Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.08.1997

OVG NRW (antragsteller, wichtiger grund, zumutbare arbeit, arbeit, tätigkeit, antrag, verwaltungsgericht, zulassung, richtigkeit, angebot)

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 B 1487/97
Datum:
22.08.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 B 1487/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 21 L 1603/97
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das
Zulassungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. aus K. wird
abgelehnt.
2. Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden, trägt der Antragsteller.
G r ü n d e :
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1. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das
Zulassungsverfahren liegen nicht vor. Denn die im Zulassungsverfahren beabsichtigte
Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO iVm § 114
ZPO). Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.
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2. Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den die Ablehnung des Antrages
auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung betreffenden Teil des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts Köln vom 28. Mai 1997 ist abzulehnen, weil die gesetzlichen
Voraussetzungen für die beantragte Zulassung nicht vorliegen. Der allein geltend
gemachte Zulassungsgrund ist nicht gegeben.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO).
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Zutreffend ist das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen
Rechtsprechung des beschließenden Gerichts davon ausgegangen, daß der
Antragsteller hinsichtlich der geltend gemachten Sozialhilfeleistungen für die Zeit vor
dem Eingang des Antrages bei Gericht, also vor dem 12. Mai 1997, und nach dem Ende
des Monats der gerichtlichen Entscheidung, also nach dem 31. Mai 1997, das Vorliegen
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der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht
hat(te), soweit sich dieses Begehren auf die Gewährung regelsatzmäßiger Leistungen
und für die Zeit nach dem 31. Mai 1997 auf die Gewährung von Unterkunftskosten
bezogen hat.
Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen
Beschlusses, soweit das Verwaltungsgericht im übrigen die Glaubhaftmachung der
tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruches verneint hat. Denn
gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 BSHG hat derjenige keinen Anspruch auf Hilfe zum
Lebensunterhalt, der sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbaren
Maßnahmen nach den §§ 19 und 20 BSHG nachzukommen. Es ist davon auszugehen,
daß dem Antragsteller durch den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Oktober 1996
in Verbindung mit dem Schreiben vom 17. Januar 1997 gemäß § 19 Abs. 2 BSHG
Gelegenheit gegeben worden ist, gemeinnützige und zusätzliche Arbeit zu leisten und
daß der Antragsteller diesem Angebot nicht nachgekommen ist. Der Antragsteller hat
auch nicht glaubhaft gemacht, daß er im hier maßgeblichen Zeitraum berechtigt war,
das ihm unterbreitete Angebot zur Leistung gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit
abzulehnen. Allein sein Hinweis, er sei von Beruf Jurist, habe über fünf Jahre als
Rechtsanwalt gearbeitet und sei nicht in der Lage, Straßen zu fegen und Anlagen zu
reinigen, reicht zur Glaubhaftmachung nicht aus. Es ist nicht ersichtlich, daß es sich bei
den angebotenen Arbeitsgelegenheiten nicht um gemeinnützige oder zusätzliche Arbeit
gehandelt hätte. Die gesetzliche Regelung des § 19 Abs. 2 BSHG sieht auch nicht vor,
daß dem Hilfesuchenden nur solche Arbeitsgelegenheiten angeboten werden dürfen,
die seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit und seinem erreichten Ausbildungsstand
oder seinen individuellen Neigungen entsprechen. Anhaltspunkte dafür, daß die
angebotene Tätigkeit (Einsatz im Bereich der Reinigung von Grünflächen, Spiel- und
Sportplätzen, Park- und Gartenanlagen, Straßenflächen, öffentlichen Plätzen,
Fahrradwegen, Müllsammelstellen) als solche oder im Hinblick auf die Person des
Antragstellers gegen Gesetze oder gar gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)
verstoßen würden, sind nicht ersichtlich. Diese Tätigkeiten sind ersichtlich von Nutzen
für die Allgemeinheit und auch nicht im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen
grundsätzlich unzumutbar. Ihre Ausübung ist ferner nicht nach allgemeiner Auffassung
ehrenrührig oder gar erniedrigend, mag sie auch nicht jeder gerne ausführen. Eine
gegenteilige Qualifizierung dieser Reinigungstätigkeiten würde letztlich auf eine nicht zu
rechtfertigende Diskriminierung der Tätigkeiten zahlreicher Beschäftigter in den
verschiedenen Bereichen z.B. der Gebäude- und Straßenreinigung sowie der Abfall-
Entsorgung hinauslaufen. Es reicht insoweit nicht aus, daß sich der Antragsteller bei
Ausführung der ihm angebotenen Tätigkeiten aus persönlichen Gründen in seiner
Menschenwürde verletzt fühlt.
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Denn die einschlägigen sozialhilferechtlichen Regelungen, gegen die durchgreifende
verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, gehen davon aus, daß derjenige, der
um Hilfe zum Lebensunterhalt nachsucht, gleichsam täglich darum bemüht sein muß,
seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken (§ 18 Abs. 1 BSHG).
Dabei ist einem Hilfesuchenden dem Grundsatz nach jede Tätigkeit, die seine
körperlichen und geistigen Fähigkeiten nicht übersteigt, zumutbar, sofern ihm die
künftige Ausübung seiner bisherigen überwiegenden Tätigkeit nicht wesentlich
erschwert wird und sofern der Arbeit oder der Arbeitsgelegenheit ein sonstiger wichtiger
Grund nicht entgegensteht. Wie § 18 Abs. 3 Satz 5 BSHG ausdrücklich bestimmt, ist
eine Arbeit oder eine Arbeitsgelegenheit insbesondere nicht allein deshalb unzumutbar,
weil sie einer früheren beruflichen Tätigkeit des Hilfeempfängers nicht entspricht oder im
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Hinblick auf seine Ausbildung als weniger anspruchsvoll anzusehen ist oder weil die
Arbeitsbedingungen ungünstiger als bei der bisherigen Beschäftigung des
Hilfesuchenden sind. Unter die Selbsthilfemöglichkeiten und das Selbsthilfegebot (§ 2
Abs. 1 BSHG) fallen auch Aushilfstätigkeiten, Urlaubsvertretungen und
Gelegenheitsarbeiten jeglicher Art, vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (OVG
Hamburg), Beschluß vom 29. August 1990 - Bs IV 326/90 -, FEVS 41, 417, 418 f.; OVG
NW, Urteil vom 23. Januar 1995 - 8 A 2469/92 - m.w.N.; Beschluß vom 28. juni 1995 - 8
B 1000/95 - m.w.N.; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum
Bundessozialhilfegesetz, 14. Auflage 1993, § 2 Rdnr. 7.
Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Zumutbarkeit einzelner Arten von
Arbeitsgelegenheiten im Sinne des § 19 Abs. 2 BSHG.
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Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, daß der Antragsgegner ihm
gegenüber für den hier maßgeblichen Zeitraum ungeachtet der erfolgten Ablehnung der
angebotenen Arbeitsgelegenheiten im Rahmen des Ermessens zur Gewährung der
beanspruchten Sozialhilfeleistungen verpflichtet war. Dazu wäre erforderlich gewesen,
daß der Antragsteller Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht hätte, aus denen
sich ergibt, daß jede andere Entscheidung als die Gewährung der beanspruchten
Leistungen für den hier maßgeblichen Zeitraum rechtswidrig gewesen ist. Sein
diesbezügliches Vorbringen reicht dazu nicht aus.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
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Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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