihn am 19. Juli 1996 zugestellten Gerichtsbescheid am 19.
August 1996 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein
bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Es liege schon ein Verfahrensfehler vor,
da der Widerspruch seiner Mutter ignoriert worden sei. Das Wohnhaus sei von Anfang
an in massiver Weise errichtet worden und nicht etwa als Wochenendhaus aus Holz,
wie der Beklagte immer wieder behaupte. Als der Erbauer sich seinerzeit um eine
Baugenehmigung bemüht habe, habe ihn der damalige Bürgermeister dazu ermuntert,
ohne Genehmigung zu bauen. Vor ca. 32 bis 33 Jahren habe das Bauamt den
ungenehmigten Anbau eines kleineren Seitenflügels bemängelt. Der damalige
Bewohner habe sich dann zur Beseitigung des Flügels bereit erklärt, die Stadt habe
jedoch nicht weiter darauf bestanden und der Flügel stehe heute noch. Auch als das
Bauamt im Jahre 1985 im Zusammenhang mit dem Einbau der neuen Heizung mit dem
Wohnhaus befaßt gewesen sei, seien keine Beanstandungen erfolgt. Im übrigen habe
der Beklagte noch unlängst einem seiner Brüder die Genehmigung zur Errichtung eines
Hauses in geringer Entfernung zu dem in Streit stehenden Objekt erteilt.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem erstinstanzlichen
Klageantrag zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung trägt er noch vor: Der Bruder des Klägers habe im September 1996
eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Ersatzwohnhauses für sein zuvor durch
Brand zerstörtes Gebäude erhalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die vorgelegten sonstigen Unterlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob das erstinstanzliche Verfahren an einem
wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 2 VwGO leidet, weil
möglicherweise keine hinreichende Anhörung des Klägers gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2
VwGO vor Erlaß des Gerichtsbescheides stattgefunden hat. Zweifel ergeben sich
insofern daraus, daß ein Nachweis der Zustellung des die Anhörungsmitteilung
enthaltenen Protokolls über den Erörterungstermin vom 9. April 1997 an den Kläger
fehlt.
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Vgl. zum Verfahrensfehler beim Fehlen eines Nachweises des Zugangs der
Anhörungsmitteilung in gleichgelagerten Fallgestaltungen nach Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 3
Entlastungsgesetz, BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1987 - 9 C 86.87 -, Bay.VBl.
1988, S. 350.
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Selbst wenn insofern ein Verfahrensfehler begründet worden sein sollte, machte der
Senat von der ihm für diesen Fall nach § 130 Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit zur
Zurückweisung der Sache keinen Gebrauch, da der maßgebliche Sachverhalt geklärt
und die Sache entscheidungsreif ist.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die
angefochtene Ordnungsverfügung des Beklagten vom 17. März 1995 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 16. August 1995 ist im Hinblick auf die allein
streitgegenständliche Wohnungsnutzungsuntersagung und Räumungsanordnung sowie
die hierzu ergangene Zwangsgeldandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Verfügung ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG. Die in der
Verfügung zur Kennzeichnung des betroffenen Gebäudes herangezogene Hausnummer
"C. 8 A" ist allein dem vom Kläger bewohnten Gebäude zugeordnet. Angesichts dessen
stellt es die Bestimmtheit der Ordnungsverfügung nicht in Frage, daß es sich bei dem
Gebäude nicht - wie in der Verfügung weiter ausgeführt - um ein reines Holzhaus
handelt und ist es insofern auch unerheblich, ob das Gebäude nur auf dem in der
Verfügung angesprochenen Flurstück 171 oder zu einem ganz geringen Teil unter
Umständen auch auf dem angrenzenden Flurstück 172 steht.
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Die Ordnungsverfügung ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Ihre
Rechtsgrundlage finden die Wohnnutzungsuntersagung sowie die
Räumungsanordnung in § 58 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauO NW 1984, der bei Erlaß des
Widerspruchsbescheides noch galt. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden darüber
zu wachen, daß die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden und in
Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen. Die gleiche Befugnis kommt der Bauaufsichtsbehörde im
übrigen nunmehr nach § 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauO NW 1995 zu.
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Die vorgenannte Befugnis ermächtigt den Beklagten, dem Kläger als Verhaltensstörer
gemäß § 17 OBG NW aufzugeben, die Nutzung des Gebäudes C. 8 A zu Wohnzwecken
zu unterlassen und das Gebäude zu räumen.
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Das Gebäude ist als Wohnhaus formell illegal und auch nicht genehmigungsfähig.
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Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, daß das in Streit stehende, immer zu
Wohnzwecken genutzte Gebäude seit seiner Errichtung kurz nach Ende des Zweiten
Weltkrieges formell illegal ist.
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Das niemals förmlich genehmigte Wohnhaus bedurfte bereits zum Zeitpunkt seiner
Errichtung einer Baugenehmigung. Die Genehmigungsbedürftigkeit ergab sich
entweder aus § 1 A a) der fortgeltenden Baupolizeiverordnung für die Stadtgemeinden
des Regierungsbezirk Köln vom 22. Mai 1930 in der seinerzeit geltenden Fassung vom
15. November 1941 oder dem gleichlautenden § 1 A a) der Baupolizeiverordnung für die
Landgemeinden des Regierungsbezirk Köln vom 30. April 1932 in der seinerzeit
geltenden Fassung vom 29. November 1941. Auch nach Inkrafttreten der BauO NW
1962 war für das Gebäude bzw. dessen ggfs. zwischenzeitlich vorgenommenen
Erweiterungen eine Baugenehmigung nach § 80 Abs. 1 BauO NW 1962 erforderlich;
das Gebäude unterfiel aufgrund seiner Größe von mehr als 30 m3 umbauten Raumes,
die ausweislich der Lichtbilder schon von dem mittleren ältesten Gebäudeteil
überschritten werden, sowie wegen des Vorhandenseins von Aufenthaltsräumen
insbesondere nicht den Freistellungen der §§ 80 Abs. 2 Nr. 1 (Freistellung von der
Genehmigungspflicht), 81 Abs. 1 Nr. 1 (Freistellung von der Anzeigepflicht) BauO NW
1962. Entsprechendes galt nach Inkrafttreten der BauO NW 1970, die in ihren §§ 80
Abs. 1, 2 Nr. 1, 81 Abs. 1 Nr. 1 gleichlautende Regelungen enthielt. Auch die
Verordnung über genehmigungs- und anzeigefreie Vorhaben nach der
Landesbauordnung - Freistellungsverordnung - vom 5. September 1978 (GVBl. NW
1978, S. 526), geändert durch Änderungsverordnung vom 30. Juni 1980 (GVBl. NW S.
700) begründete ebenso wie die BauO NW 1984 keine Genehmigungsfreiheit für das in
Streit stehende Gebäude. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 der genannten Verordnung sowie nach
dem, eine Ausnahme von der grundsätzlichen Genehmigungspflicht baulicher Anlagen
gemäß § 60 Abs. 1 BauO NW 1984 begründenden § 62 Abs. 1 Nr. 1 BauO NW 1984
war eine Baugenehmigung wiederum lediglich für die Errichtung bzw. Änderung solcher
Gebäude entbehrlich, die - neben weiteren Voraussetzungen für den Fall einer Lage im
Außenbereich - keine Aufenthaltsräume umfaßten und eine Größe von 30 m3 umbauten
Raumes nicht überschritten. Entsprechendes ist auch nunmehr in §§ 63 Abs. 1, 65 Abs.
1 Satz 2 Nr. 1 BauO NW 1995 geregelt.
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Das demnach immer formell illegale Wohnhaus ist auch nicht genehmigungsfähig. Ihm
stehen jedenfalls bauplanungsrechtliche Vorschriften entgegen (§ 70 Abs. 1 Satz 1
BauO NW 1984, § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NW 1995).
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Der Standort des Gebäudes liegt außerhalb des Geltungsbereiches eines
Bebauungsplanes und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne
von § 34 Abs. 1 BauGB, mithin im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB.
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Ein Bebauungsplan besteht für den betroffenen Bereich nicht. Die maßgebliche
Grundstücksfläche, auf dem sich das Gebäude befindet, liegt angesichts des
Umstandes, daß diese Fläche ausweislich des vorliegenden Kartenmaterials allseitig
von unbebautem, überwiegend bewaldetem Gelände umgeben ist und ansonsten in
dem in Betracht zu ziehenden Bereich - allerdings ohnehin schon in einer Entfernung
von über 100 m - lediglich noch drei weitere zu Wohnzwecken genutzte Gebäude (C. 4,
6 und 8) vorhanden sind, auch ersichtlich nicht innerhalb eines im Zusammenhang
bebauten Ortsteiles.
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Im Außenbereich ist das in Streit stehende Gebäude als nicht privilegiertes sonstiges
Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB nicht genehmigungsfähig.
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Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, beeinträchtigt es öffentliche
Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB, weil es als Akt unorganischer und
städtebaulich unerwünschter Zersiedelung im Außenbereich negative Vorbildwirkung
entfaltet und insofern für sich genommen die Entstehung bzw. - wenn die übrigen drei
Wohngebäude C. 4, 6 und 8 mit in den Blick genommen werden - die Verfestigung und
Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten läßt. Angesichts der bereits hieraus
folgenden Beeinträchtigung öffentlicher Belange brauchte der Frage, ob das in Streit
stehende Gebäude auch den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspricht
und ggfs. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtigt, nicht
weiter nachgegangen zu werden.
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Die demnach für das nunmehr geltende Recht festzustellende planungsrechtliche
Unzulässigkeit des Gebäudes ist ebenfalls bereits seit seiner Errichtung gegeben. Die
unter dem Gesichtspunkt der Entstehung bzw. Verfestigung und Erweiterung einer
Splittersiedlung zur planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Gebäudes führenden
Regelungen des § 35 Abs. 2, 3 BauGB waren bereits in den früheren Fassungen des
BauGB sowie in § 35 Abs. 2, 3 des Bundesbaugesetzes in seinen ab 1960 jeweils
geltenden Fassungen im wesentlichen inhaltsgleich enthalten. Diese Bestimmungen
waren auch jeweils über § 29 Satz 1 BauGB bzw. § 29 Satz 1 Bundesbaugesetz auf das
Gebäude anwendbar, da es sich hierbei - wie oben dargelegt - immer um eine
genehmigungspflichtige bauliche Anlage gehandelt hat und die betreffende Fläche auch
in früheren Zeiten, als die Bebauung im hier betroffenen Bereich von allenfalls noch
geringerem Gewicht war, dem Außenbereich zuzuordnen war. Vor dem Inkrafttreten des
Bundesbaugesetzes im Jahre 1960 war das Gebäude nach § 3 Abs. 1 der bis dahin
fortgeltenden Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 im
Außenbereich planungsrechtlich unzulässig, da die erforderliche Genehmigung nach
dieser Vorschrift für Anlagen im Außenbereich versagt werden sollte, wenn ihre
Ausführung der geordneten Entwicklung des Gemeindegebietes oder einer
ordnungsgemäßen Bebauung zuwiderlief. Dies war hier angesichts der durch das
Gebäude bewirkten unorganischen und städtebaulich unerwünschten Siedlungsweise
im Außenbereich der Fall.
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Das Gebäude genießt als Wohnhaus auch keinen Bestandsschutz. Ein Bestandsschutz
setzt voraus, daß die jeweils betroffene bauliche Anlage entweder formell legal errichtet
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wurde oder aber im Zeitpunkt ihrer Errichtung bzw. später während eines
nennenswerten Zeitraumes materiell mit dem geltenden Baurecht insgesamt
übereingestimmt hat.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1971 - 4 C 62.66 - in: BRS 24 Nr. 193 und vom 5.
Dezember 1986 - 4 C 31.85 - in: BRS 46 Nr. 13.
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Diese Voraussetzungen sind jedoch - wie oben dargelegt - für das in Streit stehende
Haus nicht erfüllt.
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Der Beklagte war auch nicht wegen eines längerfristigen Hinnehmens der illegalen
Wohnnutzung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert, die
angefochtene Wohnnutzungsuntersagung und die Räumungsanordnung gegenüber
dem Kläger zu erlassen. Allein eine vorherige längere Untätigkeit der Behörde
gegenüber einem illegalen Vorhaben steht dem Erlaß einer Ordnungsverfügung, mit der
- wie hier - ein baurechtmäßiger Zustand wiederhergestellt werden soll, nicht entgegen.
Hierfür ist vielmehr erforderlich, daß die Bauaufsichtsbehörde über das bloße
Hinnehmen hinaus ein Verhalten gezeigt hat, welches bei dem Betroffenen ein
schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen konnte, die Behörde werde künftig nicht
mehr einschreiten.
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Vgl. OVG NW, Urteile vom 6. Juli 1988 - 7 A 529/85 - und vom 25. September 1990 - 11
A 1938/87 - in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 1991, S. 193, 194.
46
Ein derartiges weitergehendes Verhalten des Beklagten bzw. früherer
Bauaufsichtsbehörden, welches bei dem Kläger ein schutzwürdiges Vertrauen im
vorgenannten Sinne ausgelöst haben könnte, ist auch bei Zugrundelegung des
klägerischen Vorbringens im Berufungsverfahren nicht feststellbar. Soweit der Kläger
hierzu geltend gemacht hat, Bedienstete des Bauamtes hätten sowohl vor über 30
Jahren als auch nochmals Mitte der 80er Jahre im Rahmen konkreter Überprüfungen
Kenntnis von der Nutzung des Hauses als Wohnhaus bzw. von seiner Erweiterung
erlangt und seien gleichwohl in der Folgezeit nicht eingeschritten, handelt es sich bei
einem derartigen Verhalten - unterstellt die Angaben des Klägers treffen zu - lediglich
um ein bloßes Hinnehmen der illegalen Wohnnutzung, das entsprechend den obigen
Ausführungen ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers nicht zu begründen
vermochte. In diesem Zusammenhang kann auch dahinstehen, ob die weiteren
Angaben des Klägers im Berufungsverfahren, der Erbauer des Hauses sei seinerzeit
von dem damaligen Bürgermeister dazu ermuntert worden, das Haus ohne
Genehmigung zu errichten, tatsächlich zutreffend sind. Der so beschriebene Vorgang
hat jedenfalls nicht zu einer Genehmigung des in Streit stehenden Wohnhauses geführt
und hat auch nicht zur Folge, daß der Beklagte gehindert wäre, nunmehr wieder
baurechtmäßige Zustände zu bewirken und hierzu die erforderliche
Wohnnutzungsuntersagung und Räumungsanordnung gegenüber dem Kläger zu
erlassen.
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Vgl. zur Unbeachtlichkeit eines solchen Fehlverhaltens eines Amtsträgers: OVG NW,
Urteil vom 13. Februar 1987 - 10 A 29/87 - in: BRS 47 Nr. 193 sowie auch OVG NW,
Urteil vom 25. September 1990 - 11 A 1938/87 -, a.a.O.
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Die angefochtene Ordnungsverfügung läßt auch keine Ermessensfehler erkennen. Sie
erweist sich insbesondere nicht etwa deshalb als willkürlich und damit
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ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte dem Bruder des Klägers unter dem 26.
September 1996 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines neuen Wohnhauses in
Nähe des in Streit stehenden Gebäudes erteilt hat. Bei dem genehmigten neuen
Wohnhaus handelt es sich um ein Ersatzwohnhaus im Sinne des § 35 Abs. 4 Nr. 3
BauGB für ein zuvor vorhandenes, durch Brand vernichtetes älteres Wohngebäude.
Daß die maßgeblichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB
nicht vorgelegen haben könnten, der Beklagte dem Bruder des Klägers also eine
materiell rechtswidrige Wohnnutzung gestattet haben könnte, ist weder ersichtlich noch
vom Kläger dargelegt oder behauptet worden.
Schließlich braucht der Frage nicht weiter nachgegangen zu werden, ob die Mutter des
Klägers fristgerecht Widerspruch gegen die an sie gerichtete Abrißverfügung vom 17.
März 1995 eingelegt hat und hierdurch die Vollziehbarkeit dieser Abrißverfügung derzeit
gehemmt ist. Selbst wenn von Letzterem ausgegangen wird, berührt dies die
Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Kläger erlassenen und hier allein zur Überprüfung
anstehenden Ordnungsverfügung vom gleichen Tage nicht.
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Die Androhung des Zwangsgeldes, die in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG
NW ihre Rechtsgrundlage findet, begegnet ebenfalls keinen Rechtmäßigkeitsbedenken.
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Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeb
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