Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.03.2002
OVG NRW: zusicherung, grundstück, bestandteil, bauwerk, bereinigung, verwaltungsprozess, datum
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 7 B 63/02
21.03.2002
Oberverwaltungsgericht NRW
7. Senat
Beschluss
7 B 63/02
Verwaltungsgericht Köln, 2 L 2348/01
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 2.500,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag ist gemäß § 194 Abs. 2 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung
des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001,
BGBl. I Seite 3987, weiterhin als Antrag auf Zulassung der Beschwerde anzusehen. Nach
dieser Vorschrift richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche
Entscheidung nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht, wenn - wie hier -
die gerichtliche Entscheidung vor dem 1. Januar 2002 bekannt gegeben worden ist.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich weder die Abweichung
des angefochtenen Beschlusses von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
(Zulassungsgrund gemäß §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO a.F.) noch die
behaupteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses
(Zulassungsgrund gemäß §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO a.F.).
Für eine Zulassung der Beschwerde wegen Abweichung von einer Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts ist schon deshalb kein Raum, weil das Oberverwaltungsgericht
NRW in den von der Antragstellerin aufgeführten Beschlüssen,
OVG NRW vom 27. März 2000 - 7 B 439/00 - und vom 20. August 2001 - 10 B 733/01 -,
keinen Rechtssatz aufgestellt hat, dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
widerspricht. In den angeführten Entscheidungen hat das Oberverwaltungsgericht
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bestimmte Kriterien zur Bewertung der Frage angeführt, ob eine durch Vor- und
Rücksprünge von Wandteilen gegliederte Außenwand bei natürlicher Betrachtungsweise
noch als eine einheitliche Außenwand angesehen werden kann. Entscheidend für die
Bewertung ist es danach, ob trotz des Versatzes der Wandflächen noch der Eindruck von
Einheitlichkeit des Wandverlaufs im konkreten Fall festzustellen ist. Für die Frage dieser
Einheitlichkeit können darüber hinaus die jeweiligen - ggf. unterschiedlichen - Höhen oder
Tiefen der in Betracht stehenden Wandflächen, ihre Gemeinsamkeiten und
Unterschiedlichkeiten im äußeren Erscheinungsbild und ggf. auch ihre gemeinsamen oder
unterschiedlichen Funktionalitäten in Bezug auf das gesamte Bauwerk in Betracht gezogen
werden.
Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 17. August 2001 - 7 A 2286/00 - m.w.N.
An dieser Rechtsprechung hat sich das Verwaltungsgericht ausdrücklich orientiert und
unter Anwendung der vorgenannten Kriterien eine Einzelfallbewertung der nordwestlichen
Außenwand des Bauvorhabens des Beigeladenen vorgenommen (Beschlussabdruck S. 4
f.). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin haben die beiden Bausenate nicht einen
abstrakten Rechtssatz aufgestellt, ob und wann die Außenwand einer Gebäudeseite als
zwei Außenwände anzusehen ist. Vielmehr haben sie nach Maßgabe der vorgenannten
Kriterien den jeweils vorliegenden konkreten Einzelfall entschieden.
Soweit die Antragstellerin behauptet, das Verwaltungsgericht habe das Gebot der
Rücksichtnahme verkannt, begründen ihre Darlegungen im Zulassungsantrag keine
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen
Beschlusses. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots liegt nicht deshalb vor, weil -
wie die Antragstellerin meint - vom Verwaltungsgericht eine "Gesamtbetrach-tung" hätte
vorgenommen werden müssen. Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine
Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des
gesamten öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher
Vorschriften des Baurechts. Im vorliegenden Fall kommt das Gebot der Rücksichtnahme
allein über das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Tatbestandsmerkmal des "Einfügens" zur
Anwendung. Dies ist vom Verwaltungsgericht zutreffend gesehen und bewertet worden (S.
7 ff. des Beschlussabdrucks). Ein Rücksichtnahmeverstoß ist auch nicht deshalb gegeben,
weil die Antragsgegnerin durch Anwendung des Schmalseitenprivilegs gemäß § 6 Abs. 6
Satz 1 BauO NRW zu einer Verkürzung der Abstandflächen gelangt ist. Wie das
Verwaltungsgericht zutreffend unter Heranziehung der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts ausgeführt hat, liegt ein Abstandflächenverstoß im vorliegenden
Fall nicht vor. Werden die Abstandflächenvorschriften aber eingehalten, dann ist das
Rücksichtnahmegebot zumindest aus tatsächlichen Gründen im Regelfall nicht verletzt.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 - BRS 62 Nr. 102 (S. 459).
Eine vom Regelfall abweichende Fallgestaltung hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.
Sie wird insbesondere nicht durch eine frühere rechtliche Bewertung der Antragsgegnerin
zur Nichtbebauung des Grundstücks des Beigeladenen begründet, die auf Grundlage der
Annahme einer Außenbereichsbebauung erfolgte. Eine Zusicherung i.S. d. § 38 Abs. 1
Satz 1 VwVfG NRW wird selbst von der Antragstellerin nicht angenommen. Das Gebot der
Rücksichtnahme vermittelt eine drittschützende Wirkung allein über die durch das Merkmal
des "Einfügens" in § 34 Abs. 1 BauGB in Bezug genommenen Normelemente: Art und Maß
baulicher Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche; auf andere als die
genannten vier Merkmale, insbesondere "mündliche Zusagen", bezieht es sich deshalb
nicht.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 - 4 C 34.85 -, BRS 46 Nr. 176 (S. 413).
Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Bewertung der Umgebungsbebauung auch die
Grundstückssituation der Antragstellerin - namentlich die Hanglage zum Grundstück des
Beigeladenen - berücksichtigt, wie sich aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses
ergibt (S. 9 f. des Beschlussabdrucks). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Beschlusses ergeben sich auch insoweit nicht.
Soweit sich die Antragstellerin mit ihren Darlegungen gegen die vom Verwaltungsgericht
bewertete Unzulässigkeit ihres Antrags auf Stilllegung der Arbeiten an dem Bauvorhaben
des Beigeladenen wendet, ist ihr Vorbringen schon nicht entscheidungserheblich. Das
Verwaltungsgericht hat den Antrag aus selbständig tragenden Erwägungen als
unbegründet abgelehnt. Einwendungen hiergegen hat die Antragstellerin nicht geltend
gemacht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß §§ 146 Abs. 6 Satz 2, 124a Abs. 2
Satz 2 VwGO a.F. ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 20 Abs. 2, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).