Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.03.2010
OVG NRW (rufnummer, verwaltungsgericht, wirkung, anordnung, beschwerde, interesse, störung, verbraucher, zuteilung, gesetzesentwurf)
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 226/10
Datum:
25.03.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 226/10
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin ¬gegen den Beschluss des
Verwaltungs¬gerichts Köln vom 27. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 210.000,--
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Antragstellerin ist Zuteilungsnehmerin der streitgegenständlichen (0)900er-
Rufnummern und Inhalteanbieterin von Mehrwertdienstenummern.
3
Mit Telefoncomputern rief die Antragstellerin bei Telefonanschlussinhabern an und teilte
ihnen über eine automatische Ansage mit, sie hätten einen Preis gewonnen. Um den
Gewinn zu erhalten, sei eine kostenpflichtige Mehrwertdienstenummer anzurufen.
Zahlreiche Verbraucher beschwerten sich hierüber bei der Bundesnetzagentur, weil sie
solchen Telefonanrufen nicht zugestimmt hätten.
4
Nachdem die Bundesnetzagentur in den letzten Jahren mit zahlreichen Bescheiden die
Abschaltung von Premium-Dienste-Rufnummern der Antragstellerin angeordnet hatte,
gab sie mit Bescheiden vom 26. November 2009 den Verbindungsnetzbetreibern n.
U. d. AG und e. GmbH (auch) die Abschaltung von 42 Mehrwertdienstenummern
der Antragstellerin bis spätestens zum 1. Dezember 2009 auf (Ziff. 1 des jeweiligen
Bescheidtenors), die bislang oder zurzeit nicht rechtswidrig genutzt würden, bei denen
aber eine erstmalige oder erneute rechtswidrige Nutzung der Rufnummern zu
befürchten sei. Ferner forderte die Bundesnetzagentur die Verbindungsnetzbetreiber mit
Ziff. 2 auf, bis zum 3. Dezember 2009 die Abschaltung mitzuteilen. Mit Ziff. 3 untersagte
sie die Portierung der Rufnummern zu einem anderen Netzbetreiber zum Zwecke der
5
Schaltung für den bisherigen Zuteilungsnehmer. Für den Fall des Verstoßes gegen die
Anordnungen drohte sie ein Zwangsgeld i. H. v. 1.000,-- Euro an.
Gegen die Ordnungsverfügungen erhob die Antragstellerin jeweils Widerspruch.
Nachdem ihr Aussetzungsantrag, der allein die "präventive" Abschaltung der
Rufnummern betrifft, vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben ist, hat sie
Beschwerde erhoben.
6
II.
7
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur im Rahmen der von der Antragstellerin
dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.
8
Die Antragstellerin ist hinsichtlich des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihres jeweiligen Widerspruchs gegen Ziff. 1 des Tenors in den angefochtenen
Bescheiden nach § 42 Abs. 2 VwGO (in entsprechender Anwendung) antragsbefugt.
Die Ordnungsverfügungen der Bundesnetzagentur beseitigen zwar nicht unmittelbar
aufgrund der Zuteilung von Rufnummern zustehende Nutzungsrechte der
Antragstellerin. Andererseits ist es ihr aufgrund der Ordnungsverfügungen nicht mehr
möglich, von ihren Zuteilungsrechten Gebrauch zu machen, so dass sie ihr
Geschäftsmodell (insoweit) nicht mehr verfolgen kann. Dies spricht dafür, einen Eingriff
in Art. 12 Abs. 1 GG mit berufsregelnder Tendenz und damit die Möglichkeit einer
Rechtsverletzung zu bejahen.
9
Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 10. Aufl. 2009, Art. 12
Rn. 12, m. w. N.; vgl. auch Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattkommentar, Stand: Juli 2009, § 42 Abs.
2 Rn. 335 f.
10
Das Aussetzungsbegehren der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die im
Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem Interesse
der Antragstellerin, von der Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte bis zur
abschließenden Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, und dem
öffentlichen Interesse an der möglichst schnellen Durchsetzung der Verfügung fällt zum
Nachteil der Antragstellerin aus. Das Verwaltungsgericht hat daher den Antrag der
Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen
die Ordnungsverfügungen der Bundesnetzagentur zu Recht abgelehnt. Ihr
Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
11
In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass die
materiellen Voraussetzungen für den Erlass der jeweiligen Ziff. 1 der
Ordnungsverfügungen vom 1. Dezember 2009 vorliegen.
12
Rechtsgrundlage für die "präventive" Abschaltung der Rufnummern ist § 67 Abs. 1 Satz
1 TKG. Nach dieser Bestimmung kann die Bundesnetzagentur im Rahmen der
Nummernverwaltung Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen, um die
Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten Bedingungen über die
Zuteilung von Nummern sicherzustellen. Mit dieser Generalermächtigung will der
Gesetzgeber erreichen, dass die rechtswidrige Nutzung der Nummern außerhalb der in
§ 67 Abs. 1 Satz 4 bis 7 TKG speziell geregelten Sanktionen ziel- und zweckgerichtet
13
geregelt werden kann.
Die Ordnungsverfügungen betreffen eine Anordnung im Rahmen der
Nummernverwaltung. Diese ist nicht nur im gesamten technischen und
rechtsgeschäftlichen Umgang mit der Rufnummer gegeben, wie etwa bei der Erbringung
eines Dienstes über eine Rufnummer und der Weitergabe von Rufnummern, sondern
auch bei der Werbung für einen Dienst im Zusammenhang mit der Rufnummer.
14
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 13 B 668/08 -, DVBl. 2008,
1129.
15
Demnach fallen die von der Antragstellerin getätigten Werbeanrufe in den Bereich der
Nummernverwaltung.
16
Die Maßnahmen der Bundesnetzagentur erfolgten, um die Einhaltung gesetzlicher
Vorschriften sicherzustellen. Der weite Wortlaut von § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG ist
Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, jegliche Verstöße bei der Nummernnutzung,
insbesondere mit Blick auf Verbraucher- und Kundenschutzbelange zu verfolgen.
17
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 13 B 668/08 -, a. a. O.;
Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu einem
Telekommunikationsgesetz, BT-Drucks. 15/2316 S. 83 sowie
Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Dezember 2003, BT-Drucks.
15/2316 S. 119.
18
Die Befugnisnorm des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG, wonach die Bundesnetzagentur im Falle
der gesicherten Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer gegenüber
dem Netzbetreiber, in dessen Netz die Nummer geschaltet ist, die Abschaltung der
Rufnummer anordnen soll, sperrt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht die
Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG. § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG regelt auch den Fall
der präventiven Rufnummernabschaltung, d. h. wenn mit den abzuschaltenden
Rufnummern ein Verstoß bei der Nummernnutzung noch nicht erfolgt, eine
ordnungsrechtliche Störung also noch nicht eingetreten ist, die gegenwärtige Gefahr der
Entstehung einer solchen Störung aber besteht. So liegt es hier, da, wie das
Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, die Bundesnetzagentur hinsichtlich der der
Antragstellerin zugeteilten Premium-Dienste-Rufnummern (u. a.) bereits zahlreiche
befristete Abschaltungsanordnungen verfügt hatte, ohne dass die Antragstellerin ihr
Geschäftsmodell aufgegeben hätte.
19
Die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit der
Rufnummernnutzung wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des Gesetzes
gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) hält der Senat für überzeugend; er schließt
sich ihnen an.
20
Hierzu näher OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 13 B
1329/09 -, DVBl 2008, 1584 sowie 13 B 1395/08 -, NJW 2008, 3656.
21
Die jeweilige Ziff. 1 der Bescheide leidet auch nicht an Ermessensfehlern. Mit Rücksicht
auf die praktizierte rechtswidrige Rufnummernnutzung durch die Antragstellerin durfte
die Bundesnetzagentur die präventive Abschaltung der Nummern als erforderlich und
angemessen ansehen.
22
Hierzu näher OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 13
B 1397/08 -, juris.
23
Die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit von Ziff. 2 und
4 des Bescheidtenors hält der Senat für zutreffend. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf
es nicht. Es kann auch offen bleiben, ob diese Verfügungen der Antragstellerin
gegenüber überhaupt Wirkung entfalten können.
24
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2
Nr. 2, § 47 Abs. 1 GKG.
25
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
26