Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.07.2010

OVG NRW (wasser, grundwasser, gewässer, abgrenzung zu, höhe, leistung, erdreich, bezug, vorauszahlung, berechnung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 2967/08
Datum:
27.07.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 A 2967/08
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfah-rens.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Die
Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des voll-streckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Be-
klagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzli-chen
Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren bis zur
Verbindung auf 115.450,25 Euro, danach bis zur teilweisen
Klagerücknahme auf 127.888,85 Euro und nach der teilweisen
Klagerück-nahme auf 73.276,35 Euro sowie für das
Berufungs¬verfahren auf 73.276,35 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Klägerin betreibt am Standort X. ein Werk zur Herstellung von Membranen für
die Anwendung in der Medizin, der Lebensmitteltechnik, der Wasser- und
Abwassertechnik sowie der pharmazeutischen Industrie. Bestandteil des Werks ist
neben verschiedenen Produktionseinrichtungen auch ein Heizkraftwerk. Die Klägerin ist
Mitglied des Wupperverbandes.
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Mit Bescheid vom 12. Juni 2001 erteilte die Beklagte der Klägerin die bis zum
31. Dezember 2017 befristete wasserrechtliche Erlaubnis u. a. für die Entnahme von
Grundwasser für Betriebs- und Kühlwassergebrauch und für die Einleitung von
Abwasser in die Wupper. Die als Tiefbrunnen aufgebaute Brunnenanlage befindet sich
auf einem der Klägerin gehörenden Grundstück unmittelbar an der Wupper.
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Mit Vorauszahlungsbescheid vom 19. September 2006 setzte der Funktionsvorgänger
der Beklagten, das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen (im Folgenden für beide: die
Beklagte), für das Veranlagungsjahr 2006 eine Vorauszahlung auf das
Wasserentnahmeentgelt in Höhe von insgesamt 115.450,25 Euro fest, wobei für eine
Menge von 2.507.406 cbm entnommenen Grundwassers der Gebührensatz von
0,03 Euro/cbm für Kühlwassernutzung zugrundegelegt wurde; wegen der weiteren
Einzelheiten der Berechnung wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen. Den
rechtzeitig eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 27. November 2006 zurück; eine Durchlaufkühlung im
Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG liege entgegen der Annahme der Klägerin nicht vor.
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Mit Festsetzungsbescheid vom 24. Juni 2008 setzte die Beklagte auf der Grundlage der
Folgeerklärung 2006 für das Veranlagungsjahr 2006 das Wasserentnahmeentgelt auf
127.888,85 Euro fest und forderte unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlung
einen Betrag von 12.438,60 Euro nach; für die entnommene Grundwassermenge von
2.713.939 cbm legte sie einen Gebührensatz von 0,03 Euro/cbm zugrunde. Wegen der
weiteren Einzelheiten der Berechnung wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug
genommen.
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Die Klägerin hat rechtzeitig Klagen gegen die genannten Bescheide erhoben, die das
Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Juli 2008 zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung verbunden hat. Mit Schriftsatz vom 3. September 2008 hat die
Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich beider Bescheide auf die Anfechtung des
Gebührensatzes für das als Kühlwasser entnommene Grundwasser beschränkt und im
Übrigen unter Zustimmung der Beklagten die Klage zurückgenommen. Die Klägerin hat
im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit des Wasserentnahmeentgeltgesetzes
gerügt und die Ansicht geäußert, dass auf das von ihr entnommene Grundwasser der
privilegierte Entgeltsatz des § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG Anwendung finde.
6
Die Klägerin hat beantragt
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1. festzustellen, dass der Vorauszahlungsbescheid des
Landesumweltamtes NRW vom 19. September 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 27. November 2006 rechtswidrig war, soweit
für das Veranlagungsjahr 2006 ein 47.750,29 Euro übersteigendes
Wasserentnahmeentgelt festgesetzt worden ist,
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2. den Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 24. Juni 2008 aufzuheben,
soweit für das Veranlagungsjahr 2006 ein 54.612,50 Euro übersteigendes
Wasserentnahmeentgelt festgesetzt worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten.
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Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen. Die
Klage sei unbegründet. Rechtsgrundlage des Vorauszahlungsbescheids seien §§ 6
Abs. 1, 1 Abs. 1 Nr. 1 WasEG und für die endgültige Festsetzung § 4 Abs. 1 Satz 2
13
WasEG. Die Beklagte habe zutreffend den Entgeltsatz von 0,03 Euro/cbm angesetzt.
Die Voraussetzungen für den ermäßigten Entgeltsatz von 0,003 Euro/cbm gemäß § 2
Abs. 2 Satz 3 WasEG seien nicht gegeben. Gewässer sei der Oberbegriff für
Grundwasser und oberirdische Gewässer. Entnommenes Wasser könne einem
Gewässer im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG nur "wieder" zugeführt werden, wenn
es sich von der Art her um dasselbe Gewässer handele, dem es zuvor entnommen
worden sei. Die Klägerin entnehme allerdings (Tiefen)Grundwasser, das nach der
Nutzung in die Wupper eingeleitet werde. Die Erhebung einer Vorauszahlung sei auch
nicht wegen der von der Klägerin gerügten Doppelbelastung als Mitglied des
Wupperverbandes rechtswidrig. Ein Vertrauen darauf, so wie im Jahr 2004 mit dem
privilegierten Beitragssatz veranlagt zu werden, sei nicht schutzwürdig.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen
Berufung vor, das Wasserentnahmeentgeltgesetz sei verfassungswidrig. Sie werde
durch die Zwangsmitgliedschaft im X1. zweimal für das Recht, Wasser zu
entnehmen, zu einer Abgabe herangezogen. Zudem liege ein Gleichheitsverstoß vor,
weil andere Wasserentnehmer wegen der Wasserentnahme nur aufgrund der
tatsächlichen Menge zum Verbandsbeitrag veranlagt würden. Das Gesetz sei auch
deswegen verfassungswidrig, weil es allein aus Haushaltskonsolidierungsgründen
erlassen worden sei. Schließlich sei allenfalls der privilegierte Entgeltsatz des § 2
Abs. 2 Satz 3 WasEG anzuwenden, wie der Gesetzesgenese entnommen werden
könne. Sie führe das entnommene Wasser nach Benutzung zur Durchlaufkühlung durch
Einleitung in die Wupper dem Gewässer wieder zu. Sie habe ihre Brunnen in
unmittelbarer Ufernähe zur Wupper. Grundwasser entstehe dadurch, dass
Niederschläge versickerten oder Wasser im Sohl- und Uferbereich von
Oberflächengewässern durch Filtration oder anderweitige Anreicherung in den
Untergrund gelänge. Als Uferfiltrat werde Brauch- oder Trinkwasser bezeichnet, das aus
Brunnen in unmittelbarer Nähe von Flüssen gewonnen werde und daher zu einem
erheblichen Anteil aus Wasser aus diesen Oberflächengewässern bestehe. Dies sei im
Übrigen ein typischer Vorgang, den der Gesetzgeber hätte regeln müssen, um die
wesentlichen Unterschiede zwischen Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern
und aus Grundwasserbrunnen in unmittelbarer Nähe von Oberflächengewässern zu
berücksichtigen. Schließlich stelle sich die Frage, wie es technisch durchführbar sein
solle, genutztes Grundwasser wieder in das Grundwasser einzuleiten. Zudem habe sie
hierfür keine wasserrechtliche Erlaubnis. Es widerspreche rechtsstaatlichen
Grundsätzen, wenn der Gesetzgeber Gesetze schaffe, die nicht umsetzbar seien.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach den Klageanträgen zu
erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und ist der Ansicht, die Klägerin
entnehme zum Teil Wasser aus einem Brunnen und leite es nach der Nutzung zu
Kühlzwecken in ein Oberflächengewässer ein, sodass eine Rückführung in dasselbe
Gewässer nicht erfolge. Gegen Art. 3 Abs. 1 GG werde nicht verstoßen. Der Unterschied
zwischen dem Wasserentnahmeentgelt und dem Verbandsbeitrag des
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Wupperverbandes bestehe darin, dass ein Wasserentnahmeentgelt an die konkrete
Inanspruchnahme einer Leistung anknüpfe, während ein Verbandsbeitrag für die
Bereitstellung einer Leistung unabhängig von ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme
erhoben werde.
Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 15. September 2009 zum Erlass eines
Beschlusses nach § 130a VwGO angehört worden.
20
Die Beklagte hat das durch Beschluss des Senats vom 17. Februar 2008 ruhend
gestellte Verfahren mit schriftsätzlicher Erklärung vom 30. Juni 2010 wieder
aufgenommen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
der Akte des VG Düsseldorf - 8 K 4780/08 -,den von der Klägerin vorgelegten Plan und
die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (4 Hefte) Bezug genommen.
22
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
23
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung durch
Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 1 VwGO).
24
Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist mit beiden Anträgen unbegründet.
25
I. Der Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 24. Juni 2008 ist, soweit er vorliegend
angefochten ist, rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Heranziehung der
Klägerin zur Entrichtung eines Wasserentnahmeentgelts für das Veranlagungsjahr 2006
ist in Grund und Höhe gerechtfertigt. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides
sind §§ 4 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1, 2 und 3 Abs. 1 WasEG.
26
1. Die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts im Land Nordrhein-Westfalen ist
verfassungsgemäß.
27
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. November 2009 9 A 1517/07 -,
NWVBl. 2010, 284, vom 18. August 2009 - 9 A 1497/08 -, DVBl. 2009, 1318,
vom 16. Oktober 2008 - 9 A 974/06 -, NVwZ-RR 2009, 236, - 9 A 3694/06 -,
RdL 2009, 40, und 9 A 1385/08 -, NWVBl. 2009, 157; BVerwG, Beschluss
vom 13. Juni 2009 9 B 2.09 -, KStZ 2009, 175.
28
Gegen die grundsätzliche Einordnung des Wasserentnahmeentgelts in das
finanzverfassungsrechtliche System hat die Klägerin keine neuen, durchgreifenden
Einwände vorgebracht, sodass der Senat unter Anknüpfung an die
bundesverfassungsgerichtliche Judikatur, die erst kürzlich bestätigt worden ist,
29
vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 1 BvR 1801/07 u. a. -, NVwZ
2010, 831,
30
an seiner Rechtsprechung festhält. Dies gilt vor allem mit Blick auf den bereits
umfassend abgehandelten - unberechtigten - Einwand, das
Wasserentnahmeentgeltgesetz diene allein der Haushaltskonsolidierung und sei schon
aus diesem Grunde verfassungswidrig.
31
Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Wasserentnahmeentgeltgesetzes
sind auch nicht unter dem von der Klägerin thematisierten Aspekt gerechtfertigt, die
Veranlagung von Verbandsmitgliedern des Wupperverbandes zum
Wasserentnahmeentgelt führe zu einer im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG unzulässigen
Doppelbelastung.
32
Vgl. mit Blick auf Mitglieder des Ruhrverbandes bereits OVG NRW, Urteil
vom 18. August 2009 - 9 A 1497/08 -, a. a. O.
33
Der Verbandsbeitrag nach § 25 WupperVG ist kein Wasserentnahmeentgelt im Sinne
des bundesverfassungsgerichtlichen Verständnisses. Ein Wasserentnahmeentgelt
knüpft an die konkrete Inanspruchnahme einer Leistung an. Ein Beitrag hingegen wird
für die Bereitstellung einer Leistung unabhängig von ihrer tatsächlichen
Inanspruchnahme erhoben.
34
Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005 - 2 BvR 2335/95, 2 BvR 2391/95 -,
BVerfGE 113, 128.
35
Der Wupperverbandsbeitrag ist ein Beitrag in diesem Sinne. Die Mitglieder des
Verbandes haben diesem die Beiträge zu leisten, die zur Erfüllung seiner Aufgaben und
Pflichten, seiner Verbindlichkeiten und zu einer ordentlichen Haushalts- oder
Wirtschaftsführung erforderlich sind, soweit andere Einnahmen zur Deckung der
Ausgaben des Verbandes nicht ausreichen (§ 25 Abs. 1 WupperVG). Der
Verbandsbeitrag legitimiert sich mit Blick auf die durch die Aufgabenstellung des
Verbandes nach § 2 WupperVG begründete Leistung, welche die Wasserentnahme
abstrakt ermöglicht; das Wasserentnahmeentgelt hingegen schöpft den in der Entnahme
des Allgemeinguts "Wasser" liegenden konkreten Sondervorteil ab.
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Sofern in den Veranlagungsregeln zur Ermittlung des Wasserentnehmerbeitrags u. a.
neben dem Umfang des verliehenen, bewilligten oder beantragten Wasserrechts auf die
entnommene Wassermenge abgestellt wird (Art. 13 Abs. 2 der Veranlagungsregeln),
dient dies der sachgerechten Verteilung der Beitragslast im Verhältnis der
Verbandsmitglieder untereinander (§ 26 Abs. 1 Satz 1 WupperVG). Sie ändert nichts
daran, dass bereits die Bereitstellung der Leistung die Beitragspflicht auslöst. So stellt
§ 26 Abs. 1 Satz 1 WupperVG - ebenso im Übrigen § 26 Abs. 1 Satz 1 RuhrVG und § 25
Abs. 1 Satz 1 EmscherGG - klar, dass sich die Beitragslast auf die Mitglieder im
Verhältnis der mittelbaren oder unmittelbaren Vorteile verteilt, die sie von der
Durchführung der Aufgaben des Verbandes haben oder zu erwarten haben. Vorteil in
diesem Sinn ist auch die Möglichkeit, die Maßnahmen des Verbandes zweckmäßig
oder wirtschaftlich auszunutzen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 WupperVG).
37
Ein ggf. beachtlicher Gleichheitsverstoß liegt nicht darin, dass andere
Wasserentnehmer, die zugleich Mitglieder in einem anderen Wasserverband sind, nach
dem Vorbringen der Klägerin nur wegen tatsächlich entnommener Mengen
beitragspflichtig sein sollen. Dieser Einwand betrifft allenfalls die - hier nicht
streitgegenständliche - Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung im jeweiligen
Wasserverband.
38
2. Die Klägerin erfüllt den Entgelttatbestand des § 1 Abs. 1 WasEG, da sie Grundwasser
entnimmt. Das entnommene Wasser wird einer Nutzung, nämlich dem Betrieb der
39
Produktionseinrichtungen und des Heizkraftwerks, zugeführt (§ 1 Abs. 1, letzter Halbs.
WasEG). Ausnahmen von der Entgeltpflicht im Sinne des § 1 Abs. 2 WasEG bestehen
nicht.
3. Die Veranlagung für das Jahr 2006 ist in ihrer Höhe nicht zu beanstanden. Der Ansatz
eines Wasserentnahmeentgelts in Höhe von 0,03 Euro/cbm für Kühlwassernutzung ist
zutreffend (§ 2 Abs. 2 Satz 2 WasEG). Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 3
WasEG liegen nicht vor; etwaige Vertrauensschutzgesichtspunkte - nach Ansicht der
Klägerin abgeleitet aus einer irrtümlichen Veranlagungspraxis im Jahr 2004 - vermögen
die gesetzlichen Voraussetzungen für die Höhe des Veranlagungssatzes nicht zu
verdrängen. Hiernach beträgt das Wasserentnahmeentgelt in Abweichung von § 2
Abs. 2 Satz 2 WasEG nur für Entnahmen, die ausschließlich der Kühlwassernutzung
dienen, bei denen das Wasser dem Gewässer unmittelbar wieder zugeführt wird
(Durchlaufkühlung), 0,003 Euro/cbm. Zwar dient die Entnahme des Brunnenwassers
durch die Klägerin der Kühlwassernutzung; das Wasser wird anschließend aber dem
Entnahmegewässer "Grundwasser" nicht unmittelbar wieder zugeführt.
40
Der Begriff der Unmittelbarkeit stellt, wie seine grammatische Anknüpfung an das
Rückführungsgewässer belegt, auf den Rückführungsvorgang des ausschließlich zu
Kühlzwecken verwendeten Wassers ab. "Unmittelbar" in diesem Zusammenhang
bedeutet, dass das Kühlwasser direkt in das Entnahmegewässer zurückgeführt wird und
diesem nicht erst über andere Gewässer oder den allgemeinen Naturhaushalt wieder
zufließt. In dieser Abgrenzung zu anderen Kühlsystemen, bei welchen das Wasser nicht
unmittelbar in das Entnahmegewässer zurückgeführt wird, erschöpft sich die Bedeutung
der "Durchlaufkühlung" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG. Es ist daher für den
Ansatz dieses reduzierten Entgeltsatzes allein darauf abzustellen, ob das entnommene
Wasser nach dem innerbetrieblichen Abschluss des Kühlvorgangs - auf welche
technische Weise dieser auch immer erfolgt - dem Entnahmegewässer ohne den
Umweg über andere Gewässer oder den allgemeinen Naturhaushalt wieder zugeführt
wird.
41
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2009 9 A 1815/07 -, DVBl. 2009,
658.
42
Diese Differenzierung lässt keinen Gleichheitsverstoß erkennen. Die allgemeine
Begünstigung der Wasserentnahme zu Kühlzwecken hatte nach den Ausführungen zum
ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung NRW ihren Grund u. a. darin, dass
das zu diesen Zwecken entnommene Wasser dem Naturhaushalt wieder zugeführt wird.
43
Vgl. LT-Drs. 13/4528, S. 30.
44
Die noch weitergehende Begünstigung für Entnahmen zum Zwecke der
Durchlaufkühlung beruht auf dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der
Bündnis90/Die Grünen vom 13. Januar 2004. Zur Begründung ist ausgeführt:
45
"Im Rahmen des Expertengespräches des Haushalts- und Finanzausschusses
sowie des Ausschusses für Umwelt und Raumordnung ist deutlich geworden, dass
eine weitere Differenzierung der Entgeltsätze angezeigt ist.
46
Dies gilt namentlich für die Entnahmen zum Zwecke der Kühlwassernutzung, die in
Abhängigkeit von der eingesetzten Kühltechnologie (erfolgen), denn Kühlsysteme
47
mit sog. Durchlaufkühlung benötigen für das Erreichen der gleichen Kühlleistung
etwa die 75-fache Wassermenge gegenüber Kreislaufkühlsystemen. Um eine
ausgewogenere Belastung insbesondere innerhalb der Kraftwerksindustrie
herzustellen, ist die Differenzierung der Entgeltsätze sachgerecht."
Vgl. Anhang 1 zu LT-Drs. 13/4890, S. 3.
48
Hieraus wird ersichtlich, dass sich die grundsätzliche Subventionsentscheidung
zugunsten von Wasserentnahmen zu Kühlzwecken auch in Anbetracht des
Lenkungszwecks des Gesetzes, sparsam mit der Ressource Wasser umzugehen, noch
rechtfertigen lässt, weil das entnommene Wasser dem allgemeinen Naturhaushalt
wieder zugeführt wird. Die noch weitergehende Subventionierung von
Wasserentnahmen im Rahmen der Durchlaufkühlung rechtfertigt sich aus
Lenkungssicht mit der ergänzenden Erwägung, dass das entnommene Wasser
demselben Gewässer unmittelbar wieder zugeführt wird und damit die
wasserwirtschaftlichen Auswirkungen auf dieses Gewässer eher gering ausfallen
werden.
49
Vgl. zur Relevanz der Rückführung in dasselbe Gewässer OVG NRW,
Beschluss vom 2. Februar 2007 - 9 B 2616/06 -, NVwZ-RR 2007, 313.
50
Die Klägerin führt das von ihr entnommene Grundwasser nach Nutzung der X2. ,
einem Oberflächengewässer, und nicht wieder dem Grundwasser zu. Zwar mag die
Annahme der Klägerin zutreffen, dass Wasser im Sohl- und Uferbereich der X2.
durch Filtration oder anderweitige Anreicherung in den Untergrund infiltriert und von ihr
dort gefördert wird; dies ändert aber nichts daran, dass die Klägerin Grundwasser
entnimmt und dieses in ein Oberflächengewässer einleitet. Hierfür spricht bereits die
wasserrechtliche Erlaubnis, nach welcher die Klägerin "Grundwasser" entnehmen darf.
Dementsprechend lauten auch die insoweit maßgeblichen Eintragungen im
Wasserbuch ausschließlich auf Grundwasserentnahme (vgl. Wasserbuchblatt der
Beklagten 927/1 und 927/2, jeweils Bl. 1 und 12). Grundwasser in diesem Sinne ist auch
sog. Uferfiltrat, wobei offen bleiben kann, ob die Klägerin tatsächlich ein solches, d. h.
Wupperwasser, das durch die Sohle des Gewässerbettes der X2. in den
Erduntergrund gesickert ist, fördert.
51
Eine gesetzliche Definition des Begriffes "Grundwasser" enthalten das
Wasserentnahmeentgeltgesetz und das Landeswassergesetz NRW nicht. Auch das bis
zum 28. Februar 2010 maßgebliche Wasserhaushaltsgesetz äußerte sich hierzu nicht
ausdrücklich. Nach § 1 Abs. 1 WHG a. F. waren die Gewässer abschließend - neben
dem Küstengewässer (Nr. 1a) - in das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder
stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser (oberirdische Gewässer, Nr. 1) und
das Grundwasser (Nr. 2) eingeteilt. Damit war nach dieser Gesetzessystematik und
Abgrenzung zu den oberirdischen Gewässern unter Grundwasser im Sinne von § 1
Abs. 1 Nr. 3 WHG das gesamte unter der Erdoberfläche, auch unter den
Küstengewässern, vorhandene Wasser zu verstehen, soweit es nicht in künstlichen
Behältnissen gefasst ist. Diese Auslegung korrespondiert mit der Begriffsbestimmung
des Grundwassers, wie sie durch § 3 Nr. 3 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli
2009 in der seit dem 1. März 2010 wirksamen Fassung eingeführt worden ist.
Grundwasser ist hiernach das unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in
unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht. Dahingegen ist
oberirdisches Gewässer - wie bisher auch - das ständig oder zeitweilig in Betten
52
fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser (§ 3 Nr. 1 WHG).
Dabei ist die Herkunft des Wassers nach alter wie nach neuer Rechtslage ebenso
wenig von Bedeutung wie die Tiefe, in der es sich befindet.
Vgl. HessVGH, Urteil vom 11. April 2001 - 5 UE 2176/00 -, NVwZ-RR 2002,
376; OVG NRW, Urteil vom 27. März 1991 - 7 A 1927/87 -, NWVBl. 1992,
29; BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300.
53
Geht aber das Wasserhaushaltsgesetz allein von den Alternativen "oberirdisches
Gewässer" oder "Grundwasser" aus, so ergibt sich daraus, dass mit dem Verlassen
eines oberirdischen Gewässers und dem Eintritt in das Erdreich Wasser zu
Grundwasser wird, da das Gesetz etwas Drittes im Sinne eines Zwischenstadiums nicht
vorsieht. Eine Differenzierung zwischen in das Erdreich von oben eingedrungenem
Wasser und "echtem" Grundwasser kann es deshalb nach dem Wasserhaushaltsgesetz
alter wie neuer Fassung nicht geben. Das bedeutet aber, dass somit auch das so
genannte Uferfiltrat, d. h. Wasser aus einem fließenden Oberflächengewässer, das in
das Erdreich unterhalb der Gewässersohle gesickert ist, Grundwasser im Sinne von § 1
Abs. 1 Nr. 3 WHG a. F./§ 3 Nr. 3 WHG n. F. darstellt. Die Herkunft spielt insofern ebenso
wenig eine Rolle, wie die Tatsache, ob sich das abgesickerte Flusswasser bereits mit
anderem im Erdreich vorhandenen Wasser vermischt hat.
54
Vgl. HessVGH, Urteil vom 11. April 2001
55
- 5 UE 2176/00 -, a. a. O.
56
Auch im Bereich des nordrhein-westfälischen Wasserentnahmeentgeltgesetzes ist von
dem für das Wasserhaushaltsgesetz gültigen Grundwasserbegriff auszugehen. Dieses
verweist beispielsweise im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 WasEG auf
Grundwasserentnahmen nach § 17a WHG a. F. (erlaubnisfreie Benutzungen bei
Übungen und Erprobungen) und nach § 33 WHG a. F. (erlaubnisfreies Entnehmen,
Zutagefördern, Zutageleiten oder Ableiten von Grundwasser). Anhaltspunkte für ein vom
bundesrechtlichen Begriff abweichendes Verständnis lassen sich hieraus nicht ableiten.
57
Es kann hiernach offen bleiben, ob es technisch überhaupt durchführbar wäre,
genutztes Grundwasser wieder in das(selbe) Grundwasser einzuleiten, da sich diese
Frage nicht in entscheidungserheblicher Weise stellt. § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG hat
seinen Anwendungsbereich jedenfalls für entnommenes Oberflächenwasser, das
unmittelbar in das Entnahmegewässer zurückgeführt wird; der Gesetzgeber hat hiermit
entgegen der Annahme der Klägerin eine durchaus umsetzbare Regelung getroffen, die
allerdings den speziellen Fall der Klägerin - aus berechtigten Gründen des
Grundwasserschutzes - nicht erfasst.
58
Hiernach ist für eine Menge von 2.713.939 cbm zu Recht der Entgeltsatz des § 2 Abs. 2
Satz 2 WasEG von 0,03 €/m³ zugrundegelegt worden (insgesamt 81.418,17 Euro).
59
II. Der Vorauszahlungsbescheid der Beklagten vom 19. September 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2006 ist, soweit er vorliegend noch
streitgegenständlich ist, rechtmäßig, sodass offen bleiben kann, ob Rechtsschutz
hiergegen im Wege des § 113 Abs. 1 Satz 1 oder des Satzes 4 VwGO zu suchen ist. Die
Heranziehung der Klägerin zur Vorauszahlung eines Wasserentnahmeentgelts für das
Veranlagungsjahr 2006 ist in Grund und Höhe gerechtfertigt. Rechtsgrundlage des
60
angefochtenen Bescheides sind §§ 6 Abs. 1, 1 Abs. 1, 2 und 3 Abs. 1 WasEG; im
Übrigen wird auf die Berechnung im streitgegenständlichen Bescheid und auf die
obigen Ausführungen Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
61
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO)
nicht vorliegen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Werden
Vorausleistung und endgültige Festsetzung desselben Jahres in einem Verfahren
angegriffen, betrifft dies wirtschaftlich denselben Gegenstand, so dass in
entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren
Anspruchs maßgebend ist.
63