Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.01.2006
OVG NRW: slv, nichtbeförderung, abklärung, auskunft, ernennung, ausbildung, wehrpflichtiger, amt, kritik, rechtsschutz
Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 297/04
Datum:
10.01.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 A 297/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 27 K 10764/00
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf die
Wertstufe bis zu 13.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Der Antrag ist allerdings zulässig. Entgegen den von der Beklagten insoweit geäußerten
Zweifeln wird die Antragsbegründung dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4
Satz 4 VwGO noch gerecht. Insbesondere fehlt es nicht daran, dass ein
Zulassungsgrund schon gar nicht benannt worden wäre; solches ist vielmehr auf Seite 7
der Zulassungsbegründung - am Ende des Vorbringens - mit dem Hinweis auf den
Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geschehen.
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Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Der vom Kläger allein geltend gemachte
Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des
Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt - auf der Grundlage
des insoweit maßgeblichen Antragsvorbringens - nicht vor.
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Ernstliche Zweifel in dem vorgenannten Sinne bestehen nur dann, wenn - ohne dass
dabei der Erfolg des Rechtsmittels notwendigerweise wahrscheinlicher sein müsste als
ein Misserfolg - zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen
Entscheidung oder eine dort getroffene Tatsachenfeststellung mit schlüssigen
Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Daran fehlt es hier.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers im Wesentlichen aus folgenden
Gründen abgewiesen: Der Klageantrag zu 1. - gerichtet auf eine laufbahnrechtliche
Betrachtung, als wenn der Kläger zwei Jahre früher zum Stabsunteroffizier befördert
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worden wäre - entbehre schon einer das Rechtsschutzziel tragenden
Anspruchsgrundlage. Namentlich komme hierfür der Folgenbeseitigungsanspruch nicht
in Betracht. Der Klageantrag zu 2. - gerichtet auf einen finanziellen Ausgleich in der
Form, den Kläger so zu stellen, als wenn er zum 1. Juli 1993 zum Stabsunteroffizier
befördert worden wäre - sei ebenfalls unbegründet. Einen Schadensersatzanspruch
zum Ausgleich der infolge einer verspäteten Beförderung eines Beamten oder Soldaten
eingetretenen finanziellen Nachteile sehe das Recht zwar vor; dessen Voraussetzungen
seien im Fall des Klägers aber nicht erfüllt. Ein solcher Anspruch sei hier nämlich
jedenfalls in Anwendung des Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
Der Kläger habe nicht zeitnah „Primärrechtsschutz" in Anspruch genommen, obwohl
ihm dies möglich und zumutbar gewesen sei. Dieser Primärrechtsschutz schließe auch
einen Antrag an den Dienstherrn auf (Nach-)Beförderung ein. Der Kläger könne sich in
diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg auf eine seinerzeit fehlende Kenntnis der
einschlägigen laufbahnrechtlichen Vorschriften berufen. Im Zeitpunkt seiner
Beförderung zum Gefreiten (als frühestmöglichem Zeitpunkt der streitigen
Nachbeförderung) habe sich der Kläger bereits zum Soldaten auf Zeit verpflichtet
gehabt. Wenig später sei er dann zudem als 1. Personalverwalter tätig gewesen.
Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass er auch schon damals mit den hier
maßgeblichen laufbahnrechtlichen Fragestellungen wie namentlich der Möglichkeit der
Nachbeförderung befasst gewesen sei. Schließlich sei eine etwaige fehlende
Erfolgsaussicht des unterlassenen Rechtsmittels kein hinreichender Grund, um den
Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB auszuschließen, es sei denn
- woran es hier aber fehle - ein Antrag auf (Nach-)Beförderung wäre von vornherein
offensichtlich aussichtslos gewesen.
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Die Angriffe gegen dieses Urteil, welche die Antragsbegründung enthält, stellen die
Richtigkeit dieser Entscheidung weder im Ganzen noch betreffend einzelne
Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen schlüssig in Frage:
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Dies gilt zunächst betreffend den Klageantrag zu 1. Das Verwaltungsgericht hat die
allgemeinen Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruchs ausgehend von der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend erfasst, auf den Fall
angewendet und im Ergebnis verneint. Abgesehen davon, dass schon nicht ganz klar
ist, was der Kläger mit dem in Rede stehenden Antrag laufbahn- bzw. statusrechtlich -
für die Zukunft - noch konkret erreichen will, verkennt das Zulassungsvorbringen in
diesem Zusammenhang, dass hier kein „Eingriff" in einen damals schon erreichten
Rechtsstand (Status) in Rede steht, sondern lediglich das ggf. rechtswidrig gewesene
Unterlassen des Dienstherrn, eine gesetzlich im Ermessenswege („kann") vorgesehene
Statusänderung - nämlich die sog. Nachbeförderung nach § 14 Abs. 5 der
Soldatenlaufbahnverordnung (SLV) in der seinerzeit geltenden Fassung - zeitgerecht
herbeizuführen. Es hat somit im Zeitpunkt des ggf. rechtswidrigen Verhaltens der
Beklagten an einer schon vorhandenen (und nicht erst zu begründenden) subjektiven
Rechtsposition des Klägers gefehlt, die dem entspricht, was der Kläger nunmehr im
Wege der Folgenbeseitigung als Wiederherstellung des „status quo ante" im Rahmen
seines Klageantrags zu 1. begehrt. Mit der Beseitigung von „Vollzugsfolgen" hat das
Ganze im Übrigen ebenfalls nichts zu tun. Soweit sich der Kläger schließlich ergänzend
darauf stützt, unabhängig von einem Folgenbeseitigungsanspruch und seinen (ggf.
engeren) Voraussetzungen müsse in Fällen der vorliegenden Art jedenfalls ein
„Korrekturanspruch" bzw. ein „Laufbahnentwicklungsanspruch" anerkannt werden,
vermag dies seinem Rechtsschutzziel ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen.
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Vermutlich wird in diesem Zusammenhang die als Beleg angeführte Rechtsprechung,
OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 1996 - 1 A 852/84 -, RiA 1988, 162, sowie OVG für die
Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. September 1972 - II OVG
A 26/70 -, VerwRspr 24, 784,
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missverstanden. Dort wird nämlich nur zum Ausdruck gebracht, dass sich der
Schadensersatzanspruch wegen Nichtbeförderung oder verspäteter Beförderung je
nach Lage des Falles nicht notwendig auf rein besoldungsrechtliche Aspekte
beschränkt, sondern ggf. auch versorgungsrechtliche Aspekte sowie das allgemeine
Dienstalter mit umfassen kann. Einem erfolgreichen Schadensersatzanspruch steht hier
aber
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- wie das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Klageantrag zu 2. klar zum
Ausdruck gebracht hat - der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB umfassend und
somit auch betreffend das vom Kläger so bezeichnete Rechtsschutzziel einer
„laufbahnrechtlichen Gleichstellung" entgegen.
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Betreffend den Klageantrag zu 2. stellt das Zulassungsvorbringen nicht die der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des beschließenden Senats zu
entnehmenden Grundsätze in Frage, dass der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB
auch im Rahmen von Schadensersatzansprüchen wegen Nichtbeförderung oder
verspäteter Beförderung von Beamten oder Soldaten Geltung beansprucht und dass zu
den „Rechtsmitteln" im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB in diesem Zusammenhang
jedenfalls im Grundsatz auch der Antrag an den Dienstherrn gehört, (zum
nächstmöglichen Zeitpunkt) befördert bzw. nachbefördert zu werden.
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Vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 18. April 2002
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- 2 C 19.01 -, DÖV 2002, 865 = ZBR 2003, 137 = DÖD 2002, 250 = NVwZ-RR 2002,
620; OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2003 - 1 A 3128/00 -, IÖD 2004, 17 sowie Juris, und
Beschluss vom 19. Juli 2005
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- 1 A 456/04 -.
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Der Kläger verweist allerdings darauf, die Inanspruchnahme von sog.
„Primärrechtsschutz" sei ihm hier nicht möglich, die fehlende Inanspruchnahme
jedenfalls nicht vorzuwerfen gewesen. In diesem Zusammenhang vertieft er zum einen
sein erstinstanzliches Vorbringen zu seinem zu der fraglichen Zeit (nach der Ernennung
zum Gefreiten) nicht ausreichenden Kenntnisstand in den betreffenden
personalrechtlichen Fragen. Jedenfalls bei diesem geringen Kenntnisstand seien die
Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts zu seinen - des Klägers - Möglichkeiten,
eine Nachbeförderung zu beantragen, „praxisfremd". Zum anderen bekräftigt der Kläger
den Gesichtspunkt, ein etwa gestellter Beförderungsantrag wäre mit Blick auf eine nach
Auskunft der Personalabteilung seinerzeit fehlende Planstelle ohnehin aussichtslos
gewesen. Schließlich meint er noch, das Verwaltungsgericht habe jedenfalls sein
Antragsschreiben vom 19. Januar 2000 als „Rechtsmittel" im Sinne des
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§ 839 Abs. 3 BGB auffassen müssen. Mit alledem vermag er indes nicht
durchzudringen; der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es zur näheren
Abklärung nicht.
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Mit Blick auf den von der Beklagten in der Antragserwiderung zu Recht betonten
Umstand, dass es der Kläger bis zu seinem Antrag vom 19. Januar 2000 über viele
Jahre hinweg schlicht versäumt hat, in dem hier fraglichen Zusammenhang seine
eigenen laufbahnrechtlichen Interessen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren
wahrzunehmen - wozu bei unterstellt zunächst fehlenden laufbahnrechtlichen (Detail-
)Kenntnissen auch die Einholung von Informationen beim Dienstherrn jedenfalls zu
wesentlichen Fragestellungen wie z. B. (Nach-) Beförderungsmöglichkeiten gehört hätte
-, käme es auch in einem etwaigen Berufungsverfahren aller Voraussicht nach nicht
darauf an, beispielsweise noch weiter zu klären, was exakt Gegenstand der Ausbildung
des Klägers zum Personalverwalter gewesen ist. Darüber hinaus ist die (Grund-
)Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich ein Wehrpflichtiger - wie ehemals der
Kläger -, der sich nach kurzer Zeit dazu entschlossen hat, Zeitsoldat zu werden, in aller
Regel jedenfalls in einem gewissen Umfang Einblick auch in die für ihn wesentlichen
laufbahnrechtlichen Fragestellungen verschafft und dabei insbesondere auch (aktuelle
und künftige) Beförderungsmöglichkeiten mit in den Blick nimmt, nicht praxisfremd,
sondern durchaus lebensnah. Gerade auch im Fall des Klägers ist dieser Gedanke
einschlägig. Beispielsweise hat sich der Kläger im Mai 1993 um die Zulassung zur
Laufbahngruppe der Unteroffiziere beworben.
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Auch davon, dass ein schon 1993 bzw. 1994 gestellter Antrag des Klägers auf
Nachbeförderung nach § 14 Abs. 5 SLV offensichtlich bzw. von vornherein (am Ende)
erfolglos geblieben - und ihm die Antragstellung deshalb gar nicht erst zuzumuten
gewesen - wäre, kann hier ersichtlich nicht ausgegangen werden. Der Kläger hätte
nämlich bei Ablehnung des Antrags auf Nachbeförderung durch die Beklagte schon
damals um gerichtlichen (Primär-)Rechtsschutz nachsuchen und in jenem Verfahren
(ggf. nach betreffender weiterer Recherche) die Auffassung der Beklagten, es habe
angeblich keine freie Planstelle gegeben, mit den gleichen Argumenten angreifen
können, mit denen er es nunmehr im Rahmen des Schadensersatzprozesses tut.
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Schließlich führt auch der Hinweis auf den Antrag vom 19. Januar 2000 im
Zusammenhang mit der Anwendung des Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB hier
nicht weiter. Es geht nämlich darum, ob der Kläger durch die zeitnahe Inanspruchnahme
von Primärrechtsschutz den erlittenen Nachteil - hier die „verspätete" Nachbeförderung
zum Stabsunteroffizier erst zum 3. Januar 1995 (statt schon im Jahre 1993) - ggf. hätte
vermeiden können. Dass ein Antrag erst aus dem Jahre 2000 hierfür keine Bedeutung
haben kann, liegt auf der Hand. Das gilt auch bei Mitberücksichtigung des
vorgetragenen Umstandes, dass sich auch die nachfolgenden Beförderungen des
Klägers sämtlich um zwei Jahre verzögert hätten. Denn dies ist lediglich eine
ausgehend von der bestehenden Rechtslage (betreffend Mindestdienstzeiten in den zu
durchlaufenden Dienstgraden) zwangsläufige Folge der „verspäteten" Nachbeförderung
zum Stabsunteroffizier gewesen; eigenständige, weitere Rechtsfehler mit Blick auf diese
nachfolgenden Beförderungen hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 13 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Buchstabe a), § 14 Abs. 1 und 3, § 15 GKG in der
hier noch anwendbaren bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (§ 72 Nr. 1 GKG n.
F.). Auch in der Fallgruppe des Schadensersatzes wegen verspäteter Beförderung ist
dabei - unbeschadet der Kritik des Klägers - die Orientierung an dem Endgrundgehalt
desjenigen Amtes, das der Kläger ursprünglich erstrebt hat (auch wenn er dieses oder
sogar ein höheres Amt inzwischen innehat), allein zum Zwecke der Streitwertermittlung
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nicht zu beanstanden, sondern entspricht zumindest für den Regelfall der üblichen
Praxis. Gründe, hiervon im Falle des Klägers abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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