Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.07.2004

OVG NRW (zweifel, darlehensvertrag, richtigkeit, begründung, arbeitsstelle, fahrzeug, leistungsfähigkeit, verwaltungsgericht, darlehen, sohn)

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 886/01
Datum:
30.07.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 886/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 7 K 3434/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Zulassungsverfahrens.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung, dessen Prüfung sich nach § 124a der
Verwaltungsgerichtsordnung in der für die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 geltenden
Fassung (VwGO a.F.) und § 124 Abs. 2 VwGO richtet (vgl. § 194 Abs. 1 VwGO in der
Fassung von Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im
Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 - BGBl. I S. 3987), hat keinen Erfolg. Der
geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
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Derartige Zweifel bestehen nur dann, wenn durch das Vorbringen des
Rechtsbehelfsführers Bedenken von solchem Gewicht gegen die Richtigkeit der
erstinstanzlichen Entscheidung hervorgerufen werden, dass deren Ergebnis ernstlich in
Frage gestellt ist.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. März 2001 -12 B 1284/00 - sowie auch BVerwG,
Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542.
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Das ist hier nicht der Fall. Die Klägerin greift mit ihrem Zulassungsvorbringen die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit an, als dieses es abgelehnt hat, die von
ihr geltend gemachten Rückzahlungen auf ein bei der Volksbank Q. aufgenommenes
Anschaffungsdarlehen von ihrem Einkommen abzuziehen. Zur Begründung hat das
Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe das Darlehen zu
einem Zeitpunkt aufgenommen, als sie bereits gewusst habe, dass ihr Sohn in einem
Heim untergebracht gewesen sei. Da sie ihrem minderjährigen unverheirateten Sohn
nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig gewesen sei, habe sie
alles in ihren Kräften stehende tun müssen, um jedenfalls den Mindestbedarf des
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Kindes sicherzustellen. Die Rückzahlung aus dem Anschaffungsdarlehen bei der
Volksbank Q. hätte sie vermeiden können, indem sie das Kraftfahrzeug veräußert und
das Darlehen abgelöst hätte. Unterhaltsrechtlich wäre es ihr ohne weiteres zumutbar
gewesen, das Kraftfahrzeug zu veräußern, nachdem sie arbeitslos geworden sei.
Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin stellen das Ergebnis der
erstinstanzlichen Entscheidung nicht ernstlich in Frage.
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Ihr Vorbringen, sie habe das Fahrzeug angeschafft, um die Arbeitsstelle in dem
Malereibetrieb Franz-Josef U. zu bekommen, geht an der Begründung des
Verwaltungsgerichts vorbei, in der nicht darauf abgestellt worden ist, dass die Klägerin
das Fahrzeug nicht hätte anschaffen dürfen, sondern darauf, dass sie es hätte
veräußern müssen, nachdem sie zum 1. Februar 1999 arbeitslos geworden war. Im
Übrigen entspricht das Vorbringen auch offenbar nicht den Tatsachen. Denn die
Klägerin hat das Anschaffungsdarlehen bei der Volksbank Q. mit dem im
Darlehensvertrag angegebenen Verwendungszweck „KFZ-Finanzierung" im Juli 1998
aufgenommen, während das Arbeitsverhältnis im Malereibetrieb U. bereits zum 1. Juni
1997 begründet worden war.
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Weiter macht die Klägerin zur Begründung des Zulassungsantrags geltend, bei einer
Veräußerung des Fahrzeugs hätten sich ihre Chancen auf Wiedereinstellung verringert
und außerdem hätte der Verkaufserlös zur vollständigen Tilgung des Darlehens nicht
ausgereicht. Diese Einwände rufen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils hervor, weil es für die Beantwortung der Frage, ob die aufgrund
des Darlehensvertrages vom Juli 1998 zu leistenden Zins- und Tilgungszahlungen vom
Einkommen der Klägerin abzusetzen sind, nicht darauf ankommt, ob ihr nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Verkauf des Fahrzeugs zumutbar war und
welchen Erlös sie dadurch hätte erzielen können. Denn ihre Verpflichtungen aus dem
mit der Volksbank Q. abgeschlossenen Darlehensvertrag können nach der im Rahmen
des § 94 Abs. 2 SGB VIII grundsätzlich maßgeblichen und auch von der Klägerin für
richtig gehaltenen unterhaltsrechtlichen Betrachtung insgesamt keine Berücksichtigung
finden.
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Es ist schon nicht dargelegt, dass die Aufnahme eines Darlehens zur Anschaffung eines
Kfz überhaupt notwendig war. Daran bestehen durchgreifende Zweifel, weil die
schriftliche Erklärung des Vaters der Klägerin vom 15. Juli 1998, in der von einem „alten
Wagen" die Rede ist, der vor eineinhalb Jahren „zum Tüv musste", und die
Bescheinigung ihres Arbeitgebers vom 3. November 1999 über „mit ihrem privaten Pkw
gefahrene Kilometer für das Jahr 1998" darauf hinweisen, dass die Klägerin bereits vor
Juli 1998 über ein Kfz verfügt hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Kfz
nicht mehr betriebsbereit war.
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Die Schulden können auch aus einem anderen Gesichtspunkt nicht berücksichtigt
werden. Soweit Schuldentilgung zur beschränkten Leistungsfähigkeit führen würde,
können solche Schulden nämlich gänzlich außer Betracht gelassen werden, die der
Unterhaltsschuldner eingegangen ist in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht, wenn er sich
unter grober Missachtung dessen, was jedem einleuchten muss, oder in
Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltsberechtigten über die
erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Leistungsfähigkeit hinweggesetzt hat.
Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn der Unterhaltsschuldner sich mit der Anschaffung
eines Kfz nicht nur in den Stand versetzt, seine Arbeitsstelle erreichen zu können,
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sondern auch ein Prestigebedürfnis befriedigt, und dafür einen gegenüber
bescheideneren, aber ebenso geeigneten Fahrzeugen erheblich höheren Kaufpreis
aufwendet.
Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. November 2001 - 16 WF 112/01 -, juris, unter
Hinweis auf BGH, Urteil vom 12. April 2000 - XII ZR 79.98 -, FamRZ 2000, S. 815.
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Bei Anwendung dieses Maßstabes sind die Zahlungsverpflichtungen der Klägerin aus
dem im Juli 1998 abgeschlossenen Darlehensvertrag nicht einkommensmindernd zu
berücksichtigen. Der vorgelegte Darlehensvertrag weist einen Nettokreditbetrag von
etwa 18.800 DM und als Verwendungszweck „KFZ- Finanzierung" aus. Auch nach den
Angaben der Klägerin ist der Darlehensbetrag für diesen Zweck verwendet worden. Die
Klägerin hätte ihre Arbeitsstelle bzw. ihren jeweiligen Einsatzort aber mit einem deutlich
preiswerteren Fahrzeug ebenso gut erreichen können. Die Anschaffung eines Kfz zu
einem Preis von fast 19.000 DM kann deshalb unterhaltsrechtlich nicht anerkannt
werden, gleich ob sie aus Prestigegründen erfolgte oder um der Heranziehung zu einem
Kostenbeitrag zu entgehen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Klägerin kurz
vor Abschluss des Darlehensvertrages durch den Beklagten mit Schreiben vom 10. Juli
1998 gebeten worden war, zwecks Prüfung ihrer Leistungsfähigkeit Nachweise über
ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu übersenden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
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Mit diesem Beschluss, der nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist, wird das
angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 2 Satz 3 VwGO
a.F., § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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