Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.03.2004

OVG NRW: mehrarbeit, genehmigung, recht der europäischen union, treu und glauben, bereitschaftsdienst, vergütung, innerdienstliche weisung, historische auslegung, europäisches recht

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 2426/02
Datum:
17.03.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 2426/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 4 K 2279/00
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger, der als Oberbrandmeister (Besoldungsgruppe A 8) im Dienste der beklagten
Stadt steht, begehrt vorrangig die Zahlung von Mehrarbeitsvergütung für
Arbeitsleistungen, die er im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 5. Juli 1999 erbracht
hat und die er als sog. Mehrarbeit einstuft. Während des genannten Zeitraums wurde er
in der Leitstelle der Feuerwehr H. als Disponent eingesetzt. Diese Leitstelle hatte zum 1.
Januar 1995 die Aufgaben der Leitstelle für den gesamten Kreis H. übernommen. Der
Dienst in der Leitstelle war (nach Abgabe eines entsprechenden einhelligen Votums der
Mitarbeiter anlässlich einer Dienstbesprechung am 11. Oktober 1994) im fraglichen
Zeitraum - wie schon zuvor - wie folgt organisiert: Multifunktionell einsetzbare Mitarbeiter
aus allen Wachabteilungen wurden unter Rückgriff auf den für die gesamte
Wachabteilung geltenden Dienstplan - einen Leitstellendienstplan gab es nicht - und in
Anwendung eines Rotationssystems als Leitstellendisponenten der Leitstelle
zugeordnet. Jeder Disponent musste innerhalb von drei Wochen sieben Schichten
leisten, die jeweils um 8.00 Uhr morgens begannen und 24 Stunden dauerten. Der
Wechsel zwischen dem dreiwöchigen Leitstellendienst und dem Einsatzdienst
(Brandschutz- und Rettungsdienst) erfolgte dabei grundsätzlich alle drei Wochen.
Streitig ist zwischen den Parteien, zu welchen Tages- bzw. Nachtzeiten während einer
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Schicht (abhängig von der typischen Geschäftslage) jeweils wie viele der drei
Disponenten gleichzeitig Arbeit verrichten mussten.
Am 1. Juli 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten im Hinblick auf seine Tätigkeit
in der Kreisleitstelle Mehrarbeitsvergütung für die von ihm seit dem 1. Januar 1995 über
die regelmäßige Arbeitszeit der Feuerwehrbeamten hinausgehend geleistete und noch
zu leistende Arbeitszeit. Zur Begründung führte er unter Berufung auf das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts Münster vom 8. Juni 1995 - 12 A 2546/93 - aus: Die von ihm zu
erbringende Arbeitsleistung ergebe sich aus der AZVOFeu, da er als Beamter des
feuerwehrtechnischen Dienstes Dienst in (Wechsel-)Schichten verrichte. Er habe
Mehrarbeit geleistet, weil er innerhalb der nach der AZVOFeu zulässigen
Gesamtarbeitszeit von wöchentlich durchschnittlich 54 Stunden mehr Arbeitsdienst als
zulässig (mehr als durchschnittlich 20 bzw. - vom 1. Januar 1999 an - 23 Stunden
wöchentlich) geleistet habe. Zulässige Zeit des Arbeitsdienstes pro Schicht seien (bis
zum 31. Dezember 1998) 8,57 Stunden (3 x 20:7). Da in der Leitstelle wenigstens zwei
Leitstellentische ununterbrochen besetzt seien müssten, bedeute dies für jeden der drei
Disponenten von vornherein mindestens 16 Stunden Arbeitsdienst und damit eine
Überschreitung der zulässigen Stundenzahl um 7,43 Stunden pro Schicht. Mit Blick auf
die zusätzlich zu leistende Betreuung des EDV-Systems und auch weitere Belastungen
seien noch einmal mindestens 1,5 Stunden pro Schicht an Mehrarbeit aufzuschlagen,
so dass sich eine Mehrarbeit pro Schicht von 8,93 Stunden und angesichts in seinem
Falle bis zum 1. Juni 1999 in Rede stehender 181 Schichten eine Mehrarbeit von
insgesamt 1.616,33 Stunden ergebe. Diese Mehrarbeit sei durch Aufstellung des
jeweiligen Schichtplans durch den Schichtführer und Kenntnisnahme des Plans durch
den Amtsleiter angeordnet worden. Außerdem sei die Dienstzeitregelung bereits
Gegenstand einer Dienstbesprechung im Jahre 1994 gewesen. Schon 1996 hätten die
Mitarbeiter erfolglos die Vergütung der in der Leitstelle anfallenden Mehrarbeitsstunden
beantragt. Schließlich scheide eine Dienstbefreiung wegen der angespannten
Personallage aus.
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Mit Bescheid vom 13. September 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers
unter Berufung auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 5. August 1998
- 12 A 3011/95 - mit der Begründung ab, Mehrarbeit sei für den Kläger im fraglichen
Zeitraum zu keiner Zeit angeordnet oder genehmigt worden. Die Anordnung oder
Genehmigung von Mehrarbeit stelle einen von der bloßen Anordnung von Arbeit zu
unterscheidenden Verwaltungsakt des Dienstherrn dar, der sich auf zeitlich abgegrenzte
Mehrarbeitstatbestände beziehen müsse. Für den zurückliegenden Zeitraum könne
ohnehin keine sachgerechte Entscheidung mehr getroffen werden; insoweit wäre auch
die damalige Unmöglichkeit eines Ausgleichs in den Schichten im Einsatzdienst
darzulegen. Zudem werde eine pauschale Unterstellung der zu fordernden Arbeitszeit
innerhalb jeder Schicht den Vorgaben der MVergV nicht gerecht.
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Hiergegen erhob der Kläger am 30. September 1999 Widerspruch, zu dessen
Begründung er ausführte: Die Leitstelle sei nicht ständig mit drei Mitarbeitern besetzt,
die gleichmäßig in vollem Umfang Dienst versähen; ein Mitarbeiter sei vielmehr
"Springer". Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts Münster sei auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres
anwendbar, zumal hier eine Kreisleitstelle mit einer fünfmal größeren Zahl von
Einsätzen in Rede stehe. Außerdem liege zumindest mit den das Schichtdienstmodell
ausfüllenden Dienstplänen eine von dem Willen des Dienstherrn getragene Anordnung
bzw. Genehmigung von Mehrarbeit vor. Denn der Dienstherr habe den Anfall von
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Mehrarbeit bewusst und gewollt in Kauf genommen. Dem Protokoll der
Dienstbesprechung vom 11. Oktober 1994 lasse sich der Hinweis des Amtsleiters
entnehmen, dass es einen Ausgleich für die nach den 24-Stunden- Schichtdienst-
Modell anders als nach dem Tarifrecht geleisteten Stunden nicht geben könne. Die
Mitarbeiter hätten hierzu auch nicht ihr Einverständnis erklärt, sondern hätten 1996
Vergütung der in der Leitstelle anfallenden Mehrarbeitsstunden und Aufstockung des
Leitstellenpersonals verlangt. Ein Ausgleich der Mehrarbeitsstunden in den übrigen
Dienststunden sei angesichts der angespannten Personallage und der daraus
resultierenden Schwierigkeit, Überstunden auszugleichen und Urlaube zu gewähren,
nicht möglich gewesen. Zugleich machte der Kläger weitere Mehrarbeitsstunden
geltend (Schichten vom 18. Juni bis 5. Juli 1999).
Mit Bescheid vom 30. Mai 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Die Leitstelle sei rund um die Uhr mit drei Mitarbeitern besetzt; allerdings reiche
insbesondere in den Nachtstunden und an Wochenenden die wache Aufmerksamkeit
eines Disponenten, so dass ein Mitarbeiter nur "direkten Hintergrunddienst" leisten
müsse und die unmittelbare Anwesenheit des dritten Mannes verzichtbar sei.
Mehrbelastungen an einzelnen Tagen in der Leitstelle könnten durch längere
Ruhepausen im Einsatzdienst ausgeglichen werden; diese Möglichkeit bestehe in einer
reinen Kreisleitstelle nicht. Von einer Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit
könne nicht die Rede sein. Die zitierte Aussage im Protokoll über die
Dienstbesprechung gebe nicht die Meinung der Verwaltung wieder. Diese sei bei der
Aufstockung der Leitstelle von zwei auf drei Personen (1995) davon ausgegangen, dass
insgesamt Mehrarbeit nicht anfalle. Eine generelle Genehmigung könne auch nur die
Verwaltungsleitung aussprechen. Das 1996 geäußerte Verlangen der Mitarbeiter könne
wohl kaum so verstanden werden, dass hiermit Mehrarbeitsstunden innerhalb des 24-
Stunden-Dienstes gemeint seien.
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Hiergegen hat der Kläger am 27. Juni 2000 Klage erhoben und hierbei insbesondere
den Dienstverlauf für die drei Disponenten, die durchschnittlich 16,67 Stunden Dienst in
der Leitstelle leisteten, und ihre Beanspruchung dargestellt. Dabei sei nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch Bereitschaftsdienst Arbeitszeit.
Ferner hat er vorgetragen: Eine Anordnung der systembedingten, auch den
Wochenaufzeichnungen, Schichtplänen und Wachbüchern zu entnehmenden
Mehrarbeit liege vor, da 1994 auch ein Mitarbeiter des Personalamts an der
Dienstbesprechung teilgenommen habe. Außerdem dürfte der Beklagten bekannt
gewesen sein, dass der Kreis H. , der die Kreisleitstelle bis zum 31. Dezember 1994
betrieben habe, den damaligen Disponenten Abfindungen für geleistete Überstunden
gezahlt habe. Es verbleibe dabei, dass Freizeitausgleich nicht möglich gewesen sei, da
auch ein Überstundenabbau kaum realisierbar gewesen sei. Falls eine Anordnung von
Mehrarbeit verneint werden solle, habe er zumindest einen Anspruch auf Genehmigung
der Mehrarbeit und - weiter hilfsweise - einen Anspruch auf Schadensersatz wegen
unzulässig und bewusst auferlegter Mehrbelastungen. Die Verneinung eines
Vermögensschadens wäre hier unbillig.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid vom 13. September 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 30. Mai
2000 der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine
Mehrarbeitsvergütung gemäß Antrag vom 29. Juni 1999/31. Januar 2000, berichtigt
durch den Schriftsatz vom 18. September 2001, nebst Prozesszinsen zu gewähren,
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hilfsweise, den Bescheid vom 13. September 1999 und den Widerspruchsbescheid vom
30. Mai 2000 der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger
die gemäß Antrag vom 29. Juni 1999/31. Januar 2000, berichtigt durch den Schriftsatz
vom 18. September 2001, geltend gemachte Mehrarbeitsvergütung im Wege des
Schadensersatzes nebst Prozesszinsen zu gewähren,
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weiter hilfsweise, unter Aufhebung des Bescheides vom 13. September 1999 und des
Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2000 der Beklagten festzustellen, dass der
Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 5. Juli 1999 Mehrarbeit geleistet hat,
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äußerst hilfsweise, unter Aufhebung des Bescheides vom 13. September 1999 und des
Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2000 der Beklagten festzustellen, dass die
gesamte Zeit des Bereitschaftsdienstes des Klägers in der Kreisleitstelle H. als
Arbeitszeit anzurechnen ist.
12
Die Beklagte hat beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie die aus ihrer Sicht gegebene Beanspruchung der drei
Disponenten während der Dienststunden dargestellt und ergänzend darauf
hingewiesen, dass seit 1999 ein vierter Mann im Tagdienst (8.00 Uhr bis 17.00 Uhr)
eingeteilt sei. Eine Anordnung von Mehrarbeit liege nicht mit den Dienstplänen vor.
Diese gliederten lediglich allgemein und ohne angeordnete zeitliche Beschränkung
ihrer Geltung den Tagesablauf der Feuerwehrleute im 24-Stunden-Dienst. Sie
orientierten sich - gerade auch was das Verhältnis zwischen dem Arbeits- und dem
Bereitschaftsdienst betreffe - an den gültigen arbeitszeitrechtlichen Regelungen und
wiesen deshalb selbst keine Mehrarbeitsstunden aus. Erst recht liege ein
entsprechender Wille zur Anordnung von Mehrarbeit oder auch nur eine billigende
Inkaufnahme von Mehrarbeit nicht vor. Der Mitarbeiter des Personalamtes, der 1994 an
der Dienstbesprechung teilgenommen habe, habe keinen Anlass gehabt, den
Äußerungen des Amtsleiters zu widersprechen, ein Stundenausgleich sei nicht möglich.
Diese Aussage habe sich nämlich nicht auf die beamtenrechtliche Situation, sondern
auf das Tarifrecht und dabei auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts bezogen, das
Bereitschaftsdienst in einer Leitstelle insgesamt als Arbeitszeit bewertet hätte.
Außerdem könne ihr, der Beklagten, wohl kaum unterstellt werden, die Dienstpläne
bewusst entgegen den Arbeitszeitbestimmungen der Feuerwehr geregelt zu haben. Die
Abfindungsleistungen des Kreises H. seien ihr nicht bekannt gewesen; im Übrigen sei
die Leitstelle des Kreises damals jeweils nur mit zwei Mitarbeitern besetzt gewesen.
Schließlich sei Dienstbefreiung möglich und fehle es an einem konkreten Nachweis von
Mehrarbeit, zumal nicht bereits die Anwesenheit im Leitstellenraum eine volle
Arbeitsleistung für den gesamten Zeitraum vermuten lasse, sondern die tatsächliche
Arbeitsleistung während dieser Zeit maßgeblich sei.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. März 2002 abgewiesen und hat
dazu im Wesentlichen ausgeführt: Der Hauptantrag habe keinen Erfolg, weil dem Kläger
kein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung zustehe. Zwar habe der Kläger Mehrarbeit
geleistet, da die gesamte Zeit des Dienstes in Bereitschaft in Anwendung der Richtlinien
93/104/EG bzw. 89/391/EWG des Rates vom 23. November 1993 bzw. vom 12. Juni
1989 und unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 3.
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Oktober 2000 als Arbeitszeit zu bewerten sei. Diese Mehrarbeit habe die Beklagte aber
nicht angeordnet. Sie habe das Anfallen von Mehrarbeit auch nicht billigend in Kauf
genommen, sondern sei vielmehr der Auffassung gewesen, dass nach Aufstockung des
Leitstellenpersonals pro Schicht im Normalfall keine Mehrarbeit anfalle. Die Mehrarbeit
sei auch nicht genehmigungsfähig. Europäisches Recht stehe der
Anspruchsverneinung nicht entgegen, da die genannten Richtlinien die Arbeitnehmer
nicht in finanzieller Hinsicht schützten. Das Schadensersatzbegehren habe keinen
Erfolg, weil es an einem vorherigen ausdrücklichen Antrag an den Dienstherrn fehle;
darüber hinaus liege auch ein Vermögensschaden nicht vor. Für die weiteren
Hilfsanträge sei kein Raum, weil die begehrten Feststellungen bereits bei der
rechtlichen Prüfung des Hauptantrags getroffen worden seien.
Zur Begründung der von dem Senat mit Beschluss vom 26. August 2003 zugelassenen
Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen noch vor: Zur Abgrenzung einer bloßen
Arbeit anordnenden Weisung von der Anordnung von Mehrarbeit bedürfe es mit Blick
auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Oktober 2000 und vom 9.
September 2003 neuer Kriterien. Aus den - bereits dargelegten - Gesamtumständen
folge jedenfalls hier, dass die Beklagte - unter Delegierung der Dienstplanaufstellung
auf den Amtsleiter - Mehrarbeit angeordnet habe. Bei der Prüfung, ob ein anordnender
Verwaltungsakt vorliege, müsse wohl auf die Merkmale des § 35 VwVfG und nicht auf
die Voraussetzungen abgestellt werden, die die MVergV aufstelle. Zumindest der zweite
oder dritte Hilfsantrag hätte im Falle der Abweisung der vorrangigen Anträge schon
angesichts der von dem Verwaltungsgericht gegebenen Begründung Erfolg haben und
eine Kostenquotelung herbeiführen müssen. Diese Hilfsanträge seien insbesondere
auch zulässig, da ein streitiges Rechtsverhältnis vorliege und dieses bei Abweisung der
Anträge nicht mit Rechtskraftwirkung erschöpfend dargestellt würde.
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Der Kläger beantragt,
18
das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 6. März 2002 - 4 K 2279/00 - zu ändern
und nach den im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Anträgen zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
21
Sie trägt in Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens vor, dass für die
Feststellungsanträge das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil die begehrten
Feststellungen bereits in der Entscheidung über den Verpflichtungsantrag getroffen
worden seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (ein Heft) ergänzend Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24
Die form- und fristgerecht begründete Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.
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I. Der Hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
die begehrte Mehrarbeitsvergütung und folglich auch nicht auf die geltend gemachten
Prozesszinsen. Die entgegenstehenden Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den
Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Als Rechtsgrundlage für die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung an
Feuerwehrbeamte kommen nur die Regelungen in § 78 a Abs. 2 LBG i.V.m. § 48 Abs. 1
BBesG und der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte
- MVergV - (letztere anwendbar in der zwar seither mehrfach geänderten, aber - soweit
hier von Interesse - bis heute unverändert gebliebenen Fassung vom 27. Dezember
1993, BGBl. I S. 2378) in Betracht. Nach § 78 a Abs. 1 Satz 1 LBG ist der Beamte
verpflichtet, ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit - diese findet ihre
Regelung in § 78 Abs. 1, Abs. 2 LBG - hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende
dienstliche Verhältnisse es erfordern. Wird er durch eine dienstlich angeordnete oder
genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige
Arbeitszeit hinaus beansprucht, so ist ihm innerhalb von drei Monaten für die über die
regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu
gewähren (§ 78 a Abs. 1 Satz 2 LBG). Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden
dienstlichen Gründen nicht möglich, so können an ihrer Stelle Beamte in
Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern für einen Zeitraum von längstens 40
Stunden im Monat bzw. - seit dem 1. Mai 1999 - von längstens 480 Stunden im Jahr eine
Mehrarbeitsvergütung erhalten (§ 78 a Abs. 2 Satz 1 LBG). Für die Gewährung der
Mehrarbeitsvergütung gilt nach § 78 a Abs. 2 Satz 2 LBG § 48 des
Bundesbesoldungsgesetzes. Durch § 48 Abs. 1 Satz 1 BBesG wiederum wird die
Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Gewährung einer
Mehrarbeitsvergütung für Beamte zu regeln, soweit die Mehrarbeit nicht durch
Dienstbefreiung ausgeglichen wird.
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Nach § 1 der in Ausübung dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über die
Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte dürfen Vergütungen für Mehrarbeit
nur nach Maßgabe dieser Verordnung gezahlt werden. Nach § 2 Abs. 1 MVergV kann
Beamten mit Dienstbezügen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern u. a.
im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr für Mehrarbeit eine Vergütung gewährt werden (§
2 Abs. 1 Nr. 5 MVergV). Nach Abs. 2 gilt Abs. 1 entsprechend auch in anderen
Bereichen, soweit Mehrarbeit geleistet wird im Rahmen eines Dienstes in Bereitschaft
oder eines Schichtdienstes (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2 MVergV). Nach § 3 Abs. 1 der
Verordnung wird die Vergütung nur gewährt, wenn die Mehrarbeit von einem Beamten
geleistet wurde, der der Arbeitszeitregelung für Beamte unterliegt, und sie erstens
schriftlich angeordnet oder genehmigt wurde, zweitens die sich aus der regelmäßigen
Arbeitszeit ergebende jeweilige monatliche Arbeitszeit um mehr als fünf Stunden im
Kalendermonat übersteigt und drittens aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht
durch Dienstbefreiung innerhalb von drei Monaten (bzw. - hier nicht interessierend - seit
dem 1. Juli 2002: innerhalb eines Jahres) ausgeglichen werden kann.
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1. In Anwendung dieser Vorschriften hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte
Mehrarbeitsvergütung.
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a) Allerdings sind die Voraussetzungen des § 2 MVergV erfüllt. Der Kläger erhält
Dienstbezüge aus einer Besoldungsgruppe mit aufsteigendem Gehalt.
Besoldungsgruppen mit aufsteigendem Gehalt sind solche, denen in der maßgeblichen
Bundesbesoldungsordnung in einem bestimmten zeitlichen Rhythmus ansteigende
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Grundgehaltssätze zugeordnet sind, wie dies z. B. in der Bundesbesoldungsordnung A,
nicht aber in der Bundesbesoldungsordnung B - dort ist für jede Besoldungsgruppe nur
ein Grundgehaltssatz festgelegt worden - geschehen ist.
Vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, Komm., Stand: Februar 2004, BBG § 72 Rn. 30.
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Da der Kläger als Oberbrandmeister mit der Besoldungsgruppe A 8 besoldet wird, die
zu der BBesO A gehört, erhält er Dienstbezüge aus einer Besoldungsgruppe mit
aufsteigendem Gehalt.
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Ferner verrichtete er seine Arbeit in den hier allein maßgeblichen Zeiten seines
Dienstes als sog. Disponent in der von der Beklagten betriebenen Kreisleitstelle im
Rahmen eines - im Übrigen auch ansonsten ausgeübten - Schichtdienstes (§ 2 Abs. 2
Nr. 2 MVergV).
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b) Auch die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 MVergV, nach der die Vergütung nur gewährt
wird, wenn die Mehrarbeit von einem Beamten geleistet wurde, der der
Arbeitszeitregelung für Beamte unterliegt, ist hier gegeben. Seine regelmäßige
Arbeitszeit richtete sich für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1998
nach der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen
Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes
Nordrhein-Westfalen (AZVOFeu) vom 5. Dezember 1988 (GV. NW. S. 563) und für den
Anspruchszeitraum danach (1. Januar 1999 bis 5. Juli 1999) nach der Fassung, die
diese Verordnung durch die Änderungsverordnung vom 29. September 1998 (GV. NW.
S. 589) erfahren hatte. Denn der Kläger zählte auch dann, wenn er nicht im
Einsatzdienst der Feuerwehr H. tätig war, sondern in der Kreisleitstelle eingesetzt
wurde, zu den Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes im Sinne der AZVOFeu.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. Juni 1995 - 12 A 2546/93 -, Schütz/Maiwald, BeamtR
ES/C I 1.5 Nr. 9, das unter Hinweis u. a. auf § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung über die
Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes im
Lande Nordrhein-Westfalen (LVOFeu) vom 1. Dezember 1985 (GV. NW. S. 744) -
danach dürfen Beamtinnen und Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes in den
Feuerwehren einschließlich der Leitstellen der Gemeinden und Gemeindeverbände
beschäftigt werden - eingehend ausführt, dass auch ein Beamter einer Kreisleitstelle,
deren Träger selbst keine Feuerwehr unterhält, Beamter des feuerwehrtechnischen
Dienstes ist.
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Dass der Kläger den Leitstellendienst in 24-Stunden-Schichten ohne regelmäßigen
Wechsel des Zeitpunkts des Schichtbeginns geleistet hat, steht der Anwendbarkeit der
AZVOFeu in ihrer bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung nicht entgegen, die
anders als die nachfolgende Fassung in ihrem § 1 Abs. 1 Satz 1 nicht - hier zweifellos
gegebenen - Dienst in Schichten, sondern Dienst in Wechselschichten verlangte. Denn
auch 24-Stunden-Schichten, welche, ohne sich nach Anfang und Ende gegeneinander
zu verschieben, den ganzen Tag erfassen, werden, wie insbesondere eine historische
Auslegung belegt, von dem seinerzeit in § 1 Abs. 1 Satz 1 AZVOFeu verwendeten
Begriff der "Wechselschicht" erfasst.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 1992 - 12 A 2675/88 -, RiA 1992, 209; ferner
Urteil vom 5. August 1998 - 12 A 3011/95 -, RiA 2000, 147, wo u. a. ausgeführt wird,
dass auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 22 EZulV a. F.
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(jetzt: § 20 EZulV) mit Blick auf die gegenüber dieser Vorschrift andere Zielsetzung des
§ 1 Abs. 1 AZVOFeu keine andere Betrachtung gebot.
c) Ob der Kläger ausgehend von den für ihn geltenden arbeitszeitrechtlichen
Vorschriften der AZVOFeu in dem streitgegenständlichen Zeitraum - untechnisch
gesehen - tatsächlich Mehrarbeit (i.S.v. Zuvielarbeit) geleistet hat, weil das in der
Sollvorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 AZVOFeu vorausgesetzte Verhältnis zwischen
Arbeits- und Ausbildungsdienst einerseits und Bereitschaftsdienst andererseits (20 von
54 Stunden bzw. - vom 1. Januar 1999 an - 23 von 54 Stunden) wegen tatsächlich 20
bzw. 23 Stunden überschreitender "Vollarbeitsleistung" nicht mehr gegeben war, kann
der Senat offen lassen. Das gilt in gleicher Weise für die Frage, ob der Kläger im
Anspruchszeitraum zeitlich gesehen deshalb zu viel gearbeitet hat, weil seine durch § 1
Abs. 1 Satz 1 AZVOFeu festgelegte regelmäßige Arbeitszeit einschließlich des
Dienstes in Bereitschaft (54 Stunden wöchentlich) entgegen der Festlegung der
wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 48 Wochenstunden in Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie
93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung (ABl. 1993 L 307, S. 18, im Folgenden: Richtlinie 93/104/EG), zu
hoch festgesetzt worden sein könnte. Die Richtlinie entfaltet mangels ihrer fristgerechten
Umsetzung und weil sie hinreichend bestimmt und unbedingt ist bis spätestens zum 23.
November 1996 (vgl. Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 93/104/EG) im Verhältnis des Bürgers
zum Staat - hierunter sind u. a. alle Gebietskörperschaften zu verstehen - unmittelbare
Wirkung zugunsten des Bürgers,
39
vgl. Franke, ZBR 2003, 329 ff. (329 f.). und BAG, Beschluss vom 18. Februar 2003 - 1
ABR 2/02 -, PersR 2003, 454 ff. (457 f.), m.w.N.; Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, a.a.O.,
BBG § 72 Rn. 2 a; Bermig, ZfPR 2004, 53 ff. (55).
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Ein Verstoß gegen die genannte Arbeitszeitregelung könnte hier deshalb vorliegen, weil
auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes, während deren der Arbeitnehmer in Form
persönlicher Anwesenheit in der Arbeitsstelle dem Arbeitgeber zu einem jederzeitigen
unverzüglichen dienstlichen Einsatz zur Verfügung steht, nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs als Zeiten voller Arbeitsleistung i.S.v. Art. 2 Nr. 1, Art. 6 Nr. 2
der Richtlinie 93/104/EG zu verstehen sind.
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Vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - Rs. C- 303/98 - (Simap), EuZW 2001, 53,
Beschluss vom 3. Juli 2001 - C-241/99 - (Sergas), JURIS, und Urteil vom 9. September
2003 - C-151/02 - (Jaeger), PersR 2003, 458.
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Ebenso unentschieden kann bleiben, ob die Richtlinie 93/104/EG, die ihren
Anwendungsbereich in Art. 1 Abs. 3 im Wesentlichen unter ausdrücklicher Bezugnahme
auf Art. 2 der Richtlinie 89/391/EG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung
von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der
Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABL. 1989 L 183, S. 1) definiert, auf Beschäftigte in
Leitstellen kommunaler (Berufs-)Feuerwehren überhaupt Anwendung findet.
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Vgl. einerseits BAG, Urteil vom 29. Mai 2002 - 5 AZR 370/01 -, PersV 2002, 457, das die
Richtlinie auf den Fall eines Gerätewartes und Gruppenführers bei der Feuerwehr nicht
für anwendbar hält, und VG Bremen, Urteil vom 29. April 2003 - 6 K 1470/02 - (keine
Anwendbarkeit auf den feuerwehrtechnischen Dienst) sowie andererseits VG Freiburg,
Urteil vom 25. September 2003 - 9 K 511/03 -, das die Anwendbarkeit der Richtlinie
nicht nur für Mitarbeiter im nichttechnischen Dienst bzw. in Leitstellen der Feuerwehr,
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sondern grundsätzlich auch für Feuerwehrleute im Einsatzdienst bejaht; vgl. ferner den
Vorlagebeschluss des BVerwG vom 17. Dezember 2003 - 6 P 7.03 -, Pers 2004, 106,
und JURIS.
d) Offen gelassen werden können die aufgeworfenen Fragen deshalb, weil der geltend
gemachte Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung hier bereits daran scheitert, dass die von
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 MVergV - in Übereinstimmung mit § 78 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 LBG - für
den Vergütungsanspruch als zwingend erforderlich vorausgesetzte schriftliche
Anordnung oder Genehmigung etwaiger - im folgenden zugunsten des Klägers
unterstellter - Mehrarbeit fehlt.
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Die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit ist ein Verwaltungsakt.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 1967 - VI C 79.63 -, ZBR 1967, 317; OVG NRW,
Urteil vom 5. August 1998, a.a.O.; VG München, Beschluss vom 4. September 1986 - M
12 E 86.4558 -, DÖD 1986, 279.
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Sie ist von der bloßen Anordnung von Arbeit, die durch innerdienstliche Weisung erfolgt,
zu unterscheiden. Insbesondere schlägt die nach Maßgabe nationaler Vorschriften
erfolgende Festsetzung regulärer Arbeitszeit, auch wenn sie in Dienstplänen näher
konkretisiert wird, für den Fall ihrer fehlenden Übereinstimmung mit Vorrang
beanspruchenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, d. h. für den Fall ihrer aus
diesem Grunde fehlenden Rechtmäßigkeit, nicht - gewissermaßen automatisch - im
Ausmaß ihrer Rechtswidrigkeit in eine Anordnung von Mehrarbeit um.
48
Vgl. ebenso für den Fall der Festsetzung der Arbeitszeit in fehlendem Einklang mit -
richtig verstandenem - nationalen Recht: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -,
ZBR 2003, 383 = DVBl. 2003, 1552.
49
Bei der Anordnung oder Gewährung von Mehrarbeit hat der Dienstherr vielmehr nach
geltendem nationalen Recht, das - wie darzulegen sein wird - durch vorrangige
Vorschriften des Gemeinschaftsrechts insoweit nicht modifiziert wird, eine
(einzelfallbezogene) Ermessensentscheidung zu treffen, und zwar auf der Grundlage
und unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände.
50
Vgl. BVerwG, Urteile vom 2. April 1981 - 2 C 1.81 -, ZBR 1981, 317 = DÖD 1982, 23,
und vom 28. Mai 2003, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998, a.a.O.;
Plog/Wiedow/Beck/ Lemhöfer, a.a.O., BBG § 72 Rn. 20; Schwegmann/Summer, BBesG,
Komm., Stand: November 2003, BBesG § 48 Rn. 11.
51
Vor dem Hintergrund, dass Mehrarbeit im Verhältnis zur Einhaltung der regelmäßigen
Arbeitszeit einen Ausnahmetatbestand darstellt, hat der Dienstherr bei seiner
Ermessensentscheidung zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten
Mehrarbeit überhaupt, ausnahmsweise und kurzfristig zwingend erforderlich ist und
welchem Beamten sie auferlegt werden soll. Wegen des grundsätzlichen Vorrangs des
Ausgleichs von Mehrarbeit durch Dienstbefreiung vor einem Ausgleich durch Zahlung
von Mehrarbeitsvergütung (vgl. § 78 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 LBG, § 3 Abs. 1 Nr. 3
MVergV) ist es außerdem sachgerecht und geboten, bereits bei der Anordnung oder
Genehmigung der Mehrarbeit zu prüfen, ob diese voraussichtlich durch Dienstbefreiung
innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist von drei Monaten ausgeglichen werden kann.
52
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 1981, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998,
a.a.O.
53
Dem trägt es Rechnung, wenn in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Verordnung
über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MArbVVwV) vom 6. August
1974 (GMBl. S. 386) in Nr. 1 Abs. 2 zu § 3 MVergV bestimmt ist, dass sich die
Anordnung und Genehmigung von Mehrarbeit auf konkrete zeitlich abgegrenzte
Mehrarbeitstatbestände beziehen müssen und dass allgemeine (pauschale)
Anweisungen hinsichtlich künftiger oder bereits geleisteter Mehrarbeit allein nicht
genügen (Hervorhebungen durch den Senat).
54
So schon OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998, a.a.O.
55
Davon, dass die Anordnung bzw. Genehmigung von Mehrarbeit diesen
einschränkenden Voraussetzungen unterliegt, gehen Rechtsprechung und Literatur
ganz überwiegend aus.
56
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 1981, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998,
a.a.O.; VG München, Beschluss vom 4. September 1986, a.a.O.;
Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, a.a.O., BBG § 72 Rn. 20; teilweise anders Bauschke, in:
Fürst, GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Komm., Band I, Stand: Januar
2004, BGB § 72 Rn. 85 ff., insbesondere 87, der - soweit es um "Freizeitausgleich" geht
- als Anordnung von Mehrarbeit auch eine konkludente Billigung der Mehrarbeit durch
ihre bloße Hinnahme durch den Dienstvorgesetzten genügen lassen will, was allerdings
zu einer nicht überzeugenden unterschiedlichen Auslegung des Begriffs der Anordnung
und Genehmigung abhängig von der jeweiligen Rechtsfolge führen dürfte.
57
Diese einschränkenden Voraussetzungen beanspruchen eine noch stärkere Geltung,
wenn Beamte nicht einmal pauschal zur Mehrarbeitsleistung angewiesen worden sind,
sondern ihnen bzw. ihrem jeweiligen Dienstposten nur ein - grundsätzlich innerhalb der
allgemein geltenden, also regulären Dienstzeiten zu erledigender - bestimmter
Aufgabenkatalog generell oder im Einzelfall zugewiesen worden ist.
58
Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998, a.a.O.
59
Hinzu kommt, dass eine Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit von einem
entsprechenden Willen des Dienstherrn getragen sein muss. Hieran fehlt es, wenn die
in Betracht kommende schriftliche Verfügung über die Anordnung von Arbeitszeit
keinerlei Anhaltspunkte dafür enthält, dass sich der Dienstherr dessen bewusst
(gewesen) ist, dass er von dem bzw. den angewiesenen Beamten im Einzelfall ein
Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit verlangt oder dass er solches zumindest
billigend in Kauf nimmt.
60
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 28.
Juli 1983 - 2 BA 62 + 66/80 -, DÖD 1983, 248.
61
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann eine schriftliche Anordnung oder
Genehmigung von Mehrarbeit durch die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht
festgestellt werden.
62
Als schriftliche und zugleich hinreichend konkrete Anordnung kommen vorliegend nur
63
die Dienstpläne in Betracht. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass speziell für die
Leitstelle jedenfalls bis August 1999 und damit für den gesamten Anspruchszeitraum
überhaupt keine Dienstpläne aufgestellt worden sind, um den Mitarbeitern eine
eigenverantwortliche und bedarfsgerechte Arbeits- und Ruhezeitenregelung zu
ermöglichen; die Zuordnung zur Leitstelle erfolgte stattdessen nach dem
Rotationsprinzip aus dem Dienstplan, der für die gesamte Wachabteilung galt. Folglich
kann insoweit allein auf den jeweiligen allgemeinen, für den jeweiligen Wochentag
aufgestellten Dienstplan für die Wache insgesamt abgestellt werden. Diese Dienstpläne
enthielten, wie das von der Beklagten beispielhaft vorgelegte Exemplar für den 27.
Dezember 1995 verdeutlicht, indes überhaupt keine zeitlichen Angaben und benannten
lediglich die Personen, die an dem jeweiligen Tag in der Leitstelle Dienst zu leisten
hatten. Sie enthielten deshalb auch keinesfalls eine (auf unmittelbare Rechtswirkung
nach außen gerichtete, § 35 Satz 1 VwVfG) Anordnung konkreter Mehrarbeitsstunden
oder -zeiten. Anderes ergibt sich auch nicht - mittelbar - aus der Festlegung des
personellen Umfangs der Leitstellenbesetzung in Verbindung mit der
Grundentscheidung für eine 24-Stunden- Schicht Denn ein Indiz dafür, dass die
Beklagte auch in Ansehung dessen im Anspruchszeitraum zu keiner Zeit (regelmäßige)
Mehrarbeit bewusst anordnen oder genehmigen wollte, ist die Tatsache, dass sie im
Verwaltungsverfahren davon ausging, dass auch künftig nicht zu erwarten sei, dass der
Kläger über die im Einzelfall anfallenden und dem sog. Überstundenkonto zu
entnehmenden - auszugleichenden - Überstunden hinaus weitere Mehrarbeitsstunden
zu leisten habe, und das Vorliegen von Mehrarbeit in ihrem Widerspruchsbescheid vom
30. Mai 2000 in Abrede stellte ("selbst bei Unterstellung von Mehrbelastungen an
einzelnen Tagen"). Dieser Wertung stehen auch die Äußerung des Herrn C. in der
Dienstbesprechung vom 11. Oktober 1994 und die Tatsache nicht entgegen, dass der
anwesende Leiter des Fachbereichs Verwaltungsservice dieser nicht widersprochen
hat. Soweit Herr C. nämlich im Zusammenhang mit dem 24- Stunden-
Schichtdienstmodell ausgeführt hat, dass es dabei einen Ausgleich für die nach diesem
Modell anders als nach dem Tarifrecht geleisteten Stunden nicht geben könne, hat sich
dies nach den überzeugenden Erläuterungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 6.
November 2001 auf das Urteil des BAG vom 22. März 1990 (- 6 AZR 411/88 -, JURIS)
bezogen, das den Bereitschaftsdienst für Angestellte einer Feuerwehrleitstelle
insgesamt nicht der sog. Arbeitsbereitschaft zugeordnet, sondern als volle
Arbeitsleistung gewertet hatte. Mit Blick darauf, dass sich die Rechtslage im
Beamtenrecht zu jener Zeit für die Beklagte anders darstellte, bestand kein Anlass, der
genannten Äußerung zu widersprechen.
Die Arbeitsleistung des Klägers ist für den hier in Rede stehenden Zeitraum schließlich
nicht als Mehrarbeit genehmigt worden. Die Beklagte hat eine solche Genehmigung
vielmehr ausdrücklich aus Sachgründen abgelehnt.
64
Dass dem Kläger ein Anspruch auf die nachträgliche Genehmigung der von ihm geltend
gemachten Mehrarbeitsstunden zustehen könnte, ist nicht ersichtlich. Inwieweit ein
solches Begehren noch als vom Klageanspruch mitumfasst angesehen werden kann,
mag dabei auf sich beruhen.
65
Einer nachträglichen Genehmigung steht der bereits dargelegte Charakter der
Anordnung bzw. Genehmigung als einer Ermessensentscheidung darüber entgegen, ob
ausnahmsweise aus zwingenden dienstlichen Gründen und ggf. durch wen und mit
welchen Rechtsfolgen (Dienstbefreiung/Mehrarbeitsvergütung) zukünftig Mehrarbeit
geleistet werden soll. Schon dies steht der Möglichkeit entgegen, überhaupt nicht als
66
Mehrarbeit im Rechtssinne erkannte und als solche auch nicht gewollte - sei es auch
möglicherweise zu Unrecht abverlangte - regelmäßige Arbeitsleistungen nachträglich
als Mehrarbeit einzustufen und zu genehmigen. Es besteht deswegen kein Anspruch
des Beamten auf eine - wie hier auf Jahre - zurückwirkende, einen Zahlungsanspruch
auslösende Genehmigung von Mehrarbeit, zumal der Dienstherr die in diesem
Zusammenhang zu treffende Ermessensentscheidung sachgerecht regelmäßig nur in
einem noch relativ engen zeitlichen Zusammenhang mit den Umständen treffen kann,
die die Mehrarbeit zu einem bestimmten Zeitpunkt oder während eines bestimmten
Zeitraums konkret rechtfertigen konnten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 1981, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998,
a.a.O., m.w.N.
67
Zum anderen wäre eine - wie hier von dem Kläger geltend gemachte - in einem
bestimmten Aufgabenbereich über viele Jahre hintereinander ohne Unterbrechung
angefallene, gewissermaßen ständige Mehrarbeit (im Sinne von Zuvielarbeit) gar nicht
genehmigungsfähig, weil sie nur angesetzt werden darf, wenn - wie dargelegt -
zwingende dienstliche Gründe dies erfordern und sich die Mehrarbeit (im Rechtssinne)
auf Ausnahmefälle beschränkt.
68
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998,
a.a.O., m.w.N.
69
So würde es sich aber hier verhalten, wenn man den Vortrag des Klägers als richtig
unterstellt, es sei im gesamten Anspruchszeitraum und in jeder Schicht erheblich mehr
Arbeit angefallen, als es der (zulässigen) regelmäßigen Wochenarbeitszeit entsprochen
habe. In einem solchen Falle wäre die Beklagte in erster Linie verpflichtet gewesen,
solche (ständige) Zuvielarbeit im Rahmen des Möglichen unverzüglich durch personelle
und organisatorische Maßnahmen überflüssig zu machen oder wenigstens auf das
Nötigste zu beschränken.
70
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1998, a.a.O.
71
In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass ausweislich der
Verwaltungsvorgänge gerade auch die Mitarbeiter der Kreisleitstelle deutlich ihr
Interesse bekundet hatten, im Prinzip an dem bisherigen - nach dem selbst
eingenommenen Standpunkt Zuvielarbeit verursachenden - Dienstzeitmodell des
klassischen 24-Stunden-Schichtdienstes festhalten zu wollen. Ihr mit Schreiben vom 12.
November 1996 geäußertes Begehren, Ausgleich für behauptete anfallende
Mehrarbeitsstunden zu erlangen, haben die Mitarbeiter im Übrigen offenbar nicht
weiterverfolgt.
72
2. Europäisches Gemeinschaftsrecht gebietet nicht, dem Kläger abweichend von dem
dargelegten Ergebnis - etwa im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung
des Begriffs der (schriftlichen) Anordnung oder Genehmigung - gleichwohl eine
Mehrarbeitsvergütung zuzusprechen. Denn aus einer nach der bereits zitierten
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gemeinschaftsrechtlich, nämlich durch
die Richtlinie 93/104/EG gebotenen Zuordnung des Bereitschaftsdienstes zur Vollarbeit,
die sich auf die zulässige Gesamtarbeitszeit auswirkt, folgt nicht zugleich ein Anspruch
auf erhöhte (Mehr-)Arbeitsvergütung. Die Richtlinie 93/104/EG, die wie dargelegt
ausnahmsweise unmittelbare Wirkung zugunsten des Bürgers in dessen Verhältnis zum
73
Staat - und zwar auch in seiner Funktion als Dienstherr seiner Beamten - entfaltet, trifft
nach ihrem insoweit maßgeblichen Wortlaut keinerlei Regelungen zur Vergütung der
Arbeit. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Vorgabe von Mindestruhezeiten und
angemessenen Ruhepausen und auf die Festlegung einer wöchentlichen
Höchstarbeitszeit, um - ihrem Zweck entsprechend - die Sicherheit und Gesundheit der
Arbeitnehmer in der Gemeinschaft zu gewährleisten (vgl. den Vorspruch zu der
Richtlinie, ABl. L 307, S. 18, rechte Spalte, drittletzter Absatz).
Die Richtlinie 93/104/EG könnte im Übrigen - rechtmäßig - eine vergütungsrechtliche
Regelung auch gar nicht treffen, weil sie auf der Grundlage des Art. 118 a EGV a. F.
erlassen worden ist, der den Rat zu Vergütungsregelungen nicht ermächtigt hat. Nach
Art. 118 a Abs. 2 EGV a. F. erlässt der Rat als Beitrag zur Verwirklichung des Ziels
gemäß Abs. 1 - Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt, um die Sicherheit und
die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen - Mindestvorschriften, die schrittweise
anzuwenden sind. Unabhängig davon, wie weitgehend diese Handlungsermächtigung
in sachlicher Hinsicht im einzelnen verstanden werden darf
74
- dazu Willms, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Komm. zum EU-/EG-Vertrag, Band 3, 5.
Aufl. 1999, Art. 118 a Rn. 32 bis 43 -,
75
ist jedenfalls eindeutig, dass Regelungen über das Arbeitsentgelt nicht auf der
Grundlage des Art. 118 a EGV a. F. getroffen werden können.
76
Vgl. Willms, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, a.a.O., Art. 118 a Rn. 42.
77
Auch die Nachfolgevorschrift - Art. 118 a EGV a. F. ist in Art. 137 Abs. 1 und Abs. 2 EGV
aufgegangen,
78
vgl. Langenfeld, in: Grabitz/Hilf, das Recht der Europäischen Union, Komm., Band II,
Stand: August 2003, Art. 137 EGV Rn. 10 -
79
verdeutlicht dies, indem sie in ihrem Absatz 6 ausdrücklich klarstellt, dass der Artikel
nicht für das Arbeitsentgelt gilt. Für die vergütungsrechtlichen Aspekte von Arbeitszeit
verbleibt es bei der Alleinzuständigkeit der Mitgliedsstaaten.
80
Vgl. Langenfeld, in: Grabitz/Hilf, a.a.O., Art. 137 EGV Rn. 89; Eichenhofer, in Streinz,
EUV/EGV, Komm., 2003, Art. 137 Rn. 32 f.; Franke, ZBR 2003, 329 ff. (330).
81
Dass die Richtlinie 93/104/EG der Begrenzung ihrer Ermächtigungsnorm Folge leistend
keine vergütungsrechtlichen Regelungen trifft und insbesondere keine Vorgaben für die
finanzielle Bewertung von Arbeit - auch von Arbeit, die im Bereitschaftsdienst geleistet
wird - enthält, sondern diese Bewertung den Mitgliedsstaaten bzw. den innerhalb der
Mitgliedsstaaten hierfür zuständigen Organe überlässt, ist - soweit ersichtlich - einhellige
Auffassung.
82
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. März 2003 - 2 A 10045/03 -, IÖD 2003, 176
und JURIS; BAG, Urteile vom 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 - (zu diesem Urteil vgl.
Bermig, ZfPR 2004, 53 ff. (55 mit Fn9)) und vom 29. November 2001 - 4 AZR 736/00 -,
BAGE 100, 35 = NZA 2002, 1288; Wurmnest, EuZW 2003, 511 f. (512); Bermig, ZfPR
2004, 53 ff. (53 f., 55); Franke, ZBR 2003, 329 ff. (330); vgl. ferner schon den
Schlussantrag des Generalanwalts Saggio vom 16. Dezember 1999 - Rs. C-303/98 -,
83
JURIS, wo dieser in Fußnote 19 ausgeführt hat, dass die Richtlinie (93/104/EG) in der
Tat nur die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer im Auge und die Zielsetzung
habe, deren Arbeitszeit zu begrenzen, ohne allerdings die Berechnung der Stunden für
die Entgeltzahlung an diesen Arbeitnehmer zu regeln.
Mit Blick auf den Wortlaut der Richtlinie 93/104/EG sowie auf die dargelegte
kompetenzrechtlich bedingte eingeschränkte Bedeutung dieser Richtlinie kann auch
aus der - im Wege ihrer Auslegung - von dem Europäischen Gerichtshof
vorgenommenen Gleichstellung von Bereitschaftsdienst und Vollarbeitszeit im
arbeitsschutzrechtlichen Sinne keine Gleichstellung in vergütungsrechtlicher Hinsicht
hergeleitet werden.
84
Vgl. Wurmnest, EuZW 2003, 511 f. (512); Franke, ZBR 2004, 98 f. (99).
85
In den Urteilen vom 3. Oktober 2000 und vom 9. September 2003 heißt es jeweils u. a.
(nur), dass die im Bereitschaftsdienst zugebrachte Arbeitszeit "gegebenenfalls als
Überstunden im Sinne der Richtlinie 93/104/EWG anzusehen ist".
86
EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000, a.a.O., Rn. 52, und Urteil vom 9. September 2003,
a.a.O., Rn. 52.
87
Diesen Äußerungen, die etwaige finanzielle Konsequenzen aus Mehrarbeit bewusst
ausgrenzen, kann entnommen werden, dass die vergütungsrechtliche Relevanz des
Bereitschaftsdienstes nicht durch den normativen Gestaltungswillen des
Richtliniengebers, sondern durch die Sachgesetzlichkeit des Arbeitslebens in den
Mitgliedsstaaten bestimmt sein soll.
88
So auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. März 2003, a.a.O.; dazu, dass sich das
Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 nicht mit der Frage befasst, wie
Bereitschaftsdienst zu vergüten ist, vgl. auch schon BAG, Urteile vom 29. November
2001, a.a.O. und vom 22. November 2000 - 4 AZR 224/99 - , JURIS, und Plog/Wiedow/
Beck/Lemhöfer, a.a.O., BBG § 72 Rn. 3 d.
89
Soweit in dem Urteil vom 9. September 2003 (a.a.O., Rn. 75) auch die Frage des
"Ausgleichs" (für Mehrarbeit) erwähnt wird, ist dies dort nur in ganz allgemeiner Form
geschehen, ohne dass erkennbar würde, dass insoweit gerade ein finanzieller
Ausgleich angesprochen werden sollte.
90
Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass die "Anordnung oder Genehmigung" von
Mehrarbeit eine generelle Voraussetzung für deren Vergütungsfähigkeit darstellt und
insoweit nicht etwa die Frage betroffen ist, ob Zeiten des Bereitschaftsdienstes und
sonstige Arbeitszeiten vergütungsmäßig unterschiedlich bewertet werden dürfen.
91
II. Der erste Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die Aufhebung der angefochtenen
Bescheide und die Gewährung der beantragten Mehrarbeitsvergütung im Wege des
Schadensersatzes nebst Prozesszinsen begehrt, bleibt hinsichtlich des
Anfechtungsbegehrens jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil die angefochtenen
Bescheide, die die Frage eines Schadensersatzanspruchs nicht behandeln, aus den
obigen Gründen rechtmäßig sind. Im Übrigen hat der Antrag gleichfalls keinen Erfolg.
92
Allerdings ist der als allgemeine Leistungsklage statthafte Antrag nicht schon
93
unzulässig. Zwar fehlt es an der Durchführung des nach § 126 Abs. 3 BRRG gebotenen
Vorverfahrens. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
setzt die Zulässigkeit einer auf Schadensersatz gerichteten allgemeinen Leistungsklage
aus dem Beamtenverhältnis - auch im Bereich der Besoldung - zwar keinen an den
Dienstherrn gestellten Antrag als eine im Prozess nicht nachholbare
Klagevoraussetzung voraus, verlangt aber gemäß § 126 Abs. 3 BRRG die Durchführung
eines Vorverfahrens, in dem der Beamte dem Dienstherrn erkennbar machen muss, was
mit dem Widerspruch begehrt wird. Daran fehlt es, wenn - wie im vorliegenden Fall, in
dem der Kläger Schadensersatz erstmalig während des Klageverfahrens verlangt hat -
der Widerspruchsbegründung nicht hinreichend klar zu entnehmen ist, dass (auch)
Schadensersatz gefordert wird.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2001 - 2 C 48.00 -, ZBR 2002, 93.
94
Das Fehlen des Vorverfahrens steht der Zulässigkeit der Klage hier aber gleichwohl im
Ergebnis nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ist die erfolglose Durchführung eines Vorverfahrens aus
Gründen der Prozessökonomie und im Einklang mit dem Regelungszweck des § 68
VwGO über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus regelmäßig entbehrlich,
wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung
beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits
Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt.
95
Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. April 1994 - 11 C 2.93 -, BVerwGE 95, 321 = NVwZ-RR
1995, 90, vom 2. September 1983 - 7 C 97.81 -, NVwZ 1984, 507, und vom 15. Januar
1982 - 4 C 26.78 -, BVerwGE 64, 325 = NJW 1982, 1546; weitere Nachweise (auch zu
abweichenden Auffassungen) bei Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, Vorb. § 68 Rn.
11 mit FN 22.
96
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist
dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte durch die sie vertretende
Bürgermeisterin die zugleich diejenige Behörde ist, die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
VwGO auch einen Widerspruchsbescheid hätte erlassen müssen, auf die Klage
sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat.
97
Die allgemeine Leistungsklage kann in der Sache keinen Erfolg haben, weil es für einen
Schadensersatzanspruch ungeachtet aller weiteren Zweifelsfragen jedenfalls an einem
zu ersetzenden Schaden fehlt. Zusätzlicher Dienst eines Beamten ist kein Schaden im
Sinne des allgemeinen Schadensersatzrechts. Für beamtenrechtliche
Schadensersatzansprüche ist der Schadensbegriff maßgebend, der auch den § 249 ff.
BGB zugrunde liegt. Danach ist mangels besonderer Vorschriften Geldersatz nur bei
einem Vermögensschaden, nicht aber bei einem immateriellen Schaden zu leisten. Der
Aufwand von Zeit und Arbeitskraft zur Leistung des zusätzlichen Dienstes bzw. einer
Mehrarbeit und der damit grundsätzlich lediglich verbundene Verlust von Freizeit als
solcher sind kein durch Geld zu ersetzender materieller Schaden.
98
Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Februar 1991 - 2 C 48.88 -, BVerwGE 88, 60 = ZBR 1991,
374, und vom 28. Mai 2003, a.a.O.
99
Lediglich ergänzend und ungeachtet der Frage der jeweiligen Zulässigkeit eines
solchen Leistungsbegehrens sei noch darauf hingewiesen, dass die von dem Kläger
100
allein begehrte Zahlung einer Zuviel- oder Mehrarbeitsvergütung auch nicht mit Erfolg
auf sonstige Anspruchsgrundlagen gestützt werden könnte. Der allgemeine
Folgenbeseitigungsanspruch ist schon von seinen Voraussetzungen hier nicht
einschlägig, weil kein rechtswidriger Zustand andauert, der noch beseitigt werden kann.
Darauf, ob als Wiederherstellung des "status quo ante" überhaupt Geldersatz
beansprucht werden kann, braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Der
erstrebte Zahlungsanspruch ergäbe sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn (§ 85 LBG). Es ist schon zweifelhaft, dass - was Voraussetzung für einen
aus der Fürsorgepflicht herzuleitenden Leistungsanspruch ist - die Fürsorgepflicht hier
ohne Gewährung der begehrten Vergütung in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Dies ist
nämlich nur dann der Fall, wenn der Beamte ansonsten unzumutbaren Belastungen
ausgesetzt wäre, was hier ungeachtet der Frage, in welchem Umfang vorliegend
Mehrarbeit oder Zuvielarbeit vorlag, jedenfalls deshalb zu verneinen wäre, weil eine
aktuelle unzumutbare Belastung nicht erkennbar ist. Auf jeden Fall scheiterte die
Herleitung des Zahlungsanspruchs aus der Fürsorgepflicht hier aber daran, dass aus ihr
ebenso wie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben allenfalls ein Anspruch auf
(nachträgliche) Dienstbefreiung, mit Blick auf die Nichterfüllung der Voraussetzungen
des § 3 MVergV aber keinesfalls ein Zahlungsanspruch erwachsen könnte.
Zu dem Vorstehenden vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003, a.a.O.
101
Schließlich könnte dem Kläger auch die Geltendmachung eines
gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs,
102
- grundlegend hierzu: EuGH, Urteile vom 19. November 1991 - C-6/90 -, C-9/90 -
(Francovich u.a.), EuGHE 1991 I-5357 ff., 5403-5418 = NJW 1992, 165 = EuZW 1991,
758, und vom 5. März 1996 - C-46/93, C-48/93 - (Brasserie du Pêcheur und Factortame),
EuGHE 1996, I-1029 ff., 1131-1163 = EuZW 1996, 205 = NJW 1996, 1267; vgl. ferner
Mankowski, in: Rengeling/Middeke/ Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der
Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 37 Rn. 104 ff., m.w.N,
103
- sollte sie überhaupt von seinem Begehren miterfasst sein - nicht weiter helfen. Ein
solcher Anspruch könnte nur daran anknüpfen, dass der Gesetz- bzw.
Verordnungsgeber, der für die Regelung der Arbeitszeit der Feuerwehrbeamten
zuständig ist, gegen die sich aus der Richtlinie 93/104/EG ergebende
Umsetzungspflicht durch Unterlassen verstoßen hat. Schon zweifelhaft ist insoweit u. a.,
ob auf der Grundlage eines solchen - hier nur als bestehend unterstellten - Anspruches
überhaupt eine Entschädigung in Geld für einen - wie dargelegt - immateriellen
Schaden gewährt werden könnte, zumal der Schutzzweck der Richtlinie 93/104/EG in
der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer, nicht aber in einer
Verbesserung ihrer Vergütung liegt. Jedenfalls aber wäre ein solcher - im Übrigen vor
den Zivilgerichten geltend zu machender (Art. 34 Satz 3 GG, § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) -
Anspruch nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber dem nicht an dem
Verfahren beteiligten Land Nordrhein- Westfalen zu verfolgen.
104
Zur Passivlegitimation im föderalen Staat vgl. Mankowski, a.a.O., § 37 Rn. 119 f.; zum
Rechtsweg vgl. Mankowski, a.a.O., § 37 Rn. 104, und Hobe, Europarecht, 2002, Rn.
224, sowie auch Cremer, JuS 2001, 643 ff. (646).
105
III. Der in dem zweiten Hilfsantrag enthaltene Antrag festzustellen, dass der Kläger in
der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 5. Juli 1999 Mehrarbeit geleistet hat, ist unzulässig.
106
Es fehlt insoweit bereits an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs.
1 VwGO. Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne wird durch subjektive Rechte und ihnen
korrespondierende Pflichten zwischen Rechtssubjekten konstituiert, wobei es
gleichgültig ist, ob ein Bündel von Rechtsbeziehungen (z. B. das Beamtenverhältnis) in
Rede steht oder ob es nur um einzelne Berechtigungen und Verpflichtungen - für sich
genommen oder als selbständige Teile eines umfassenden Rechtsverhältnisses - geht.
Nicht feststellungsfähig sind hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines
Rechtsverhältnisses. Bloße Elemente in diesem Sinne sind alle diejenigen Umstände,
die für das Entstehen eines Rechts (oder einer diesem korrespondierenden Pflicht)
Voraussetzung sind für sich allein aber keine Rechte oder Pflichten begründen.
Elemente sind somit insbesondere die einzelnen Tatbestandsmerkmale eines
Rechtsverhältnisses bzw. einer ein Rechtsverhältnis konstituierenden Norm. Ist zu
untersuchen, ob ein solches Element gegeben ist, handelt es sich somit hinsichtlich des
Rechtsverhältnisses zunächst um eine Vorfrage.
Vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Stand: Januar 2003, § 43 Rn. 9 bis 11, 24 bis 27,
28, m.w.N.; Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, § 43 Rn. 3 m.w.N.;
Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 13; Happ, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 43 Rn.
13, 15; ferner Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand:
September 2003, § 43 Rn. 5, 8, der die mangelnde Feststellungsfähigkeit einzelner
Elemente eines Rechtsverhältnisses weniger dem Begriff des Rechtsverhältnisses und
mehr dem Gedanken der Streiterledigung und des Rechtsschutzbedürfnisses zuordnet:
Bedeutsam sei allein, dass das Rechtsverhältnis in dem Umfang zur gerichtlichen
Entscheidung zu stellen sei, in dem eine Bereinigung des konkreten Streites zu
erwarten sei; siehe insoweit auch Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 43 Rn. 19.
107
In Anwendung dieser Grundsätze ist die begehrte Feststellung, dass der Kläger
Mehrarbeit geleistet habe, unzulässigerweise auf die Feststellung eines
Tatbestandsmerkmals derjenigen Rechtsgrundlagen gerichtet, aufgrund derer ggf. eine
Vergütung oder Entschädigung zu leisten bzw. ein sonstiger Ausgleich für Mehrarbeit zu
gewähren ist. Rechte und/oder Pflichten zwischen dem Kläger und der Beklagten (etwa
Leistungs- oder Unterlassungsansprüche bzw. -pflichten) würden allein durch die
begehrte Feststellung nicht berührt oder ausgelöst. Letztlich verbirgt sich hinter diesem
Antrag das weitergehende Begehren des Klägers auf Mehrarbeitsvergütung bzw.
Schadensersatz, das aber - wie oben dargelegt - ungeachtet der Frage, ob "Mehrarbeit"
vorlag, keinen Erfolg haben kann, weshalb sich auch eine (erweiternde) Auslegung
dieses Feststellungsantrags verbietet.
108
Würde man die Frage der Feststellungsfähigkeit einzelner Elemente eines
Rechtsverhältnisses (erst) der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses zuordnen, so
ergäbe sich nichts anderes: Eine Bereinigung des Streits zwischen den Beteiligten
könnte durch die bloße Feststellung, dass Mehrarbeit vorgelegen habe, nicht erreicht
werden, weil sie keine selbständige (anspruchsbegründende) Bedeutung hätte.
Deshalb würde die Klage dem Kläger - bei unterstelltem Erfolg des Feststellungsantrags
- offensichtlich keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile bringen.
109
Allgemein zur Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses in Fällen der Nutzlosigkeit
des angestrebten Rechtsschutzes: Kopp/Schenke, a.a.O., Vorb. § 40 Rn. 38; Ehlers, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., Vorb. § 40 Rn. 94 m.w.N.
110
Einen ohnehin allenfalls mittelbaren Nutzen könnte die begehrte, zudem auf einen
111
vergangenen Sachverhalt bezogene Feststellung dem Kläger auch nicht für die Zukunft
bringen, da er nicht mehr in der Leitstelle eingesetzt wird; außerdem könnte er im Falle
eines etwaigen erneuten Einsatzes dort letztlich um verwaltungsgerichtlichen (Eil-
)Rechtsschutz nachsuchen und dabei etwa das Ziel verfolgen, einen ohne hinreichende
Grundlage abverlangten übermäßigen zeitlichen Einsatz zu unterbinden.
IV. Unzulässig ist schließlich auch der mit dem dritten Hilfsantrag gestellte
Feststellungsantrag, mit dem der Kläger sinngemäß festgestellt wissen will, dass die
gesamte Zeit seines Bereitschaftsdienstes in der Kreisleitstelle H. - mithin die Zeiten des
Bereitschaftsdienstes im Anspruchszeitraum - als (Voll-)Arbeitszeit zu qualifizieren ist.
Auch insoweit gilt, dass ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nicht gegeben ist bzw.
dass das Rechtsschutzbedürfnis verneint werden muss. Denn eine etwaige Pflicht der
Beklagten zu einer gleichsam isolierten Qualifikation der genannten Zeiten als
Vollarbeitszeiten existiert nicht. Diese Frage würde sich vielmehr erst im Rahmen eines
Rechtsstreits um Vergütungspflichten oder ggf. um dem Umfang des Rechts der
Beklagten, den Kläger bei einem Leitstellendienst zeitlich zu beanspruchen, stellen.
112
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2
VwGO, § 127 BRRG) nicht gegeben sind.
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