Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.09.1999
OVG NRW: wissenschaft und forschung, schüler, öffentliches recht, allgemeines verwaltungsrecht, eltern, unterrichtung, verfügung, stadt, sonderschule, glaubhaftmachung
Oberverwaltungsgericht NRW, 19 B 1467/99
Datum:
28.09.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 B 1467/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 1 L 882/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen
für eine Zulassung nach § 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung
- VwGO - nicht vorliegen.
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Die Antragsteller haben mit ihrem Vorbringen die geltend gemachten ernstlichen Zweifel
im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts, das ihren Antrag,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an der G
schule in M. , hilfsweise an einer anderen Haupt-, Real-, Gesamtschule oder
Gymnasium der Stadt M. eine sonderpädagogische Fördergruppe einzurichten und den
Antragsteller zu 1) dort zu unterrichten, bis über den Widerspruch des Antragstellers
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juni 1999 rechtskräftig entschieden
worden ist,
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wegen fehlender Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt hat, nicht
begründet.
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Es spricht viel dafür, daß sich das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis
unabhängig von der Frage, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist, bereits
aus anderen Gründen als richtig erweist, so daß an dessen Richtigkeit schon deshalb
keine ernstlichen Zweifel bestehen.
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Fraglich ist bereits, ob die Antragsteller antragsbefugt sind, d.h. ob überhaupt die
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Möglichkeit besteht, daß die Ablehnung der Einrichtung einer sonderpädagogischen
Fördergruppe sie in eigenen Rechten verletzt (§ 42 Abs. 2 VwGO entsprechend). Die
von ihnen begehrte Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe, die gemäß §
4 Abs. 6 Satz 7 des Schulverwaltungsgesetzes - SchVG - als Teil der allgemeinen
Schule geführt werden kann, wenn ein pädagogisches Konzept vorgelegt wird, das
Möglichkeiten gemeinsamen Lernens vorsieht, ist - anders als die bloße Aufnahme in
eine schon bestehende sonderpädagogische Fördergruppe - eine
schulorganisatorische Maßnahme im Sinne des § 8 SchVG, nämlich die Änderung einer
öffentlichen Schule, die gemäß § 8 Abs. 1 SchVG vom Schulträger beschlossen werden
muß und nach § 8 Abs. 2 SchVG der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde bedarf.
Unter welchen Voraussetzungen eine Gemeinde zur Durchführung
schulorganisatorischer Maßnahmen verpflichtet ist, ist grundsätzlich in § 10 SchVG
bestimmt, der für den Bereich der sonderpädagogischen Förderung lediglich vorsieht,
daß die Gemeinden verpflichtet sind, Schulen für Erziehungshilfe, Schulen für
Geistigbehinderte, Schulen für Lernbehinderte und in der Primarstufe Schulen für
Sprachbehinderte zu errichten und fortzuführen. Dem entspricht die Regelung in § 7
Abs. 3 des Schulpflichtgesetzes - SchpflG -, die für die Sekundarstufe I integrativen
Unterricht in weiterführenden allgemeinen Schulen nur vorsieht, wenn das Bildungsziel
der jeweiligen weiterführenden Schule erreicht werden kann (sog. zielgleicher
Unterricht) und im übrigen lediglich bestimmt, daß die Unterrichtung Schulpflichtiger mit
sonderpädagogischem Förderbedarf, die - wie unstreitig der Antragsteller zu 1) - das
Bildungsziel der allgemeinen Schulen nicht erreichen können, in Schulversuchen
erprobt wird. Es spricht deshalb viel dafür, daß § 4 SchVG, der unter der Überschrift
"Aufbau und Gliederung des Schulwesens" die Schulstufen und Schulformen benennt
und im Absatz 6 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen es sonderpädagogische
Fördergruppen geben kann, lediglich den Schulträger zur Einrichtung
sonderpädagogischer Fördergruppen ermächtigt, ohne zugleich subjektive Rechte von
Eltern und Schülern zu begründen.
Aber selbst wenn man angesichts der Vorgaben des Benachteiligungsverbots des Art. 3
Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes - GG -, das bei Auslegung und Anwendung des
Schulrechts zu beachten ist,
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vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluß vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR
9/97 -, NJW 1998, 131 (133); Beyerlin, Schulische Integration und der Handlungsauftrag
des Staates aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, RdJB 1999, 157 ff.
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und im Hinblick darauf, daß diese Vorschrift nach ihrem objektiven
Regelungsgegenstand den Interessen behinderter Schulpflichtiger und ihrer Eltern zu
dienen bestimmt ist,
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vgl. zu diesem Gesichtspunkt bei der Prüfung, ob ein Rechtssatz ein subjektiv
öffentliches Recht eröffnet Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 11
II 5, insbesondere Rdnr. 38, S. 230,
11
unabhängig von der dargestellten Systematik des Schulverwaltungsrechts annehmen
wollte, daß § 4 Abs. 6 Satz 6 SchVG jedenfalls einen Anspruch darauf begründet, daß
über die Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe ermessensfehlerfrei
entschieden wird, oder wenn man einen solchen Anspruch daraus ableiten wollte, daß
die aufgrund § 7 Abs. 5 SchpflG erlassene Verordnung über die Feststellung des
sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen
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Förderort - VO-SF - vom 22. Mai 1995 (GV. NRW. S. 496), in § 12 Abs. 4 bestimmt, daß
Förderort auch eine sonderpädagogische Fördergruppe als Teil einer allgemeinen
Schule sein kann, so erscheint problematisch, ob ein Bedürfnis für den begehrten
Rechtsschutz besteht. Der Senat verneint in ständiger Rechtsprechung ein
Rechtsschutzinteresse für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, der auf die
Errichtung einer Schule gerichtet ist, wenn die Durchführung der Maßnahme aus
organisatorischen Gründen bis zum Schuljahresbeginn nicht mehr möglich ist.
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Beschlüsse vom
12. Mai 1992 - 19 B 1676/92 - und vom 13. Juni 1991 - 19 B 1476/91 -.
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Angesichts der formalen Voraussetzungen für die Einrichtung einer
sonderpädagogischen Fördergruppe (Erarbeitung eines pädagogischen Konzeptes
gemäß § 4 Abs. 6 Satz 7 SchVG, Beschluß des Schulträgers, hier des Rates der Stadt
M. , gemäß § 8 Abs. 1 SchVG, Genehmigung der Bezirksregierung M. als zuständiger
Schulaufsichtsbehörde gemäß § 8 Abs. 2 SchVG iVm § 1 der Verordnung über
schulrechtliche Zuständigkeiten vom 30. März 1985, Bereitstellung von Personal und
Räumlichkeiten) dürfte ein Unterrichtsbeginn zum 2. August 1999 bereits bei der
Antragstellung beim Verwaltungsgericht am 1. Juli 1999, jedenfalls aber bei der
Beschlußfassung am 30. Juli 1999 an allen Schulen in M. ausgeschlossen gewesen
sein.
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Für die Möglichkeit, eine sonderpädagogische Fördergruppe unabhängig vom
Schuljahresbeginn einzurichten, spricht allerdings, daß bei dieser bloßen Änderung
einer Schule die organisatorischen Anforderungen (z.B. Beschaffung von Personal und
Räumlichkeiten) deutlich geringer sind als bei der Errichtung einer (mehrzügigen)
Schule. Gegen die Möglichkeit, die Fördergruppe noch nach Beginn des Schuljahres
und des Unterrichts einzurichten, könnte sprechen, daß ein pädagogisches Konzept,
das Möglichkeiten gemeinsamen Lernens vorsieht,
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z.B. Teilnahme am Schulleben und an den Veranstaltungen der Schule, gemeinsame
Planung und Durchführung von Projekten, zeitweilige oder dauernde - ggf. nur
fachbezogene - Teilnahme am Unterricht der übrigen Klassen der Schule bzw. der
Patenklasse oder -klassen, vgl. Ziffer 6.2 des Runderlasses des Ministeriums für Schule
und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung vom 6. Mai 1997 zur Errichtung,
Änderung und Auflösung von weiterführenden allgemeinen Schulen und Berufskollegs
in der Fassung der Änderung vom 6. April 1999 - im folgenden: Errichtungserlaß -
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auch im Interesse der Schüler der übrigen Klassen bzw. Patenklassen sinnvoll nur für
(mindestens) ein ganzes Schuljahr erstellt werden kann.
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Aber selbst wenn man von einem zulässigen Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes ausgeht, bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Denn der Erlaß einer Regelungsanordnung
setzt gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO iVm §§ 920, 294 der Zivilprozeßordnung
die Glaubhaftmachung überwiegender Erfolgsaussichten in der Hauptsache voraus, und
solche ergeben sich aus dem Vortrag der Antragsteller nicht. Es ist nicht überwiegend
wahrscheinlich, daß das Ermessen des Rates bei der Entscheidung über die
Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe dahin reduziert ist, daß er
beschließen muß, eine Schule in M. im Schuljahr 1999/2000 dahin zu ändern, daß an
ihr eine sonderpädagogische Fördergruppe eingerichtet wird.
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Bei der Entscheidung über eine Schuländerung handelt es sich um eine Maßnahme mit
planerischem Charakter, die folglich dem Gebot der gerechten Abwägung genügen
muß. Dieses Gebot ist bei einer Schulorganisationsmaßnahme verletzt, wenn nicht alles
an Belangen eingestellt eingestellt wird, was nach Lage der Dinge hätte eingestellt
werden müssen, wenn das Gewicht der betroffenen öffentlichen und privaten Belange
verkannt wird oder aber der Ausgleich zwischen den Belangen in einer Weise
vorgenommen worden wird, die zur objektiven Bedeutung der Belange außer Verhältnis
steht.
19
OVG NW, Urteil vom 3. Mai 1991 - 19 A 2515/89 -, BVerwG, Beschluß vom 7. Januar
1992 - 6 B 32.91 -, DVBl. 1992, 1025 (1026).
20
Dabei ist es zulässig, daß die Verwaltung in Vorbereitung dieser Entscheidung die
abwägungserheblichen Belange zusammenstellt und dem Rat einen
Entscheidungsvorschlag macht,
21
vgl. BVerwG, a.a.O., S. 1026,
22
so daß der Senat davon absieht, den gegen die Oberbürgermeisterin der Stadt
gerichteten Antrag von Amts wegen als einen gegen den für den Änderungsbeschluß
zuständigen Rat der Stadt gerichteten Antrag auszulegen.
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Daß ein solcher Entscheidungsvorschlag der Gemeindeverwaltung nur dahin gehen
kann, eine sonderpädagogische Fördergruppe einzurichten, mit der Folge, daß dem
gegen die Gemeindeverwaltung gerichteten Begehren der Antragsteller mit der
Maßgabe stattgegeben werden müßte, daß diese verpflichtet ist, dem Rat einen
entsprechenden Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten und zugleich Überwiegendes
dafür spricht, daß das Planungsermessen des Rates darauf reduziert ist, diesem
Beschlußvorschlag zu folgen, ergibt sich aus dem zur Begründung der Zulassung
geltend gemachten Vorbringen der Antragsteller nicht.
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Im Rahmen eines Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung obliegt es den
Antragstellern, sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen glaubhaft zu machen.
Hierzu gehört bei einer schulorganisationsrechtlichen Maßnahme auch das Erreichen
der erforderlichen Mindestzahl von Schülern.
25
Vgl. OVG NW, Beschluß vom 24. September 1991 - 19 B 2652/91 -.
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Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht - und es ist auch sonst nicht ersichtlich
-, daß eine ausreichende Zahl von Eltern, deren Kinder sonderpädagogischer
Förderung bedürfen und für die die sonderpädagogische Fördergruppe der geeignete
Förderort ist, bereit ist, ihre Kinder im Verlauf des Schuljahres 1999/2000 in eine erst
nach Schuljahresbeginn eingerichtete sonderpädagogische Fördergruppe einer
allgemeinen Schule wechseln zu lassen.
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Schon aus dem vom Gesetzgeber gewählten Wort "Gruppe" folgt, daß die Einrichtung
einer sonderpädagogischen Fördergruppe mehrere Schüler voraussetzt. Der
Errichtungserlaß konkretisiert dies dahin, daß die Einrichtung einer
sonderpädagogischen Fördergruppe an einer allgemeinen Schule in der Regel acht
Schülerinnen und Schüler voraussetzt. Da Fördergruppen jahrgangsübergreifend
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gebildet werden und in der Sekundarstufe I bis zu drei Jahrgänge, ausnahmsweise
sogar mehr, umfassen können (Ziffer 6.2 des Erlasses), dürften für den ersten Jahrgang
bei Einrichtung der Gruppe drei Schüler genügen, wenn abzusehen ist, daß die Zahl der
Schüler sich in den folgenden Jahrgängen erhöhen wird.
Diese Auslegung entspricht den vom Bundesverfassungsgericht zur Auslegung von Art.
3 Abs. 3 Satz 2 GG entwickelten Grundsätzen. Danach ist es nicht zu beanstanden,
wenn der Gesetzgeber die zielgleiche wie die zieldifferente integrative Unterrichtung
unter den Vorbehalt des organisatorisch, personell und von den sächlichen
Voraussetzungen her Möglichen stellt. Dieser Vorbehalt ist Ausdruck dessen, daß der
Staat seine Aufgabe, ein begabungsgerechtes Schulsystem bereitzustellen, von
vornherein nur im Rahmen seiner finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten
erfüllen kann, und erklärt sich daraus, daß der Gesetzgeber bei seinen Entscheidungen
auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und sich die Möglichkeit erhalten
muß, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für solche anderen Belange
einzusetzen, wenn er dies für erforderlich hält. Der Gesetzgeber ist deshalb nicht
verpflichtet, für das jeweilige Land alle Formen integrativer Beschulung bereitzuhalten.
29
So BVerfG, a.a.O., S. 132 f.
30
Dem entspricht es, wenn das Land Nordrhein-Westfalen, das die unterschiedlichsten
Formen von Sonderschulen bereithält, nicht daneben vereinzelten Schülern die
Möglichkeit eröffnet, an einer allgemeinen Schule mit erheblichem Personalaufwand (für
den Antragsteller zu 1) z.B. unerläßliche durchgängige Doppelbesetzung) allein oder zu
zweit in einer Fördergruppe und daneben mehr oder weniger häufig gemeinsam mit
Schülern der übrigen Klassen unterrichtet zu werden.
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Der Antragsteller zu 1) ist der einzige Schüler, der derzeit versucht, die Einrichtung einer
sonderpädagogischen Fördergruppe gerichtlich durchzusetzen. Auf einen gerichtlichen
Hinweis haben die Antragsteller lediglich für einen Schüler, der im Schuljahr 1998/99
bereits die fünfte Klasse einer Sonderschule für Körperbehinderte besucht hat, eine
schriftliche Erklärung der Eltern vorgelegt, wonach zwar Interesse an der Einrichtung
einer sonderpädagogischen Fördergruppe besteht, in der aber nicht zugleich dargelegt
wird, worin der erforderliche wichtige Grund für einen Schulwechsel im laufenden -
möglicherweise bereits sechsten - Schuljahr liegt (vgl. hierzu § 5 Abs. 1 der
Allgemeinen Schulordnung - ASchO -). Das schriftlich erklärte Interesse von Eltern für
drei Kinder, die im laufenden Schuljahr die Klasse vier einer Grundschule besuchen, für
acht Kinder der Klasse drei und für fünf Kinder der Klasse zwei, ist nicht geeignet, die
Annahme zu begründen, die erforderliche Zahl von (mindestens drei) Kindern für die
Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe sei bereits im laufenden
Schuljahr 1999/2000 erreicht. Die fünf Kinder, für die nach dem Stand vom Dezember
1998 zum Schuljahr 1999/2000 der Wechsel vom integrativen Unterricht einer
Grundschule zu einer weiterführenden Schule anstand und die wie die Antragsteller
durch Schreiben vom 3. Dezember 1998 darüber informiert wurden, daß zieldifferenter
Unterricht oder die Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe in der
Sekundarstufe I nicht möglich bzw. nicht beabsichtigt seien, können, zumal die
Antragsteller entsprechende Erklärungen von ihnen nicht vorgelegt haben, nicht als
weitere Interessenten für eine sonderpädagogischen Fördergruppe angesehen werden.
Sie haben sich weder gegen das Schreiben vom 3. Dezember 1998 noch gegen spätere
Entscheidungen zum sonderpädagogischen Förderbedarf und Förderort gewandt.
Soweit bei dreien dieser Kinder die Entscheidung über den sonderpädagogischen
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Förderbedarf aufgehoben wurde und ein Kind bei fortbestehendem Förderbedarf den
zielgleichen Unterricht eines Gymnasiums besucht, fehlt es entweder an der
Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs oder daran, daß die
sonderpädagogischen Fördergruppe als geeigneter Förderort bestimmt ist. Soweit ein
Kind im Einverständnis der Eltern eine Sonderschule für Gehörlose besucht, ist nicht
ersichtlich, daß der erforderliche wichtige Grund für einen Schulwechsel im laufenden
Schuljahr (§ 5 Abs. 1 ASchO) gegeben ist. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist
es nicht Aufgabe der Antragsgegnerin, durch eine Umfrage bei den Sonderschulen
festzustellen, ob Schüler, die nicht bereits in der Grundschule am integrativen Unterricht
teilgenommen haben, in der Sekundarstufe I den Besuch einer sonderpädagogischen
Fördergruppe wünschen. Der Schulträger kann allenfalls verpflichtet sein, über die
Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe ermessensfehlerfrei zu
entscheiden, wenn ein entsprechendes Bedürfnis an ihn herangetragen wird. Ist nach
alledem jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, daß eine im laufenden Schuljahr
eingerichtete sonderpädagogischen Fördergruppe mehr als ein oder zwei Schüler
haben würde, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Glaubhaftmachung einer
ausreichenden Schülerzahl über die bloße "Interessenbekundung" der Eltern hinaus die
Darlegung erfordert, daß für das Kind eine sonderpädagogische Fördergruppe
zumindest auch ein geeigneter Förderort ist.
Da - wie dargelegt - das Abstellen auf eine Mindestzahl von Schülern bei der
Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe mit den vom
Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 1997 aufgestellten
Rechtssätzen vereinbar ist, ist der Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 124 Abs. 2
Nr. 4 VwGO wegen der behaupteten Abweichung der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts von den auf Seite 5 des Zulassungsantrages wiedergegebenen
Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts
33
vgl. BVerfG, a.a.O., S. 134, rechte Spalte, II.1.a) a.E.
34
ebenfalls nicht gegeben.
35
Zu den übrigen von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen weist der Senat ergänzend
auf folgendes hin:
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Zutreffend dürfte die Auffassung der Antragsteller sein, daß zwischen § 4 Abs. 6 Satz 6
SchVG, wonach "in Ausnahmefällen" an allgemeinen Schulen Sonderschulklassen als
Teil einer Sonderschule in kooperativer Form eingerichtet werden können, und § 4 Abs.
6 Satz 7 SchVG, wonach "auch" sonderpädagogische Fördergruppen als Teil der
allgemeinen Schule geführt werden können, kein Zusammenhang in der Form besteht,
daß die Formulierung "in Ausnahmefällen" über das Wort "auch" in Satz 7
hineinzulesen ist. Hiergegen spricht die grundlegende Verschiedenheit der beiden
Unterrichtsformen.
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Zutreffend dürfte ebenfalls die Auffassung der Antragsteller sein, daß die Weigerung der
Schulleiter, ein pädagogisches Konzept zu erstellen, unbeachtlich ist, soweit diese
hierfür pädagogische Gründe des Inhalts anführen, daß die Unterrichtsform der
sonderpädagogischen Fördergruppe generell und unabhängig von den Gegebenheiten
an der konkreten Schule ungeeignet sei. § 4 Abs. 6 Satz 7 SchVG enthält die
gesetzliche Wertung, daß die sonderpädagogische Fördergruppe eine Möglichkeit der
sonderpädagogischen Förderung ist. Dem entspricht es, daß Förderort gemäß § 7 Abs.
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5 SchpflG iVm § 12 Abs. 4 VO-SF auch eine sonderpädagogische Fördergruppe als Teil
der allgemeinen Schule sein kann und daß der Errichtungserlaß sowie die
Verwaltungsvorschriften zur VO-SF vom 28. Juni 1995 in der Fassung der Änderung
vom 6. April 1999 weitere Regelungen zur Einrichtung einer sonderpädagogischen
Fördergruppe treffen. Einwände der Schulleiter, durch die diese vom Gesetzgeber und
vom Schulministerium getroffene Wertung generell in Frage gestellt wird, sind deshalb
wegen der Bindung der Exekutive an die Legislative einerseits und an die
Grundsatzentscheidungen der obersten Schulaufsichtsbehörde andererseits (vgl. hierzu
§ 15 Abs. 1 SchVG) von vornherein unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für die
geäußerte nachhaltige Befürchtung, daß die Differenzierung der Schulformen nach
Leistungsniveau, das durchgängig praktizierte Fachlehrerprinzip und die auf äußere
Trennung angelegte Organisationsform der sonderpädagogischen Fördergruppe dem
Integrationsgedanken im Kern widersprächen. Lediglich konkreten Einwänden der
Schulleiter kommt im Rahmen ihrer Beteiligung gemäß § 15 des
Schulmitwirkungsgesetzes Bedeutung zu, ohne daß aber eine ablehnende
Stellungnahme für den Schulträger bindend wäre. Um die erforderliche Mitarbeit der
Schule bei der Erstellung eines pädagogischen Konzepts, das nach dem
Errichtungserlaß zunächst auch ein bloßes Rahmenkonzept sein kann, zu erreichen,
muß der Schulträger sich gegebenenfalls um den Einsatz von Mitteln der Schulaufsicht
(vgl. §§ 14, 15 SchVG) bemühen.
Zweifelhaft ist, ob die vom Bundesverfassungsgericht zur Auslegung von Art. 3 Abs. 3
Satz 2 GG entwickelten Grundsätze selbst bei ausreichender Schülerzahl und nach
Erstellung eines pädagogischen (Rahmen-)Konzepts vorliegend dazu führen würden,
daß das Planungsermessen des Schulträgers auf Null reduziert ist. Das
Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß die Überweisung eines behinderten
Schülers an eine Sonderschule nicht schon für sich eine verbotene Benachteiligung
darstellt, sondern nur dann, wenn sie den Gegebenenheiten und Verhältnissen des
jeweils zu beurteilenden Falles ersichtlich nicht gerecht wird. Dies ist nicht nur dann
anzunehmen, wenn Erziehung und Unterrichtung an der allgemeinen Schule seinen
Fähigkeiten entsprächen und ohne besonderen Aufwand möglich wären, sondern auch
dann, wenn der Besuch der allgemeinen Schule durch einen zwar besonderen, aber
noch vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer Förderung ermöglicht werden
könnte. Dabei ist neben der Frage des gebotenen und zu ermöglichenden Aufwandes
und der Frage, ob Erziehung und Unterrichtung an der Regelschule mit
sonderpädagogischer Förderung möglich sind, in die erforderliche Gesamtbetrachtung
auch einzustellen, ob organisatorische Schwierigkeiten sowie schutzwürdige Belange
Dritter, insbesondere anderer Schüler, der integrativen Beschulung nicht
entgegenstehen.
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Vgl. BVerfG, a.a.O., S. 133 f.
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Ausgehend von diesen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts ist zumindest
zweifelhaft, ob derzeit eine ablehnende Entscheidung des Schulträgers dem
Benachteiligungsverbot ersichtlich nicht gerecht werden würde.
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Zum einen ist zweifelhaft, ob derzeit ausreichendes Personal zur Betreuung der
sonderpädagogischen Fördergruppe vorhanden ist bzw. ohne Probleme zur Verfügung
gestellt werden kann. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge (z.B. Protokoll über ein
Informationsgespräch mit Schulleitern am 21. September 1998) hat sich das Land
bereiterklärt, für eine sonderpädagogische Fördergruppe eine Sonderschullehrkraft mit
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voller Stundenzahl zur Verfügung zu stellen, und hat sich der Schulträger zur
ergänzenden Bereitstellung einer Erzieherin/Sozialpädagogin mit halber Stundenzahl
bereiterklärt. Angesichts dessen, daß ausweislich des sonderpädagogischen
Gutachtens vom 28. April 1999, auf das die Antragsteller sich mit Schriftsatz vom 20.
September 1999 erneut ausdrücklich berufen haben, die sonderpädagogische
Fördergruppe nur dann geeigneter Förderort ist, wenn die besonderen
Lernbedingungen des Antragstellers zu 1), u.a. wegen des hohen Betreuungsbedarfs
eine durchgängige Doppelbesetzung, berücksichtigt werden können, erscheint
zweifelhaft, ob eineinhalb Fachkräfte eine ausreichende Betreuung des Antragstellers
und mindestens zwei bis ca. sieben weiterer Kinder gewährleisten können. Weitere
gewichtige organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten, die auch nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten sind, könnten sich daraus
ergeben, daß die im Schuljahr 1999/2000 großen Klassenstärken an den Haupt- und
Realschulen in M. möglicherweise einem sinnvollen gemeinsamen Unterricht
entgegenstehen und für eine Aufteilung der Klassen bzw. der Fördergruppe während
des gemeinsamen Unterrichts weiteres Personal erforderlich ist. So geht der
Erfahrungsbericht des Schulministeriums vom 19. März 1998 zum Gesetz zur
Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung in Schulen (dort S. 152) z.B.
davon aus, daß in den Kooperationsklassen tatsächlich Plätze für die gemeinsame
Arbeit zur Verfügung stehen müssen, indem z.B. zwei kooperierende Klassen anstelle
der Maximalfrequenz von 30 nur je 26 Nichtbehinderte aufnehmen, so daß je Klasse
auch tatsächlich vier Plätze für gemeinsame Unterrichtsangebote zur Verfügung stehen.
Ausweislich der Protokolle über Informationsgespräche mit Schulleitern am 21.
September 1998 und 20. April 1999 wäre angesichts der durchgängig großen Klassen
von 29 bis 33 Schülern eine Teilung der Klassen für den gemeinsamen Unterricht
erforderlich, für die keine zusätzlichen Lehrerstellen bzw. Lehrerstunden vorhanden
oder in Aussicht gestellt sind.
Soweit die Antragsteller erstmals mit Schriftsatz vom 20. September 1999 hilfsweise die
Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe zum Schuljahr 2000/01 im Wege
der einstweiligen Anordnung beantragt haben, steht der Einbeziehung des Antrags in
die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts entgegen, daß Gegenstand des
Zulassungsverfahrens allein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den
ursprünglich erstinstanzlich gestellten Antrag ist und daß für die Entscheidung über ein
neues Rechtsschutzersuchen mit anderem Streitgegenstand allein das
Verwaltungsgericht zuständig ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
folgt aus den §§ 20 Abs. 3, 14, 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
44
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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