Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.09.1997
OVG NRW (wiedereinsetzung in den vorigen stand, kläger, 1995, gegenstand des verfahrens, zwangsgeld, höhe, androhung, vwvg, beseitigung, wiedereinsetzung)
Oberverwaltungsgericht NRW, 20 A 1078/96
Datum:
25.09.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 A 1078/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 14 K 2912/95
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes in L . Auf dem
zugehörigen Weidegrundstück Gemarkung H , Flur , Flurstück entspringt der N siefen.
Bei einer örtlichen Überprüfung am 1. September 1994 stellte ein Mitarbeiter des
Beklagten im Beisein des Klägers fest, daß sich in der Böschung des Siefens, in das
Wasser hineinreichend, mit Bauschutt durchsetzter Erdaushub sowie Baum- und
Heckenschnitt und Heu sowie Stroh befanden; an der Böschungsoberkante waren ca.
25 m3 Restholz von einem Scheunenbrand abgelegt worden. Nach dem über die
Feststellungen gefertigten Aktenvermerk erklärte sich der Kläger bereit, die
Ablagerungen bis zum 1. Oktober 1994 zu entfernen.
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Bei einer Nachkontrolle am 10. Oktober 1994 war das brandgeschädigte Holz fast
vollständig beseitigt; der N siefen hatte aufgrund der eingebrachten Stoffe keinen freien
Abfluß.
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Deshalb forderte der Beklagte den Kläger mit Ordnungsverfügung vom 21. Oktober 1994
auf, innerhalb von zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit die auf dem Grundstück
abgelagerten Abfälle (sämtliche Ablagerungen des Astwerkes von entwurzelten
Bäumen, Baum- und Heckenschnitt, Heu und Stroh sowie Erdaushub durchsetzt mit
Bauschutt) aus dem Quellbereich des N siefen sowie von der Böschungskante des
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Grundstücks zu entfernen und einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen
(Anordnung Nr. 1) und innerhalb von sechs Wochen nach Unanfechtbarkeit die
ordnungsgemäße Entsorgung nachzuweisen (Anordnung Nr. 2). Hinsichtlich der
Anordnungen drohte der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 2.000,- - DM an.
Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid wurde dem Kläger am 25.
Oktober 1994 zugestellt.
Am 7. November 1994 sprach der Kläger in der Dienststelle des Beklagten vor.
Anschließend suchte er zusammen mit der Sachbearbeiterin und zwei weiteren
Mitarbeitern des Beklagten den N siefen auf. Das Ergebnis des Ortstermins faßte die
Sachbearbeiterin mit Schreiben vom 21. November 1994 gegenüber dem Kläger
zusammen. Der Kläger habe sich bei dem Ortstermin einverstanden erklärt, die ihm
aufgegebene Beseitigung der Ablagerungen binnen vier Wochen, also bis zum 28.
November 1994, durchzuführen. Er sei darauf hingewiesen worden, den Siefenkopf
muldenförmig auszubilden und dem vorhandenen Gelände anzupassen. In dem bereits
eingeleiteten Bußgeldverfahren sei das weitere Verhalten des Klägers zu würdigen.
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Am 1. Dezember 1994 war der Siefenkopf geringfügig verbreitert worden; sonst waren
keine nennenswerten Veränderungen festzustellen. Der Kläger äußerte einem
Aktenvermerk des Beklagten zufolge, er habe witterungsbedingt noch keinen Bagger
einsetzen können. Der Beklagte verlängerte daher die dem Kläger gesetzte Frist um
zwei Wochen. Am 15. Dezember 1994 war der Wasserabfluß im N siefen noch nicht
wiederhergestellt.
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Mit Bescheid vom 27. Dezember 1994 setzte der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von
2.000,-- DM nebst Auslagen fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von
3.000,-- DM für den Fall an, daß der Kläger der Ordnungsverfügung bis zum 15. Januar
1995 nicht nachkomme. Der Kläger habe am 7. November 1994 mitgeteilt, er habe mit
den Aufräumarbeiten schon begonnen, jedoch keine Maschinen einsetzen können. Die
zu veranlassenden Maßnahmen seien ihm vor Ort genau erläutert worden. Er habe sich
bereit erklärt, die Ablagerungen innerhalb der vorgegebenen Zeit zu beseitigen. Dies sei
jedoch nicht geschehen.
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Hiergegen legte der Kläger durch Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 5.
Januar 1995 Widerspruch ein.
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Als am 19. Januar 1995 die Beseitigung der Ablagerungen nicht abgeschlossen war,
setzte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 1995 ein Zwangsgeld in Höhe von
3.000,-- DM nebst Auslagen fest und drohte unter Fristsetzung bis zum 28. Februar 1995
ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM an.
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Durch Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 27. Januar 1995 legte der Kläger
auch hiergegen Widerspruch ein. Nach einem Vollstreckungsversuch zur Beitreibung
der Zwangsgelder machte er unter dem 24. März 1995 zur Begründung seiner
Widersprüche gegen die Zwangsgeldbescheide geltend, die Ordnungsverfügung vom
21. Oktober 1994 sei nicht unanfechtbar. Bei seiner Vorsprache am 7. November 1994
habe er der Sachbearbeiterin ein Widerspruchsschreiben vom 31. Oktober 1994
aushändigen wollen. Die Sachbearbeiterin habe den Inhalt des Schreibens zur
Kenntnis genommen, jedoch seine Annahme verweigert und eine sofortige
Ortsbesichtigung verlangt; erst nach der Ortsbesichtigung habe sie das Schreiben
entgegennehmen wollen. Bei der Ortsbesichtigung habe er - der Kläger - zugesagt, den
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Siefen von den Ablagerungen zu säubern. Er habe aber nicht erklärt, den Widerspruch
zurückzunehmen. Er sei davon ausgegangen, ordnungsgemäß Widerspruch eingelegt
zu haben. Das Widerspruchsschreiben habe er der Sachbearbeiterin nicht übergeben.
Jedenfalls sei ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er lege
nochmals Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung ein.
Die Widersprüche gegen die Zwangsgeldbescheide wies die Bezirksregierung mit
Bescheid vom 28. März 1995, zugestellt am 31. März 1995, zurück. Den Widerspruch
gegen die Ordnungsverfügung wies die Bezirksregierung mit Bescheid vom 9. Mai 1995
unter Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück; dies
ist Gegenstand des Verfahrens 20 A 1098/96.
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Schon zuvor hat der Kläger am 2. Mai 1995, dem Dienstag nach einem Feiertag, Klage
gegen die Zwangsgeldbescheide erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen, er sei davon
ausgegangen, die Sachbearbeiterin werde seine Erklärung, Widerspruch einlegen zu
wollen, zu Protokoll nehmen. Die Sachbearbeiterin habe die Annahme des
Widerspruchsschreibens nicht verweigern dürfen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Bescheide des Beklagten vom 27. Dezember 1994 und 24. Januar 1995 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung vom 28. März 1995
aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat vorgetragen, die Ordnungsverfügung sei bestandskräftig. Der Kläger habe nicht
rechtzeitig Widerspruch eingelegt. Er sei nicht an der Übergabe seines
Widerspruchsschreibens gehindert worden.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid, auf
den Bezug genommen wird, abgewiesen.
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Gegen diese Entscheidung, die ihm am 24. Januar 1996 zugestellt worden ist, hat der
Kläger am 23. Februar 1996 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend und vertiefend vor,
er habe sich am 7. November 1994 darauf verlassen, der von ihm klar erklärte Wille,
Widerspruch einlegen zu wollen, werde von der Sachbearbeiterin ordnungsgemäß
dokumentiert. Er sei im Glauben gelassen worden, wirksam Widerspruch eingelegt zu
haben. Ausdrücklich habe er im Ortstermin den Widerspruch aufrechterhalten. Seine
Frage, ob er das Widerspruchsschreiben noch abgeben solle, habe die
Sachbearbeiterin verneint; das Schreiben des Beklagten vom 21. November 1994 habe
er nicht erhalten. Erst ein am 20. März 1995 geführtes Telefongespräch mit der
Sachbearbeiterin habe ergeben, daß sie die Ordnungsverfügung für bestandskräftig
halte.
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Der Kläger beantragt,
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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem erstinstanzlichen
Klageantrag zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor, der Kläger habe bei der Ortsbesichtigung am 7. November 1994 nicht
erklärt, er halte den Widerspruch aufrecht. Vielmehr habe er sich mit der angeordneten
Beseitigung einverstanden erklärt. Deswegen habe keine Veranlassung bestanden, ihn
nochmals auf die mögliche Abgabe des Widerspruchsschreibens hinzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Verfahrensakten 20 A 1098/96 OVG NW und 14 L 689/95 VG Köln und
der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Widerspruchsbehörde Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung hat keinen Erfolg.
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Die Bescheide des Beklagten vom 27. Dezember 1994 und 24. Januar 1995 sind
rechtmäßig; ihre Aufhebung kommt daher nicht in Betracht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Rechtsgrundlage für die Bescheide sind, was die Festsetzung der Zwangsgelder
angeht, §§ 55 Abs. 1, 64 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land
Nordrhein- Westfalen (VwVG) und, was die Androhung weiterer Zwangsgelder
anbelangt, §§ 55 Abs. 1, 63 VwVG. Die Ordnungsverfügung vom 21. Oktober 1994 ist,
seitdem die Widerspruchsfrist mit dem 25. November 1994 abgelaufen ist,
bestandskräftig und kann deshalb mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Der Kläger
hat, wie im Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren 20 A 1098/96 im einzelnen
ausgeführt wird, gegen die Ordnungsverfügung nicht rechtzeitig Widerspruch eingelegt;
auch kann ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.
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Der damit unanfechtbaren Pflicht zur Beseitigung der Ablagerungen und zur Vorlage
von Nachweisen über die ordnungsgemäße Entsorgung ist der Kläger weder innerhalb
derjenigen Frist nachgekommen, die in der gleichzeitig mit der Ordnungsverfügung
ausgesprochenen und damit ebenfalls nicht mehr mit Rechtsbehelfen anfechtbaren
Androhung vom 21. Oktober 1994 bestimmt war, noch innerhalb derjenigen Frist, die
ihm durch die mit der Festsetzung vom 27. Dezember 1994 verbundene neuerliche
Androhung vorgegeben worden ist.
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Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Festsetzungen und Androhungen der
Zwangsmittel (§ 58 VwVG) bestehen nicht. Desgleichen ist nicht zu beanstanden, daß
der Beklagte mit dem ersten Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 27. Dezember 1994
zugleich ein weiteres Zwangsgeld angedroht hat, das sodann mit dem zweiten
Festsetzungsbescheid vom 24. Januar 1995 unter Androhung eines abermaligen
Zwangsgeldes festgesetzt worden ist. §§ 57 Abs. 3, 60 Abs. 1 Satz 3 VwVG lassen die
Wiederholung von Zwangsgeldern zu, wenn das zuvor angedrohte Zwangsgeld nach
einer Zuwiderhandlung des Betroffenen - wie hier - verwirkt ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
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vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozeßordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2, 137
Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.
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