Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.09.2004

OVG NRW: anerkennung, beihilfe, operation, kosten und nutzen, fürsorgepflicht, orthopädie, ärztliche behandlung, versorgung, bursitis, krankheit

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 4294/01
Datum:
01.09.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 4294/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 10 K 4111/00
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger steht als Posthauptschaffner im Dienste der Beklagten und ist in dem hier
maßgeblichen Zeitraum des Jahres 2000 dieser gegenüber zu einem Bemessungssatz
von 70 % beihilfeberechtigt gewesen. In der Zeit vom 4. August bis zum 5. Oktober 1999
behandelte ihn der Facharzt für Orthopädie Dr. G. -K. T. wegen einer Bursitis calcarea
trochanterica links (Schleimbeutelentzündung mit nachfolgender Verkalkung des
betroffenen Schleimbeutels der linken Hüfte) an drei Behandlungstagen unter
Anwendung der sog. Extrakorporalen Stoßwellentherapie. Für jede dieser
Behandlungen stellte der Arzt dem Kläger mit Liquidation vom 20. April 2000 1.026,00
DM, mithin insgesamt 3.078,00 DM nach der GOÄ-Nr. 1860 (Extracorporale
Stoßwellenlithotripsie) in Rechnung.
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Den vom Kläger unter dem 27. Mai 2000 (u. a.) für diese Aufwendungen gestellten
Antrag auf Gewährung einer Beihilfe lehnte die Postbeamtenkrankenkasse -
Bezirksstelle N. - im Auftrag der Beklagten mit Bescheid vom 28. Juni 2000 ab. Die
geltend gemachten Aufwendungen seien weder beihilfe- noch erstattungsfähig, weil die
Extracorporale Stoßwellenlithotripsie eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte
Behandlungsmethode sei.
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Seinen hiergegen am 18. Juli 2000 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger
unter Vorlage einer Erklärung des behandelnden Arztes vom 20. April 2000 und
mehrerer Fachaufsätze wie folgt: Die Bursitis verursache eine erhebliche
Bewegungseinschränkung und extreme Beschwerden. Eine jahrelange intensive
konservative Behandlung z. B. durch Corticoid-Injektionen, Infusionsbehandlungen
gegen Schmerzen und physikalische Maßnahmen habe bei ihm zu keiner
Befundverbesserung geführt, weshalb er "austherapiert" sei. Die deshalb indizierte
Anwendung der Stoßwellentherapie hingegen habe bereits nach dreimaliger
Behandlung eine nachhaltige Besserung der Beschwerden herbeigeführt. Diese
Therapie sei zwar noch eine Außenseitermethode; zahlreiche wissenschaftliche
Statistiken und Abhandlungen belegten aber, dass die Methode über den Einzelfall
hinaus wirksam sei. Sie werde mittlerweile auf dem Gebiet der Orthopädie bei
"austherapierten" Patienten an fast jeder deutschen Universität angewandt. Im Übrigen
sei zu beachten, dass eine Operation mit weitaus höheren Kosten verbunden und damit
unwirtschaftlich gewesen wäre.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2000 wies die Beklagte - Deutsche Post
AG, Service Niederlassung Dienstrecht/Versorgung, Abteilung Beihilfe - den
Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Die Extrakorporale
Stoßwellentherapie sei, soweit sie bei orthopädischen, chirurgischen und
schmerztherapeutischen Indikationen eingesetzt werde, eine wissenschaftlich nicht
allgemein anerkannte Methode. Eine Prüfung im Benehmen mit dem
Bundesministerium der Gesundheit und dem Bundesministerium des Innern unter
Beteiligung der Bundesärztekammer habe ergeben, dass es insoweit an klinischen
Studien über die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode fehle. Die in
Erfahrungsberichten des behandelnden Arztes sowie weiterer Ärzte beschriebene
Wirksamkeit treffe möglicherweise nur bei einem Teil der Patienten zu. Außerdem sei
die berichtete Wirkung häufig nur eine vorrübergehende. Deshalb sei die Extrakorporale
Stoßwellentherapie in den Hinweisen zu § 6 Abs. 2 BhV ausdrücklich von der
Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Außerdem liege bei dem Kläger auch keine
lebensbedrohliche Erkrankung vor, welche eine einzelfallbezogene abweichende
Entscheidung rechtfertigen könne.
5
Hiergegen hat der Kläger am 15. November 2000 Klage erhoben, zu deren Begründung
er über sein bisheriges Vorbringen hinausgehend vorgetragen hat: Mit Blick darauf,
dass die Anwendung der ESWT nach GOÄ Nr. 1860 ausdrücklich erstattungsfähig sei,
dürfe ihre Beihilfefähigkeit nicht zu seinen Lasten verneint werden. Die auf der
Grundlage der NUB-Richtlinien erfolgte Entscheidung des Bundesausschusses vom 24.
April 1998, die ESWT der Anlage B zuzuordnen, sei mangels vorheriger gesonderter
Prüfung der neuen Methode als Regelleistung einerseits und als Ausnahmeleistung für
"austherapierte" Patienten andererseits hinsichtlich letzterer nicht haltbar. Eine
Erstattungspflicht folge auch aus Fürsorgegesichtspunkten, da wissenschaftlich
anerkannte Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung stünden und die
begründete Erwartung einer wissenschaftlichen Anerkennung der ESWT bestehe.
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In der mündlichen Verhandlung erster Instanz vom 5. September 2001 hat der Kläger u.
a. erklärt: Dr. T. habe kurz die Möglichkeit angesprochen, dass man die Bursitis operativ
angehen könne. Er habe aber auch sofort gesagt, dass vor allem als
Behandlungsmethode die ESWT in Betracht komme. Über die Frage einer Operation
hätten sich der Arzt und er dann nicht weiter unterhalten. Insbesondere sei es nicht so
gewesen, dass er - der Kläger - sich bewusst und ausdrücklich gegen die Operation
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entschieden hätte. Die Sache habe vielmehr ihren Lauf genommen und sich in Richtung
der ESWT entwickelt.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Juni 2000, soweit er
entgegensteht, und des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2000 zu verpflichten,
eine Beihilfe zu den beihilfefähigen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der
ESWT entstanden sind, zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und zur Begründung ergänzend ausgeführt: Es sei nicht fürsorgepflichtwidrig oder
willkürlich und damit nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr die Erstattung von
Kosten einer Behandlung ausschließe, deren wissenschaftliche Bewährung zweifelhaft
sei. Dem stehe auch der Eintritt von Behandlungserfolgen im Einzelfall nicht entgegen.
Denn dieses Kriterium könne generell kein geeigneter Maßstab für die Beurteilung der
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen sein, da die Beihilfefähigkeit sonst von einer
Erfolgskontrolle abhängen würde. Es bedürfe vielmehr allgemeiner Kriterien. § 6 Abs. 2
BhV konkretisiere das Merkmal der medizinischen Notwendigkeit dahingehend, dass
die Behandlungsmethoden, die mangels wissenschaftlicher Anerkennung eine
erfolgversprechende Behandlung nicht zu sichern vermöchten und bei denen ggf. eine
Gefährdung des Patienten nicht ausgeschlossen werden könne, von der
Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden könnten. Zudem gehe aus der
Bekanntmachung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bei der
Bundesärztekammer über die Einführung neuer Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden (NUB/BUB-Richtlinien) vom 10. Dezember 1999 hervor, dass
die ESWT eindeutig eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode sei,
für die auch seitens der gesetzlichen Krankenversicherung in absehbarer Zeit nicht mit
einer Beleistung zu rechnen sei. Im Falle des Klägers habe es außerdem eine
beihilfefähige Behandlungsalternative gegeben, da neben der Anwendung der ESWT
die Durchführung einer Operation möglich gewesen wäre. Schließlich scheide die
Beihilfefähigkeit der Abrechnung aber auch deshalb aus, weil es für die durchgeführten
Behandlungen in der Gebührenordnung für Ärzte an einer entsprechenden
Gebührenziffer fehle und eine analoge Bewertung der in der Rechnung genannten
GOÄ-Nr. unter Nr. 1.5 des Anhanges 1 im Hinweis 7 zu § 5 Abs. 1 BhV - der
beihilferechtlich abschließenden Aufführung von Analogbewertungen - nicht existiere.
Die in der Rechnung angegebene Gebührenziffer gehöre, wie schon der Begriff der
Lithotripsie verdeutliche, allein in den hier nicht einschlägigen Bereich der Urologie.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. September 2001 abgewiesen
und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Die streitigen
Aufwendungen seien nicht beihilfefähig. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit im
Hinblick auf die ESWT bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen
Indikationen, den das Bundesministerium des Innern mit Rundschreiben vom 28.
September 1998 auf der Grundlage der die Vorgaben des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV
konkretisierenden Regelung des § 6 Abs. 2 BhV vorgenommen habe, sei nicht zu
beanstanden. Denn es fehle insoweit bislang an einer allgemeinen wissenschaftlichen
Anerkennung. Das ergebe sich insbesondere aus den Richtlinien des
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Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien vom 10. Dezember
1999), die auf § 135 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V gestützt und sonach
gesetzlich dazu bestimmt seien, die Abrechnung neuer Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen von der Anerkennung des
diagnostischen und therapeutischen Nutzens durch ein besonderes
Sachverständigengremium abhängig zu machen. Die hier in der Anlage B Nr. 23 dieser
Richtlinien erfolgte Versagung der Anerkennung der ESWT bei den oben angeführten
Indikationen lasse den Schluss zu, dass es dieser Behandlungsmethode auch über den
Bereich der kassenärztlichen Versorgung hinaus allgemein an dem Merkmal der
wissenschaftlichen Anerkennung fehle. Bei dieser Sachlage sei es Sache des
Beihilfeberechtigten, die Ausschlussentscheidung des Bundesministeriums des Innern
substantiiert in Frage zu stellen, was dem Kläger nicht gelungen sei. Die
Ausschlussentscheidung werde auch nicht durch den vom Kläger behaupteten
Behandlungserfolg in Zweifel gezogen, weil eine allgemein nur mögliche, im Verhältnis
von Ursache und Wirkung sowie nach Grad und Dauer nicht einschätzbare
Verbesserung der körperlichen und seelischen Verfassung nicht allein ausreiche, um
eine Behandlungsmethode als wissenschaftlich allgemein anerkannt anzusehen. Das
Bundesministerium des Innern habe bei seiner Ausschlussentscheidung auch nicht
etwa die besondere Situation "austherapierter" Patienten gesondert berücksichtigen
müssen. Denn dieser Situation werde bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen,
dass solchen Patienten aus allgemeinen Fürsorgegesichtspunkten unter bestimmten
Voraussetzungen ausnahmsweise auch eine Beihilfe für wissenschaftlich nicht
allgemein anerkannte Behandlungsmethoden gewährt werde. Zu diesen
Voraussetzungen zähle es u. a., dass für das Krankheitsbild des Beihilfeberechtigten
keine möglicherweise erfolgversprechenden wissenschaftlich anerkannten
Behandlungsmethoden (mehr) zur Verfügung stünden. Diese Voraussetzung sei hier
nicht erfüllt, da für den Kläger die zumutbare Möglichkeit einer operativen Behandlung
seiner Erkrankung bestanden habe. Die Beihilfefähigkeit der ESWT ergebe sich auch
nicht aus der GOÄ-Nr. 1860, weil die Verweisung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV auf die
GOÄ nur auf die Angemessenheit, also die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen
ziele und deshalb eine Beihilfefähigkeit dem Grunde nach voraussetzte. Abgesehen
davon werde die hier erfolgte Nutzung der ESWT zu orthopädischen Zwecken vom
Wortlaut der fraglichen GOÄ-Nr. nicht erfasst, weil diese Nummer nur den Einsatz dieser
Behandlungsmethode in der Urologie betreffe.
Zur Begründung der von dem Senat mit Beschluss vom 7. Mai 2002 zugelassenen
Berufung trägt der Kläger noch ergänzend vor: Zur Verneinung der Beihilfefähigkeit der
streitigen Aufwendungen hätte sich das Verwaltungsgericht nicht auf die BUB-
Richtlinien stützen dürfen, weil diese nur für gesetzliche Krankenkassen gelten würden.
Die dortige Ausschlussentscheidung stamme zudem aus dem Jahre 1999 und wäre
wegen der ansteigenden Akzeptanz der ESWT zumindest zu überprüfen gewesen.
Maßgeblich seien außerdem nicht die Richtlinien, sondern deren
Entscheidungsgrundlagen. Die wissenschaftliche Anerkennung der ESWT sei danach
bereits gegeben. Die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen ergäben
sich aus der Erkrankung selbst und der Entscheidung des behandelnden Arztes. Die
Beihilfefähigkeit der Aufwendungen folge auch aus § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV i.V.m. GOÄ-
Nr. 1860, weil § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV auch hinsichtlich der Notwendigkeit auf die GOÄ
verweise und deren Nr. 1860 jegliche Extrakorporale Lithotripsie (z. B. auch in Bezug
auf Gallensteine) erfasse. Im Übrigen würden allein die Beihilfebehörden des Bundes
eine Kostenübernahme verweigern. Der erhobene Anspruch folge auch aus der
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Fürsorgepflicht, hinsichtlich derer dem Dienstherrn ein Gestaltungsspielraum zustehe.
Denn zumindest bestehe die ernstzunehmende Aussicht auf eine zukünftige
Anerkennung der ESWT. Insoweit sei im Übrigen zu berücksichtigen, dass sich die
Ärzte von einer Operation des Klägers keine Hilfe versprochen hätten und dass diesem
eine Operation mit Blick auf drei erfolgte Operationen im Lendenwirbelbereich und die
Risiken einer Operation nicht zumutbar gewesen wäre, zumal er ängstlich sei und sich
einem Eingriff in seine persönliche Unversehrtheit auch nicht stellen müsse.
Der Kläger fasst seinen erstinstanzlichen Antrag klarstellend dahingehend neu, dass er
beantragt,
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die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Bescheides der
Postbeamtenkrankenkasse - Bezirksstelle N. - vom 28. Juni 2000 und des
Widerspruchsbescheides der Deutschen Post AG - Service Niederlassung
Dienstrecht/Versorgung, Abteilung Beihilfe - vom 16. Oktober 2000 zu verpflichten, ihm
eine weitere Beihilfe in Höhe von 1.101,63 EUR (entspricht 70 % von 3.078,00 DM =
2.154,60 DM) zu gewähren.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem neu gefassten Antrag erster Instanz zu
erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt sie ergänzend aus: Die ESWT sei in der Anlage zu § 6 Abs. 2
BhV zu Recht von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen worden, weil sie nicht von einer
Mehrheit der im betreffenden Fachbereich tätigen Wissenschaftler als wirksame
Behandlungsmethode angesehen werde. Dies folge bereits aus der Nichtaufnahme der
ESWT in die Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB- Richtlinien). Diese hätten
zwar keine rechtliche Bindungswirkung für das Beihilferecht, seien aber als eine Art
antizipiertes, den unbestimmten Rechtsbegriff der wissenschaftlichen Anerkennung
einer Behandlungsmethode konkretisierendes Sachverständigengutachten zu
qualifizieren. Sie seien Ausdruck wissenschaftlichen Sachverstandes, da sie von
fachkundiger Stelle erstellt würden und auf breiter wissenschaftlicher Grundlage
basierten. Der Bundesausschuss würdige den Antrag, der Angaben zu Nutzen und
medizinischer Notwendigkeit enthalten müsse, gebe Sachverständigen der
Medizinischen Wissenschaft und Praxis, Dachverbänden und anderen Beteiligten
Gelegenheit zur Stellungnahme, stelle im Überprüfungsverfahren eigene Recherchen
an und orientiere seine Entscheidung u. a. an dem Kriterium der "Medizinischen
Notwendigkeit". Auch ein Anspruch aufgrund der Fürsorgepflicht bestehe nicht. Denn es
bestünden gerade mit Blick auf die BUB-Richtlinien keine Anhaltspunkte dafür, dass die
ESWT nach wissenschaftlicher Auffassung eine ernstzunehmende Aussicht auf
zukünftige Anerkennung habe. Die von dem Kläger vorgelegten Berichte und
Literaturangaben zeigten lediglich, dass es überhaupt Mediziner gebe, die diese
Therapien mit - worauf auch immer beruhendem - Erfolg anwendeten. Die oben
angeführte Aussicht lasse sich auch nicht aus einer Linderung eines Leidens im
Einzelfall herleiten, weil dem Beihilferecht eine Erfolgsbetrachtung im Einzelfall fremd
21
sei. Ein Gestaltungsspielraum im Rahmen der Fürsorgepflicht bestehe nicht, weil das
Beihilferecht nur gebundene Entscheidungen kenne. Die GOÄ Ziffer 1860 schließlich
befinde sich systematisch in dem Abschnitt K der GOÄ, der urologische Leistungen
betreffe. Die Lithotripsie sei auf die Zertrümmerung von Nieren-, Blasen- und
Gallensteinen beschränkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (ein Heft) sowie auf die zum
Gegenstand des Verfahrens gemachten wissenschaftlichen und sonstigen
Publikationen ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23
Die form- und fristgerecht begründete Berufung hat keinen Erfolg. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
24
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die von ihm begehrte
(weitere) Beihilfe in Höhe von 1.101,63 EUR für die Aufwendungen gewährt, die ihm
aufgrund seiner dreimaligen Behandlung mit der Extrakorporalen Stoßwellentherapie
(im Folgenden: ESWT) entstanden sind. Der insoweit ablehnende Bescheid der
Postbeamtenkrankenkasse - Bezirksstelle N. - vom 28. Juni 2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Deutschen Post AG - Service Niederlassung
Dienstrecht/Versorgung, Abteilung Beihilfe - vom 16. Oktober 2000 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der behauptete Anspruch folgt nicht aus
den einschlägigen Beihilfevorschriften, weil die Beihilfefähigkeit der in Rede stehenden
Aufwendungen in nicht zu beanstandender Weise ausgeschlossen worden ist (1.), und
kann auch nicht ausnahmsweise aus der Fürsorgepflicht (2.) oder aus sonstigen
Gesichtspunkten (3.) hergeleitet werden.
25
1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht in Anwendung der
Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-,
Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV) zu.
26
Das folgt im vorliegenden Fall allerdings nicht schon aus einer generellen
Unanwendbarkeit dieser auf der Grundlage des § 200 BBG erlassenen
Verwaltungsvorschriften, die die in § 79 Satz 1 BBG nur im Allgemeinen festgelegte
Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Ermangelung einer näheren Regelung durch Gesetz
oder Verordnung im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller
Beihilfeberechtigten in den Beihilfefällen regeln, indem sie die Ausübung des
Ermessens der zur Erfüllung der Fürsorgepflicht berufenen Stellen zentral binden. Zwar
genügen die Beihilfevorschriften des Bundes wegen ihres Charakters als bloße
Verwaltungsvorschriften nach der jüngsten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts
27
- BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 -,
28
mit der das Bundesverwaltungsgericht seine bisherige, bislang auch vom Senat
nachvollzogene Rechtsprechung aufgegeben hat,
29
vgl. BVerwG, Urteile vom 18. September 1985 - 2 C 48.84 -, BVerwGE 72, 119 = ZBR
1986, 57 = NVwZ 1986, 298, und vom 24. November 1988 - 2 C 18.88 -, BVerwGE 81,
30
27 = NJW 1989, 1558 = ZBR 1989, 284; OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2002 - 1 A
178/00 -, IÖD 2002, 225, und Urteil vom 27. September 2001 - 1 A 193/00 -, DÖD 2002,
182 = NVwZ-RR 2002, 674,
nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts, nach dem die
wesentlichen Entscheidungen über die Leistungen an Beamte, Richter und
Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber
zu treffen hat.
31
Im Sinne der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits zuvor
Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, Komm., Stand: Juli 2004, Anhang VI/1, Einführung,
III 2.
32
Die Beihilfevorschriften sind aber für eine Übergangszeit noch anzuwenden
33
- BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 -
34
und bleiben damit selbstverständlich auch für in der Vergangenheit liegende Fälle
anwendbar.
35
Die Beihilfevorschriften, die nach dem Vorstehenden hier noch taugliche Grundlage für
die rechtliche Bewertung des vom Kläger geltend gemachten Anspruches sind, sind in
der bei Entstehen der Aufwendungen maßgeblichen Fassung anzuwenden,
36
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2002 - 1 A 178/00 -, a.a.O., m.w.N.,
37
hier also in der ab dem 1. Januar 1999 geltenden, durch Änderungsvorschrift vom 8.
Januar 1999 (GMBl. S. 58) geänderten Neufassung der Beihilfevorschriften vom 10. Juli
1995 (GMBl. S. 470).
38
Aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BhV u. a. die
Aufwendungen für ärztliche Leistungen, zu welchen auch die im Falle des Klägers
wegen seiner Erkrankung durchgeführte Behandlung mittels der ESWT zählt. Nach § 5
Abs. 1 Satz 1 BhV sind solche Aufwendungen indes nur beihilfefähig, wenn sie dem
Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Für die
Notwendigkeit von Aufwendungen für Untersuchungen und Behandlungen nach einer
wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode gilt die Spezialvorschrift des § 6
Abs. 2 BhV
39
- vgl. Mildenberger, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Komm., Stand:
Februar 2004, Anm. 3 Abs. 6 zu § 5 Abs. 1 BhV -,
40
nach der das Bundesministerium des Innern die Beihilfefähigkeit solcher Aufwendungen
begrenzen oder ausschließen kann. Eine solche den Begriff der Notwendigkeit
konkretisierende Ausschlussregelung, die die Beihilfefähigkeit der hier in Rede
stehenden Aufwendungen gänzlich ausschließt, lag im hier maßgeblichen Zeitpunkt
des Entstehens der Aufwendungen (4. August bis 5. Oktober 1999) vor. Denn das
Bundesministerium des Innern hatte bereits mit Rundschreiben vom 28. September
1998 (GMBl. S. 938) seinen Hinweis 1 zu § 6 Abs. 2 BhV, in dem diejenigen
wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden aufgelistet sind, für die die
Beihilfefähigkeit der Aufwendungen völlig ausgeschlossen wird, um den Passus
41
"Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) bei orthopädischen, chirurgischen und
schmerztherapeutischen Indikationen" ergänzt.
Der allgemeine Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine
Behandlung mittels der ESWT bei - im Falle des Klägers seinerzeit gegebener -
orthopädischer und/oder schmerztherapeutischer Indikation hält der
verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung jedenfalls bezogen auf das bei dem Kläger
behandelte Krankheitsbild stand.
42
Das Erfordernis der wissenschaftlichen allgemeinen Anerkennung einer
Untersuchungs- oder Behandlungsmethode als Voraussetzung für ihre Beihilfefähigkeit
und ein auf ihrem Fehlen beruhender allgemeiner Ausschluss bestimmter
Aufwendungen ist mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn grundsätzlich vereinbar. Denn
die Fürsorgepflicht gebietet dem Dienstherrn nicht, dem Beihilfeberechtigten eine
Beihilfe zu objektiv nicht notwendigen Aufwendungen zu gewähren. Mit einem solchen
Erfordernis wird einerseits die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für bewährte und
erfolgversprechende Untersuchungen und Behandlungen gesichert; andererseits trägt
diese Voraussetzung auch dem Gebot sparsamer Haushaltsführung durch den
Dienstherrn Rechnung.
43
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, ZBR 1996, 48 = NJW 1996, 801 =
DÖD 1996, 90; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 1995 - 4 S 642/94
-, Schütz, BeamtR ES/C IV 2 Nr. 90, m.w.N.; ferner Mildenberger, a.a.O., Anm. 19 Abs. 4
zu § 6 Abs. 2 BhV.
44
Eine Behandlungsmethode ist wissenschaftlich allgemein anerkannt, wenn sie von der
herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft
für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um
"anerkannt" zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von
anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder
zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu
können. Um "wissenschaftlich" anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen
Personen vorliegen, die an Hochschulen und an anderen Forschungseinrichtungen als
Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Für die
Allgemeinheit der Anerkennung schließlich muss die Therapieform zwar nicht
ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und
wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann
"wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt", wenn eine Einschätzung ihrer
Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung
tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der
Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder
jedenfalls gering beurteilt.
45
Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, a.a.O., und vom 18. Juni 1998 - 2
C 24.97 -, NJW 1998, 3436 = ZBR 1999, 25 = DÖD 1999, 208.
46
Grundlage für eine positive Einschätzung der Wirksamkeit und Geeignetheit der neuen
Methode können nur kontrollierte, wissenschaftlichen Standards genügende Studien
sein; bloße Erfahrungsberichte von Ärzten, die die neue Methode angewendet haben,
reichen insoweit nicht aus.
47
Vgl. Mildenberger, a.a.O., Anm. 19 Abs. 5 zu § 6 Abs. 2 BhV, m.w.N.; zu den
methodischen Grundprinzipien therapeutischer Studien vgl. etwa die Übersicht in
Rompe, J.-D., et al.: "Muskuloskeletale Stoßwellenaplikation - Aktueller Stand der
Klinischen Forschung zu den Standardindikationen", Zeitschrift für Orthopädie 2002, S.
267 ff. (271).
48
In Anwendung dieser Grundsätze fehlte es der für orthopädische oder
schmerztherapeutische Zwecke eingesetzten ESWT in Bezug auf das Krankheitsbild
des Klägers - Bursitis calcarea trochanterica - 1999 schon deshalb an der allgemeinen
wissenschaftlichen Anerkennung, weil insoweit eine durch geeignete wissenschaftliche
Studien belegte Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch im Bereich der
Orthopädie tätige Wissenschaftler nicht vorlag.
49
Schon der Vortrag des Klägers, dem die Darlegung der Notwendigkeit der in Anspruch
genommenen Behandlung i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV und damit auch der allgemeinen
wissenschaftlichen Anerkennung einer hierbei verwendeten Methode obliegt, lässt eine
allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der ESWT bezogen auf seine Erkrankung
nicht hervortreten. Eine entsprechende Darlegung ist dem Kläger insbesondere nicht mit
den von ihm im Verwaltungs- und im Klageverfahren vorgelegten medizinischen
Schriften gelungen. Für die ärztliche Bescheinigung des behandelnden Arztes vom 20.
April 2000 gilt dies schon deshalb, weil sie weder eine wissenschaftliche Studie
darstellt noch eine solche auch nur benennt. Die Kurzreferate, die auf der 46.
Jahrestagung der Norddeutschen Orthopädenvereinigung e. V. im Jahre 1997 gehalten
worden sind, enthalten - ungeachtet der Frage der wissenschaftlichen Qualität der ihnen
zugrunde liegenden Untersuchungen - ebenfalls keine Hinweise auf eine allgemeine
wissenschaftliche Anerkennung der ESWT in Bezug auf die Bursitis calcarea
trochanterica, sondern beschränken sich auf positive Aussagen zu den folgenden
Krankheitsbildern bzw. Problematiken: Erkrankungen der Schulter, verzögerte
Frakturheilung/Pseudoarthrose, Nachbehandlung von Patienten mit endoprothetischem
Ersatz des Kniegelenks, sog. Tennisellbogen (Epicondylitis humeri radialis) und
Fersensporn. Die ferner vorgelegte Schrift des Dr. Dahmen ("Die Extrakorporale
Stoßwellentherapie (ESWT) als neues analgetisches Verfahren zur Behandlung von
knochennahen und Weichteilschmerzen: Indikationen, Technik und bisherige
Ergebnisse") ist ebenfalls nicht geeignet, eine allgemeine wissenschaftliche
Anerkennung im oben genannten Sinne zu belegen. Die kontrollierte prospektive
Studie, die diesem Aufsatz zugrunde lag, stellt nämlich offensichtlich nur einen
(besseren) Erfahrungsbericht über durchgeführte Behandlungen dar - auch der Aufsatz
selbst spricht davon, dass er über Patienten "berichtet" (Punkt 4 a. E.) - und lässt eine
Randomisierung und/oder Verblindung nicht erkennen. Vor allem aber erweist sich die
Datengrundlage, die dieser Bericht zur "Insertionsendopathie am Trochanter major"
nennt, mit lediglich zehn Patienten als wesentlich zu gering. Die beiden weiteren zur
Akte gereichten Aufsätze (Dr. Haist, in: Orthopädische Praxis 9/1995, S. 591, und Dr.
Rompe u. a., in: Orthopädische Praxis 8/1996, S. 558) schließlich treffen nicht nur keine
Aussage zu der bei dem Kläger vorliegenden Erkrankung, sondern verdeutlichen
(sogar), dass - aus der Sicht dieser Autoren - von der Wirksamkeit der ESWT im
jeweiligen Zeitpunkt der Publikation (nur) bei den Krankheitsbildern Epicondylitis
radialis und ulnaris, plantare Fasziitis (Fersensporn), Tendinosis/Tendinitis calcarea der
Schulter und bei Knochenbruchheilungsstörungen (Pseudoarthrosen) ausgegangen
werden konnte.
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Für das auf der Grundlage des klägerischen Vortrags ermittelte Ergebnis und gegen die
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Annahme einer allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung der ESWT in Bezug auf
die Bursitis calcarea trochanterica dürfte zumindest indiziell auch die Tatsache
sprechen, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die ESWT bei
orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen bereits seit
dem 24. April 1998 (sogar) generell als Methode einstuft, die nicht als vertragsärztliche
Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf.
Vgl. die entsprechende Bekanntmachung der Änderung der Anlage B der Richtlinien
über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die
Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen (NUB- Richtlinien) vom 24. April
1998 (BAnz. S. 10507) und die Fortschreibung dieser Entscheidung in der Anlage B der
Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
gemäß § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (BUB-Richtlinien), BAnz. S. 4602;
vgl. ferner den ausführlichen "Zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses
"Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die
Beratungen des Jahres 1998 zur Bewertung der Extrakorporalen Stoßwellentherapie
(ESWT) bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen
gemäß § 135 Abs. 1 SGB V" vom 22. Juli 1999, im Internet verfügbar unter www.g-
ba.de/pdf/abs5/berichte/HTA- ESWT.pdf; zur - umstrittenen - Rechtsnatur der NUB- bzw.
BUB-Richtlinien etwa als untergesetzliche Rechtsnormen oder Wiedergabe
wissenschaftlicher Erfahrungssätze ohne Rechtsnormqualität vgl. etwa Gesetzliche
Krankenversicherung, Lehr- und Praxiskommentar (LPK-SGB V), 1. Aufl. 1999, SGB V §
92 Rn. 11 f., m.w.N.; vgl. ferner Butzer/ Kaltenborn, MedR 2001, 333 ff. (335).
52
Einer solchen indiziellen Bedeutung steht nicht schon entgegen, dass der maßgebliche
Beschluss bereits vom 24. April 1998 stammt und nach der im Klageverfahren
geäußerten Auffassung des Klägers mit Blick auf die fortgeschrittene Akzeptanz der
ESWT zumindest einer Überprüfung bedarf, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die
Beurteilung der Beihilfefähigkeit der streitigen Behandlungen und damit auch für die
Beurteilung der wissenschaftlichen Anerkennung der ESWT hier - wie bereits
ausgeführt - das Jahr 1999 und nicht etwa ein späterer Zeitpunkt ist.
53
Allerdings könnte es zweifelhaft erscheinen, ob diese Entscheidung des
Bundesausschusses die Schlussfolgerung zulässt, dass es der fraglichen
Behandlungsmethode auch über den Bereich der Kassenärztlichen Versorgung hinaus
allgemein - und damit auch für den Bereich der Beihilfe - an dem Merkmal der
allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung fehlt
54
- für eine solche Schlussfolgerung VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 22.
Februar 1995 - 4 S 642/94 -, a.a.O., Urteil vom 10. Juli 1997 - 4 S 1980/95 -, juris, und
Beschluss vom 3. Mai 2002 - 4 S 512/02 -, IÖD 2002, 179 und 188 (zur ESWT); dem
VGH Baden-Württemberg folgend VG Augsburg, Urteil vom 20. Dezember 2001 - Au 2 K
99.201 -, juris (zur ESWT), VG Lüneburg, Urteil vom 18. Juni 2003 - 1 A 311/01 - und
Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. April 2004 - 2 LA 293/03 -, juris -
55
oder sogar - wie die Beklagte meint - als sog. "antizipiertes Sachverständigengutachten"
eingestuft werden kann.
56
Problematisch könnten solche Annahmen zunächst deshalb sein, weil der
Bundesausschuss seiner Entscheidung nicht nur das Kriterium einer (allgemeinen)
wissenschaftlichen Anerkennung der jeweils fraglichen Behandlungsmethode
57
zugrundelegt, sondern insbesondere auch den Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit in
seine Überlegungen einstellt. Dies lässt sich sowohl der Vorschrift, die sich mit den
Richtlinien des Bundesausschusses befasst (§ 92 SGB V), als auch der
Qualitätssicherungsregelung des § 135 SGB V entnehmen. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1
Halbs. 1 SGB V beschließen nämlich die Bundesausschüsse die zur Sicherung der
ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine
ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, und
gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung
zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn die Bundesausschüsse der
Ärzte und Krankenkassen auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer
Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in
Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V - das sind solche über die Einführung
neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - Empfehlungen abgegeben haben
über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen
Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im
Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem
jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen
Therapieeinrichtung. Die bereits zitierten NUB- bzw. BUB-Richtlinien enthalten
dementsprechend unter Punkt 7.3 eine Aufzählung der Einzelkriterien, die bei der
Überprüfung der "Wirtschaftlichkeit" einer Methode insbesondere anzuwenden sind.
Diesen mit dem Entscheidungsgesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit verknüpften
Bedenken dürfte allerdings jedenfalls im vorliegenden Fall keine maßgebliche
Bedeutung zukommen, weil das Votum des Arbeitsausschusses "ärztliche Behandlung"
des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Bewertung der ESWT, dem
der Bundesausschuss gefolgt ist, seine Einstufung der ESWT nach ausführlicher
Recherche und Bewertung der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur allein schon
darauf gestützt hat, dass die Wirksamkeit und medizinische Notwendigkeit der ESWT
bei den verschiedenen Indikationen nicht hinreichend belegt sei.
Vgl. insoweit den bereits zitierten "Zusammenfassenden Bericht" vom 22. Juli 1999, S.
1, 34.
58
Ferner könnte (grundsätzlich) auch die Zusammensetzung des Bundesausschusses
jedenfalls einer Einschätzung seiner auf einzelne Behandlungsmethoden bezogenen
Entscheidungen als antizipierte Sachverständigengutachten entgegenstehen. Die
Anerkennung eines Regelwerks als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten setzt
nämlich jedenfalls voraus, dass es von einem Fachgremium ausschließlich aufgrund
der zusammengefassten Sachkunde und Erfahrung seiner sachverständigen Mitglieder
erstellt worden ist.
59
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 98 Rn. 3 a.
60
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bestand jedoch gemäß § 91 Abs.
1, Abs. 2 Satz 1 SGB V in der vom 24. Juni 1998 bis zum 31. Dezember 2003 geltenden
Fassung aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen
Mitgliedern, neun Vertretern der Ärzte, drei Vertretern der Ortskrankenkassen, zwei
Vertretern der Ersatzkassen, je einem Vertreter der Betriebskrankenkassen, der
Innungskrankenkassen, der landwirtschaftlichen Krankenkassen sowie der
knappschaftlichen Krankenversicherung. Er zeichnete sich damit durch eine Besetzung
im Wesentlichen mit Interessenvertretern aus, die allerdings paritätisch war und bei der
61
die drei unabhängigen Mitglieder ggf. den Ausschlag geben konnten. Der seit dem 1.
Januar 2004 nach § 91 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V geschaffene Gemeinsame
Bundesausschuss, der die bisher bestehenden Bundesausschüsse der Ärzte und
Krankenkassen bzw. der Zahnärzte und Krankenkassen ersetzt, weist im Übrigen eine
ähnliche Zusammensetzung auf.
Diese aufgeworfenen, eine indizielle Bedeutung der Entscheidungen des
Bundesausschusses unter Umständen abschwächenden oder in Frage stellenden
Problemstellungen muss der Senat indes keiner abschließenden Klärung zuführen.
Denn das bereits auf der Grundlage des klägerischen Vortrags sich ergebende Resultat
wird durch eine Auswertung der in den letzten Jahren zu Fragen der Wirksamkeit der
ESWT erschienenen Fachpublikationen nachhaltig bestätigt. Jedenfalls auf der
Grundlage dieser Veröffentlichungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die
ESWT in Bezug auf die Behandlung des Klägers im Jahre 1999 keine allgemein
anerkannte wissenschaftliche Methode dargestellt hat; einer Beweiserhebung durch
Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es schon aus diesem Grunde
nicht.
62
Diese Auswertung verdeutlicht nämlich, dass als gesicherte, d. h. wissenschaftlich
allgemein anerkannte Indikationen allenfalls heute maximal vier - teilweise als
"Standardindikationen" bezeichnete - Erkrankungen gelten können: Tendinosis
calcarea der Schulter, Epikondylitis humero radialis, Fasciitis plantaris und
Pseudoarthrose.
63
Vgl. Dubs, B.: "Extrakorporale Stoßenwellen- Therapie (ESWT): eine neue
Errungenschaft oder nur ein Plazebo?", in: Schweiz Med Forum 2003, S. 227 ff.;
Niethard, F. U.: "Extrakorporale Stoßwellentherapie in der Orthopädie - Kosten und
Nutzen", in: Zeitschrift für Orthopädie 2002, S. 265 f.; Rompe, J.-D. et al.: "Extrakorporale
Stoßwellentherapie - Experimentelle Grundlagen, klinischer Einsatz", in: Der Orthopäde
1997, S. 215 ff.; Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und
Traumatologie e. V. an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen vom 16. Januar
2001 und Stellungnahme des PD Dr. M. Loew an dieses Ministerium vom 11.
September 2000 (aus VG Augsburg - Au 2 K 99.1698 -); vorsichtiger sogar in Bezug auf
diese vier Indikationen: Pleiner, J./Imhof, A./Quittan, M: "Extrakorporale
Stoßwellentherapie bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats", in:
Medizinische Monatsschrift für Pharmazeuten 2002, S. 236 ff.: "relativ gut gesichert";
Rompe, J.-D. et al.: "Muskuloskeletale Stoßwellenaplikation - Aktueller Stand der
klinischen Forschung zu den Standardindikationen", in: Zeitschrift für Orthopädie 2002,
S. 267 ff., die vom Vorliegen positiver und negativer Ergebnisse prospektiver
Untersuchungen zur Therapie der genannten Erkrankungen mittels der ESWT sowie
davon sprechen, dass die vorliegenden Studien - bis auf eine, allerdings sehr
hochwertige Studie zur Behandlung der Epikondylitis - auf einen Therapieeffekt bei den
genannten Krankheitsbildern hindeuteten; noch zurückhaltender Wild, C./Khene, M./
Wanke, S.: "Extracorporal Shock Wave Therapy in Orthopedics", in: International
Journal of Technology Assessment in Health Care 2000, S. 199 ff., die zwar
ermutigende Resultate bei den vier genannten Indikationen konstatieren, einen
eindeutigen Wirksamkeitsnachweis nach strengen wissenschaftlichen Kriterien
allerdings für bislang nicht erbracht halten (Kurzfassung dieses Aufsatzes im Internet
unter http:// journals.cambridge.org/bin/bladerunner?30REQEVE
NT=&REQAUTH=0&5000..., Ausdruck vom 5. August 2004).
64
Neuere, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte randomisierte,
prospektive und plazebokontrollierte Multicenterstudien - damit aber sehr hochwertige
Studien - unter der Leitung von Dr. Haake (Universität Regensburg, 9.
Forschungsbericht, http://www.uni-regensburg.de/Universitaet/
Forschungsbericht/aktuell/medi/prof45.htm, Ausdruck vom 5. August 2004) haben jüngst
sogar jegliche Wirksamkeit der ESWT bei zwei der "Standardindikationen", nämlich bei
der Plantarfasziitis und der Epicondylitis humeri radialis verneint. Jedenfalls aber
räumen auch Befürworter der ESWT ein, dass nur hinsichtlich der
"Standardindikationen" ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit der ESWT
vorliege. So hat die Deutschsprachige Internationale Gesellschaft für Extrakorporale
Stoßwellentherapie (DIGEST e. V.), die sich dem Ziel der Erforschung und Förderung
der ESWT verschrieben hat und sie der Allgemeinheit zugänglich machen will
65
- vgl. http://www.stosswellentherapie.org/redaktion/home, Ausdruck vom 9. August 2004
-,
66
lediglich für diese vier Indikationen die Anwendung der ESWT empfohlen, weil deren
Wirksamkeit nur insoweit wissenschaftlich nachgewiesen sei.
67
Vgl. http://www.stosswellentherapie.org/redaktion/methode/, Ausdruck vom 9. August
2004; vgl. ferner Siebert, W./Buch, M.: "Extrakorporale Stoßwellentherapie in der
Orthopädie. Grundlagen und Anwendung", 1. Aufl. 2001, S. 248.
68
Hinsichtlich sonstiger Indikationen führt dementsprechend auch die DIGEST e. V. aus,
dass sich die ESWT (aus ihrer Sicht) in zahllosen weiteren Fällen - u. a. im Falle der
"Trochanterbursitis" - bewährt habe, dass aber insoweit ein streng wissenschaftlicher
Wirksamkeitsnachweis nicht habe geführt werden können.
69
Vgl. http://www.stosswellentherapie.org/redaktion/methode/, Ausdruck vom 9. August
2004; vgl. auch Dubs, B.: "Extrakorporale Stoßwellen-Therapie (ESWT): eine neue
Errungenschaft oder nur ein Plazebo", in: Schweiz Med. Forum 2003, S. 227 ff. (228),
der u. a. verkalkte Bursitiden (lediglich) als zumindest vorläufig ermutigende
Indikationen nennt.
70
2. Der vom Kläger behauptete Anspruch folgt auch nicht ausnahmsweise aus der die
Beklagte ihm gegenüber treffenden Fürsorgepflicht.
71
Allerdings kann das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV,
eine Beihilfe zu "dem Grunde nach" notwendigen Aufwendungen zu leisten, den
Dienstherrn in Ausnahmefällen auch dazu verpflichten, die Kosten einer
wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den
jeweiligen Bemessungssätzen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn
sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer
bestimmten Krankheit - z. B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn
im Einzelfall - z. B. wegen Gegenindikationen - das anerkannte Heilverfahren nicht
angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden
ist. Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche
Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der
medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernstzunehmender Auffassung
noch Aussicht auf Erfolg bieten. Stehen wissenschaftlich allgemein anerkannte
Methoden zur Behandlung einer Erkrankung oder zur Linderung von Leidensfolgen
72
nicht zur Verfügung, können auch Aufwendungen für sog. "Außenseiter-Methoden"
notwendig und angemessen und damit beihilfefähig sein, wenn die Aussicht besteht,
dass eine solche Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase
entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich
allgemein anerkannt werden kann.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, a.a.O.
73
Eine solche Aussicht besteht nur dann, wenn die begründete Erwartung auf
wissenschaftliche Anerkennung besteht. Für eine solche Annahme ist zumindest
erforderlich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte
Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der
Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt
werden kann.
74
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998 - 2 C 24.97 -, a.a.O.
75
Gemessen an diesen Grundsätzen kann der behauptete Anspruch auch nicht mit Erfolg
unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hergeleitet werden. Es fehlt bereits
an der Voraussetzung, dass zur Heilung der Erkrankung des Klägers bzw. zur
Linderung seiner Schmerzen kein anerkanntes Heilverfahren mehr zur Verfügung stand.
Denn vorliegend bestand noch die - nach der Aussage des Klägers in der mündlichen
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht lediglich von ihm und dem Arzt nicht weiter
verfolgte - Möglichkeit eines operativen Eingriffs. Eine Unzumutbarkeit oder gar
Unmöglichkeit desselben ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann dem Kläger
hinsichtlich seiner erstmalig mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2001 aufgestellten
Behauptung nicht gefolgt werden, dass "die Ärzte sich von einer Operation keine Abhilfe
versprachen". Wäre dies tatsächlich so gewesen, so hätte es sich dem Kläger nämlich
aufdrängen müssen, diese Angabe bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht zu machen. Dort hat er aber lediglich darauf hingewiesen, dass die
Frage einer Operation nur kurz angeschnitten worden sei; auch habe er sich nicht
bewusst und ausdrücklich gegen eine solche Behandlung entschieden. Dem Kläger
kann auch nicht hinsichtlich seiner nicht nachvollziehbaren Wertungen im
Zulassungsverfahren gefolgt werden, eine Operation der Bursitis sei mit Blick auf drei
schon zuvor erfolgte Operationen im Lendenwirbelbereich, die Risiken einer Operation
und seine Ängstlichkeit nicht zumutbar gewesen. Schließlich greift insoweit auch nicht
der Einwand des Klägers durch, dass er sich einem Eingriff in seine persönliche
Unversehrtheit nicht hätte stellen müssen. Insoweit ist zwar zutreffend, dass es dem
Kläger und auch dem Arzt freigestanden hat, sich für oder gegen eine Operation zu
entscheiden; aus einer Entscheidung gegen eine Operation und damit gegen ein
anerkanntes Heilverfahren kann er aber nicht ableiten, dass der Dienstherr infolge
dieser Entscheidung zur Leistung einer Beihilfe zu objektiv nicht notwendigen
Aufwendungen verpflichtet wäre.
76
Der Anspruch scheitert ferner daran, dass 1999 nicht die Aussicht bestand, dass die
ESWT zur Behandlung der bei dem Kläger gegebenen Erkrankung nach einer
medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem seinerzeitigen Stand der
Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden konnte. Eine
begründete Erwartung auf wissenschaftliche Anerkennung konnte, wie die obigen,
gerade auch die Entwicklung nach 1999 nachzeichnenden Ausführungen zur Frage der
allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung der ESWT verdeutlichen, allenfalls in
77
Bezug auf die - hier nicht in Rede stehenden - vier "Standardindikationen" als gegeben
erachtet werden. Das Bundesministerium des Innern hat im Übrigen der weiteren
wissenschaftlichen Entwicklung inzwischen dadurch Rechnung getragen, dass es mit
Rundschreiben vom 18. Dezember 2002 (GMBl. 2003, S. 54) die Regelung über den
völligen Ausschluss der ESWT bei orthopädischen, chirurgischen und
schmerztherapeutischen Indikationen durch eine solche ersetzt hat, die nur noch einen
teilweisen Ausschluss vorsieht. Nach Hinweis 2 zu § 6 Abs. 2 BhV sind nunmehr die
Aufwendungen für die ESWT (nur) beihilfefähig für die Behandlung der Tendinosis
calcarea (Kalkschulter) oder der Pseudoarthrose (nicht heilende Knochenbrüche).
3. Die Beihilfefähigkeit der hier fraglichen Aufwendungen ergibt sich schließlich weder
aus der Gebührenordnung für Ärzte (a)) noch aus der - angeblichen -
Ungleichbehandlung Beihilfeberechtigter nach den BhV einerseits und
Beihilfeberechtigter mit anderen Dienstherren andererseits (b)).
78
a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften
beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach
angemessen sind. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BhV beurteilt sich die
Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche und zahnärztliche Leistungen
ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen für Ärzte und
Zahnärzte. Bereits der systematische Zusammenhang dieser beiden Regelungen
erhellt, dass die BhV nur hinsichtlich der Angemessenheit der Aufwendungen, nicht
aber hinsichtlich ihrer - gesondert zu beurteilenden und hier zu verneinenden
Notwendigkeit - auf die GOÄ Bezug nimmt. Abgesehen davon kann die Anwendung der
ESWT zu orthopädischen oder schmerztherapeutischen Zwecken auch nicht nach der
von dem behandelnden Arzt angewendeten GOÄ-Nr. 1860 abgerechnet werden, weil
der dortige Tatbestand allein die im Bereich der Urologie angewandte
Stoßwellenlihotripsie betrifft, wie auch die systematische Stellung dieser GOÄ-Ziffer im
Abschnitt K der GOÄ (urologische Leistungen) verdeutlicht.
79
b) Die Rüge des Klägers, allein die Beklagte verweigere ihren Beihilfeberechtigten
Beihilfen für Aufwendungen im Zusammenhang mit der ESWT, während andere
Dienstherrn Beihilfen gewährten, greift ungeachtet der Frage, ob diese Behauptung
überhaupt tatsächlich zutrifft, jedenfalls deshalb nicht durch, weil sie keinen Verstoß
gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründen kann. Denn der Kläger zieht insoweit einen
Vergleichsfall heran, der aus kompetenzrechtlichen Gründen verfassungsrechtlich nicht
relevant ist. Jeder Träger der öffentlichen Gewalt hat den Gleichheitssatz nämlich
grundsätzlich nur innerhalb seines eigenen Zuständigkeitsbereichs zu beachten, und
dieser begrenzten Bindung entspricht ein - in gleicher Weise eingeschränkter -
Gleichheitsanspruch nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret
zuständigen Träger öffentlicher Gewalt.
80
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. März 2004 - 1 A 661/02 -, juris, m.w.N.
81
Es ist daher schon vom Ansatz her grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die
Beklagte die Frage der Beihilfefähigkeit der ESWT anders beantworten sollte als die
Länder oder Gemeinden dies tun.
82
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
83
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2
VwGO, § 127 BRRG) nicht gegeben sind.
84