Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 03.08.1998

OVG NRW (asylverfahren, gesetz, zustellung, vormundschaft, geschäftsfähigkeit, antrag, entgegennahme, ausländerrecht, rechtsstellung, vollendung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 25 A 3448/98.A
Datum:
03.08.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 A 3448/98.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 18 K 4668/94.A
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Köln vom 19. Juni 1998 wird abgelehnt. Die
Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Gründe: Der Antrag hat keinen Erfolg. Der vorliegenden Rechtssache kommt keine
grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Die in der
Antragsschrift aufgeworfene Frage, ob die Zustellung eines ablehnenden Bescheides
des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wirksam ist, wenn sie
an den Asylbewerber persönlich bewirkt wurde, dieser das 16. Lebensjahr zwischen der
Asylantragstellung und der Bescheidzustellung vollendet hat und die zuvor für ihn
angeordnete Vormundschaft weiterbesteht, ist nicht klärungsbedürftig, sondern aus dem
Gesetz ohne weiteres im bejahenden Sinn zu beantworten. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1
VwZG, der mangels spezieller Regelungen für die Zustellung an Minderjährige in § 10
AsylVfG auch in Asylverfahren Anwendung findet, ist nur bei Geschäftsunfähigen und
bei beschränkt Geschäftsfähigen an ihre gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Ein
Ausländer, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, ist jedoch, soweit es um sein
Asylverfahren geht, vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Ausnahmen nicht mehr in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt, sondern nach § 12 Abs. 1 AsylVfG fähig zur Vornahme
von Verfahrenshandlungen nach dem AsylVfG. Die partielle Handlungsfähigkeit, die
ihm das Gesetz damit zuerkennt, umfaßt nicht nur eine aktive Seite, die ihn zur Stellung
von Anträgen und zur Abgabe von Willenserklärungen in bezug auf das Asylverfahren
befähigt, sondern auch eine passive Seite, aufgrund derer er zur rechtswirksamen
Entgegennahme behördlicher und gerichtlicher Schreiben und Entscheidungen fähig ist.
Kanein/Renner, Ausländerrecht, § 12 AsylVfG, Rdnr. 3; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, §
12, Rdnr. 15. Daß die Vormundschaft und damit auch die Stellung des Vormundes als
des gesetzlichen Vertreters des Ausländers über die Vollendung des 16. Lebensjahres
hinaus fortbesteht (§§ 1793 Satz 1, 1882 BGB), ändert daran nichts. Für die
Rechtsstellung des beschränkt Geschäftsfähigen ist es gerade kennzeichnend, daß er
der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters nur insoweit bedarf, wie die
Beschränkung seiner Geschäftsfähigkeit reicht (§§ 106 - 113 BGB). Daß es einer
besonderen Belehrung des Ausländers über diese Rechtslage weder im Zeitpunkt der
1
Asylantragstellung noch in der Rechtsbehelfsbelehrung des Ablehnungsbescheides
des Bundesamtes bedarf, ist ebenfalls nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, sondern
ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz sowie der dazu ergangenen
höchstrichterlichen Rechtsprechung. Denn der genannte rechtliche Gesichtspunkt wird
von § 10 Abs. 7 AsylVfG ebensowenig erfaßt wie von § 58 VwGO. Auch das
Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs.
4 Satz 1 GG, aus denen das BVerfG eine Pflicht zur Belehrung über die
Zustellungsfiktion in § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG und deren Voraussetzungen abgeleitet
hat, BVerfG, Beschluß vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 -, DVBl. 1994, 631 =
InfAuslR 1994, 324; Beschluß vom 8. Juli 1996 - 2 BvR 96/95 -, DVBl. 1996, 1252,
gebieten eine weitergehende Belehrung nicht. Diese Rechtsprechung ist im
vorliegenden Fall im übrigen ohnehin nicht einschlägig, weil die Zustellung des
Ablehnungsbescheides an die Klägerin mittels Postzustellungsurkunde möglich war.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Dieser Beschluß ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).