Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.11.2009

OVG NRW (bestattung, anspruch auf bewilligung, höhe, heimbewohner, sozialhilfe, einsatz, bewilligung, verwertung, betrag, härte)

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 1363/09
Datum:
16.11.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 A 1363/09
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 6 K 3063/08
Schlagworte:
Pflegewohngeld, Vermögen, Vermögensschonbetrag, Heimbewohner,
Bestattungsvorsorge, Grabpflege, Angemessenheit
Normen:
§ 12 PfG NRW, § 90 SGB XII
Leitsätze:
1. Der Einsatz von Vermögen, das über den Schonbetrag von 10.000
Euro hinaus-geht und zum Zweck einer angemessenen
Bestattungsvorsorge oder einer angemessenen Grabpflege vorgesehen
ist, stellt für Heimbewohner eine Härte i.S.v.
§ 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW i.V.m. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar.
2. Die Zweckbestimmung (Bestattung, Grabpflege) kann nur anerkannt
werden, wenn vor dem Beginn des Leistungszeitraums, für den
Pflegwohngeld begehrt wird,
- die ausschließliche Zweckbestimmung von dem Heimbewohner
eindeutig und für ihn verbindlich getroffen,
- der diesbezügliche Vermögensteil aus dem übrigen Vermögen
eindeutig ausgegliedert und
- die Zweckbestimmung in einer zum Nachweis geeigneten Form textlich
niedergelegt worden ist.
3. Zur Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge ist
zunächst auf die nach § 74 SGB XII zu übernehmenden Kosten der
Bestattung abzustellen (Grundbetrag). Dabei ist hinsichtlich der Art der
Bestattung (Erdbestattung, Feuerbe-stattung, etc.) in der Regel die
Entscheidung des Heimbewohners zugrundezulegen.
4. Der sich hieraus ergebende Kostenbetrag, der lediglich den
einfachsten Standard repräsentiert, ist unter Berücksichtigung etwaiger
Gestaltungswünsche des Heimbewohners bis zur Grenze der
Angemessenheit zu erhöhen (Erhöhungsbetrag).
5. Bei der Bestimmung des Erhöhungsbetrages können die Kosten einer
durch-schnittlichen Bestattung als Richtschnur dienen.
Tenor:
Im Umfang der Klagerücknahme wird das Verfah¬ren eingestellt. In
diesem Umfang ist das ange¬fochtene Urteil wirkungslos.
Im Übrigen wird das angefochtene Urteil geän¬dert.
Der Bescheid des Beklagten vom 29. September 2008 wird aufgehoben,
soweit damit die Bewilli¬gung von Pflegewohngeld ab 4. November
2008 abgelehnt worden ist. Der Beklagte wird ver¬pflichtet, für den
Heimplatz der Klägerin Pflege¬wohngeld in Höhe eines Tagessatzes
von 9,97 Euro ab 4. November 2008 zu bewilligen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Instanzen tragen
die Klägerin zu einem Drittel und der Beklagte zu zwei Drittel.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Vollstreckungs¬schuldner darf die Vollstreckung durch
Sicher¬heitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des je¬weils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die verwitwete Klägerin lebt seit dem 2. November 2007 in einer vollstationären
Dauerpflegeeinrichtung, die ihr Investitionskosten in Höhe von 9,97 Euro/pro Tag in
Rechnung stellt.
2
Den nach der Aufnahme in die Pflegeeinrichtung für sie gestellten Antrag auf
Bewilligung von Pflegewohngeld nahm die von der Klägerin bevollmächtigte Tochter
zurück, weil die Klägerin damals über ausreichend einzusetzendes Vermögen verfügte.
3
Am 8. Juli 2008 beantragte die Tochter der Klägerin für ihre Mutter erneut die
Bewilligung von Pflegewohngeld. Zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen
ihrer Mutter (Stand 18. Juli 2008) gab sie an, dass diese eine Altersrente in Höhe von
607,51 Euro und eine Witwenrente in Höhe von 545,47 Euro beziehe. Von der
Pflegekasse würden 1.279,00 Euro gezahlt. Sie verfüge über ein Sparguthaben in Höhe
von 12.850,13 Euro und eine Spareinlage in Höhe von 84,76 Euro. Ihr Girokonto weise
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einen Kontostand von minus 1.156,23 Euro auf. Der Rückkaufwert der von der Klägerin
abgeschlossenen Lebensversicherung betrug am 1. Dezember 2005 1.668,00 Euro. Die
Tochter der Klägerin informierte den Beklagten zudem über einen für ihre Mutter mit
einem Bestattungsunternehmen am 17. Juli 2007 abgeschlossenen
"Bestattungsvorsorge-Rahmenvertrag". Dieser enthält unter anderem die folgenden
Vereinbarungen: "V. Kündigt der Auftraggeber diesen Vertrag, so muss dies in der von
ihm ausdrücklichen vorgeschriebenen und dem Bestattungsinstitut aufgegebenen Form
geschehen." und "VII. Wird die Bestattung des Auftraggebers nach dessen Tod nicht
vom Bestattungsinstitut durchgeführt, so gilt in diesem Falle die Verpflichtung zum
Ausgleich gemäß § 649 BGB. (...)". Aufgrund dieses Vertrags wurden 6.000,00 Euro an
die E. C. U. AG überwiesen, die diesen Betrag treuhänderisch
verwaltet und verzinslich auf den Namen der Tochter der Klägerin für Letztere als
Vorsorgeempfängerin angelegt hat.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 29. September 2008
nach ihrer Anhörung mit der Begründung ab, das vorhandene Vermögen übersteige die
Schongrenze von 10.000,00 Euro.
5
Am 20. Oktober 2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, mit dem
Bestattungsvorsorge-Rahmenvertrag sollten die Kosten der einstigen Bestattung in
Höhe von 7.317,50 Euro einschließlich der Friedhofsgebühren u.a. abgesichert werden.
Dazu seien 6.000,00 Euro im Rahmen des Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags an
die E. C1. U. AG überwiesen worden. Die weiteren Kosten sollten
durch den Rückkaufwert der Lebensversicherung abgedeckt werden. Im Rahmen der
Bewilligung von Sozialleistungen stelle der Einsatz und die Verwertung von Mitteln, die
für eine angemessene Bestattung und eine angemessene Grabpflege zurückgelegt
worden seien, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des
Verwaltungsgerichts Münster eine unzumutbare Härte dar. Der Wunsch vieler alter
Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, sei unter dem Gesichtspunkt der
Menschenwürde und der allgemeinen Handlungsfreiheit zu berücksichtigen. Diese
Rechtsgrundsätze seien auch bei der Bewilligung von Pflegewohngeld zu beachten.
Die Lebensversicherung habe am 8. Oktober 2008 einen Rückkaufwert von 1.863,00
Euro gehabt.
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Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 29. September 2008
zu verpflichten, dem Heimträger für ihren Heimplatz ab Antragstellung
Pflegewohngeld zu einem Tagessatz von 9,97 Euro zu bewilligen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat vorgetragen, die Klägerin habe auch das zur C1. vorgesehene
Vermögen einzusetzen. Wegen der deutlich höheren Vermögensfreigrenze bei der
Gewährung von Pflegewohngeld könne die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
zum Einsatz von Bestattungsvorsorgeverträgen nicht entsprechend herangezogen
werden. Es möge zwar bei einer Vermögensfreigrenze von 2.600,00 Euro in der
Sozialhilfe gerechtfertigt sein, hier zusätzliches Vermögen für die Bestattung über die
Härteregelung als geschützt anzusehen. Bei einer Vermögensfreigrenze von 10.000,00
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Euro im Pflegewohngeldrecht könne darüber hinaus aber nicht noch weiteres Vermögen
für die Bestattung geschützt sein, denn mit diesem Vermögen dürfe eine angemessene
Bestattung zu finanzieren sein. Im Bereich der Grundsicherung würden im Übrigen
lediglich 3.500,00 Euro als angemessenen Vorsorgeaufwand anerkannt. Bei ihren
Vermögensverhältnissen müsse die Klägerin den Bestattungsvorsorgevertrag und die
Lebensversicherung außerdem nicht unbedingt kündigen. Sie könne ihr Guthaben bei
der Sparkasse einsetzen, so dass ihr 7.668,00 Euro mit dem Bestattungsvertrag und der
Lebensversicherung zustünden sowie noch 2.332,00 Euro als frei verfügbar auf ihrem
Girokonto blieben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster sei nicht zu
übertragen, weil diese einen Dauergrabpflege- und nicht einen
Bestattungsvorsorgevertrag zum Gegenstand gehabt habe. Zudem setze sich das
Verwaltungsgericht Münster über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinsichtlich des
Katalogs der zu berücksichtigenden bzw. freibleibenden Vermögenswerte hinweg. Mit
derartigen Erwägungen seien eine Vielzahl von Ausnahmen zur Überschreitung des
Freibetrags von 10.000,00 Euro denkbar, die aber dem Gesetzeswortlaut und dem
erkennbaren Ziel der gesetzlichen Regelung zuwider liefen.
Das Verwaltungsgericht hat, nachdem es ein Vertragsmuster der E. C.
U. AG aus dem Internet hinzugezogen und dem Prozessbevollmächtigten dazu
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, die Klage abgewiesen. Es ist davon
ausgegangen, dass sowohl das Kapital aus der Lebensversicherung als auch aus dem
Bestattungsvorsorgevertrag von der Klägerin einzusetzendes, rechtzeitig zur Bedarfszeit
zur Verfügung stehendes Vermögen sei. Wegen der Begründung im Einzelnen nimmt
der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
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Der Beklagte hat mit Schreiben vom 6. Juni 2009 mitgeteilt, dass der Klägerin nach
erster Einschätzung ab Juni/Juli 2009 Pflegewohngeld in Höhe von 310,28 Euro
monatlich zu bewilligen sein werde.
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Die Klägerin verweist zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 5. Ok-tober
2009 zugelassenen Berufung erneut auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
und des Verwaltungsgerichts Münster. Ergänzend trägt sie vor, die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, bei einem Schonbetrag von 10.000,00 Euro im
Pflegewohngeldrecht verblieben einem Bewohner einer vollstationären
Dauerpflegeeinrichtung ohne weiteres die Mittel, um ggf. auch eine über dem einfachen
Standard liegende Todesfallvorsorge zu treffen, so dass die Rechtsprechung zur
Sozialhilfe nicht zu übertragen sei, finde keine Stütze in der Gesetzesbegründung des
Pflegegesetzes NRW. Systematische und teleologische Anknüpfungspunkte nach dem
Gesetzeswortlaut für die im angefochtenen Urteil vertretene Position seien nicht
ersichtlich. Erst recht ergäben sich diese nicht aus dem Wortlaut der maßgeblichen
Vorschriften. Hinsichtlich der Frage der Angemessenheit der Bestattungskosten könne
der in Nordrhein-Westfalen herrschenden Verwaltungspraxis, pauschal 3.500,00 Euro
anzusetzen, nicht zugestimmt werden. Dazu werde auf eine Stellungnahme des
Deutschen Bundestags – Petitionsausschuss – vom 7. Mai 2009 zu einer rechtswidrigen
Verwaltungspraxis in Nordrhein-West-falen hingewiesen. Die Sozialgerichte Detmold
und Hildesheim teilten insofern die Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
So habe das Sozialgericht Hildesheim im Urteil vom 24. Juli 2009 (S 34 SO 75/07) eine
C1. in Höhe von 6.500,00 Euro für unbedenklich gehalten. Insofern dürfe es
auch keine Rolle spielen, ob der Vorsorgende Abkömmlinge habe oder nicht. Denn der
Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrags diene nicht der Befreiung der Angehörigen
von Kostenlasten. Die Vorsorge solle vielmehr sicherstellen, dass die Art der eigenen
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Bestattung und die Gestaltung der Ruhestätte samt Grabstein im Sinne der vom
Hilfeempfänger bestimmten Weise vorgenommen werde. Der Verlust dieses
Selbstbestimmungsrechts stelle sich als unzumutbare Härte dar. Es sei auch keine
mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit anzunehmen, wenn die Heimaufnahme und
der Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrags zeitlich zusammenfielen. Ob eine
Mutwilligkeit vorliege, hänge davon ab, ob es dem Bedürftigen absichtlich nur um den
Bezug von Sozialleistungen gehe. Unter Berücksichtigung des Rückkaufwerts der
Lebensversicherung und unter Außerachtlassung des an die E. C1. U.
AG überwiesenen Betrags habe das Vermögen der Klägerin ab 4. November 2008
weniger als 10.000,00 Euro betragen.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung
seines Bescheids vom 29. September 2008 zu verpflichten, dem Heimträger
für ihren Heimplatz ab Antragstellung Pflegewohngeld zu einem Tagessatz
von 9,97 Euro zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor, dass die Stadt C2. nach § 74 SGB XII Kosten einer Erdbestattung in
Höhe von 2.861,10 Euro und einer Feuerbestattung in Höhe von 3.101.12 Euro
anerkenne. Darin enthalten seien die Gebühren des Friedhofs, die auch von jedem
Dritten in dieser Höhe zu tragen seien, sowie die Bestattungskosten, die auf einer
Vereinbarung zwischen der Stadt C2. und den örtlichen Bestattern beruhten.
Zudem verweist er auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund vom 13. Februar
2009 (S 47 SO 188/06), wonach Bestattungskosten in Höhe von 3.500,00 Euro als
angemessen anzusehen seien.
19
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung mit Blick auf den Rückkaufwert ihrer
Lebensversicherung die Klage insoweit zurückgenommen, als sie unter teilweiser
Aufhebung des Bescheids vom 29. September 2008 die Bewilligung von
Pflegewohngeld für ihren Heimplatz bis 3. November 2008 begehrt hat. Der Vertreter
des Beklagten hat der Klagerücknahme zugestimmt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen
Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
21
Entscheidungsgründe:
22
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen und der Vertreter des Beklagten der
Klagerücknahme zugestimmt hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO
einzustellen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit gemäß § 173 Satz 1
VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos.
23
Im Übrigen ist die Berufung zulässig und begründet. Die Klägerin hat den mit der Klage
noch verfolgten Anspruch darauf, dass für ihren Heimplatz Pflegewohngeld zu einem
Tagessatz von 9,97 Euro ab 4. November 2008 bewilligt wird. Der Bescheid des
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Beklagten vom 29. September 2008 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in
ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 12 des
Gesetzes zur Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes (Landespflegegesetz
Nordrhein-Westfalen – PfG NRW) vom 19. März 1996 (GV. NRW, S. 137), zuletzt
geändert durch Art. 17 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das
Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes (Lebenspartnerschaftsanpassungsgesetz –
LPartAnpG) vom 3. Mai 2005 (GV. NRW, S. 498) i. V. m. § 4 der Verordnung über die
Förderung der Investitionen von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen sowie
über den bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss vollstationärer
Dauerpflegeeinrichtungen (Pflegewohngeld) – Pflegeeinrichtungsförderverordnung
(PflFEinrVO) vom 15. Oktober 2003 (GV. NRW, S. 613), zuletzt geändert durch Art. 38
LPartAnpG. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 PfG NRW wird vollstationären
Dauerpflegeeinrichtungen zur Finanzierung ihrer betriebsnotwendigen
Investitionsaufwendungen Pflegewohngeld gewährt, wenn das Einkommen und das
Vermögen der Heimbewohnerin und des Heimbewohners im Sinne des Absatzes 2 und
seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin
oder seines Lebenspartners zur Finanzierung der Aufwendungen für Investitionskosten
ganz oder teilweise nicht ausreicht. Die Vorschriften des Ersten bis Dritten Abschnitts
des Elften Kapitels des SGB XII und die §§ 25 ff. BVG zur Bestimmung des
anrechenbaren Einkommens und des Vermögens bei der stationären Hilfe zur Pflege
gelten entsprechend (§ 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW). Abweichend hiervon ist bei der
Anrechnung des Einkommens der Heimbewohnerin und dem Heimbewohner ein
weiterer Selbstbehalt von 50 Euro monatlich, mindestens jedoch der jeweilige
Einkommensüberhang, zu belassen (§ 12 Abs. 3 Satz 3 PfG NRW). Die Gewährung von
Pflegewohngeld darf gemäß § 12 Abs. 3 Satz 4 PfG NRW nicht abhängig gemacht
werden von dem Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge und sonstiger
Geldwerte in Höhe von bis zu 10.000 Euro. Der Fünfte Abschnitt des Elften Kapitels des
SGB XII und die §§ 27g und 27h des BVG finden keine Anwendung (§ 12 Abs. 3 Satz 5
PfG NRW).
25
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegewohngeld lagen ab 4. No-vember
2008 vor, da ab diesem Zeitpunkt das Einkommen und das Vermögen der Klägerin zur
Finanzierung der Aufwendungen für Investitionskosten nicht ausreichte. Dass nicht
hinreichend Einkommen vorhanden war, ist unstreitig. Die Klägerin hatte ab 4.
November 2008 aber auch kein verwertbares Vermögen einzusetzen. Ihr Vermögen in
Form ihres Guthabens auf dem Girokonto und des Rückkaufwerts ihrer
Lebensversicherung lag ab diesem Tag unterhalb der Vermögensschongrenze von
10.000,00 Euro. Der zwischen den Beteiligten allein noch streitige Einsatz der
Ansprüche der Klägerin aus dem für sie abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrag,
aufgrund dessen sie 6.000,00 Euro an die E. C1. U. AG gezahlt hat,
stellt für sie eine Härte i. S. v. § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW i. V. m. § 90 Abs. 3 Satz 1
SGB XII dar und bleibt deshalb bei der Ermittlung der Voraussetzungen der Bewilligung
von Pflegewohngeld außer Betracht.
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Solche Ansprüche der Klägerin zählen grundsätzlich zu ihrem Vermögen i. S. v. § 12
Abs. 3 Satz 1 und 2 PfG NRW. Was unter Vermögen im Sinne des § 12 PfG NRW zu
verstehen ist, bestimmt das Landespflegegesetz nicht. Insofern sind das Sozialhilfe-
bzw. Kriegsopferfürsorgerecht maßgeblich, an das § 12 Abs. 3 PfG NRW anknüpft.
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sowie § 25d Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die
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Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) gehören zum
Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert und nach § 90 Abs. 1 SGB XII sowie
§ 25d Abs. 6 BVG gehört zum Vermögen das gesamte verwertbare Vermögen.
Einkommen und Vermögen grenzen sich dadurch voneinander ab, dass Einkommen
alles das ist, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das,
was er in der Bedarfszeit bereits hat. Vermögen sind demnach alle vorhandenen
beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert
einschließlich Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1999 – 5 C 35.97 –, BVerwGE 108,
296 ff. = NJW 1999, 3649 f.; Urteil vom 18. Februar 1999 – 5 C 16.98 –,
Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr. 30 = NJW 1999, 3210 f.; BSG, Urteil vom 18.
März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R –, BSGE 100, 131 ff.; vgl. zum
Schenkungsrückforderungsanspruch als Vermögen: OVG NRW, Urteil vom
13. Dezember 2007 – 16 A 3391/06 –, NWVBl. 2008, 232 ff.; Urteil vom 14.
Oktober 2008 – 16 A 1409/07 –, NWVBl. 2009, 194 ff.
28
Vermögen der Klägerin ist damit sowohl ihr Hauptleistungsanspruch aus dem
Bestattungsvorsorgevertrag als auch die aus dieser vertraglichen Beziehung
resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung des Vertrags einschließlich
des damit verbundenen Treuhandverhältnisses mit der E1. C1. U.
AG.
29
Dieses Vermögen ist jedenfalls – soweit es die Ansprüche aus der Rückabwicklung des
Bestattungsvorsorgevertrags betrifft – auch verwertbar. Ob Ansprüche verwertbar sind,
beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der
Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen
können. Er verfügt nicht über bereite Mittel, wenn er diese nicht in angemessener Zeit
realisieren kann.
30
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7.96 –, BVerwGE 106,
105 ff.; BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R –, a. a. O.; OVG
NRW, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 16 A 3391/06 –, a. a. O.
31
Zwar ist davon auszugehen, dass der vertragliche Hauptleistungsanspruch der Klägerin
gegen den Bestattungsunternehmer (Vornahme der Bestattung wie vereinbart) einer
wirtschaftlichen Verwertung nicht zugeführt werden kann.
32
Vgl. zur wohl fehlenden Verwertbarkeit eines solchen
Hauptleistungsanspruchs: BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06
R –, a. a. O.
33
Allerdings besteht die – von der Klägerin unwidersprochene – Möglichkeit der
Kündigung und der anschließenden Rückabwicklung des Bestattungsvorsorgevertrags
und des in diesem Zusammenhang eingegangenen Treuhandverhältnisses. Der als
"Bestattungsvorsorge-Rahmenvertrag" bezeichnete schriftliche Vertrag sieht in seiner
Nr. V ein Kündigungsrecht ausdrücklich vor. Auch der Bestattungsvorsorge -
Treuhandvertrag enthält ein Kündigungsrecht. Ausdrücklich ist in dem vom
Verwaltungsgericht herangezogenen Vertragsmuster unter Nr. 3 geregelt: "Falls der
Bestattungsvorsorge -Treuhandvertrag (teil-)gekündigt wird, erfolgt die Auszahlung an
den Vertragsbestatter. Bei Freigabe durch den Vertragsbestatter wird direkt an den
34
Treugeber ausgezahlt." Der Klägerin war es vor diesem Hintergrund bereits zu Beginn
des Bedarfszeitraums rechtlich möglich, eine Rückabwicklung des
Bestattungsvorsorgevertrags herbeizuführen und den von der E1. C1.
U. AG treuhänderisch verwalteten Betrag zuzüglich Zinsen über das
Bestattungsunternehmen (eventuell nach Abzug der vereinbarten Vergütung nach § 649
BGB) zurückzuerhalten. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin tatsächlich nicht in der
Lage gewesen sein könnte, dieses Vermögen in angemessener Zeit zu verwerten oder
die Verwertung völlig unwirtschaftlich wäre, liegen nicht vor.
Dem Einsatz und der Verwertung dieses Vermögens der Klägerin steht nicht § 12 Abs. 3
Satz 2 PfG NRW i. V. m. § 90 Abs. 2 SGB XII (ggf. i. V. m. § 25f Abs. 1 BVG) entgegen.
In § 90 Abs. 2 SGB XII ist vorgesehen, dass die Gewährung von Leistungen der
Sozialhilfe vom Einsatz oder von der Verwertung bestimmter in den Nrn. 1 bis 9
aufgeführter Vermögenswerte (sog. Schonvermögen) nicht abhängig gemacht werden
darf. Zu den darin abschließend aufgezählten Fallgruppen zählt der
Bestattungsvorsorgevertrag allerdings nicht.
35
Vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R –, a. a. O.;
Wahrendorf, in: Grube/ Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 90 Rn. 44. Den
Gesetzentwurf des Bundesrates mit einer Ergänzung des § 90 Abs. 2
SGB XII dahingehend, dass eine Versicherung oder eine andere Form der
Vorsorge, mit der eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende
angemessene Bestattung sichergestellt werden sollte, in den Katalog des
§ 90 Abs. 2 SGB XII aufgenommen werden sollte (vgl. BT-Drucks. 16/239,
S. 10), lehnte die Bundesregierung mit dem Hinweis auf die
Härtefallregelung in § 90 Abs. 3 SGB XII und der Vorschrift des § 74 SGB
XII, der eine menschenwürdige Bestattung für alle Sozialhilfeempfänger
sicherstelle, als nicht erforderlich ab (vgl. BT-Drucks. 16/239, S. 17).
36
Der Einsatz dieses zum Zweck der Bestattungsvorsorge vorgesehenen Vermögens
würde für die Klägerin jedoch eine Härte i. S. v. § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW i. V. m. §
90 Abs. 3 SGB XII bedeuten. Das Bundessozialgericht hat zur Verwertung von
Ansprüchen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag entschieden, dass diese
grundsätzlich eine Härte i. S. v. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darstellt und deshalb bei der
Gewährung von Sozialhilfe nicht zu berücksichtigen ist.
37
Vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R –, a. a. O.
38
Es ist zwar davon ausgegangen, dass die Verwertung nicht durch § 90 Abs. 3 Satz 2
SGB XII ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift ist bei der Leistung nach dem
Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII eine Härte zu bejahen, soweit eine
angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Die "angemessene Lebensführung" und
die "angemessene Alterssicherung" findet nach der Entscheidung des
Bundessozialgerichts begriffsnotwendig ihr Ende mit dem Tod des Betreffenden. Eine
Vorsorge des Hilfesuchenden für die Zeit nach seinem Tod kann danach unter diese
Norm nicht subsumiert werden.
39
Vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R –, a. a. O.; anders:
OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2003 – 16 B 2078/03 –, NWVBl.
2004, 276 f. = NVwZ-RR 2004, 360 f. m. w. N. – siehe dazu auch: Trenk-
40
Hinterberger, Ersparnisse für die Bestattung als Schonvermögen,
JurisPraxisReport-SozR 10/2004 Anm. 5.
Das Bundessozialgericht hat insoweit jedoch eine Vermögensverschonung nach § 90
Abs. 3 Satz 1 SGB XII angenommen. Nach dieser Vorschrift darf die Sozialhilfe ferner
nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht
werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine
unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Das
Bundessozialgericht hat sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu
der § 90 Abs. 3 SGB XII vorausgehenden inhaltsgleichen Norm des § 88 Abs. 3 Satz 1
BSHG angeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ausgeführt, der Wunsch
vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, sei dahin zu respektieren,
dass ihnen die Mittel erhalten blieben, die sie für eine angemessene Bestattung und
eine angemessene Grabpflege zurückgelegt hätten.
41
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 5 C 84.02 –, NJW 2004,
2914 ff. = FEVS 56, 302 ff.; anders: LSG Nds.-Bremen, Beschluss vom
2. Februar 2006 – L 8 SO 135/05 ER –, FEVS 58, 87 ff.; LSG Schl.-H., Urteil
vom 29. Mai 2006 – L 9 SO 4/06 –, ZFSH/SGB 2007, 746 ff.; LSG Hamb.,
Beschluss vom 17. Juli 2007 – L 5 B 246/07 ER SO –, ZFSH/SGB 2008,
684 f.
42
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung zum Sozialhilferecht, der zuzustimmen ist, ist
auch im Pflegewohngeldrecht davon auszugehen, dass die Verwertung und der Einsatz
der ausschließlich zum Zweck der angemessenen Bestattungs- und
Grabpflegevorsorge verbindlich vorgesehenen Mittel für Heimbewohner eine Härte
bedeuten würde. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 3 PfG NRW, dem Sinn und
Zweck dieser Norm nach dem Willen des Gesetzgebers und ihrem
Regelungszusammenhang.
43
§ 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW verweist nach seinem Wortlaut auf den Dritten Abschnitt
des Elften Kapitels des SGB XII und die §§ 25 ff. BVG, so dass grundsätzlich auch die
dazu ergangene Rechtsprechung zur Auslegung dessen, was unter einzusetzendem
Einkommen und Vermögen i. S. d. § 12 Abs. 3 PfG NRW zu verstehen ist,
herangezogen werden kann. Über den Verweis in § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW wird die
sozialhilferechtliche Rechtslage nicht unverändert in das Pflegewohngeldrecht
übernommen. Die Verweisung hat vielmehr vorwiegend die gesetzestechnische
Aufgabe, die Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt von Pflegewohngeld möglichst
kurz gefasst und ohne überflüssige Wiederholungen zu regeln.
44
Vgl. dazu auch: OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2008 – 16 A 1409/07 –,
a. a. O.
45
Dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 3 PfG NRW entspricht es aber, die dargestellte
Rechtsprechung zum Sozialhilferecht auf das Pflegewohngeldrecht zu übertragen.
Sowohl § 90 Abs. 3 SGB XII als auch § 12 Abs. 3 PfG NRW sollen gewährleisten, dass
dem Hilfebedürftigen ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen
Betätigungsfreiheit verbleibt. Ein wirtschaftlicher Ausverkauf und eine daraus folgende
nachhaltige soziale Abstufung sollen vermieden werden.
46
Vgl. zu § 88 Abs. 3 BSHG: BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1966 – V C 88.64
47
–, BVerwGE 23, 149 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2003 –
16 B 2078/03 –, a. a. O.; LSG NRW, Urteil vom 11. September 2006 – L 20
SO 1/05 –, Juris; zu § 12 Abs. 3 PfG NRW: OVG NRW, Urteil vom 25. Mai
2009 – 12 A 2663/06 –, Juris; Urteil vom 14. Oktober 2008 – 16 A 1409/07 –,
a. a. O., m. w. N.
Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Heimbewohner gegenüber dem
Sozialhilfeempfänger durch das Landespflegegesetz privilegiert wird, indem es
Pflegewohngeld bereits bei einer Einkommens- und Vermögenslage gewährt, die den
Bezug von Sozialhilfe- bzw. Kriegsopferfürsorgeleistungen noch ausschließt.
Pflegewohngeld erhält nämlich auch derjenige Heimbewohner, dessen Einkommen
und/oder Vermögen über den sozialhilfe- und kriegsopferfürsorgerechtlichen
Höchstbeträgen liegt. Für das Einkommen folgt dies aus § 12 Abs. 3 Satz 3 PfG NRW.
Danach ist ein Einkommensbetrag von 50,00 Euro monatlich von der Einsatzpflicht
ausgenommen. Für das Vermögen beruht die Besserstellung auf § 12 Abs. 3 Satz 4 PfG
NRW, der einen Vermögensschonbetrag in Höhe von 10.000,00 Euro bestimmt. Dieser
liegt deutlich oberhalb des sozialhilferechtlichen Schonvermögens, das für einen
pflegebedürftigen Heimbewohner heute im Regelfall auf 2.600,00 Euro begrenzt ist (§
90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. der zugehörigen Durchführungsverordnung). Der
pflegewohngeldrechtliche Schonbetrag übersteigt auch den typischen
Vermögensschonbetrag bei Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach § 25f BVG, der
derzeit bei 5.378,00 Euro liegt. Lediglich bei schwerstpflegebedürftigen Beschädigten
und deren Hinterbliebenen i. S. v. § 26c Abs. 8 Satz 3 BVG bleibt das
pflegewohngeldrechtliche Schonvermögen gegenwärtig um 755,00 Euro hinter dem des
Bundesversorgungsgesetzes zurück. Letzteres ändert aber an der grundsätzlichen
Besserstellung der Heimbewohner hinsichtlich des Einsatzes eigenen Vermögens
nichts, weil der glatte Betrag von 10.000,00 Euro "aus Gründen der Praktikabilität"
48
- vgl. LT-Drucks. 13/3498, S. 36 –
49
gewählt worden ist.
50
Vgl. zum Vorstehenden (mit Ausnahme der genannten Beträge): OVG NRW,
Urteil vom 14. Oktober 2008 – 16 A 1409/07 –, a. a. O.
51
Zwar besteht mit dieser Privilegierung durch den deutlich höheren Schonbetrag für den
Heimbewohner ein Spielraum, für eine deutlich über dem einfachsten Standard
liegende Bestattung nach seinen individuellen Vorstellungen vorzusorgen, während
dies bei einem Empfänger von Sozialhilfe von vornherein nicht angenommen werden
kann.
52
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2008 – 16 E 1247/07 – und
vom 8. Oktober 2004 – 16 B 1664/04 –, Juris.
53
Der vom Gesetzgeber gewollten Privilegierung des Heimbewohners würde es aber
letztlich widersprechen, wenn ihm nicht genauso wie einem Sozialhilfeempfänger
neben dem Schonvermögen ein Betrag zur Vorsorge für eine angemessene Bestattung
und Grabpflege verbliebe. Zum einen dient der Schonbetrag grundsätzlich dazu, dem
Hilfebedürftigen zu Lebzeiten einen wirtschaftlichen Spielraum zu belassen. Dieser
sollte nach dem Willen des Landesgesetzgebers beim Heimbewohner 10.000,00 Euro
betragen. Der in dieser Höhe vorgesehene Spielraum würde sich erheblich verringern,
54
wenn der Heimbewohner bei einem Wunsch, für eine angemessene Bestattung und
Grabpflege vorzusorgen – im Gegensatz zum Sozialhilfeempfänger – dafür einen Teil
des unter den Schonbetrag fallenden Vermögens einsetzen müsste.
Insofern wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen,
dass der Betrag von 10.000,00 Euro nicht ausreichend sei, um es den
Menschen zu ermöglichen, in einem gewissen Rahmen für Alter, Tod und
Verwandte vorzusorgen, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der
Vertriebenen und Flüchtlinge, LT-Drucks. 13/4072, S. 35; Antrag der
Fraktion der CDU, LT-Drucks. 13/4103, S. 3 (mit dem jeweiligen Vorschlag
hinsichtlich des Schonbetrags an eine Größenordnung von 40.000,00 Euro
zu denken).
55
Zum anderen könnte der Schonbetrag dadurch über die sozialhilfe- und
kriegsopferfürsorgerechtliche Schongrenze hinaus oder sogar ganz aufgezehrt werden,
etwa wenn sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene
Grabpflege Vorsorge getroffen werden soll. Dem Heimbewohner bliebe dann u. U.
neben dieser Vorsorge, soweit sie angemessen ist, überhaupt kein Vermögen, während
der Sozialhilfeempfänger neben der angemessenen Vorsorge für die Bestattung und
Grabpflege weiterhin über ein Vermögen in Höhe des ihm zustehenden Schonbetrags
verfügen würde. Diese Ungleichbehandlung ließe sich mit dem Sinn und Zweck der mit
dem für den Heimbewohner vorgesehenen höheren Schonbetrag verbundenen
Privilegierung gegenüber dem Sozialhilfe- und Kriegsopferfürsorgeempfänger nicht
vereinbaren.
56
Vgl. dazu auch: VG Münster, Urteile vom 21. Januar 2009 – 6 K 2136/07 –,
Juris; vom 17. März 2009 – 6 K 1484/07 –; vom 9. Juni 2009 – 6 K 2159/07
–, Juris und vom 22. September 2009
57
– 6 K 1044/08 –, Juris.
58
Da die Bewilligung von Pflegewohngeld in § 12 Abs. 2 PfG NRW zudem an die
Gewährung von Sozialhilfe- oder Kriegsopferfürsorgeleistungen anknüpft, könnte je
nach Höhe des abgeschlossenen und als angemessen angesehenen Vorsorgevertrags
aufgrund dieses Regelungszusammenhangs ein Wertungswiderspruch entstehen, wenn
nicht auch dem Heimbewohner das zur Bestattungsvorsorge und Grabpflege
vorgesehene Vermögen über den Schonbetrag hinaus verbliebe. Pflegewohngeld soll
nämlich nach der gesetzlichen Konzeption immer dann gewährt werden, wenn sonst die
Sozialhilfe oder Kriegsopferfürsorge eingreifen müsste, um den Heimbewohner in den
Stand zu setzen, die nicht gedeckten Investitionskosten des Pflegeheims zu begleichen.
Daraus folgt, dass der sozialpolitische Gesetzeszweck nur erreicht wird, wenn die
Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegewohngeld und von Sozialhilfe oder
Kriegsopferfürsorge im Grundsatz übereinstimmen.
59
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2008
60
– 16 A 1409/07 –, a. a. O.
61
Dies hat im Pflegewohngeldrecht zur Vermeidung von Widersprüchen zur Folge, dass
auch der Heimbewohner die angemessene Bestattungs- und Grabpflegevorsorge nicht
62
durch sein Schonvermögen zu finanzieren hat. Die gegenteilige Auffassung würde ggf.
dazu führen, dass einem Heimbewohner Pflegewohngeld zu versagen wäre, weil die
Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 PfG NRW nicht vorliegen. Dieser Heimbewohner
könnte aber u. U. trotz des der Bewilligung von Pflegewohngeld ggf. entgegen
stehenden Vermögens in Form von Ansprüchen aus der Rückabwicklung eines
Bestattungsvorsorge -/Grabpflegevertrags etwa einen Anspruch auf Bewilligung von
Sozialhilfe haben, da diese Ansprüche aus der Rückabwicklung solcher Verträge
sozialhilferechtlich unberücksichtigt bleiben und sein sonstiges Vermögen den
sozialhilferechtlichen Schonbetrag nicht übersteigt. Pflegewohngeldrechtlich wäre die
Konsequenz dann aber, dass dem Heimbewohner, dem Sozialhilfe bewilligt wird, (trotz
des Vermögens aus der Rückabwicklung eines Bestattungsvorsorge -
/Grabpflegevertrags) nach § 12 Abs. 2 PfG NRW auch Pflegewohngeld zu bewilligen ist.
Dieser durch die grundsätzliche Abhängigkeit der Pflegewohngeldbewilligung von den
Voraussetzungen der Bewilligung von Sozialhilfe bzw. Kriegsopferfürsorge entstehende
Widerspruch zeigt, dass auch bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 PfG
NRW die für eine angemessene Bestattung und Grabpflege verbindlich vorgesehenen
Mittel in Anwendung des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht als zu verwertendes und
einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen sind.
Die insoweit maßgebende vermögensrechtlichen Zweckbestimmung
(Bestattungsvorsorge oder Grabpflege) kann im Rahmen des § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG
NRW zur Vermeidung von Missbrauchsfällen und um zu gewährleisten, dass eine
andere Zweckverwendung des Vermögens ausgeschlossen oder zumindest wesentlich
erschwert ist, allerdings in der Regel nur dann anerkannt werden, wenn vor dem Beginn
des Leistungszeitraums, für den Pflegewohngeld begehrt wird,
63
die ausschließliche Zweckbestimmung von dem Heimbewohner eindeutig und für
ihn verbindlich getroffen,
der diesbezügliche Vermögensteil aus dem übrigen Vermögen eindeutig
ausgegliedert und
die Zweckbestimmung in einer zum Nachweis geeigneten Form textlich
niedergelegt worden ist.
64
65
Vgl. zur Zweckbestimmung auch: OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2005
– 12 A 4694/02 – unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2004 –
5 C 3.03 –, NJW 2004, 3647 m. w. N.; BVerwG Urteil vom 19. Dezember
1997 – 5 C 7.96 –, a. a. O.; LSG NRW, Urteil vom 19. März 2009 – L 9 SO
5/07 –. ZFSH/SGB 2009, 241 ff.
66
Diesen Anforderungen genügen insbesondere solche schriftlichen (Vorsor-
67
ge-)Verträge, die – wie hier – die vertragliche Einbindung eines Treuhänders vorsehen,
dem der für die Bestattung oder Grabpflege vorgesehene Vermögensteil zur
treuhänderischen Verwaltung übertragen wird und der den bestimmungsgemäßen
Einsatz gegenüber dem jeweiligen Auftragnehmer (Bestattungsinstitut,
68
Friedhofsgärtnerei, etc.) gewährleistet, und in denen der Heimbewohner festgelegt hat,
dass im Falle seines Todes eine Abänderung der Zweckbestimmung (etwa durch
Angehörige, Erben oder Nachlasspfleger) ausgeschlossen sein soll. Eine – wie hier –
dem Heimbewohner zustehende Kündigungsmöglichkeit ist in diesem Zusammenhang
solange unbeachtlich, solange eine Kündigung mit dem Ziel der endgültigen Aufhebung
der Zweckbestimmung nicht erfolgt ist.
Der von der Klägerin als Bestattungsvorsorge bereits überwiesene Betrag in Höhe von
6.000,00 Euro ist des Weiteren nicht als unangemessen hoch anzusehen. Die Frage,
bis zu welchem Betrag von einer angemessenen Bestattung gesprochen werden kann,
wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
69
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2003 – 16 B 2078/03 –, a. a.
O. (3.500,00 Euro); VG Münster, Urteil vom 22. September 2009 – 6 K
1044/08 –, a. a. O. (knapp 5.500,00 Euro im konkreten Fall); Bay. LSG, Urteil
vom 25. September 2008 – L 11 SO 32/07 –, Juris (ca. 3.200,00 Euro im
konkreten Fall); SG Dortmund, Urteil vom 13. Februar 2009 – S 47 SO
188/06 –, Juris (wohl 3.500,00 Euro); SG Aachen, Urteil vom 15. September
2009 – S 20 SO 28/09 –, Juris (5.000,00 Euro im konkreten Fall); SG
Schleswig, Beschluss vom 18. Juni 2008 – S 12 So 54/08 ER (Doppelte für
eine Bestattung nach § 74 SGB XII) – zitiert nach LSG Schl.-H., Beschluss
vom 1. Oktober 2008 – L 9 B 461/08 SO ER, L 9 B 246/08 SO PKH –,
SchlHA 2008, 426 ff.; SG Hildesheim, Gerichtsbescheid vom 24. Juli 2009 –
S 34 SO 75/07 – (6.500,00 Euro im konkreten Fall); siehe auch: Hammel,
Das Bestattungsvorsorgevermögen als eine sozialhilferechtlich
verwertungsgeschützte Rücklage – Rechtsdiskussion und Anforderungen,
ZFSH/SGB 2009, 599 ff.; Jacobsen, Verschonung von vertraglicher
Bestattungsvorsorge, WzS 2009, 22 ff.; Widmann, Anmerkung zum Urteil
des BSG vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 –, ZFSH/SGB 2008, 600.
70
Die Angemessenheit beurteilt sich jedenfalls nach den vorgesehenen Leistungen und
den örtlichen Preisen für eine Bestattung.
71
Ähnlich: BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R –, a. a. O.
72
Zur Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge ist zunächst auf die
Kosten abzustellen, die die örtlich zuständige Behörde als erforderliche Kosten der
Bestattung nach § 74 SGB XII zu übernehmen hat (Grundbetrag), denn insofern wird
örtlichen Besonderheiten wie unterschiedlichen Friedhofskosten Rechnung getragen.
Dabei ist hinsichtlich der Art der Bestattung (Erdbestattung, Feuerbestattung, etc.) in der
Regel die Entscheidung des Heimbewohners zugrunde zu legen.
73
Der sich hieraus ergebende Kostenbetrag, der lediglich den einfachsten Standard
repräsentiert und darüber hinaus – wie hier – auf vertraglichen (Rabatt-)Vereinba-
rungen der Behörde mit den örtlichen Bestattern beruhen kann, ist unter
Berücksichtigung etwaiger Gestaltungswünsche des Heimbewohners bis zur Grenze
der Angemessenheit zu erhöhen (Erhöhungsbetrag). Dabei können die Kosten einer
durchschnittlichen Bestattung als Richtschnur dienen. Schon die Kosten für eine
einfache Beerdigung belaufen sich nach den vorliegenden Erkenntnissen (im
Bundesdurchschnitt) auf zwischen 2.000,00 und 4.000,00 Euro
74
- vgl. Verbraucherzentrale, Was tun, wenn jemand stirbt?, 17. Auflage 2009,
S. 56 -,
75
die Kosten für eine durchschnittliche Bestattung betragen etwa 7.000,00 Euro
76
- vgl. Stiftung Warentest, Test Spezial Bestattungen, erschienen am 25.
Oktober 2008, S. 50 f. -.
77
Vor diesem Hintergrund ist der von der Klägerin für die Bestattungsvorsorge auf das
Treuhandkonto überwiesene Betrag in Höhe von 6.000,00 Euro jedenfalls als
angemessen anzusehen. Die Klägerin hat hier weniger als das Doppelte der vom
Beklagten im Rahmen von § 74 SGB XII anerkannten Kosten für die von ihr gewünschte
Feuerbestattung (3.101,12 Euro) vorgesehen. Der Betrag liegt zudem deutlich unter den
von Stiftung Warentest ermittelten, für eine Bestattung durchschnittlich aufzuwendenden
Kosten in Höhe von 7.000,00 Euro.
78
Anhaltspunkte dafür, dass der Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrags nur dazu
dienen könnte, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Bewilligung von
Pflegewohngeld zu schaffen, liegen nicht vor, zumal die Klägerin diesen Vertrag etwa
ein Jahr vor der (wiederholten) Beantragung von Pflegewohngeld abgeschlossen hat.
79
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
80
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
81