Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.01.2000
OVG NRW: aufschiebende wirkung, auflage, rauch, halle, datum, genehmigung, bevollmächtigung, duldungsvollmacht, einbau, ersetzung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 10 B 100/00
27.01.2000
Oberverwaltungsgericht NRW
10. Senat
Beschluss
10 B 100/00
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 L 3455/99
Der Zulassungsantrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 60.000,00 DM
festgesetzt.
Der Zulassungsantrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 60.000,00 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Zulassungsantrag ist unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht
vor. Im Ergebnis bestehen aus den allein dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel
an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes gegenüber der für sofort vollziehbar erklärten Stilllegungsverfügung vom
21. Oktober 1999 abgelehnt. Die von der Antragstellerin durchgeführten Bauarbeiten zur
Errichtung einer gewerblichen Halle, die im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens
bereits weit fortgeschritten gewesen sind, seien formell illegal. Auf die der Antragstellerin
erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 5. August 1999 könne das Vorhaben
nicht gestützt werden, weil hiergegen am 25./27. August 1999 von ihr selbst, wenn auch
beschränkt auf Ziffer 13 der "Nebenbestimmungen, Hinweise und Grüneintragungen",
Widerspruch eingelegt worden sei. Dieser Widerspruch entfalte aufschiebende Wirkung
gegenüber der Baugenehmigung insgesamt. Die Regelung Ziffer 13 der Baugenehmigung
über das Erfordernis, eine Rauch- und Wärmeabzugsanlage einzubauen, sei, selbst wenn
man sie als Auflage im Sinne des § 36 Abs. 2 VwVfG NRW begreife, nach den in der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen von dem Regelungsgehalt der
Baugenehmigung im übrigen nicht abtrennbar.
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Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel an der
Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass ganz überwiegende Gründe für die
Rechtmäßigkeit der auf die formelle Illegalität des Vorhabens gestützten
Stilllegungsanordnung sprechen und hieran anknüpfend das öffentliche - vom
Antragsgegner verfolgte - Interesse an deren sofortiger Vollziehung das
Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt, § 80 Abs. 5 VwGO.
Mit dem Verwaltungsgericht konzentriert sich die Antragstellerin in ihrem
Zulassungsvorbringen auf das Problem der isolierten Anfechtbarkeit einer Auflage i.S.d. §
36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW.
Zu den Streitfragen vgl. etwa Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Auflage 1998, § 36 Rdn. 83
ff m.w.N., dort Rdnr. 89 ff. zu den in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen.
Für den Streit um die hier angegriffene Ordnungsverfügung stellt sich jedoch diese Frage
nicht. Nach dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Bauakte für das streitige Vorhaben liegt
es nämlich, ohne dass es zu dieser Beurteilung der Durchführung eines
Beschwerdeverfahrens bedürfte, auf der Hand, dass die Antragstellerin für das von ihr
nunmehr zur Verwirklichung vorgesehene Hallengebäude ohne eine Rauch- und
Wärmeabzugsanlage keine Baugenehmigung besitzt.
Die von ihr angeführte Baugenehmigung mit dem Datum 5. August 1999 gestattet die
Errichtung einer Halle ausschließlich nur mit einer solchen Anlage. Dieser Sachverhalt
ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem angefochtenen Beschluß und erschließt sich
auch nicht aus dem Vorbringen der Antragstellerin im Zulassungsantrag. Gleichwohl drängt
er sich in diesem Zulassungsverfahren auf, weil er sich aus dem Inhalt der strittigen
Baugenehmigung unschwer erschließt. Die genannte Einschränkung folgt aus dem Inhalt
der Baugenehmigung einschließlich der mit Zugehörigkeitsvermerk zum Gegenstand der
Genehmigung gemachten Bauvorlagen, §§ 69 Abs. 1, 75 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW; sie ist
somit Inhalt, nicht Nebenbestimmung der Baugenehmigung
vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 36 Rdn. 10.
Zu diesen in Bezug genommenen Bauunterlagen gehört die Erklärung des Dipl. Ing. G.
vom 6. August 1999; sie trägt einen Zugehörigkeitsvermerk. Der von der Antragstellerin für
die Vorbereitung und Durchführung des Vorhabens gemäß § 69 Abs. 2 BauO NRW
benannte und entsprechend aufgetretene Entwurfsverfasser (vgl. § 57 Abs. 1 BauO NRW),
Dipl. Ing. G. , hat dem Antragsgegner vor Abschluss der bauaufsichtlichen Prüfung mit
Schreiben vom 5. August 1999 ausdrücklich mitgeteilt ("bestätigt"), dass in das
Bauvorhaben eine Rauchabzugsanlage nach DIN 18232 eingebaut wird. Diese Mitteilung
ist nach dem eindeutigen Inhalt der Bauakte dem Antragsgegner am 6. August 1999 um
6.49 Uhr als Telefax übermittelt worden. Der Antragsgegner hat sodann am 6. August 1999
diese Erklärung mit Prüf- und Zugehörigkeitsvermerk versehen und sodann - ebenfalls am
6. August 1999 - den Bauschein unter Einschluss eben dieser Anlage mit Unterschrift und
Datumsangabe 6.8." versehen. Die Baugenehmigung selbst nimmt auf diese Unterlagen in
ihrer Nebenbestimmung" Nr. 13, auf deren Inhalt zurückzukommen ist, Bezug. Der
Bauschein ist am 18. August 1999 nur in dieser Form und mit diesem Inhalt dem
Entwurfsverfasser ausgehändigt worden. Auch dies ergibt sich eindeutig aus den Bauakten
und wird von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen. Insbesondere hat sie auch in
ihrem Widerspruch nicht zum Ausdruck gebracht, daß der Entwurfsverfasser keine
Empfangsvollmacht gehabt haben sollte, so daß es sich erübrigt nachzuprüfen, ob sich
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eine entsprechende Empfangsvollmacht schon aus den Erwägungen einer Anscheins-
oder Duldungsvollmacht ergeben hat. Dazu Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 14 Rn. 16.
Im Einklang mit § 43 Abs. 1 VwVfG NRW folgt hieraus, dass entgegen den auf einem
anderen Sachverhalt aufbauenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts die Erklärung
vom 5./6. August 1999 wirksam und antragsentsprechend Bestandteil der unter dem 5.
August 1999 datierten Baugenehmigung geworden ist und hieran das Datum, welches der
Bauschein in seiner Kopfzeile trägt, nichts ändert. Da es allein auf den bekannt gegebenen
Inhalt der Baugenehmigung einschließlich der in Bezug genommenen Bauunterlagen
ankommt, ist auch die in ihrem Widerspruch vom 25. August 1999 geäußerte Ansicht der
Antragstellerin unerheblich, dass die Erklärung des Entwurfsverfasser vom 6. August 1999
ohne ihr Einverständnis abgegeben worden sei. Daher kann dahinstehen, ob sich eine
entsprechende Bevollmächtigung bereits aus dem Umfang seiner Aufgaben nach §§ 56, 58
BauO NRW ergibt, die auch zu dem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Bauherrin
und Entwurfsverfasser ein Indiz geben mögen,
vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung NRW 1995, Vorbemerkung vor § 56 Rn. 4,
oder auch hier die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht eingreifen. Hieraus
folgt zugleich, daß für die Annahme der Antragstellerin, sie könne nach Erlass der
Baugenehmigung dem genehmigten Vorhaben durch Widerspruch, zumal durch einen
isolierten Widerspruch gegen einzelne antragsentsprechende Teilregelungen, deren
Berechtigung sie anders als der für sie aufgetretene Entwurfsverfasser beurteilt, einem
anderen Inhalt zuführen, kein Raum ist. Von einer (unterstellt) mangelnden
Bevollmächtigung mag abhängen, ob die Antragstellerin mit einem Verpflichtungs-
Widerspruch eine Änderung des Inhalts der Baugenehmigung erreichen kann oder ob sie
einen neuen Bauantrag ohne die Einschränkung eines Abzuges stellen muß, wenn sie
eine Änderung oder Ersetzung der angegriffenen Baugenehmigung erreichen will. Solange
diese Änderung nicht ausdrücklich genehmigt ist, ersetzt ein entsprechendes
Änderungsbegehren nicht die Baugenehmigung mit der von der Antragstellerin erstrebten
Folge, nunmehr eine vollziehbare Baugenehmigung für ein Vorhaben ohne die in Rede
stehende Anlage zu besitzen. Sie mag, worauf das Verwaltungsgericht in anderem
Zusammenhang schon hingewiesen hat, einen neuen - ggf. bei Ablehnung durch
Verpflichtungsklage weiter zu verfolgenden - Bauantrag stellen, der die betreffende Anlage
nicht mehr zum Gegenstand hat, wenn sie meint, hierauf Anspruch zu haben.
Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 36 Rdn. 53 m.w.N.
Erst in diesem neuen Verfahren kann die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage der
Rechtmäßigkeit einer Halle ohne Abzug geprüft werden, wobei allerdings auch eine neue
Entscheidung über das Vorhaben im übrigen einschließlich etwa erforderlicher
Abweichungsgestattungen zu treffen wäre. Solche Abweichungen, nämlich zu den
brandschutzrechtlichen Anforderungen nach §§ 29 und 32 BauO NRW, hatte der
Antragsgegner in der unter dem 5. August 1999 datierten Baugenehmigung gerade mit
Rücksicht auch auf den in das Vorhaben einbezogenen Einbau einer Rauch- und
Wärmeabzugsanlage nach DIN 18232 gestattet.
Selbst wenn sich der Inhalt der Baugenehmigung nicht aus der ausdrücklichen
Bezugnahme auf die Erklärung vom 6. August 1999, die das Verwaltungsgericht aus den
Augen verloren hatte, ergeben würde, änderte sich im übrigen nichts am Ergebnis. Auch
dann wäre die Baugenehmigung nicht in dem von der Antragstellerin gewünschten Umfang
vollziehbar. Ohne Baugenehmigung und damit formell illegal baut die Antragstellerin auch
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in diesem Fall, weil dann nämlich alles dafür sprechen dürfte, die Regelung Ziffer 13 als
sogenannte "modifizierende" Auflage (Genehmigung),
dazu Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 36 Rdn. 48 ff., 52 m.w.N.
einzuordnen. Das folgt ebenfalls aus dem Inhalt der Baugenehmigung selbst. Dort ist -
anknüpfend an die Überschrift zu den Ziffern 1 bis 15 - insbesondere mit der Ziffer 7 und
den Kennzeichnungen zu den Ziffern 8 und 9 verdeutlicht worden, welche dieser Ziffern
ihren Grund in den eingereichten Bauvorlagen (ggf. mit Grüneintragung) finden, welche
Ziffern bloße Hinweise ("H") sind und welche sich nach ihrem Regelungsgehalt als mit der
Baugenehmigung verbundene Auflagen ("A") darstellen. Die Ziffer 13 ist, anders als die
Ziffer 8, nicht mit dem Zusatz "A" versehen worden. Darüber hinaus spricht auch in der
Formulierung der Ziffer 13 nichts dafür, der Antragsgegner habe sich damit einen
eigenständigen vollstreckungsfähigen Anspruch schaffen wollen, den er gegen die
Antragstellerin durch Verwaltungsakt durchsetzen wolle. Dies wäre aber Voraussetzung
einer Auflage, wie aus dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW folgt.
Dementsprechend hat der Antragsgegner auch nicht versucht, die Regelung Ziffer 13 als
Auflage im Wege der Vollstreckung durchzusetzen, sondern sich - zu Recht - darauf
beschränkt, den Weiterbau zu verhindern, wenn die Bauherrin anders als in diesem
Bauschein bestimmt bauen möchte. Durch die Regelung wird mithin die
Rechtsvoraussetzung mitgeteilt, unter der die Genehmigungsbehörde die
Baugenehmigung erteilt hat. Auch hier hat der Bauherr, wie bereits dargelegt, nur die Wahl,
die Baugenehmigung so wie erteilt auszunutzen oder eine andere Baugenehmigung zu
erstreiten.
Soweit die Antragstellerin mit dem Zulassungsantrag erneut hervorhebt, die Rauch- und
Wärmeabzugsanlage könne jederzeit nachträglich eingebaut werden, berührt dies nach der
feststehenden Rechtsprechung des Senats nicht die Rechtmäßigkeit der
Ordnungsverfügung, wie sich schon aus § 21 Satz 2 OBG NRW ergibt.
Vgl. aus jüngerer Zeit etwa Senatsbeschluss vom 1. August 1997 - 10 A 6445/95 -.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO, §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
Die mit der Stilllegungsanordnung verbundene - unselbständige - Zwangsmittelandrohung
läßt der Senat in ständiger Handhabung bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.