Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.10.2001
OVG NRW: nationalität, planwidrige unvollständigkeit, allgemeines verwaltungsrecht, neues recht, berufliche tätigkeit, eltern, ausstellung, russisch, aussiedler, drucksache
Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 4580/96
Datum:
18.10.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 A 4580/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 9 K 7069/93
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen zu je
einem Viertel. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind
nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher
Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin zu 1) wurde am 23. November 1963 in S. in der Republik Komi der
Russischen Föderation geboren. Ihre Eltern sind die am 10. August 1938 in S. geborene
N. M. , geborene E. , und der am 1. Januar 1937 in A. im Gebiet Shitomir in der Ukraine
geborene deutsche Volkszugehörige R. M. . Die Großmutter der Klägerin zu 1)
väterlicherseits ist die am 15. Oktober 1910 in A. geborene deutsche Volkszugehörige
E. M. , geborene L. . Der Großvater der Klägerin zu 1) väterlicherseits ist der am 11.
Januar 1914 in P. im Gebiet Shitomir geborene und am 17. Januar 1987 verstorbene
deutsche Volkszugehörige E. M. .
2
Die am 6. Juni 1985 bzw. 25. September 1990 geborenen Kläger zu 3) und 4) stammen
aus der am 28. Januar 1984 geschlossenen Ehe der Klägerin zu 1) mit dem Kläger zu
2), einem russischen Volkszugehörigen.
3
Am 21. November 1991 stellten die Kläger einen Antrag auf Aufnahme als Aussiedler. In
dem Aufnahmeantrag ist für die Klägerin zu 1) als Volkszugehörigkeit "Deutsch nach
dem geboren" und als Muttersprache sowie als ihre jetzige Umgangssprache in der
Familie "Russisch" angegeben. Zur Frage der Beherrschung der deutschen Sprache ist
erklärt, dass sie die deutsche Sprache verstehe, spreche und schreibe. Bei der Frage
nach der Benutzung der deutschen Sprache in der Familie ist angekreuzt, dass dort
überhaupt nicht, von den Großeltern/Großelternteil, von den Eltern/ Elternteil und von
der Antragstellerin deutsch gesprochen werde. Als jetziger Beruf der Klägerin zu 1) ist
"Kindererzieherin" eingetragen. Als ihre berufliche Tätigkeit von 1980 bis 1984 wurde
"Hochschule in W. " angegeben. Die Frage nach der Pflege des deutschen Volkstums
wurde mit "Ja" beantwortet und zusätzlich erläutert: "Haubtschule (1970 - 1980) ab 5
Klasse bis 10 Kl. lernte Deutsche Sprache. 1980 - 1984 Hochschule "Musik und Sang"
wieder 4 Jaare Deutsche Sprache gelernt. Auserdem von Kind bei Oma und Opa
Deutsche Sprache war. Noch lernte in Moskau 10 Monaten am 1990 "In-Jas".
4
Als Mutter- und jetzige Umgangssprache in der Familie des Klägers zu 2) ist in dem
Aufnahmeantrag jeweils "Russisch" angegeben. Zur Frage der Beherrschung der
deutschen Sprache ist für den Kläger zu 2) erklärt, dass er die deutsche Sprache
verstehe und schreibe. In der Familie werde vom Antragsteller deutsch gesprochen.
5
In der dem Aufnahmeantrag beigefügten Ablichtung des am 8. Juni 1991 ausgestellten
Inlandspasses der Klägerin zu 1) und den Abschriften der Geburtsurkunden der Kläger
zu 3) und 4) ist als Nationalität der Klägerin zu 1) jeweils "Komi" eingetragen.
6
Mit Bescheid vom 2. Januar 1992 lehnte das Bundesverwaltungsamt den
Aufnahmeantrag der Kläger im Wesentlichen mit der Begründung ab: Angesichts der
Eintragung der Nationalität "Komi" in ihren ersten Inlandspass und mangels
hinreichender Anhaltspunkte für die Vermittlung von Bestätigungsmerkmalen wie
Sprache und Erziehung könne eine Prägung der Klägerin zu 1) im deutschen Volkstum
und damit ihre deutsche Volkszugehörigkeit nicht festgestellt werden.
7
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 21. Januar 1992 Widerspruch ein und
machten geltend: Die Klägerin zu 1) sei bis zum ersten Schuljahr "am meisten" von
ihren Großeltern väterlicherseits erzogen worden. Sie hätten untereinander und mit ihr
nur deutsch gesprochen. Umgangssprache in der Familie sei Russisch gewesen, weil
ihre Mutter kein Deutsch verstanden habe. Ihre Mutter habe entschieden, die Nationalität
"Komi" in den ersten Inlandspass der Klägerin zu 1) eintragen zu lassen, weil man
besser an einen Ausbildungsplatz herankäme.
8
Am 19. August 1993 sprach die Klägerin zu 1) in der Außenstelle Friedland des
Bundesverwaltungsamtes vor und legte einen am 25. März 1992 ausgestellten
Inlandspass vor, in dem als ihre Nationalität "Deutsche" eingetragen war. Sie erklärte
u.a., die Eintragung der Nationalität Komi in ihren ersten Inlandspass sei erfolgt, um
studieren zu können und dadurch bessere Berufs- und Lebensmöglichkeiten zu haben.
Erst im Jahre 1992 habe sie die Nationalität in "Deutsche" ändern lassen können.
9
Mit am 16. September 1993 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 2. September
1993 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Kläger als unbegründet
zurück.
10
Am 14. Oktober 1993 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben und zu deren
Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Der Vater der Klägerin zu 1) sei aufgrund der
Umsiedlungsaktion Vertriebener geworden. Deshalb habe die Klägerin zu 1) ebenfalls
den Vertriebenenstatus erworben. Als Vertriebene habe sie einen Anspruch auf
Aufnahme. Die Klägerin zu 1) sei auch deutsche Volkszugehörige. Die Angabe ihrer
Muttersprache im Aufnahmeantrag mit "Russisch" sei darauf zurückzuführen, dass sie
geglaubt habe, die russische Sprache ihrer Mutter angeben zu müssen. Die jetzige
Umgangssprache in der Familie der Kläger sei hauptsächlich Russisch, da der Kläger
zu 2) Russe sei. Die Klägerin zu 1) könne die deutsche Sprache sprechen und
verstehen. Auf die Eintragung der Nationalität in ihrem Inlandspass komme es schon
deshalb nicht an, weil ihr ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nach außen hin nicht
zuzumuten gewesen sei. Sie habe diese Eintragung auch eigentlich gar nicht
vorgenommen. Dies habe ihre Mutter entschieden, um ihr bessere
Ausbildungsmöglichkeiten zu eröffnen. Die Klägerin zu 1) habe sich bei
Volkszählungen und in ihrem engeren Bekannten- und Verwandtenkreis immer als
Deutsche bezeichnet. Ihr Bewusstsein, dem deutschen und keinem anderen Volk
anzugehören, werde auch durch die Tatsache bewiesen, dass sie die erste Möglichkeit
zur Änderung ihres Inlandspasses genutzt habe. Dies sei ein gewichtiges Indiz
dahingehend, dass auch ein Bekenntnis zum deutschen Volk abgegeben worden sei.
Außerdem habe sie bereits im Jahre 1987 ohne Erfolg versucht, ihre
Nationalitätseintragung zu ändern.
11
Die Kläger haben beantragt,
12
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 2.
Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1993 zu
verpflichten, der Klägerin zu 1) einen Aufnahmebescheid, in den die weiteren Kläger
einbezogen werden, zu erteilen,
13
hilfsweise,
14
die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 3) und 4) als Vertriebene i.S.d. § 1 Abs. 1 und 1
Abs. 2 BVFG i.V.m. § 7 BVFG i.d.F. vor dem 01.01.1993 oder als Abkömmlinge eines
Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit aufzunehmen und ihnen einen
entsprechenden Bescheid zu erteilen.
15
Die Beklagte hat beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben "über das Vorliegen des § 6 Abs. 2 Nr. 2
und 3 BVFG" durch Vernehmung des Vaters der Klägerin zu 1) als Zeugen. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen
Verhandlung vom 10. Juli 1996, Blatt 63 ff der Gerichtsakte, Bezug genommen.
18
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat
das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben.
19
Auf die Berufung der Beklagten ist dieses Urteil vom erkennenden Senat durch Urteil
vom 18. August 1998 geändert und die Klage abgewiesen worden. Auf die Revision der
Kläger hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats durch Urteil vom 19.
20
Oktober 2000 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung zurückverwiesen.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Klägerin zu
1) sei keine deutsche Volkszugehörige. Sie habe sich bei der Ausstellung ihres ersten
Inlandspasses zurechenbar zum Komi-Volkstum ihrer Mutter bekannt. Das damit
vorliegende Gegenbekenntnis habe sie durch die Änderung des Nationalitätseintrags im
Inlandspass aus dem Jahre 1992 nicht rückgängig gemacht. Hierbei handele es sich um
ein bloßes Lippenbekenntnis, weil Tatsachen, die eine innere Hinwendung zum
deutschen Volkstum hinreichend belegen könnten, nicht erkennbar seien. Die
Namensänderung und der erfolglose Versuch der Änderung der Nationalitätseintragung
im Jahre 1987 könnten die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Bekenntnisses nicht
ausräumen.
21
Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2001 hat die Beklagte die Niederschrift über eine Anhörung
der Klägerin zu 1) in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Moskau am 22. Mai
2001 zu den Gerichtsakten gereicht. Wegen des Ergebnisses dieser Anhörung wird auf
den Inhalt der Beiakte Heft 2 verwiesen.
22
Die Beklagte beantragt,
23
das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zu ändern und die Klage abzuweisen.
24
Die Kläger beantragen,
25
die Berufung zurückzuweisen.
26
Sie behaupten, die Klägerin zu 1) habe stets erklärt und erkläre auch noch heute, dass
sie nie eine Erklärung zur Nationalität Komi abgegeben habe. Die Besorgung des
Passes habe allein die Mutter gemacht.
27
Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptung der Kläger, die Mutter der Klägerin
zu 1) habe den ersten Inlandspass der Klägerin zu 1) besorgt, durch Vernehmung der
Mutter der Klägerin zu 1), Frau N. M. , als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom
18. Oktober 2001 (Bl. 296 bis 302 der Gerichtsakte) verwiesen.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Verfahrensakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
29
Entscheidungsgründe:
30
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung
der begehrten Aufnahmebescheide.
31
A. Als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin zu 1) geltend gemachten Anspruch auf
Erteilung eines Aufnahmebescheides kommen die §§ 26, 27 Abs. 1 Satz 1 des
Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge
(Bundesvertriebenengesetz - BVFG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni
1993, BGBl. I S. 829, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Klarstellung des
32
Spätaussiedlerstatus (Spätaussiedlerstatusgesetz - SpStatG) vom 30. August 2001,
BGBl. I 2256, in Betracht.
Für die Beurteilung des Anspruchs ist insgesamt neues Recht maßgebend. Denn nach
der hier für die Anwendung des bisherigen Rechts gemäß § 100 Abs. 1 BVFG allein in
Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG kann Aussiedler nur (noch)
sein, wer das Aussiedlungsgebiet vor dem 1. Januar 1993 verlassen hat.
33
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 -,
BVerwGE 92, 70 (72f), und vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 -, DVBl 1996, 198.
34
Die Klägerin zu 1) lebt jedoch heute noch in der Republik Komi in der Russischen
Föderation.
35
1. Die Klägerin zu 1) hat gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG keinen Anspruch auf Erteilung
eines Aufnahmebescheides, da sie nach der Aufgabe ihres Wohnsitzes und dem
Verlassen des Aussiedlungsgebietes die Voraussetzungen als Spätaussiedlerin nicht
erfüllt.
36
Spätaussiedler aus dem hier in Rede stehenden Aussiedlungsgebiet der ehemaligen
Sowjetunion kann nach § 4 Abs. 1 BVFG nur sein, wer deutscher Volkszugehöriger ist.
Da die Klägerin zu 1) nach dem 31. Dezember 1923 geboren ist, ist sie nach § 6 Abs. 2
Satz 1 BVFG deutsche Volkszugehörige, wenn sie von einem deutschen
Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum
Verlassen des Aussiedlungsgebietes durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung
oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem
Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Weitere
Voraussetzung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG ist, dass das Bekenntnis zum deutschen
Volkstum oder die rechtliche Zuordnung zur deutschen Nationalität bestätigt werden
muss durch die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache. Diese ist nur festgestellt,
wenn jemand im Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund dieser Vermittlung zumindest ein
einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann (§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG).
37
Die Klägerin zu 1) erfüllt jedenfalls nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1
BVFG. Die Frage, ob sie aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Änderung der
Eintragung der Nationalität in ihrem Inlandspass in "Deutsche" nach dem Recht ihres
Herkunftsstaates nunmehr der deutschen Nationalität zugerechnet wird, kann hier offen
bleiben. Denn allein aufgrund der Änderung ihres Inlandspasses erfüllt die Klägerin zu
1) nicht die Voraussetzungen der Zuordnung zur deutschen Nationalität im Sinne des §
6 Abs. 2 Satz 1 BVFG. Diese Regelung bezieht sich nämlich nur auf Fälle, in denen
jemand ohne sein Zutun, z.B. allein aufgrund der Abstammung, nach dem Recht des
Herkunftsstaates der deutschen Nationalität zugerechnet wird, wie dies etwa nach der
sowjetischen Passverordnung vom 28. August 1974 bei Abkömmlingen der Fall war,
deren beide Elternteile dem deutschen Volkstum zugehörten. Ist hingegen nach dem
Recht des Herkunftsstaates für die Zurechnung zu einem bestimmten Volkstum eine
Erklärung des Betroffenen für die Eintragung einer bestimmten Nationalität in den
Inlandspass maßgebend, ist diese Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nicht
einschlägig.
38
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 -, BVerwGE 99, 133, zur insoweit
gleichlautenden Bestimmung der dritten Alternative des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG in
39
der bis zum 6. September 2001 geltenden Fassung.
Grundlage für die Ausstellung des ersten Inlandspasses der Klägerin zu 1) bei
Vollendung des 16. Lebensjahres im Jahre 1979 war die Verordnung über das
Passwesen der ehemaligen Sowjetunion vom 28. August 1974. Nach den Vorschriften
dieser Passverordnung war in den Pässen auch die Nationalität zu vermerken. Die
Frage, welche Nationalität bei den Abkömmlingen aus gemischt-nationalen Ehen
einzutragen war, war gemäß Nr. 3 Abs. 2 der Passverordnung von 1974 ausdrücklich
dahin geregelt, dass ein Wahlrecht zwischen den jeweiligen unterschiedlichen
Nationalitäten der Eltern bestand. Demzufolge war bei der Beantragung des
Inlandspasses ein Formular auszufüllen, in das unter anderem auch die gewählte
Nationalität einzutragen war. Aufgrund dessen ist in diesem Fall die Frage, ob der
Aufnahmebewerber ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne des § 6 Abs. 2
Satz 1 BVFG abgegeben hat, unter der in der ersten Alternative dieser Vorschrift
genannten Voraussetzung zu beurteilen.
40
Hiervon ausgehend kann ein ausreichendes Bekenntnis der Klägerin zu 1) zum
deutschen Volkstum nicht festgestellt werden, weil in ihrem Inlandspass ursprünglich
die Nationalität Komi eingetragen worden war. Denn in der dieser Eintragung
vorausgehenden Angabe einer anderen als der deutschen Nationalität gegenüber
amtlichen Stellen liegt grundsätzlich ein die deutsche Volkszugehörigkeit
ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem fremden Volkstum.
41
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 -, BVerwGE 99, 133, mit weiteren
Nachweisen.
42
Das ist in der Regel nur dann nicht der Fall, wenn die Eintragung der nichtdeutschen
Nationalität ohne oder gegen den ausdrücklichen Willen des Aufnahmebewerbers in
den Inlandspass erfolgt ist.
43
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 C 8.96 -, BVerwGE 102, 214.
44
An dieser Rechtslage hat sich durch das Inkrafttreten des Spätaussiedlerstatusgesetzes
nichts geändert. Die Einfügung des Wortes "nur" in den Gesetzestext der beiden ersten
Bekenntnisalternativen dient allein dem Zweck, die nach der vertriebenenrechtlichen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG in der
bis zum 6. September 2001 geltenden Fassung bestehende Möglichkeit der so
genannten "Revidierung des Gegenbekenntnisses" bei einem Nachweis der
besonderen Ernsthaftigkeit des revidierten Bekenntnisses in Abgrenzung zum bloßen
Lippenbekenntnis zukünftig auszuschließen.
45
Vgl. die Begründung des Entwurfes zu Art. 1 Nr. 2 des Spätaussiedlerstatusgesetzes
vom 19. Juni 2001 - BT-Drucksache 14/6310, S. 6 -.
46
Hier liegt ein solches Gegenbekenntnis vor, weil die Eintragung der Nationalität Komi in
den ersten Inlandspass der Klägerin zu 1) zur Überzeugung des Senats gemäß der
oben dargestellten Rechtslage des sowjetischen Passrechts entsprechend ihrer
Erklärung im Passantrag geschah und sie damit eine ihr zurechenbare Erklärung zu
einem anderen Volkstum gegenüber einer amtlichen Stelle abgegeben hat. Schon in
der Begründung ihres Widerspruchs vom 21. Januar 1992 hat die Klägerin zu 1)
insoweit persönlich erklärt, die Frage der Eintragung der Nationalität in ihren ersten
47
Inlandspass habe ihre Mutter "entschieden, weil man besser an einen Ausbildungsplatz
heran käme". Ausweislich des Inhaltes der Verhandlungsniederschrift vom 19. August
1993 hat die Klägerin zu 1) bei ihrer damaligen Anhörung angegeben, in den ihr im Alter
von sechzehn Jahren ausgestellten Inlandspass sei die Nationalität der Mutter
eingetragen worden. Dieses sei erfolgt, "um studieren zu können und dadurch bessere
Berufs- und Lebensmöglichkeiten zu haben". In der Klagebegründung ist zur Frage der
Nationalitätseintragung lediglich vorgetragen worden, die Klägerin zu 1) habe
"glaubwürdig dargelegt, dass sie selbst die Eintragung eigentlich gar nicht
vorgenommen" habe. Das habe "ihre Mutter entschieden, um ihr bessere
Ausbildungsmöglichkeiten zu eröffnen." Der Inlandspass sei "ohne ein Zutun" der
Klägerin zu 1) ausgestellt worden. Auch nach dem Inhalt des in Ablichtung zu den
Gerichtsakten gereichten Antrages der Klägerin zu 1) vom 2. September 1987 auf
Änderung ihrer Nationalitätseintragung ist die Nationalität Komi auf Bitten ihrer Mutter
eingetragen worden. Nach der Bekundung des Zeugen R. in der mündlichen
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist es zu der Nationalitätseintragung Komi
gekommen, weil die Lehrer gesagt hätten, Deutsch als Nationalität dürfe man doch nicht
eintragen lassen. Damit hätte die Klägerin zu 1) "vielleicht nicht studieren können".
Auch seine Frau habe der Klägerin zu 1) "eingeredet, sie solle doch nicht deutsch
nehmen".
Schon dieser Vortrag rechtfertigt bei verständiger Würdigung den Schluss, dass die
Klägerin zu 1) sich auf Bitten bzw. Drängen ihrer nichtdeutschen Mutter dazu
entschieden hat, deren nichtdeutsche Nationalität zu wählen.
48
Dies wird bestätigt durch die Aussage der Mutter der Klägerin zu 1), Frau N. M. , bei
ihrer Zeugenvernehmung durch den Senat. Denn die Zeugin hat ausdrücklich
angegeben, dass sie die Nationalität Komi in die Forma Nr. 1 eingetragen und dass die
Klägerin zu 1) anschließend dieses Formular mit dieser Nationalitätseintragung
unterschrieben habe. Damit hat die Klägerin zu 1) das ihr zustehende Wahlrecht
ausgeübt und eine nichtdeutsche Nationalität gewählt. Dies ist nach den Erklärungen
der Zeugin auch bewusst und gewollt geschehen. Sie - die Mutter - habe auf die
Klägerin zu 1) eingewirkt, sich für die Nationalität Komi zu entscheiden, weil sie - die
Mutter - "viel Ärger" wegen des Deutschtums ihres Mannes sowie wegen ihres
deutschen Namens und der Tatsache, dass sie einen deutschen Mann geheiratet habe,
viele Schwierigkeiten im Beruf und in ihrem Bekanntenkreis gehabt habe. Diesem
Drängen habe sich ihre Tochter nicht widersetzt, sondern den von ihr - der Mutter - mit
der Nationalitätseintragung Komi vorbereitet ausgefüllten Passantrag eigenhändig
unterschrieben.
49
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zu 1) sich beim Unterschreiben der Forma Nr. 1
mit der von ihrer Mutter eingetragenen Nationalität Komi in einer ihren Willen
ausschließenden Zwangslage befunden hat, sind nicht ersichtlich. Zwar liegt ein
Gegenbekenntnis dann nicht vor, wenn der Erklärende sich in einem die Freiheit der
Willensbildung ausschließenden Zustand befindet, weil die Erklärung durch
unmittelbare körperliche Gewalt unter Ausschluss jeden Entscheidungsspielraumes
hervorgebracht wird.
50
Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26. Juni 1975 - II ZR 35/74 -, Der Betrieb
1975, 2075 f.; Heinrichs in Palandt, Kommentar zum BGB, 60. Auflage 2000, § 123
BGB, Rdnr. 15.
51
Gleiches dürfte gelten, wenn auf den Erklärenden ein solch starker psychischer Druck
ausgeübt wird, durch den der Erklärende in eine psychische Zwangslage gerät, in der
seine abgegebene Erklärung als unter völligem Ausschluss der Freiheit der
Willensentschließung erfolgt anzusehen ist.
52
Jedoch liegt eine solche Situation nicht schon dann vor, wenn aufgrund der allgemeinen
familiären Situation oder infolge massiver Einflussnahme seitens der Eltern, anderer
Familienangehöriger oder Verwandter der Erklärende sich einem allgemeinen
psychischen Druck ausgesetzt sieht, seine Erklärung in einem bestimmten Sinne
abzugeben. Denn die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Nationalität
unterliegt immer verschiedenartigen familiären und außerfamiliären Einflüssen, die als
bloße Motive für oder gegen eine bestimmte Entscheidung in die Entscheidungsfindung
einfließen. Gibt der Erklärende solchen auf ihn einwirkenden Zwängen nach,
manifestiert sich darin gerade der prägende Eindruck eines Elternteils oder anderer
Personen auf den Erklärenden.
53
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 13.
September 2000 - 2 A 4261/99 - .
54
Der Senat kann aber nicht feststellen, dass die Klägerin zu 1) bei der Unterschrift unter
die Forma Nr. 1 einem die Freiheit der Willensentschließung ausschließenden
physischen oder psychischen Druck gestanden hat. Dies ergibt sich auch nicht aus der
Angabe der Zeugin, die Klägerin zu 1) habe nicht gegen sie "protestieren" können.
Darin kommt nur der von ihrer Mutter ausgeübte bestimmende Einfluss auf ihre
Entscheidung über die Wahl der Nationalität zum Ausdruck.
55
Dieses Gegenbekenntnis ist von der Klägerin zu 1) auch gegenüber einer amtlichen
Stelle, hier der zuständigen Passbehörde gegenüber abgegeben worden und zwar
unabhängig davon, ob die Klägerin zu 1) nach der Unterschrift unter die Forma Nr. 1
möglicherweise an ihrer darin zum Ausdruck gekommenen Erklärung nicht mehr
festhalten wollte. Denn die Klägerin zu 1) hat ihrer Mutter die Forma Nr. 1 anschließend
als Botin zum Zwecke der Überbringung an die zuständige Passbehörde überlassen.
Wenn sie dies hätte verhindern wollen, konnte deshalb nach der Überlassung der
mögliche Wille, die Unterschrift nicht mehr gelten zu lassen, nicht mehr ausreichen.
Hierzu hätte es in diesem Fall vielmehr einer Handlung der Klägerin zu 1) bedurft, die
die Übergabe der von ihr unterschriebenen Forma Nr. 1 an die zuständige Passbehörde
durch die insoweit als Botin tätige Mutter verhindern konnte. Anhaltspunkte hierfür sind
nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
56
Das danach vorliegende und ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum ausschließende
Gegenbekenntnis der Klägerin zu 1) ist nicht nach § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG rechtlich
unerheblich, weil im Jahre 1979 eine Erklärung zur deutschen Nationalität durch
Angabe des deutschen Volkstums bei der Ausstellung des ersten Inlandspasses mit
schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen
wäre und die Klägerin zu 1) deshalb ihr Wahlrecht zwangsläufig so wie geschehen hätte
ausüben müssen. Das Verhalten der Klägerin zu 1) erfüllt nämlich den Tatbestand des §
6 Abs. 2 Satz 5 BVFG schon aus tatsächlichen Gründen nicht. Zwar ist der Ausschluss
von Angehörigen der deutschen Volksgruppe vom Hochschulstudium wegen ihrer
Nationalität ein schwerwiegender beruflicher Nachteil im Sinne dieser Vorschrift.
57
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 -, BVerwGE 99, 133, zu § 6 Abs.
58
2 Satz 1 Nr. 3 BVFG in der bis zum 6. September 2001 geltenden Fassung.
Die Klägerin zu 1) hat jedoch schon nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass
sie tatsächlich ein Studium nicht hätte durchführen können. Um überhaupt
prognostizieren zu können, ob die Angabe der deutschen Nationalität bei Ausstellung
des ersten Inlandspasses zu schwerwiegenden beruflichen Nachteilen geführt hätte,
muss nämlich zu diesem Zeitpunkt ein bestimmtes Berufsziel wenigstens in Umrissen
mitgeteilt werden und feststehen, dass dessen Erreichen wegen der Nationalität in
Frage gestellt ist.
59
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1997 - 9 C 10.96 -, BVerwGE 105, 60.
60
Daran fehlt es hier. Die Klägerin zu 1) hat nicht konkret dargelegt, welches Berufsziel sie
sich bei Ausstellung ihres ersten Inlandspasses wenigstens in Umrissen gesetzt hatte.
61
Im Übrigen kann auch nicht festgestellt werden, dass es noch im Jahr 1979, als die
Klägerin zu 1) ihren ersten Inlandspass erhielt, speziell auf die deutsche Volksgruppe
zugeschnittene Zugangshindernisse für ein Hochschulstudium gab.
62
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 -, BVerwGE 99, 133.
63
Das Gegenbekenntnis der Klägerin zu 1) hat seine rechtliche Ausschlusswirkung auch
nicht nachträglich dadurch verloren, dass sie sich durch die mit dem Antrag auf
Änderung der Nationalität in ihrem Inlandspass abgegebene Erklärung zum deutschen
Volkstum bekannt hat, da § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nunmehr - wie oben dargelegt -
ausschließt, von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nichtdeutschen
Nationalität bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch Hinwendung zum
deutschen Volkstum und Revidierung des Gegenbekenntnisses abzurücken.
64
2. Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides ergibt sich für die Klägerin zu
1) auch weder als "Vertriebene i.S.d. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 BVFG i.V.m. § 7 BVFG i.d.F.
vor dem 01.01.1993" noch als "Abkömmling eines Vertriebenen deutscher
Volkszugehörigkeit". Hierfür gibt es im Bundesvertriebenengesetz keine
Rechtsgrundlage.
65
Die von der Klägerin zu 1) insoweit hilfsweise begehrte "Aufnahme" kann nicht im Wege
des im Bundesvertriebenengesetz geregelten Aufnahmeverfahrens nach den §§ 26 ff
BVFG erfolgen. Dieses Aufnahmeverfahren erstreckt sich nämlich schon nach dem
Wortlaut des § 26 BVFG allein auf Personen, die die Aussiedlungsgebiete als
Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 BVFG verlassen wollen, um im Geltungsbereich
dieses Gesetzes ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen. Da nach dieser Vorschrift nur
solchen Personen nach Maßgabe der §§ 27 ff BVFG ein Aufnahmebescheid erteilt
werden kann, die sich auf ihre Spätaussiedlereigenschaft berufen, ist die Erteilung eines
Aufnahmebescheides an die Klägerin zu 1) zum Zwecke ihrer Aufnahme im
Bundesgebiet sowohl als Vertriebene i.S.d. § 7 BVFG in der Fassung des
Aussiedleraufnahmegesetzes vom 28. Juni 1990, BGBl I S. 1247 - im Folgenden: § 7
BVFG a.F. -, als auch als Abkömmling eines Vertriebenen nach Maßgabe der §§ 26 ff
BVFG ausgeschlossen.
66
Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung der
Aufnahmevorschriften des Bundesvertriebenengesetzes. Eine analoge Anwendung
67
dieser Vorschriften auf die vorliegende Fallgestaltung setzt eine Gesetzeslücke voraus,
d.h. eine planwidrige Unvollständigkeit der Regelungen des
Bundesvertriebenengesetzes.
Vgl. hierzu Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage 1986, § 17 Rdn. 46
und 49.
68
Eine solche planwidrige Unvollständigkeit liegt hier nicht vor. Nach den Vorschriften des
Bundesvertriebenengesetzes sollen und können im Wege des Aufnahmeverfahrens,
d.h. durch Erteilung eines Aufnahmebescheides, nur Personen aufgenommen werden,
die die Aussiedlungsgebiete als "Spätaussiedler" verlassen wollen (§ 26 BVFG). Dieser
Wortlaut, der den Kreis der Bewerber um einen Aufnahmebescheid eindeutig benennt
und damit beschränkt, spricht gegen eine planwidrige Unvollständigkeit der Regelungen
des vertriebenenrechtlichen Aufnahmeverfahrens, soweit es um die Aufnahme von
Personen geht, die nicht als Spätaussiedler die genannten Gebiete verlassen wollen.
Bestätigt wird dies ferner durch die Entstehungsgeschichte der Einfügung des
Aufnahmeverfahrens in das Bundesvertriebenengesetz. Denn den Materialien sowohl
des Aussiedleraufnahmegesetzes als auch des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes ist
zu entnehmen, dass die Neuregelung mit der Notwendigkeit der Erteilung eines
Aufnahmebescheides im Regelfall vor Verlassen der Aussiedlungsgebiete nur den
Bewerberkreis der Aussiedler bzw. Spätaussiedler erfassen und nur diese einer
Vorprüfung der geltend gemachten Rechte unterwerfen wollte.
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Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Regelung des
Aufnahmeverfahrens für Aussiedler (Aussiedleraufnahmegesetz- AAG) vom 21. April
1990, BT-Drucksache 11/6937, Abschnitt A. Zielsetzung, S. 1, Gegenäußerung der
Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zu diesem Gesetz vom 21. Mai
1990, BT- Drucksache 11/7189, Nummer 5, S. 5, sowie Gesetzentwurf der
Bundesregierung eines Gesetzes zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen
(Kriegsfolgenbereinigungsgesetz-KfbG) vom 7. September 1992, BT-Drucksache
12/3212, Begründung, Abschnitt A. Allgemeiner Teil, Nummer 1, S. 19 f, und Abschnitt
B. Besonderer Teil, zu Nummern 24 bis 30 des Artikel 1 (§§ 26 bis 29), S. 26.
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Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergibt sich grundsätzlich
nicht, dass eine zu einem bestimmten Stichtag eingeführte Vergünstigung auch auf
Fallgestaltungen vor ihrem Inkrafttreten zu erstrecken ist.
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Vgl. hierzu etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvR
820, 1033/76 -, BVerfGE 47, 85, 93 f.
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Der Anspruch ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 116 Abs. 1 GG, da dieser für
Vertriebene keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme festschreibt. Er setzt vielmehr die
Aufnahme von Flüchtlingen, Vertriebenen oder deren Angehörigen als
Tatbestandsmerkmal für den Erwerb der Eigenschaft als Deutscher voraus.
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Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Mai 1998 - 9 B 756.97 - und vom 7. Juli 1998 - 9 B
1202.97 -.
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B. Die Klage des Klägers zu 2) ist ebenfalls unbegründet. Er ist schon nach seinen
eigenen Angaben im Aufnahmeantrag und dem Nationalitätseintrag in seinem
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Inlandspass russischer Volkszugehöriger. Als solcher kann er den geltend gemachten
Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nur auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG
stützen, der die Einbeziehung von Ehegatten in den Aufnahmebescheid vorsieht. Da der
Klägerin zu 1) aus den oben dargelegten Gründen ein Aufnahmebescheid nicht erteilt
werden kann, kommt auch eine Einbeziehung des Klägers zu 2) nicht in Betracht.
C. Schließlich ist auch die Klage der Kläger zu 3) und 4) unbegründet, da sie aus den
oben dargelegten Gründen schon nicht von einem deutschen Staatsangehörigen oder
deutschen Volkszugehörigen abstammen, die Möglichkeit einer Einbeziehung in einen
Aufnahmebescheid der Klägerin zu 1) ausscheidet und auch ein Anspruch auf
Aufnahme als Vertriebene nach § 7 BVFG a.F. bzw. als Abkömmlinge eines
Vertriebenen aus den oben für die Klägerin zu 1) dargelegten Gründen ebenfalls nicht
besteht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 und 162 Abs. 3 VwGO,
100 Abs. 1 ZPO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da dieser einen Sachantrag nicht
gestellt und sich damit dem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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