Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2005
OVG NRW: motivirrtum, vergleich, rückzahlung, rückgriff, unterkunftskosten, rechtsnatur, beweggrund, anfechtung, zuwendung, kirche
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 143/05
21.04.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
12. Senat
Beschluss
12 A 143/05
Verwaltungsgericht Münster, 11 K 913/01
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Die beabsichtigte
Rechtsverfolgung bietet entgegen § 166 VwGO i. V. m. mit § 114 ZPO keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg. Das Vorbringen der Kläger vermag keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen; diese sind auch sonst nicht
ersichtlich, so dass eine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht in
Betracht kommt.
Unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2004 zu der
Zuwendung seitens der L. L1. N. abgegebenen Erklärung, der nicht geringen Höhe des
zugewandten Betrages und der postwendend nach der mündlichen Verhandlung
vorgelegten - seine überwiegend darlehensweise Hingabe bestätigenden - Bescheinigung
des Q. L2. L3. ist es höchst unwahrscheinlich, dass sich die Kläger bzw. die für sie
Auftretenden, auf deren Kenntnishorizont es bei etwaigen Willensmängeln ankommt, im
Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht darüber im Klaren gewesen sein sollen, dass
der nicht zuschussweise geleistete Teil des Geldes irgendwann an die L1. zurückgezahlt
werden musste. Soweit sich die Berichterstatterin im Termin dahingehend geäußert haben
sollte, dass die Kirche das Geld möglicherweise nicht wirklich zurück haben wolle, spricht
nichts für die Annahme, dass dies bei der Klägerseite, der allein die für eine rechtliche
Wertung unabdingbare genauere Kenntnis über die mit der L1. getroffene Absprache
zukam, die Vorstellung hervorgerufen haben könnte, ungeachtet eines möglichen
Verzichtes auf Rückzahlung aus Billigkeitsgründen sei ein Darlehenrückzahlungsanspruch
der Kirchengemeine von vornherein nicht zur Entstehung gelangt.
Selbst wenn sich die Kläger bzw. die für sie Auftretenden aber bei Vergleichsabschluss in
dem Irrtum befunden haben sollten, dass keine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der
L1. bestünde, hat es sich dennoch auch im Lichte ihres neueren Vorbringens dabei
lediglich um einen - nicht zur Anfechtung nach § 119 BGB berechtigenden - Motivirrtum
gehandelt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich Anwalt und Mutter bei
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Abschluss des Vergleiches nicht über den Inhalt der ausgetauschten Erklärungen (§ 119
Abs. 1 1. Fall BGB) oder über den Umstand bewusst waren, eine Erklärung dieses Inhalts
verbindlich auszutauschen (§ 119 Abs. 1 2. Fall BGB). Ein unbewusstes Auseinanderfallen
von Wille und Erklärung liegt nicht vor. Vielmehr hätten sich die Kläger bzw. die für sie
Auftretenden mit der falschen Vorstellung, der L1. nicht zur Rückzahlung verpflichtet zu
sein, allenfalls über einen außerhalb der ausgetauschten Erklärung liegenden Umstand
geirrt. Soweit durch den Vergleich eine Schuldenfreiheit der Kläger unter - die zukünftige
Handhabung von Unterkunftskosten bestimmendem - Einschluss der durch die Übernahme
von Mietrückständen entstandenen Schulden bei der L1. erreicht werden sollte, stellte dies
bloß den Anlass und Beweggrund für die getroffene Vereinbarung dar. Wenn sich die mit
dem Abschluss eines Vergleichs verbundenen einseitigen Erwartungen, die - wie hier -
nicht Inhalt der Erklärung sind, nicht erfüllen, ist das irrtumsrechtlich unbeachtlich. Es folgt
zudem schon aus der Rechtsnatur des Vergleiches, dass eine Anfechtungsmöglichkeit
nicht auf den Irrtum bezüglich solcher Punkte erstreckt werden kann, die durch den
Vergleich eine abschließende Regelung finden sollen.
Vgl. etwa BayVGH, Urteil vom 21. Dezember 1999
- 20 N 96.2625, 20 B 96.2509 -, DVBl. 2000, 568.
Sinn eines Prozessvergleiches ist es gerade, Streitfragen ohne Rücksicht auf die wirkliche
Sach- und Rechtslage zu ordnen und den Parteien somit jeden Rückgriff darauf zu
verwehren. Durch den Prozessvergleich übernimmt jede Partei insoweit auch ein
Irrtumsrisiko. Das Vorbringen der Kläger in den Schriftsätzen vom 9. Dezember 2004 und
vom 14. Februar 2005 vermag eine Einordnung der möglicherweise fehlerhaften
Vorstellungen bei Abschluss des Vergleiches als unbeachtlichen Motivirrtum nicht zu
widerlegen.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.