Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 31.03.2008
OVG NRW: psychiatrische behandlung, arbeitsfähigkeit, berufliche tätigkeit, kündigung, psychiatrie, psychotherapie, leistungsfähigkeit, anfang, arbeitsmarkt, erlass
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 3502/07
Datum:
31.03.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 3502/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 26 K 1509/07
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
G r ü n d e :
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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Allein der Umstand, dass mehrere ärztliche Stellungnahmen und Gutachten vorliegen,
"die teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen", begründet keine
besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. allein geltend
gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
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Abgesehen davon sind die weiteren Darlegungen des Klägers zu den Ergebnissen
einzelner Gutachten nicht geeignet, die der angefochtenen Ermessensentscheidung
zugrunde liegenden negative Zukunftsprognose zu entkräften. Soweit dargelegt wird,
der Integrationsfachdienst sei in seiner Stellungnahme vom 23. Januar 2006 zu dem
Ergebnis gekommen, dass keine Arbeitsfähigkeit bestehe, bestätigt dies gerade die
negative Zukunftsprognose des Integrationsfachdienstes:
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"Die psychiatrische Behandlung ist durch seine Unzuverlässigkeit nicht geordnet
möglich, sein chaotisches Verhalten und seine aktuelle Realitätsverkennung ergeben
vom Gesamtbild her eher eine ungünstige Prognose bezüglich seiner Arbeitsfähigkeit,
so dass auf längere Zeit gesehen nicht mit einer Wiederherstellung seiner
Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist".
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Der Hinweis des Klägers, das L. Zentrum für Arbeitsmedizin komme in seiner
Stellungnahme vom 23. Januar 2006 zu dem Ergebnis, dass eine Arbeitsfähigkeit unter
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Einschränkungen bestehe, wird dem Inhalt der in Bezug genommenen Stellungnahme
nur teilweise gerecht. In Nr. 5 der Stellungnahme ist zwar ausgeführt, dass eine
Arbeitsfähigkeit durchaus derzeit gegeben sei, jedoch nur "unter bestimmten
Rahmenbedingungen bzw. Einschränkungen wie sie bereits unter Punkt 4 und 6
formuliert wurden". Nach Punkt 6 ist der Kläger nicht geeignet für Arbeiten / Tätigkeiten
"- die in Alleinarbeit ausgeführt werden müssen,
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- mit Absturzgefahr (G 41),
8
- mit Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten (G 25),
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- mit Atemschutzmasken (G 26 II und III),
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- mit besonderer Anforderung an die Reaktionsfähigkeit,
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- mit besonderer psychovegetativer Belastung,
12
- mit atemreizenden Substanzen (inhalative Noxen) wie z. B. Rauche oder Stäube,
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- mit Heben und/oder Tragen von schweren Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel oder
in unergonomischer Haltung),
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- unter ungünstigen ergonomischen Bedingungen,
15
- mit exzentrischen Wirbelsäulenbelastungen,
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- die dauerndes Stehen erfordern."
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Darüber hinaus sind in Nr. 4 der Stellungnahme aufgrund des "multiplen
Suchtverhaltens" des Klägers weitere Einschränkungen vermerkt:
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"Hier ist sicherlich zumindest mittelfristig davon auszugehen, dass Herr T. in
entsprechenden Arbeitsbereichen mit hohem Gefahrenpotential nicht einzusetzen ist.
Hierbei müssen auch entsprechende Nebenwirkungen von Psychopharmaka
hinsichtlich Konzentrationsvermögen berücksichtigt werden."
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Dass im Zeitpunkt der Kündigung der Kläger trotz dieser Einschränkungen in der Lage
gewesen ist, seine bisherige Tätigkeit als Logistikmitarbeiter bzw. Lagerarbeiter/Lagerist
im Chemiebetrieb der Beigeladenen auszuüben, oder ein anderer freier
leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden hat, wird nicht einmal
ansatzweise dargelegt.
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Der weitere Hinweis auf den "Reha-Entlassungsbericht der Rentenversicherung", in
dem eine Wiedereingliederungsmaßnahme vorgeschlagen werde, lässt schon in der
Darlegung keinen Bezug zu der entscheidenden Frage erkennen, ob der Kläger im
Zeitpunkt der Kündigung arbeitsfähig gewesen ist oder in absehbarer Zeit seine
Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hätte. Dieses Darlegungsdefizit wirkt umso schwerer, als
nach dem Rentenbescheid vom 17. Oktober 2006 der Kläger seit dem 1. September
2005 - und weit über den Zeitpunkt der Kündigung Ende März/Anfang April 2006 hinaus
- voll erwerbsgemindert (gewesen) ist und sich zudem aus diesem Bescheid keine
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Anhaltspunkte dafür ergeben, dass nach Ablauf der mit dem Bescheid festgesetzten
Rentenbezugsdauer zum 31. März 2008 die Arbeitsfähigkeit des Klägers
wiederhergestellt sein wird. Im Gegenteil, aus dem weiteren von dem Kläger in der
Antragsbegründung in Bezug genommenen psychiatrischen Gutachten des Facharztes
für Psychiatrie und Psychotherapie V. T1. vom 5. Juli 2006, das dem Erlass des
Rentenbescheides zugrunde gelegen hat, ist im Rahmen der sozialmedizinischen
Beurteilung (Nr. 5 des Gutachtens) ausdrücklich festgestellt, dass aufgrund der
psychischen Beschwerden derzeit eine Leistungsfähigkeit für die letzte berufliche
Tätigkeit zwar prinzipiell, jedoch nicht verlässlich und über einen ausreichenden
Zeitraum bestehe. Weiter heißt es dort:
"Die qualitativen und quantitativen Einschränkungen zusammen genommen, lassen
keine Tätigkeit zu, die 3 Stunden täglich überschreitet. Dies gilt auch für vergleichbare
Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
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Neben der Notwendigkeit der Fortsetzung der ambulanten psychiatrisch-
psychotherapeutischen Behandlung könnte evtl. auch eine nochmalige stationäre
Rehabilitationsmaßnahme die Symptomatik verbessern, sobald die Belastbarkeit und
Kooperationsbereitschaft des Antragstellers dafür ausreichend erscheinen. Da der
Antragsteller bemüht ist, wieder arbeitsfähig zu werden, könnte das Vorliegen der
Erwerbsminderung nach 2 Jahren wieder überprüft werden."
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Dass der Kläger nach dem Ablauf der vorgesehenen 2 Jahre wieder arbeitsfähig sein
wird, oder dass zu diesem Zeitpunkt zumindest absehbar ist, wann er seine
Arbeitsfähigkeit erreichen wird, wird danach nicht in Aussicht gestellt; diesbezügliche
Erkenntnisse soll erst die dann vorzunehmende Überprüfung ermöglichen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1, 162 Abs. 3
VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das angefochtene Urteil ist
rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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