Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.02.2001

OVG NRW: einreise, visum, aufenthaltserlaubnis, ausländerrecht, behandlung, form, rechtsnatur, stadt, film, firma

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 2025/99
Datum:
20.02.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 2025/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 3165/99
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die zugelassene Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht
seinen Beschluss vom 26. Juli 1999 - 24 L 1574/99 - abgeändert und den Antrag der
Antragsgegnerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
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Soweit die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis im Streit steht, ist der
Aussetzungsantrag ungeachtet der insoweit beachtenswerten Ausführungen des
Verwaltungsgerichts, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet worden sein
dürften, bereits unzulässig. Als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann er nur auf die
Wiederherstellung der hier allein in Betracht kommenden Duldungsfiktion nach § 69
Abs. 2 Satz 1 AuslG gerichtet sein, die mit der sofort vollziehbaren Ablehnung eines
Aufenthaltsgenehmigungsantrags (§ 72 Abs. 1 AuslG) vorläufig suspendiert ist. Eine
derartige Wirkung hat jedoch der Aufenthaltsgenehmigungsantrag der Antragsgegnerin
vom 22. März 1999 nicht ausgelöst.
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Der Eintritt der Duldungsfiktion scheitert allerdings nicht schon daran, dass die
Antragsgegnerin mit einem ohne Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten
Besuchsvisum ins Bundesgebiet eingereist ist und nunmehr die Erteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung zu einem anderen Aufenthaltszweck beantragt hat. Zwar
könnte bei einer derartigen Fallkonstellation dem Wortlaut nach der
Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG auf die Verlängerung eines
derartigen Visums beschränkt sein.
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Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. Januar 1997 - 12 TG 996/96 -.
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Wie jedoch die Entstehungsgeschichte zeigt, betrifft die Vorschrift alle von § 69 Abs. 3
AuslG nicht erfassten Fälle, in denen erstmals nach der Einreise bei der
Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt wird.
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BT-Drucks. 11/6321 S. 80; Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen
Ausländergesetz, S. 24; Hess. VGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 12 TG
947/92 -, EZAR 622 Nr. 17 S. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Mai 1999
- 13 S 3241/98 -, InfAuslR 1999, 422.
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Der Entstehung der Duldungsfiktion steht auch nicht entgegen, dass das Besuchsvisum
bereits von der Ausländerbehörde der Stadt Bochum einmal verlängert worden war,
bevor der nunmehr streitgegenständliche Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis gestellt wurde. Zwar entspricht es ständiger
Senatsrechtsprechung, dass § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG nur solche Fälle erfasst, in denen
der Ausländer erstmalig die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung beantragt.
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Vgl. Senatsbeschluss vom 1. Oktober 1999 - 18 B 1381/99 -, InfAuslR 2000, 115 =
NVwZ 2000, 346 = AuAS 2000, 40.
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Jedoch steht die Visumsverlängerung nicht der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung
gleich. Der Normzweck des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG, einem Ausländer für sein erstes
auf die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gerichtetes Verfahren unter bestimmten
Voraussetzungen eine Duldungsfiktion zukommen zu lassen, wird auch nach
Verlängerung eines Visums noch erfüllt. Durch eine Visumsverlängerung wird nicht die
formale Rechtsstellung eines Ausländers verändert. Ein Visum ist zwar seiner
Rechtsnatur nach eine der in § 5 Nr. 1., 3. oder 4. AuslG aufgeführten Arten der
Aufenthaltsgenehmigung (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Es wird aber in der besonderen
Form des Sichtvermerks erteilt (vgl. § 3 Abs 3 Satz 1 AuslG). Die formale
Kennzeichnung der Rechtsnatur und damit die erstmalige Erteilung einer der in § 5
AuslG genannten Titel erfolgt erst nach der Einreise durch die Ausländerbehörde bei
der Gewährung des weiteren Aufenthalts nach Ablauf des Visums.
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Vgl. Fraenkel, a.a.O., S. 33.
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Wenn sich aber durch die Visumsverlängerung - wie auch § 13 Abs. 2 AuslG
verdeutlicht - die formale Rechtsstellung eines Ausländers nicht verändert, so ist auch
nicht erkennbar, warum sich für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens
die Rechtsposition eines Ausländers, dessen Visum verlängert worden ist, gegenüber
demjenigen verschlechtern soll, der beispielsweise bereits von Anfang an ein länger
befristetes Visum erhalten hat.
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Die Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG tritt aber für die Antragsgegnerin nicht
ein, weil diese unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (§ 69 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1 AuslG). Ihre Einreise war unerlaubt, weil sie nicht die erforderliche
Aufenthaltsgenehmigung besaß (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Eine erforderliche
Aufenthaltsgenehmigung in diesem Sinne ist bei allen Ausländern, die sich länger als
drei Monate in Deutschland aufhalten wollen, das vor der Einreise mit förmlicher
Zustimmung der Ausländerbehörde zu dem beabsichtigten Aufenthaltszweck eingeholte
Visum (§ 11 Abs. 1 DVAuslG), wobei eine fehlende Zustimmung unerheblich und auf
den objektiven Erklärungswert des Visums abzustellen ist, wenn dieses aufgrund
zutreffender Angaben des Ausländers im Visumsantrag erteilt wurde.
13
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1996 - 1 C 41.93 -, BVerwGE 100, 287 = NVwZ
1997, 189 = InfAuslR 1996, 294; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2001 - 18 B 3/01 -.
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An dieser vom Senat und dem ebenfalls mit dem Ausländerrecht befassten 17. Senats
des Gerichts in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtsauffassung,
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- vgl. Beschlüsse vom 14. Dezember 1993 - 18 B 628/93 -, InfAuslR 1994, 138 = DVBl.
1994, 539 = EZAR 622 Nr. 21, vom 11. November 1996 - 18 B 567/96 - und vom 23.
Oktober 2000 - 17 B 1038/00 -
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die - soweit ersichtlich - einheitlich von der oberverwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung geteilt wird,
17
- vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 4. Juni 1991 - BsV 93/91 -, EZAR 622 Nr. 12;
Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 12. März 1992 - 4 M 25/92 -, InfAuslR
1992, 125; VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 1992 - 1 S 881/92 -,
InfAuslR 1993, 14; Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juni 1994 - 12 TH 1290/94 -,
InfAuslR 1994, 349, und Beschluss vom 14. November 1995 - 12 TG 1358/95 -, InfAuslR
1996, 142 -
18
der aber das Verwaltungsgericht durch den mit dem angefochtenen Beschluss
abgeänderten Beschluss vom 26. Juli 1999 - 24 L 157/99 - und der Bundesgerichtshof
19
- vgl. Urteil vom 11. Februar 2000 - 3 StR 308/99 -, InfAuslR 2000, 342; ebenso
Hailbronner, Ausländerrecht § 58 Rn. 17 ff., und zuletzt Strieder, Neues zur Problematik
der unerlaubten Einreise, InfAuslR 2001, 6 -
20
entgegen getreten sind, wird nach erneuter Überprüfung festgehalten.
21
Die hier vertretene Auffassung entspricht nach der Entstehungsgeschichte der
Neuregelung des Ausländerrechts dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Nach der
amtlichen Begründung betrifft § 58 Abs. 1 AuslG die "materiell unerlaubte Einreise".
22
Vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 76.
23
Dass damit nicht nur eine Abgrenzung zur lediglich formell unbefugten Einreise nach §
59 Abs. 1 AuslG gemeint ist,
24
- so aber BGH, Urteil vom 11. Februar 2000, a.a.O. -
25
ergibt sich aus der Verweisung in der Begründung des Gesetzentwurfs auf § 18 Abs. 2
AuslG 1965, für den schon nach damaligem Recht die materiell unerlaubte Einreise
Tatbestandsvoraussetzung für die zwingende Zurückschiebung eines Ausländers war.
26
Vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 1991 - 18 B 333/91 -, NVwZ 1991, 910;
Kloesel/Christ, Deutsches Ausländerrecht, Stand Juli 1990 § 18 Anm. 7.
27
Bereits dem Ausländergesetz 1965 lag zugrunde, dass nicht nur die Anwesenheit eines
ohne das erforderliche Visum eingereisten Ausländers, sondern ebenso die
Anwesenheit eines mit Visum eingereisten Ausländers, der tatsächlich mit seiner
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Aufenthaltsnahme von vornherein einen anderen, weiter gehenden Zweck verfolgt,
insbesondere einen Daueraufenthalt anstrebt, regelmäßig Belange der Bundesrepublik
Deutschland beeinträchtigt mit der Folge, dass die Einreise eines solchen Ausländers
als unerlaubt galt und er auf das Visumsverfahren zu verweisen war.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 1986 - 1 C 19.86 -, BVerwGE 75, 20 = NJW
1987, 597 = InfAuslR 1987, 1.
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Daran hat das Ausländergesetz 1990 festgehalten. Dessen Konzeption und
Gesetzessystematik verdeutlichen, dass mit der in § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG enthaltenen
Legaldefinition auf die materiell unerlaubte Einreise abgestellt wird. Nach dieser
Vorschrift reist ein Ausländer in das Bundesgebiet unerlaubt ein, wenn er eine
erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt. Anknüpfungspunkt für die
"Erforderlichkeit" im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG bildet die in § 3 Abs. 1 Satz 1
AuslG normierte Aufenthaltsgenehmigungspflicht. Danach bedürfen Ausländer
grundsätzlich für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer
Aufenthaltsgenehmigung, die nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG regelmäßig vor der Einreise
in der Form des Visums einzuholen ist, wobei durch Rechtsverordnung jeweils
Ausnahmen vorgesehen werden können. Wie sich bereits aus der Behandlung als
Begriffspaar sowohl in § 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG als insbesondere auch in der Überschrift
von Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I
S. 1354) ergibt, hat der Gesetzgeber gerade keine strikte Unterscheidung zwischen
Einreise und Aufenthalt vorgenommen. Daraus folgt, dass sich die Frage nach der
Genehmigungsfreiheit oder Genehmigungspflicht der Einreise und des sich
anschließenden Aufenthalts nur einheitlich beantworten lässt.
30
Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 12 TG 947/92 -, EZAR 622 Nr.
17; Funke/Kaiser in GK- AuslR § 58 Rn. 4.
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Eine unterschiedliche Behandlung beider Tatbestände wäre auch nicht sachgerecht;
denn es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Negativstaater zwar trotz eines
unzureichenden Visums für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens eine
Duldungsfiktion nach § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG erlangen soll, ihm aber die Erteilung
einer Aufenthaltsgenehmigung unbeschadet der Ausnahmeregelungen in § 9 Abs. 1 Nr.
2 AuslG und § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DVAuslG nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG versagt bleibt.
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Gegen unterschiedliche materiell-rechtliche Anforderungen an die Visumspflicht
einerseits und die Aufenthaltsgenehmigungspflicht andererseits ist weiter anzuführen,
dass - wie bereits erwähnt - ein Visum keine qualitativ andere Art der
Aufenthaltsgenehmigung darstellt. Es ist vielmehr die jeweils konkret zum Zeitpunkt der
Einreise erforderliche Aufenthaltsgenehmigung, und zwar je nach Zweck und Dauer des
Aufenthalts der Sache nach Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsbewilligung oder
Aufenthaltsbefugnis. Hieraus ergibt sich zugleich, dass die im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr.
1 AuslG erforderliche Aufenthaltsgenehmigung diejenige ist, die der Ausländer für den
von ihm (in Wahrheit) angestrebten Aufenthaltszweck und dessen Dauer benötigt und
nicht nur ein für das Betreten des Bundesgebiets allein formell ausreichendes Visum.
33
Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juni 1994, a.a.O.
34
Nur die hier aufgezeigte und vom gesetzgeberischen Willen getragene Kongruenz
35
- vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 54 -
36
stellt die Intention der Regelungen des Ausländergesetzes über die Einreise von
Ausländern sicher, nach der die materielle Frage, ob der Ausländer sich im
Bundesgebiet aufhalten darf oder nicht, geprüft und entschieden wird, bevor der
Ausländer eingereist ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1996 a.a.O.; BT-Drucks. 11/6321, S. 57, 81.
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Dem entgegen wäre das öffentliche Interesse an der mit dem Visumszwang
beabsichtigten vorherigen Steuerung und Kontrolle von Einreise und Aufenthalt nicht
gewahrt, wenn Ausländer, deren Visum auf falschen Angaben über den
Aufenthaltszweck beruht, die Ermöglichung eines weiteren Aufenthalts über die
Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2 AuslG erlangen könnten.
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Die Sicherstellung der in der einheitlichen Betrachtungsweise von Einreise und
Aufenthalt zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Zielvorstellung verlangt, dass sie
grundlegend sein muss für die Auslegung einzelner Normen des Ausländergesetzes.
Schon deshalb lässt sich aus der Vorschrift des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AuslG, der
die Zurückweisung eines Ausländers an der Grenze einerseits bei einer unerlaubten
Einreise und andererseits bei einem Wechsel des Aufenthaltszwecks regelt, mit Blick
auf diese Differenzierung bereits vom Ansatz her kein tragendes Argument gegen die
hier vertretene Ansicht anführen.
40
So aber Hailbronner, a.a.O. § 58 Rn. 20.
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Des Weiteren vermag der Hinweis nicht zu überzeugen, dass § 60 Abs. 1 AuslG wegen
des vielfach umfangreichen Prüfungsaufwandes zur Feststellung einer materiell
unerlaubten Einreise in Fällen der vorliegenden Art so gut wie nie anwendbar wäre,
während mit § 60 Abs. 2 Nr. 2 AuslG eine diese Fälle abdeckende Sonderregelung
existiere.
42
Vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2000, a.a.O.
43
Dem ist vor allem entgegen zu halten, dass die praktische Bedeutsamkeit der Regelung
nach ihrem Normzweck keinen Rückschluss auf die Definition der unerlaubten Einreise
zulässt. Die Bedeutung des § 60 AuslG liegt in der zügigen Abwicklung des
grenzüberschreitenden Verkehrs.
44
Vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 77.
45
Dazu werden den Grenzschutzbehörden u.a. in § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AuslG
Möglichkeiten gegeben, dem Verdachtgrad entsprechend entweder zwingend oder im
Rahmen einer Ermessensentscheidung tätig zu werden.
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Es führt zu keinem anderen Ergebnis, dass in der zwischenzeitlich in Kraft getretenen
Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 28. Juni 2000 - AuslG-
VwV - (GMBL 2000, 618 = Bundesanzeiger Nr. 188a/2000) eine andere
Rechtsauffassung als hier vertreten wird. Darin wird unter Nr. 58.1.1.3.1 AuslG-VwV der
Begriff "erforderlich" im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG so verstanden, dass der
Ausländer irgendeine Aufenthaltsgenehmigung besitzen muss, sofern er nicht
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Regelungen unterliegt, die dem Ausländergesetz vorgehen, oder von dem Erfordernis
einer Aufenthaltsgenehmigung befreit ist. Davon ausgehend bestimmt Nr. 58.1.1.3.2
AuslG-VwV, dass eine unerlaubte Einreise nicht vorliegt, wenn der Ausländer mit einem
Visum einreist, das aufgrund seiner Angaben ohne die erforderliche Zustimmung der
Ausländerbehörde erteilt wurde, obwohl er bereits bei der Einreise einen
Aufenthaltszweck beabsichtigt, für den er ein Visum benötigt, das nur mit Zustimmung
der Ausländerbehörde erteilt werden darf. Indessen sind diese Regelungen für die
Gerichte nicht bindend. Es handelt sich bei ihnen ausschließlich um
norminterpretierende Verwaltungsvorschriften mit lediglich verwaltungsinterner Wirkung.
Maßgeblich für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "unerlaubten
Einreise" bleibt allein das Gesetz.
Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2000 - 6 B 18.00 -, NVwZ-RR 2000, 799.
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Deshalb ist es auch unerheblich, dass insoweit innerhalb der Verwaltung ein breiter
Konsens besteht, der insbesondere in der (erforderlichen) Zustimmung des Bundesrates
zum Erlass der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausdruck kommt.
49
Auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens bleibt ohne Einfluss, dass der hier in
Betracht zu ziehende § 9 Abs. 2 DVAuslG es abweichend von § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG
unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke
des Familiennachzugs nach der Einreise einzuholen, und dass § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG in
den Fällen der Einreise mit einem Visum, dass aufgrund der Angaben im Visumsantrag
ohne erforderliche Zustimmung der Ausländerbehörde erteilt worden ist, abweichend
vom besonderen Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG die Erteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung zulässt. Diese Regelungen verschaffen einem Ausländer kein
vorläufiges Bleiberecht im Bundesgebiet für die Durchführung eines
Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens. Hierzu enthält § 69 AuslG eine prinzipiell
abschließende Regelung.
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Vgl. Senatsbeschluss vom 30. August 1995 - 18 B 660/94 -.
51
Ob und inwieweit hiervon aus Gründen des Verfassungsrechts zur Vermeidung grober
Unbilligkeiten in Einzelfällen über die bisherige - hier nicht einschlägige -
Rechtsprechung des Senats hinaus gehend
52
- vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 1999 - 18 B 1338/97 -, InfAuslR 1999, 449 =
NVwZ-Beil. I 1999, 99 -
53
weitere Ausnahmen zulässig sind, bedarf hier keiner Erörterung, weil ein in solchen
Einzelfällen allenfalls in Betracht kommender Duldungsanspruch nicht in einem
Aussetzungsverfahren geltend gemacht werden kann. Hierzu sei lediglich darauf
hingewiesen, dass selbst die wohlbegründete Berufung auf Art. 6 GG einen Ausländer
in aller Regel nicht von der Verpflichtung freistellt, die einfachgesetzlichen Vorschriften
zur Verwirklichung seines Einreisewunsches zu beachten,
54
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 1994 - 1 B 123.94 -, Buchholz 402.240 § 9
AuslG 1990 Nr. 2 = InfAuslR 1995, 153 -
55
und im Streitfall die Erfordernisse des § 9 Abs. 2 DVAuslG jedenfalls deshalb nicht
erfüllt sein könnten, weil sich die Antragsgegnerin nach Abschluss des vorläufigen
56
Rechtsschutzverfahrens nicht mehr - was allein in Erwägung zu ziehen ist - geduldet im
Bundesgebiet aufhalten wird; denn ihr Aufenthalt wird vom Antragsteller lediglich aus
Anlass des vorliegenden Verfahrens und bis zu dessen Abschluss geduldet.
Von dem Vorstehenden ausgehend hätte die Antragsgegnerin als russische
Staatsangehörige für ihre Einreise zum Zwecke des Familiennachzugs eines mit
Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde erteilten Visums bedurft, das sie jedoch
nicht besaß.
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Anders verhielte es sich nur bei einem nach der Einreise eingetretenen Sinneswandel
zum Aufenthaltszweck. Ein solcher Sinneswandel ist vom Ausländer unter Darlegung
plausibler Umstände glaubhaft zu machen. Dabei kann offen bleiben, ob die
gesetzlichen Vermutungen des § 71 Abs. 2 Satz 2 AuslG über die Visumspflicht und die
Zustimmungsbedürftigkeit des Visums zwar für § 8 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AuslG, nicht aber
für die Frage der Unerlaubtheit der Einreise im Sinne von §§ 58 Abs. 1 Nr. 1, 69 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1 AuslG gelten. In jedem Fall obliegt die Darlegungslast hinsichtlich des
Sinneswandels dem eingereisten Ausländer, d. h. der Antragsgegnerin.
58
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. September 1986 - a.a.O.; Senatsbeschlüsse vom 14.
Dezember 1993 - 18 B 628/93 - m.w.N., a.a.O., und vom 24. Februar 1998 - 18 B 177/97
-, AuAS 1998, 134.
59
Der Senat vermochte nicht die erforderliche Überzeugung davon zu gewinnen, dass
sich die Antragsgegnerin erst nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet zu einem
Daueraufenthalt zum Zwecke des Familiennachzugs entschlossen hat. Grundlegende
Zweifel an der Richtigkeit der Angaben zum Aufenthaltszweck im Visumsantrag
ergeben sich daraus, dass die Antragsgegnerin zur Begründung ihres Visumsantrags
ein Einladungsschreiben der Firma "Mighty Maz Film- und
Fernsehproduktionsgesellschaft", Berlin, vom 10. November 1998, zu Verhandlungen
über Film- und Fernsehprojekte vorlegte, diese Firma aber nach den Ermittlungen des
Antragstellers seit einem Konkurs im Jahre 1997 nicht mehr gewerblich tätig war.
Weitere Zweifel werden durch das Verhalten der Antragsgegnerin nach ihrer Einreise
ins Bundesgebiet begründet. So begab sie sich - ohne einen erkennbaren
Zwischenaufenthalt an ihrem eigentlichen Zielort Berlin - bereits eine Woche nach ihrer
Einreise nach Bochum und beantragte dort bei der Ausländerbehörde die Verlängerung
ihres Sichtvermerks, wobei sie als Aufenthaltszweck nunmehr ein unverbindliches
"privat" angab, das einen Bezug zu ihrem im Visumsantrag gemachten
Aufenthaltszweck nicht mehr erkennen lässt. Dementsprechend unbestimmt ist auch der
wohl auf Nachfrage des zuständigen Sachbearbeiters bei der Ausländerbehörde
angebrachte amtliche Zusatz "kultureller u. touristischer Reisezweck".
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Die Antragsgegnerin hat die unschlüssigen Angaben zu den Beweggründen für ihre
Einreise und ihren Aufenthalt in Deutschland nicht zu erklären vermocht. Sie behauptet
lediglich unsubstantiiert, als Touristin in die Bundesrepublik eingereist zu sein und den
Entschluss zur Eheschließung erst während ihres hiesigen Aufenthalts gefasst zu
haben. Diese Einlassung ist nicht zuletzt auch deshalb unglaubhaft, weil die
Antragsgegnerin bei ihrer Einreise nach Deutschland eine vom Standesamt der Stadt T.
ausgestellte Ledigkeitsbescheinigung und eine beglaubigte Abschrift ihrer
Geburtsurkunde bei sich führte, die beide erst kurz zuvor am 11. Dezember 1998 erstellt
worden waren und für eine Eheschließung benötigt werden.
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Hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung zugleich enthaltenen
Abschiebungsandrohung ist der Aussetzungsantrag zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Abschiebungsandrohung erweist sich als rechtmäßig. Sie entspricht den rechtlichen
Anforderungen des § 50 AuslG. Die Antragsgegnerin ist vollziehbar ausreisepflichtig, da
sie die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt und unerlaubt eingereist ist
(§§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt
aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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