Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.09.2005
OVG NRW: vertretung, steuerberater, widerspruchsverfahren, begriff, anerkennung, vorverfahren, rechtsberatung, erfüllung, wohnung, aufgabenbereich
Oberverwaltungsgericht NRW, 14 E 650/04
Datum:
01.09.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 E 650/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 14 K 3101/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung vom 19. März 2004 gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. März 2004 zu Recht abgelehnt.
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Zutreffend hat sich das Verwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, bei dem
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens handele es sich nicht um eine
steuerrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, so dass für die
geltend gemachten Kosten des Steuerberaters N. T. § 45 StBGebVO nicht anwendbar
sei. Zwar ist die Anerkennung einer Wohnung als steuerbegünstigt notwendiger
Bestandteil des gesamten Besteuerungsverfahrens. Mit der Regelung des § 83 Abs. 1
Satz 1 II. WoBauG, wonach über den Antrag auf Anerkennung die Stelle entscheidet,
welche die für das Wohnungs- und Siedlungswesen zuständige oberste Landesbehörde
bestimmt, hat der Gesetzgeber jedoch das Anerkennungsverfahren den
Finanzbehörden und den an deren Stelle für die Erhebung von Steuern tretenden
Behörden entzogen. Sinn dieser Regelung ist es, die Voraussetzungen des § 82 II.
WoBauG, somit insbesondere die Berechnung der Wohnflächengrenzen, von der dazu
fachlich kompetenten und sachnäheren Behörde feststellen zu lassen.
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Vgl. zu § 4 Nr. 20a Satz 1 UStG: Urteil des Senats vom 7. April 2005 - 14 A 1970/03 -.
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Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass diese Feststellung gerade nicht
dem Aufgabenbereich der Finanzbehörden, der die Bearbeitung von Steuersachen zum
Gegenstand hat, zuzuordnen ist.
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Vgl. im Ergebnis ebenso: OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Februar 1974 - III OVG B
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18/73 -, in: AnwBl. 1974, S. 325.
Nichts anderes gilt, soweit der Gesetzgeber durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz
vom 24. August 2004 (BGBl. I, 2198) § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Regelung des § 67
Abs. 1 Satz 5 VwGO angepasst und anstelle des Begriffs "Steuersache" den Begriff
"Abgabenangelegenheit" in § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. aufgenommen hat. Denn
diese Änderung wirft allenfalls die Frage auf, ob sie eine Erweiterung von Steuersachen
auf andere Abgabensachen beinhaltet,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2005
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- 4 E 1437/04 -, in: KStZ 2005, S. 132,
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betrifft aber nicht die Zuweisung gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 II. WoBauG. Dass es sich
nicht um eine steuerrechtliche Angelegenheit handelt, dürften die Kläger mittlerweile
auch in der Beschwerdebegründung vom 4. Mai 2004 eingeräumt haben.
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Eine Erstattungsfähigkeit der von den Klägern geltend gemachten Kosten kommt auch
nicht aufgrund der allgemeinen Regelung des § 162 Abs. 1 VwGO in Betracht. Kosten
im Sinne dieser Vorschrift sind die Gerichtskosten sowie die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
Hierzu zählen nicht die Aufwendungen für einen Bevollmächtigten, der unter Verletzung
von Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes die Vertretung übernommen hat, also
die Rechtsangelegenheit unerlaubt besorgt hat. Dies ergibt sich daraus, dass bei einem
Verstoß gegen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes der
Geschäftsbesorgungsvertrag wegen der Vertretung gemäß § 134 BGB nichtig ist mit der
Folge, dass vertragliche Primäransprüche des Bevollmächtigten gegen den Mandanten
entfallen - also keine "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen
Aufwendungen" im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO entstehen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 1991
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- 3 B 1858/90 -, in: JURIS, m.w.N.
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Der Bevollmächtigte der Kläger bedurfte für die Vertretung einer Erlaubnis nach Artikel 1
§ 1 RBerG, da er eine fremde Rechtsangelegenheit geschäftsmäßig besorgt hat.
Hiervon war er auch nicht nach Artikel 1 § 4 RBerG iVm. §§ 3 Abs. 1 und 32 Abs. 1
StBerG befreit, wonach er als Steuerberater zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in
Steuersachen befugt ist. Denn in dem Verfahren auf Anerkennung als steuerbegünstigt
ging es, wie ausgeführt, nicht um eine Steuersache. Dass die Befugnis zur
geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nicht zur Rechtsbesorgung in
sonstigen Angelegenheiten ermächtigt, wird durch Artikel 1 § 4 Abs. 3 RBerG
klargestellt.
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Ebenso wenig durfte der Bevollmächtigte der Kläger als Steuerberater gemäß Artikel 1 §
5 Nr. 2 RBerG die Vertretung im Widerspruchsverfahren und im gerichtlichen Verfahren
übernehmen. Nach der genannten Bestimmung stehen die Vorschriften des
Rechtsberatungsgesetzes dem nicht entgegen, dass u.a. Steuerberater in
Angelegenheiten, mit denen sie beruflich befasst sind, auch die rechtliche Bearbeitung
übernehmen, soweit diese mit ihren Aufgaben in unmittelbarem Zusammenhang steht
und diese Aufgaben ohne die Rechtsberatung nicht sachgemäß erledigt werden
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können. Artikel 1 § 5 Nr. 2 RBerG spricht im Gegensatz zu den Nrn. 1 und 3, wo von der
"Erledigung" rechtlicher Angelegenheiten die Rede ist, lediglich von der "rechtlichen
Bearbeitung". Dieser Ausdruckswechsel kann nicht als zufällig angesehen werden.
Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Begriff "Bearbeitung"
um den engeren Begriff handelt. Unter "Bearbeitung" ist die prüfende und
begutachtende Tätigkeit als solche zu verstehen, die zwar das Aufdecken rechtswidriger
oder rechtlich unzweckmäßiger Tatbestände wie auch das Aufzeigen rechtlicher
Lösungsmöglichkeiten umfasst, nicht aber deren Verwirklichung. Denn die
Verwirklichung hat die "Erledigung" der jeweiligen Angelegenheit zur Folge, die u.a.
dem Steuerberater nach der Regelung des Artikel 1 § 5 Nr. 2 RBerG gerade nicht
zukommt. Die Vertretung eines Mandanten im Widerspruchsverfahren und im
gerichtlichen Verfahren dient aber gerade der Verwirklichung von dessen rechtlichen
Interessen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. September 1980 - 2 B 976/80 -, in: KStZ 1981, S.
156; OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 1965 - II B 783/64 -, in:
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VerwRSpr., Bd. 17, Nr. 103; LG Dresden, Urteil vom 21. Januar 1997 - 41 O 680/97 - in:
AnwBl. 1998, S. 221; Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., Art. 1 § 5, Rdnr. 62; m.w.N.;
Chemnitz/Johnigk, RBerG,
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11. Aufl., Art. 1 § 5, Rdnrn. 590 ff.; offen gelassen: OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni
1991
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- 3 B 1858/90 -, a.a.O.
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Handelt es sich somit bei der Vertretung der Kläger im Widerspruchsverfahren und im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren bereits nicht mehr um eine "rechtliche Bearbeitung"
im Sinn von Artikel 1 § 5 Nr. 2 RBerG, so kann dahin stehen, ob die Vertretung der
Kläger noch in unmittelbarem Zusammenhang mit den Aufgaben eines Steuerberaters
steht, wie sie sich aus § 33 StBerG ergeben, nämlich die Beratung und Vertretung in
Steuersachen und die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten.
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Soweit es die Gebühren für das Vorverfahren betrifft, gilt nicht deshalb etwas anderes,
weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. Januar 2004 die Zuziehung des
Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat. Denn dies ändert nichts
daran, dass für eine gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßende Vertretung ein
Gebührenanspruch des Steuerberaters nicht besteht. Andere Aufwendungen für eine
gesetzeswidrige Vertretung können ebenfalls nicht erstattet werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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