Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.02.2009

OVG NRW: satzung, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, vergnügungssteuer, saldo, steuersatz, unternehmen, gerät, unternehmer, steuerbetrag, apparat

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 1882/07
Datum:
26.02.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 A 1882/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 9 K 1190/06
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Vergnügungssteuererklärungen/-bescheide vom 7. April 2006
betreffend die Monate Januar bis März 2006 in der Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 12. Juni 2006 und 13. Juni 2006 werden
aufgehoben, soweit Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit zur
Vergnügungssteuer herangezogen worden sind.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Die Klägerin betreibt in der N.-----straße in U. eine Spielhalle. Auf der Grundlage der am
1. Januar 2006 in Kraft getretenen Vergnügungssteuersatzung gab die Klägerin am 7.
April 2006 eine Steuererklärung für Apparate mit Gewinnmöglichkeit ab und teilte für
den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. März 2006 für die in der Spielhalle
aufgestellten 10 Geldspielgeräte ein Gesamteinspielergebnis in Höhe von 30.313,80
Euro mit. Bei einem Steuersatz von 10 v.H. ergab sich ein Steuerbetrag von 3.031,38
Euro.
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Für ein weiteres Spielgerät mit Gewinnmöglichkeit auf dem Grundstück F.--- straße in U.
ergab sich für den Zeitraum Januar bis März 2006 ein Steuerbetrag von 197,50 Euro.
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Mit Schreiben vom 7. April 2006 legte die Klägerin Widerspruch gegen die
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Vergnügungssteuererklärungen ein und bat das Verfahren im Hinblick auf ein beim
Bundesverfassungsgericht anhängiges Musterverfahren ruhen zu lassen.
Mit Bescheiden vom 12. und 13. Juni 2006 wies der Beklagte die Widersprüche mit der
Begründung zurück: Die Stadt U. habe mit Wirkung vom 1. Januar 2006 eine neue
Vergnügungssteuersatzung beschlossen, nach der Apparate mit Gewinnmöglichkeit
nach dem Einspielergebnis besteuert würden. Abweichend von dieser
Regelbesteuerung könne auf Antrag des Steuerschuldners eine Besteuerung nach der
Anzahl der Apparate erfolgen. Das angesprochene Musterverfahren betreffe nicht eine
Regelbesteuerung nach dem Einspielergebnis.
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Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die Vergnügungssteuersatzung
sei verfassungswidrig, da sie nicht den Aufwand des Spielenden, sondern vielmehr das
Halten der Apparate besteuere. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
vor, weil das Bespielen von Geldspielgeräten im Rahmen von Volksbelustigungen,
Jahrmärkten und ähnlichen Veranstaltungen steuerfrei bleiben solle. Bezüglich der
Besteuerung von Geldspielgeräten verstoße die Satzung gegen das steuerrechtliche
Klarheitsgebot. Nach § 4 der Satzung werde für das Bespielen von Geldspielgeräten mit
Gewinnmöglichkeit immer noch eine Pauschsteuer erhoben, während in § 10
tatsächlich auf das Einspielergebnis abgestellt werde. Aus diesen Gründen fehle es
auch an einer wirksamen Regelung des Entstehens des Steueranspruchs in § 12 der
Satzung. Die Definition des Einspielergebnisses als Besteuerungsgrundlage in § 10 der
Satzung sei zu unbestimmt. Aus den Satzungsunterlagen ergebe sich nicht, dass der
Satzungsgeber die Auswirkungen der Steuerhöhe auf die betroffenen Unternehmer
sachgerecht abgewogen habe. Die in § 10 a der Satzung enthaltene Wahlmöglichkeit
sei rechtswidrig. Diese Regelung ermögliche es den Unternehmen mit hohen
Einspielergebnissen, die Steuerschuld auf maximal 150,00 Euro pro Gerät zu
begrenzen, während Unternehmer mit geringeren Einspielergebnissen
unverhältnismäßig mehr zahlen müssten.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Vergnügungssteuererklärungen/-bescheide vom 7. April 2005 betreffend die Monate
Januar bis März 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. Juni 2006 und
13. Juni 2006 aufzuheben, soweit Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit zur
Vergnügungssteuer herangezogen worden sind.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält die Satzung für rechtmäßig. In der Satzung seien Regelungen über die
Entstehung der Vergnügungssteuer für Spielgeräte enthalten. Bei einem
entsprechenden Nachweis würden von dem in § 10 Abs. 1 der Satzung definierten
Einspielergebnis die Beträge von Falschgeld, Wechselgeld oder ähnlichem in Abzug
gebracht.
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Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
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Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 20. November 2008 die
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Berufung zugelassen.
Die Klägerin macht geltend, die Definition der Besteuerungsgrundlage in § 10 Abs. 1
und 2 der Vergnügungssteuersatzung sei ungenau formuliert und womöglich
rechtswidrig. Sie genüge nicht den Anforderungen an das Gebot der Normenklarheit.
Die Auslesestreifen der Geldspielautomaten würden mehrere Positionen angeben. Ein
als "Saldo 1" gekennzeichneter Betrag errechne sich aus den weiteren Positionen
"Einwurf" abzüglich der Position "Auswurf". Diese Positionen beschrieben weder die
tatsächlich eingesetzten Geldbeträge noch die ausgezahlten Gewinne. Damit sei unklar,
woran die Satzungsbestimmungen zur Berechnung der Vergnügungssteuer anknüpften.
Hierauf habe das Verwaltungsgericht Düsseldorf in mehreren Entscheidungen
hingewiesen. Während der Saldo 1 die Bruttokasse des Spielgerätes darstelle, stelle
der Saldo 2 eine um verschiedene Abzugspositionen bereinigte Kasse dar. Die
Bereinigung enthalte insbesondere die nicht unerhebliche Position Prüfgeld, Testgeld
und Fehlgeld. Im Saldo 2 würden auch Falschgeld und die notwendige und
vorgeschriebene Auffüllung der Röhren berücksichtigt. Prüftestgeld, Falschgeld,
Fehlgeld und auch die notwendige Auffüllung der Röhren stelle keinen
Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers dar. Auch die weit verbreitete Praxis,
Geldspielgeräte als Geldwechsler zu nutzen, werde nicht berücksichtigt. Soweit das
Verwaltungsgericht ausführe, der Beklagte habe klargestellt, dass diese zuvor
angesprochenen Vorgänge bei der Besteuerung nicht zum Nachteil des Aufstellers
berücksichtigt würden, bleibe es dabei, dass es der entsprechenden Satzungsregelung
an der notwendigen Bestimmtheit fehle. Das Bundesverfassungsgericht gehe in
ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Steuerpflichtige anhand der
Regelungen einer Norm die Rechtslage so erkennen können müsse, dass er sein
Verhalten danach ausrichten könne.
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§ 10 a der Vergnügungssteuersatzung sehe für den hier interessierenden Zeitraum eine
Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Besteuerungsmaßstabes vor. Eine solche
Wahlmöglichkeit verstoße gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG.
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Es müsse neu geprüft werden, ob die Vergnügungssteuer in der vorliegenden Form mit
Art. 105 Abs. 2 a GG vereinbar sei. Es sei zu berücksichtigen, dass die Veranstalter den
Vorgaben der Spielverordnung unterlägen. Die Steuererhebung verstoße gegen Art. 12
Abs. 1 GG. Hier werde zudem in unzulässiger Weise das Halten von Apparaten
besteuert. Aus der Satzung ergebe sich nicht im notwendigen Maß der Charakter als
Aufwandsteuer. Die Steuer sei auch nicht auf eine Abwälzung angelegt. Die Satzung
verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil nur einige Vergnügungen
besteuert würden. Die Einschränkungen könnten auch nicht mit dem mit der
Steuererhebung verfolgten Lenkungszweck gerechtfertigt werden.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu
erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor: Die Besteuerungsgrundlage sei ausreichend definiert. Aus dem Wortlaut der
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Satzung ergebe sich, dass zum Zwecke des Geldwechselns eingesetzte Beträge von
der Besteuerung ausgenommen seien, da sie gerade nicht als Einsatz für ein Spiel
eingezahlt würden. In der mündlichen Verhandlung sei zudem klargestellt worden, dass
Falsch- oder Wechselgelder usw. in Abzug gebracht würden. Durch die Änderung der
Satzung vom 11. Dezember 2007 werde auch klargestellt, dass das Einspielergebnis
der Betrag der elektronisch gezählten Bruttokasse sei, der sich errechne aus der
elektronisch gezählten Kasse zuzüglich Röhrenentnahme (sog. Fehlbetrag), abzüglich
Röhrenauffüllung, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld. Durch die Satzungsänderung
sei auch das gerügte Wahlrecht hinsichtlich des Besteuerungsmaßstabes aufgehoben
worden. Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen zutreffend ausgeführt, dass eine
Besteuerung nach dem Einspielergebnis - wie vorliegend vorgenommen - in ihrem
Bestehen nicht von einer Wahlmöglichkeit der Besteuerung abhänge. Für die Erhebung
der Vergnügungssteuer bestehe eine Ermächtigung. Für den Charakter der
Vergnügungssteuer als Aufwandsteuer sei maßgebend die in der
Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Hierzu gehöre traditionell die Spielautomatensteuer. Eine Bekämpfung der Spielsucht
sei auch legitim.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung hat Erfolg.
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Die Vergnügungssteuererklärungen/-bescheide vom 7. April 2006 in der Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 12. und 13. Juni 2006 sind rechtswidrig und verletzen die
Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
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Die Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage nicht in § 10 der
Vergnügungssteuersatzung vom 15. Dezember 2005. Diese Satzung ist zwar auf den
vorliegenden Fall, in dem es um die Besteuerung der Geldspielgeräte in den Monaten
Januar bis März 2006 geht, anwendbar. Die Änderungssatzung vom 11. Dezember
2007 gilt hier nicht. Diese Änderungssatzung trat nach Art. 3 rückwirkend für die Zeit
vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2005 und im Übrigen zum 1. Januar 2008 in
Kraft. Nach der somit hier anzuwendenden Satzung vom 15. Dezember 2005 beträgt
nach § 10 Abs. 2 die Steuer je Apparat und angefangenem Kalendermonat bei der
Aufstellung in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen für Apparate mit
Gewinnmöglichkeit 10 v. H. des Einspielergebnisses. Nach § 10 a Abs. 1 der Satzung
vom 15. Dezember 2005 erfolgt jedoch eine Besteuerung nach der Zahl der Apparate,
soweit für Besteuerungszeiträume die Einspielergebnisse nicht durch Ausdrucke
manipulationssicherer elektronischer Zählwerke nachgewiesen und belegt werden
können oder auf Antrag des Steuerschuldners. Gemäß § 10 a Abs. 2 Nr. 1 a der Satzung
beträgt die Steuer dann je Apparat und angefangenem Kalendermonat für Apparate mit
Gewinnmöglichkeit in Spielhallen 150,-- EUR. Die in § 10 a geregelte abweichende
Besteuerung ist mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Sie ermöglicht
nämlich einem Automatenaufsteller durch Ausübung des Antragsrechts die Besteuerung
auf 150,-- EUR je Gerät und Monat zu begrenzen, auch wenn nach den
Einspielergebnissen ein höherer Betrag zu entrichten wäre. Ein sachlicher Grund dafür,
dass ertragsstarke Geräte im Verhältnis geringer besteuert werden als Geräte, die
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geringere Einspielergebnisse erzielen, besteht nicht. Aus der Sitzungsvorlage für diese
Satzungsregelung ergibt sich im Übrigen kein Grund, weshalb der Satzungsgeber die
Wahlmöglichkeit eingeräumt hat.
Die Nichtigkeit der Regelung in § 10 a erstreckt sich entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts auf die Besteuerung der Geldspielgeräte, auch soweit diese
ausschließlich nach dem Einspielergebnis besteuert wurden. Die Höhe der
Besteuerung der Geldspielgeräte setzt sich zusammen aus der Besteuerung nach dem
Einspielergebnis und der Stückzahl bei abweichender Besteuerung. Bricht eine dieser
Besteuerungsformen weg, kann die andere nicht aufrechterhalten bleiben, weil die
Höhe der Steuer vom Satzungsgeber zu bestimmen ist und nicht durch das Gericht
festgelegt werden kann. Ein Wegfall der abweichenden Besteuerung würde tendenziell
zu einer Erhöhung der Steuer führen. Dies ist auch ein Grund, weshalb es nicht darauf
ankommt, ob von der Wahlmöglichkeit, die § 10 a der Satzung einräumt, Gebrauch
gemacht worden ist. Ohne die Wahlmöglichkeit hätte der Steuersatz möglicherweise
geringer festgesetzt werden können. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen,
dass nach der Beschlussvorlage auch zunächst ein Steuersatz von 9 v. H. des
Einspielergebnisses vorgeschlagen worden ist. Ergänzend ist anzumerken, dass
ausweislich einer mit Schriftsatz vom 23. März 2007 übersandten Liste eine pauschale
Besteuerung von Geräten mit Gewinnmöglichkeit im Jahr 2006 erfolgt ist. Ein Grund für
die abweichende Besteuerung wurde allerdings nicht angegeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V.
m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.
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