Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.12.1999

OVG NRW: jugendamt, wohnung, beschränkung, notlage, verfahrensmangel, stadt, besuch, kostenvergleich, kontingent, einzug

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 B 1702/99
Datum:
07.12.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 B 1702/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 19 L 1857/99
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe "für die Durchführung
des Beschwerdeverfahrens" wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Zulasssungsverfahrens.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses gilt das zunächst insoweit, als sich der
Antrag auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume bezieht, in denen die
Antragstellerin - wie jedenfalls bis zum 14. Oktober 1999 - die in Rede stehende
Wohnung in der D. Straße 25 (so der in den Verwaltungsvorgängen abgeheftete
Mietvertrag) bzw. 55 (so die Mitteilung des Antragsgegners vom 5. Oktober 1999) noch
gar nicht bezogen hatte; denn diesbezüglich kommt die Bewilligung der erstrebten
pädagogischen Betreuung weder im Rahmen von Jugendhilfe nach § 34 SGB VIII noch
im Rahmen von Hilfe für junge Volljährige nach § 41 iVm § 34 SGB VIII in Betracht, weil
die begehrte Leistung nicht mit Rückwirkung erbracht werden kann.
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Im übrigen kann die Beschwerde nicht zugelassen werden, weil die gesetzlichen
Voraussetzungen für eine Zulassung nicht erfüllt sind.
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Auf der Grundlage der innerhalb der Antragsfrist des § 146 Abs. 5 Satz 1 VwGO
erfolgten Darlegungen gemäß § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO, die bei der
Zulassungsentscheidung grundsätzlich allein Berücksichtigung finden können, lassen
sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im
Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 146 Abs. 4 VwGO noch ein Verfahrensmangel im
Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 iVm § 146 Abs. 4 VwGO, auf dem die Entscheidung
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beruhen kann, annehmen.
Anders als es § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verlangt, ruft das zugrundezulegende
Vorbringen der Rechtsbehelfsführerin nicht Bedenken von solchem Gewicht gegen die
Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung hervor, daß deren Ergebnis ernsthaft in
Frage gestellt und bei summarischer Prüfung die Annahme gerechtfertigt ist, der Erfolg
des zugelassenen Rechtsmittels sei wahrscheinlicher als dessen Mißerfolg.
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Die angefochtene Entscheidung beruht maßgeblich auf der Erwägung, für die erstrebte
Regelung sei jedenfalls ein Anordnungsgrund im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3
VwGO iVm §§ 920 Abs. 2 , 294 ZPO nicht glaubhaft gemacht worden. Demgegenüber
trägt die Antragstellerin zur Ausfüllung der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung auf Seite 2 der Antragsschrift unter 2. vor,
anders als nach Auffassung des Verwaltungsgerichts drohten ihr wesentliche Nachteile
und bestehe für sie eine unaufschiebbare Notlage.
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Soweit sie diesbezüglich darauf hinweist, der Kinderschutzbund sei nicht zu ihrer
Betreuung tätig geworden, ergeben sich Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung
des Verwaltungsgerichts einmal deshalb nicht, weil der Antragsgegner insoweit mit
Schriftsatz vom 4. Oktober 1999 unwidersprochen entgegnet hat, die Antragstellerin
habe alle Angebote abgelehnt, die Betreuerin kennenzulernen, und zum anderen vor
allem, weil die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Antragstellung noch gar nicht in die
Wohnung D. Straße 25 bzw. 55 eingezogen war, d.h. eine Grundlage für eine
pädagogische Begleitung im Rahmen eines betreuten Wohnens noch gar nicht
gegeben gewesen ist.
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Auch der im Zulassungsantrag enthaltene Hinweis darauf, der Antragsgegner habe
entgegen der Erwartung des Verwaltungsgerichts den Antrag der Antragstellerin nach §
41 iVm § 34 SGB VIII noch nicht beschieden, weckt im maßgeblichen Zeitpunkt der
Entscheidung des Senats im Ergebnis keine Zweifel an der Richtigkeit der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts, weil eine entsprechende Bescheidung durch
Bescheid vom 1. Oktober 1999, zugestellt am 4. Oktober 1999, jedenfalls deutlich vor
dem für den 15. Oktober angekündigten Einzug der Antragstellerin in die Wohnung D.
Straße 25 erfolgt ist.
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Andere Erläuterungen der nach Angaben der Antragstellerin drohenden Nachteile bzw.
bestehenden Notlage werden im Rahmen der Ausführungen zum Anordnungsgrund
unter 2. der Antragsschrift nicht gegeben.
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Soweit sich die Antragstellerin unter 3. der Antragsschrift gegen die Auffasssung des
Verwaltungsgerichts wendet, es spreche vieles dafür, daß auch kein
Anordnungsanspruch bestehe, weckt dies ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Dies gilt schon deshalb, weil damit
Ausführungen des Verwaltungsgerichts angegriffen werden, die erkennbar nicht
entscheidungstragend sind.
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Wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang erhebliche Verfahrensfehler des
Verwaltungsgerichts rügt und geltend macht, die Frage der Eignung der vom
Antragsgegner in seinem Bescheid verfügten Hilfeform hätte "nach weiterer
Sachaufklärung, insbesondere Einsicht in die Vereinbarung zwischen Jugendamt und
Kinderschutzbund nicht, jedenfalls nicht mit der gegebenen Begründung bejaht werden
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können und dürfen", so beziehen sich diese Ausführungen in der Antragsschrift auf die
nicht entscheidungstragenden Darlegungen des Verwaltungsgerichts zum
Anordnungsanspruch. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß eine Einsichtnahme in die
im Zulassungsverfahren vorgelegte Vereinbarung zwischen Jugendamt und
Kinderschutzbund die Beschreibung des Umfangs der vom Kinderschutzbund zu
erbringenen Leistungen nicht bestätigt. Eine Beschränkung der Betreuung auf einen
Besuch pro Woche bei dem betreuten Jugendlichen bzw. jungen Volljährigen und das
Angebot einer Gruppenveranstaltung pro Woche läßt sich dem Vertrag vom 17. März
1998 nicht entnehmen. Wenn nach § 3 Abs. 1 der Vereinbarung verbindliche
Arbeitsgrundlage für den Kinderschutzbund das SGB VIII ist, gemäß § 4 Abs. 2 der
Antragsgegner u.a. über den Inhalt der Maßnahme entscheidet und nach § 4 Abs. 3
Aufgabenwahrnehmung und Zielvereinbarungen mit den zuständigen städtischen
Fachkräften abzusprechen sind, wobei der Antragsgegner bei Differenzen letztlich
entscheidet, so kann von einer Beschränkung des Betreuungsumfangs in dem in der
Antragsschrift beschriebenen Sinne im Einzelfall selbst dann nicht ohne weiteres
ausgegangen werden, wenn die konzeptionellen Rahmenbedingungen zum Betreuten
Jugendwohnen der Stadt einen solchen Leistungsumfang für den Regelfall vorsehen
sollten.
Was den Kostenvergleich angeht, zeigt die Vereinbarung zwischen Jugendamt und
Kinderschutzbund, daß das Verwaltungsgericht in der Tat von falschen Vorgaben
ausgegangen ist, allerdings zugunsten der Position der Antragstellerin. Nach den
Regelungen des Vertrages zwischen Jugendamt und Kinderschutzbund spricht nämlich
einiges dafür, daß bei einer Betreuung der Antragstellerin durch den Kinderschutzbund
Kosten von 1.500 DM im Monat noch unterschritten werden dürften bzw. nur Kosten
entstehen, die unabhängig von einer Betreuung der Antragstellerin ohnehin anfallen.
Nach § 5 Abs. 1 des Vertrages vergütet der Antragsgegner dem Kinderschutzbund für
ein volles Kalenderjahr mit zwölf Betreuungsfällen bei 91%iger Auslastung 3986
Betreungstage à 50 DM. Nach der vom Antragsgegner übersandten Jahresstatistik für
1999 spricht einiges für die Richtigkeit der Angabe des Antragsgegners, wonach dieses
Kontingent 1999 nicht ausgeschöpft werden wird. Selbst im Falle einer höheren
Auslastung durch den Antragsgegner werden zusätzliche Betreuungstage mit 50 DM
pro Tag vergütet und dies auch nur dann, wenn wie in § 1 des Vertrages festgelegt, von
Seiten des Kinderschutzbundes zusätzliches Personal eingestellt worden ist.
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Selbst wenn deshalb die Nichtberücksichtigung des Vertrages zwischen Jugendamt
und Kinderschutzbund durch das Verwaltungsgericht als Verfahrensmangel anzusehen
sein sollte, ist auf der Basis der Darlegungen in der Antragsschrift nach allem nicht
davon auszugehen, daß die Entscheidung auf diesem Mangel auch beruhen kann.
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Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, daß dem Antrag auf Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe "für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens" nicht entsprochen
werden kann, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne des § 166 VwGO iVm §
114 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
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Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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