Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.12.2002

OVG NRW: besondere härte, ausreise, zahl, entziehen, gleichbehandlung, einreise, datum, härtefall

Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 2934/02
Datum:
11.12.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 A 2934/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 13 K 4230/98
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.000,-- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
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Der zunächst geltend gemachte Grund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor, soweit
die Beklagte verpflichtet worden ist, die Kläger zu 1., 3. und 4. in den der Mutter der
Klägerin zu 1., Frau B. X. , unter dem 26. Juni 1995 erteilten Aufnahmebescheid
einzubeziehen. Das Verwaltungsgericht ist insoweit davon ausgegangen, dass den
Klägern ein Anspruch auf Erteilung eines Einbeziehungsbescheides gemäß § 27 Abs. 2
i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG zustehe, weil eine verfahrensbedingte Härte gegeben
sei. Denn obwohl der Antrag der Kläger bereits am 1. Juli 1994 eingegangen und darin
das Verfahren der Mutter der Klägerin zu 1. angegeben gewesen sei, habe die Beklagte
in Kenntnis der bei den Akten befindlichen Angaben und Dokumente trotz
Entscheidungsreife keinen Einbeziehungsbescheid erteilt, sondern in Kenntnis der
Einbeziehungsmöglichkeit unter dem 30. September 1994 und 26. Juni 1995 lediglich
Schreiben mit dem Hinweis versandt, dass nach einer Ausreise der Bezugsperson eine
Einbeziehung der Abkömmlinge grundsätzlich nicht mehr möglich sei. Selbst wenn die
Mutter der Klägerin zu 1) diese erhalten haben sollte, seien diese nicht geeignet, den
Anspruch auf Einbeziehung im Wege der verfahrensbedingten Härte zu vernichten, da
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es nur darauf ankomme, ob eine Einbeziehung bis zur Ausreise möglich gewesen sei
und darüber hinaus ein mitunter jahrelanges Zuwarten der Bezugsperson im
Aussiedlungsgebiet nicht zumutbar sei.
Hiergegen wird in der Antragsbegründung ausgeführt, die Entscheidung sei fehlerhaft,
weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht offen gelassen habe, ob die Mutter der Klägerin
zu 1) die Hinweisschreiben erhalten habe. Dies sei entscheidend, weil es auf die
Verwaltungspraxis der Beklagten ankomme und diese unterschiedlich sei. Zwar werde
in bestimmten Fällen in der Weise verfahren, dass bei zeitgleicher Bearbeitung von
Anträgen und wechselseitigen Hinweisen eine Einbeziehung erfolge. Diese
Vorgehensweise komme aber in Verfahren, in denen nachweisbar eine Belehrung über
die Folgen der vorzeitigen Einreise erfolgt sei, nicht zur Anwendung, so dass in
derartigen Fällen eine Verwaltungspraxis, die eine Gleichbehandlung erfordere, nicht
gegeben sei.
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Diese Ausführungen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Das Verwaltungsgericht
hat zu Recht entschieden, dass hier unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts,
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vgl. Urteil vom 12. April 2001 - 5 C 19.00 -,
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wonach die Nichtbescheidung eines Antrages auf Einbeziehung eine
verfahrensbedingte Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG bedeuten kann, ein Anspruch
auf eine nachträgliche Einbeziehung der Kläger in den Aufnahmebescheid der Mutter
der Klägerin zu 1. besteht. Diesem Anspruch steht - entgegen der Ansicht der Beklagten
- nicht entgegen, dass der Bevollmächtigten der Mutter der Klägerin zu 1. zweimal
mitgeteilt worden ist, die Bezugsperson müsse im Aussiedlungsgebiet verbleiben, bis
über die Aufnahmeanträge entschieden worden sei. Auf derartige Hinweisschreiben
kommt es nach der Rechtsprechung des Senats zum "verfahrensbedingten Härtefall"
nicht an.
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Vgl. Beschluss des Senats vom 16. September 2002 - 2 A 2165/02 -.
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Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung nicht darauf abgestellt,
ob der Bezugsperson bei ihrer Ausreise die Ansicht der Beklagten bekannt war, die
Bezugsperson müsse bis zur Erteilung des Einbeziehungsbescheides im
Aussiedlungsgebiet verbleiben.
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Vgl. Urteil vom 12. April 2001 - 5 C 19.00 -.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die
Verwaltungspraxis der Beklagten nicht einheitlich sei, weil nur in einem Teil der Fälle
die Verfahren gleichzeitig bearbeitet würden, während in anderen Fällen lediglich der
Hinweis auf das Verbleiben im Aussiedlungsgebiet erfolge. Sie verkennt insoweit, dass
der Anspruch der Kläger nicht von Zufällen und der unterschiedlichen Verfahrensweise
des jeweiligen Bearbeiters abhängen kann. Die Beklagte kann sich einer möglichen
Bearbeitung nicht dadurch entziehen, dass sie Schreiben an die Betroffenen versendet,
die schon nach ihrer eigenen Einschätzung nicht vollständig sind und zudem nicht der
Rechtslage entsprechen. Entscheidend ist allein, dass der Antrag des
Einzubeziehenden eine hinreichende Zeit beim Bundesverwaltungsamt anhängig war
und diesem die Zusammenführung der Anträge möglich war bzw. gewesen wäre, bevor
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die Bezugsperson das Aussiedlungsgebiet verließ.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Berufung auch nicht wegen einer
Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder des
Oberverwaltungsgerichts ( § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen. Eine solche
Abweichung ist schon nicht dargelegt, da lediglich eine Abweichung von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung gerügt wird, ohne dass konkrete Entscheidungen
und konkrete Rechtssätze, von denen Rechtssätze des Verwaltungsgerichts abweichen
sollen, benannt werden.
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Der Rechtssache kommt auch nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO ), weil eine nicht näher genannte Zahl von Verfahren anhängig sei,
in der es auf die Frage ankomme, welche Bedeutung es für das
Einbeziehungsverfahren habe, wenn die Bezugsperson über die Folgen einer
vorzeitigen Ausreise belehrt worden und welche Anforderungen gegebenenfalls an eine
"richtige" Belehrung zu stellen sei.
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Die Frage, wann eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG gegeben ist,
beantwortet sich immer nach den Umständen des Einzelfalles und ist einer
grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Im Übrigen ist durch die zitierte
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass auch aus
verfahrensbedingten Umständen eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG
abgeleitet werden kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG). Das
Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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