Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.10.1999

OVG NRW: anspruch auf rechtliches gehör, stadt, zusage, bankbürgschaft, abtretung, konkurs, vergünstigung, gemeinde, bebauungsplan, rüge

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 3 B 322/99
12.10.1999
Oberverwaltungsgericht NRW
3. Senat
Beschluss
3 B 322/99
Verwaltungsgericht Köln, 17 L 3137/98
Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 25.270,57 DM
festgesetzt.
r ü n d e :
Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf Zulassung der Beschwerde überhaupt den
Darlegungsanforderungen genügt (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO), da er zwar eingangs die
Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO (ernstliche Zweifel,
Verfahrensfehler) anführt, dann aber unter Mischung von Angaben zum Sachverhalt und
Rechtsausführungen und ohne Zuordnung zu einem der genannten Zulassungsgründe -
auch die Gliederung der Antragsschrift unter römischen Ziffern (I. bis III.) enthält eine solche
Strukturierung nicht - sich allgemein in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen
Rechtsmittels gegen die erstinstanzliche Entscheidung wendet.
Vgl. hierzu etwa OVG NRW, Beschluß vom 25. März 1999 - 6 A 2208/98 - m.w.N. (zur
Veröffentlichung bestimmt).
Der Antrag hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der gescheiterte (nicht vollständig erfüllte)
Erschließungsvertrag vom 31. Juli 1991 zwischen der Stadt und der Fa. & GmbH & Co
Wohnbau KG (nachfolgend: Fa. ) bzw. der nach dem Konkurs der Fa. an deren Stelle in
den Vertrag eingetretenen Bauherrengemeinschaft - (nachfolgend: BHG) stehe einer
Heranziehung der Antragstellerin zu Vorausleistungen auf einen Erschließungsbeitrag für
die endgültige Herstellung der straße (von der straße bis Haus Nr. 42) nicht entgegen. Das
Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluß im einzelnen ausgeführt, daß die
Antragstellerin aus den dort abgehandelten Vertragsbestimmungen betreffend die
Erschließung des Baugebiets - zwischen der Stadt und der Fa. (bzw. der BHG) sowie aus
dem Rechtsverhältnis zwischen der Stadt und der Fa. WVS - und GmbH (nachfolgend:
WVS) als Voreigentümerin der streitbefangenen Grundstücke keine Beitragsfreiheit
herleiten könne. Auch die Einwände der Antragstellerin gegen die Höhe der geforderten
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Vorausleistung seien unbegründet; insbesondere stehe ihr keine
Eckgrundstücksvergünstigung zu.
1. Das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen ergibt keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Es unterliegt zunächst keinen ernstlichen Zweifeln, daß der oben näher bezeichnete
Erschließungsvertrag für die straße die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vorsieht.
Angesichts der in § 10 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Erschließungsvertrages vorgesehenen
Verrechnung von für die straße zu erhebenden Erschließungsbeiträgen erscheint
eindeutig, daß mit den in § 9 des Vertrages erwähnten "Planstraßen A und B", die
erschließungsbeitragsfrei sein sollten, nicht die straße gemeint sein kann. Dies will
offenbar auch die Antragstellerin mit dem Zulassungsantrag nicht mehr in Frage stellen.
Allein der Umstand, daß die straße Gegenstand einzelner Regelungen des Er-
schließungsvertrages war, wie die Antragstellerin weiter geltend macht, ist unerheblich;
daraus kann die Antragstellerin ebensowenig eine Beitragsfreiheit für ihre Grundstücke
herleiten wie aus dem Einwand, sie sei keine sog. Fremdanliegerin, als welche das
Verwaltungsgericht sie aber behandelt habe. Entscheidend ist, daß der
Erschließungsvertrag vom 31. Juli 1991, in den die BHG aufgrund des Vertrages vom 1.
Februar 1993 anstelle der in Konkurs gefallenen Bauträgerin eingetreten ist, auch von der
BHG nicht (vollständig) erfüllt, die Erschließungsmaßnahme vielmehr von der Stadt zu
Ende geführt worden ist und der Stadt dadurch beitragsfähiger Aufwand entstanden ist, den
sie angesichts gesetzlicher Beitragserhebungspflicht (§ 127, § 135 BauGB) auf die
Eigentümer der erschlossenen Grundstücke verteilen muß - und zwar unabhängig davon,
ob die Grundstücke (unmittelbar) vom Er- schließungsunternehmer erworben wurden oder
nicht.
Vgl. hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999, § 6 Rdnr. 53 ff.
Ob - wie die Antragstellerin weiter geltend macht - die Stadt den
Erschließungsunternehmer ohne rechtfertigenden Grund aus seinen Vertragspflichten (hier:
auf Durchführung der Straßenausbaumaßnahmen) entlassen hat und ob es ihr möglich
gewesen wäre, die jetzt von den Anliegern durch Erschließungsbeiträge eingeforderten
Kosten durch Inanspruchnahme des Erschließungsunternehmers bzw. einer von ihm
beigebrachten Bankbürgschaft "anderweitig" i.S.v. § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu decken,
vgl. zu diesem Ansatz Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 44,
kann im vorliegenden Beschwerdezulassungsverfahren nicht geklärt werden. Nach
derzeitigem Erkenntnisstand kann hiervon jedenfalls nicht ausgegangen werden, nachdem
die Antragstellerin auch im Zulassungsverfahren hierzu - außer Mutmaßungen und vagen
Erinnerungen ihres früheren Mitgeschäftsführers zu einer angeblichen (in § 12 des
Erschließungsvertrages vorgesehenen) aufwandsdeckenden Bankbürgschaft zugunsten
der Fa. , deren Existenz vom Antragsgegner bestritten wird und für die auch die
Verwaltungsvorgänge keinen Anhaltspunkt ergeben - nichts vorgetragen hat. Daß eine
Bankbürgschaft zugunsten der BHG gestellt worden wäre, behauptet auch die
Antragstellerin nicht. Die Umlagefähigkeit des Erschließungsaufwandes könnte nur dann in
Zweifel gezogen werden, wenn hinsichtlich der straße ein "echter" (vollständig
abgewickelter) Erschließungsvertrag geschlossen worden wäre, bei dem der
Erschließungsunternehmer den Straßenausbau auf eigene Kosten durchführt und
deswegen bei- tragsfähiger Erschließungsaufwand bei der Stadt nach Übernahme der
Straße(n) nicht anfällt. Dies ist gerade nicht der Fall. Der vorliegende Vertrag beinhaltet
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vielmehr nur eine Vorfinanzie- rungsabrede,
die das BVerwG allerdings ebenfalls als "Erschließungsvertrag" bezeichnet, vgl. hierzu
BVerwG, Urteil vom 22. März 1996 - 8 C 17.94 -, BVerwGE 101, 12 (23) = NVwZ 1996, 794,
und (als Vorinstanz) das Urteil des Senats vom 25. Januar 1994 - 3 A 1721/89 -, OVG NRW
RSE, § 123 BBauG/ § 124 BauGB Erschließungsvertrag; Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 10
(m.w.N.),
die die Last der Vorfinanzierung des Straßenbaus dem Erschließungsunternehmer anstelle
der Stadt zuweist, aber nichts daran ändert, daß letztlich auf Seiten der Stadt
Erschließungsaufwand entsteht, der nachträglich durch Beitragserhebung refinanziert
werden muß. Für die weitere Rechtsbehauptung, daß eine gesonderte Abrech- nung der
straße "aufgrund des Erschließungsvertrages unzulässig" sein soll, bleibt der
Zulassungsantrag eine dem Darlegungserfordernis genügende Begründung schuldig.
b) Ebenfalls nicht ernsthaft zweifelhaft ist, daß die Antragstellerin auch aus dem an die
WVS gerichteten Schreiben des Antragsgegners vom 26. April 1993 keine Zusage einer
Beitragsfreiheit für sich herleiten kann. Denn die dortige Erklärung steht unter dem
Vorbehalt, daß der Erschließungsvertrag erfüllt werde; an dieser Voraussetzung fehlt es
aber. Auf weitere - vom Verwaltungsgericht angesprochene - Zweifelsfragen betreffend
dieses Schreiben (formelle Anforderungen an eine Zusicherung i.S.v. § 38 VwVfG;
Abtretung der Rechte aus dem Schreiben an die Antragstellerin; Zulässigkeit eines
Beitragsverzichts) kommt es daher nicht an.
c) Sollten - wie die Antragstellerin weiter geltend macht - in dem Kaufpreis, den sie in der
Erwartung einer Erfüllung des Erschließungsvertrages beim Erwerb der Grundstücke an
die WVS gezahlt hat, auch die Kosten für die Erschließung der Grundstücke enthalten
(mitabgegolten) sein, so läge es im Risikobereich der Antragstellerin, wenn sich diese
Erwartung nicht erfüllt hat und sie sich hiergegen vertraglich nicht hinreichend gesichert
haben sollte. Gegenüber der öffentlich- rechtlichen Erschließungsbeitragspflicht für die von
der Gemeinde fertiggestellte (zu Ende geführte) Erschließungsmaßnahme ist dies
jedenfalls unerheblich.
Vgl. Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 55.
d) Hinsichtlich der Höhe der geforderten Vorausleistungen ist dem Zulassungsantrag
ebenfalls nichts zu entnehmen, was ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung
des Verwaltungsgerichts begründen könnte: Was die Frage einer Vergünstigung wegen
Mehrfacherschließung (Eckgrundstücksvergünstigung) betrifft, hat das Verwaltungsge-
richts ausgeführt, daß derzeit völlig ungewiß sei, ob der im maßgeblichen Bebauungsplan
projektierte, zwischen den Grundstücken der Antragstellerin verlaufende Weg überhaupt
hergestellt werde und ob er einmal eine beitragsfähige Erschließungsanlage sein werde;
dem setzt der Zulassungsantrag außer dem Hinweis, daß "im Falle einer späteren
Bebauung wegen der Grundstückstiefe" nur Letzteres anzunehmen sei, nichts
Substantiiertes entgegen, was die Annahme des Verwaltungsgerichts und die Richtigkeit
der für die Vorausleistungserhebung maßgeblichen seinerzeitigen Prognose erschüttert.
Auf den weiteren Einwand der Antragstellerin, ebenso wie den anderen Anliegern stünden
auch ihr "Gutschriften" bzw. "Verrechnungen" gemäß § 10 des Erschließungsvertrages zu,
hat der Antragsgegner in seiner Erwiderung zum Zulassungsantrag vom 18. März 1999
dargelegt, daß und warum sie solche nicht beanspruchen kann. Das Zulassungsvorbringen
ist nicht geeignet, dies ernstlich in Zweifel zu ziehen. Soweit die Antragstellerin schließlich
einzelne Positionen des geltend gemachten Aufwands beanstandet, fehlt es - zumal ange-
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sichts der Erläuterungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 16. Februar 1999 im
zugehörigen Klageverfahren 17 K 9366/98 VG Köln, aber auch unabhängig davon -
ebenfalls an hinreichend substantiiertem Vortrag.
2. Die Beschwerde ist auch nicht wegen eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels
zuzulassen (§ 146 Abs. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Soweit der Zulassungsantrag dem
Verwaltungsgericht Mängel der Sachverhaltsfeststellung und (sinngemäß) einen Verstoß
gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) vorwirft, genügt das
Zulassungsvorbringen bereits nicht den diesbezüglich zu stellenden
Darlegungsanforderungen (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO).
Vgl. hierzu (zusammenfassend) BVerwG, Beschluß vom 19. August 1997 - 7 B 261/97 -,
NJW 1997, 3328 (zu § 133 Abs. 3 VwGO).
So fehlt es etwa - neben Anderem - an substantiiertem Vortrag, daß bereits erstinstanzlich
auf eine Sachverhaltsaufklärung zu konkret bezeichneten Tatsachen hingewirkt worden
wäre oder daß sich die von der Antragstellerin vermißten weitergehenden Ermittlungen
dem Gericht - zumal im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - hätten
aufdrängen müssen und welche Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen
Sach- verhaltsaufklärung voraussichtlich hätten getroffen werden können. Ebenfalls
unsubstantiiert ist die Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich auch nicht ansatzweise mit
der Höhe der Beitragsfor- derung auseinandergesetzt. Soweit damit zugleich (sinngemäß)
ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2
VwGO) gerügt sein sollte, wäre auch dieser nicht hinreichend dargelegt. Im übrigen geht
das Zulas- sungsvorbringen an der tragenden Begründung des Verwaltungsge- richts
vorbei, daß für eine Überschreitung des im Wege der Schätzung prognostizierten
endgültigen Beitrags durch die jetzt geforderte Vorausleistung nichts erkennbar bzw. nichts
Substantiiertes vorgetragen sei. Soweit die Antragstellerin schließlich rügt, das
Verwaltungsgericht hätte einen rechtlichen Hinweis geben müssen, daß die von ihr
behauptete Abtretung bestimmter Ansprüche und Rechte durch die WVS glaubhaft
gemacht werden müsse und daß das Schreiben der Stadt Leverkusen vom 24. März 1993
mit der angeblichen "Zusage" einer Erschließungsbeitragsfreiheit nicht bei den
Gerichtsakten vorliege, gehen diese Beanstandungen schon deshalb ins Leere, weil die
angefochtene Entscheidung auf den behaupteten Verfahrensmängeln nicht beruht i.S.v. §
124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Denn das Verwaltungsgericht führt zum erstgenannten Punkt aus,
daß es auf die behauptete Abtretung nicht ankomme, und zum zweitgenannten Punkt, daß
die vermeintliche "Zusage" unter dem Vorbehalt stehe, daß der Erschließungsvertrag erfüllt
werde, was gerade nicht der Fall sei.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf
den §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 3, 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).