Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.05.2000

OVG NRW: grundstück, bebauungsplan, gemeinde, geschosszahl, beschränkung, öffentlich, wohnhaus, willkürverbot, hauptsache, vollstreckung

Oberverwaltungsgericht NRW, 3 A 1434/97
Datum:
18.05.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 A 1434/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 17 K 1545/94
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten hinsichtlich
eines Teilbetrages von 14.088,72 DM für in der Hauptsache erledigt
erklärt haben; insoweit ist das angefochtene Urteil wirkungslos.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Urteilsgebühr zweiter Instanz; von den übrigen
Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Kläger 88 v.H. und der
Beklagte 12 v.H.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Voll- streckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Er- schließungsbeitrag für
die erstmalige Herstellung des S. weg zwischen L 277 bis zur Einmündung in
denjenigen Teil des S. weg , der vom H. Fließ in südlicher Rich- tung bis zur Straße "J.
T. " verläuft.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung I. , Flur 31, Flurstück 470. Auf
dem 4341 qm großen Grundstück befindet sich ein ehemaliger Bauernhof, der heute zu
Wohnzwecken genutzt wird und am 25. August 1992 in die Denkmalliste eingetragen
wurde. Das Grundstück liegt an der Abzweigung des S. weg von der L 277 (F. straße /
H. Straße).
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Der S. weg im hier betroffenen Teilstück wurde bis Mitte 1993 in seiner jetzigen Gestalt
angelegt. Bereits im Jahre 1985 war der S. weg von der Straße "J. T. " bis zur
Einmündung in die L 277 gewidmet worden. Am 2. November 1993 beschloss der Rat
der Gemeinde F. "den Abschnitt des S. weg , der zwischen der Einmündung der F.
straße / H. Straße in östlicher Richtung bis zur Einmündung der Teilstrecke des S. weg
verläuft, die in südlicher Richtung in die Straße J. T. einmündet", abzurechnen. Am
selben Tage erließ der Rat der Gemeinde F. eine Sat- zung, nach der die
Erschließungsanlage S. weg im vorbe- zeichneten Abschnitt abweichend von § 8 Abs. 1
und 2 der Er- schließungsbeitragssatzung der Gemeinde F. vom 10. November 1987
i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 7. April 1992 unter Verzicht auf die Herstellung des
nördlichen Gehwe- ges zwischen den beiden Wirtschaftswegen (Parzellen Nr. 1 und 16)
endgültig hergestellt ist.
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Das Gebiet südlich des an der L 277 beginnenden Abschnitts des S. weg liegt - ebenso
wie die Straße selbst - im Be- reich des Bebauungsplanes Nr. 43. Für die nördlich der
vorbe- zeichneten Straßenstrecke gelegenen Grundstücke besteht kein Bebauungsplan.
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Mit Bescheid vom 13. Dezember 1993 zog der Beklagte den Kläger zu einem
Erschließungsbeitrag in Höhe von 114.577,44 DM heran. Bei der Beitragsberechnung
legte er die gesamte Grundstücksfläche zugrunde und ging - entsprechend den
Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 43 - von einer zweigeschossigen
Bebaubarkeit des Grundstücks aus.
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Den dagegen erhobenen Widerspruch, mit dem sich der Kläger gegen die
uneingeschränkte Zugrundelegung der Grundstücksfläche wandte, wies der Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 1994 zurück. Zur Begründung führte er
namentlich aus: Die Erschließungswirkung des abgerechneten Straßenabschnitts
erfasse die gesamte Fläche des klägerischen Grundstücks. Dem Kläger sei es zwar
aufgrund der festgesetzten Baugrenzen und Baulinien verwehrt, das Grundstück
entsprechend der in dem Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl zu
überbauen. Eine solche Nutzungsbeschränkung sei aber nur dann erheblich, wenn das
durch die Beschränkung betroffene Nutzungsmaß eine Komponente der
satzungsmäßigen Verteilungsregelung sei. Dies sei nicht der Fall. Denn die
Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde F. ordne eine Aufwandsverteilung nach
den Grundstücksflächen in Verbindung mit der Anzahl der Vollgeschosse an. Die
Ausschöpfung dieses Nutzungsmaßes sei nicht behindert. Insbesondere sei das
Grundstück planent- sprechend zweigeschossig bebaut. Die Frage einer Tiefenbegren-
zung könne sich vorliegend nicht stellen, weil das Grundstück des Klägers nicht in
einem unbeplanten Gebiet liege.
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Die daraufhin am 3. März 1994 erhobene Klage mit dem Antrag,
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den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 13. Dezember 1993 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 1994 aufzuheben,
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hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen des
erstinstanzlichen Vortrags der Beteiligten Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentli- chen ausgeführt: Mit Blick auf die vorangegangene
Herstellung des weiterführenden Teils des S. weg sei eine andere als die
vorgenommene Abschnittsbildung rechtlich nicht zulässig gewesen. Auch das
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Abrechnungsgebiet sei zutreffend bestimmt worden. Namentlich seien die nördlich der
Straße gelegenen Parzellen 96 und 97 als Außenbereichsgrundstücke richtigerwei- se
nicht in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke ein- bezogen worden. Die Höhe
des für das klägerische Grundstück erhobenen Erschießungsbeitrages sei in rechtlich
bedenkenfrei- er Weise bestimmt worden. Zwar ergäben sich für das Grundstück
Nutzungseinschränkungen aus der wegen des Denkmalschutzes er- folgten Festlegung
der Baulinien auf die Außengrenzen der ge- genwärtig vorhandene Hofanlage, womit
eine über den aktuellen Baubestand hinausgehende bauliche Nutzung des Grundstücks
- anders als es die Festsetzung der Grundflächenzahl an sich erlaube - ausgeschlossen
sei. Diese aus Gründen des Denkmal- schutzes erfolgte Nutzungseinschränkung habe
indes - was maß- geblich und bereits im Widerspruchsbescheid zutreffend darge- tan sei
- keine Auswirkung auf die in § 6 der Erschließungs- beitragssatzung zur Feststellung
der baulichen Nutzbarkeit zugrunde gelegten Kriterien. Die Berücksichtigung einer Tie-
fenbegrenzung für das klägerische Grundstück sei nicht mög- lich, da das Satzungsrecht
für Grundstücke im Bereich eines rechtsgültigen Bebauungsplans eine solche
Begrenzung nicht vorsehe. Dies sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch
eine Eckgrundstücksvergünstigung habe der Beklagte zu Recht versagt. Eine solche
Vergünstigung scheide aus, wenn die wei- tere Straße dem Grundstück keinen
Erschließungsvorteil biete, etwa weil es sich nicht um eine Anbaustraße handele und
das Grundstück im bebauungsrechtlichem Sinne durch diese weitere Straße nicht
erschlossen werde und deshalb für die Straße auch keine Erschließungsbeiträge
erhoben werden könnten. Dies sei im Hinblick auf die H. Straße der Fall, da für die- se
klassifizierte Landesstraße Erschließungsbeiträge nach den unwidersprochen
gebliebenen Ausführungen des Beklagten weder erhoben worden seien noch erhoben
werden könnten. Soweit der Kläger eine unbillige Härte geltend mache, sei er auf die in
§ 135 Abs. 2 BauGB getroffene Billigkeitsregelung zu verwei- sen. Eine Entscheidung
nach dieser Vorschrift sei jedoch nicht Gegenstand des Klageverfahrens.
Gegen das bei seinem Prozessbevollmächtigten am 29. Januar 1997 eingegangene
Urteil hat der Kläger am 26. Februar 1997 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er
im Wesentlichen geltend macht:
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Der Beklagte habe zu Unrecht bei der Ermittlung des Erschließungsbeitrags die
gesamte Fläche seines Grundstücks sowie eine zweigeschossige Bebaubarkeit
zugrunde gelegt. Ein ca. 1350 qm großer Teil des Grundstücks sei als Schutzstreifen für
eine Stromleitung jeglicher Bebauung entzogen. Darüber hinaus bestünden
denkmalschutzrechtliche Nutzungseinschränkungen. Soweit nach der modifizierten
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum sog. Verminderungszwang
Nutzungseinschränkungen unbeachtlich seien, beruhe diese Auffassung ausschließlich
auf Praktikabilitätsgründen. Der Vorrang solcher Erwägungen könne aber dann nicht
gelten, wenn Praktikabilitätsgesichtspunkte im konkreten Einzelfall keine nennenswerte
Bedeutung besäßen und die Nutzungsbeschränkungen andererseits derart gravierend
seien, dass ihre Außerachtlassung zur Annahme einer Nutzungsvorteils führe, der mit
dem tatsächlichen Vorteil auch nicht entfernt zu tun habe. So verhalte es sich
vorliegend. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der überbaubare Teil der anderen
Grundstücke im Abrechnungsgebiet ca. 45 % der Grundstücksfläche betrage, während
der Anteil bei seinem - des Klägers - Grundstück weniger als 25 % betrage. Hiervon
abgesehen, sei die ursprüngliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum
Verminderungszwang vorzugswürdig gewesen; zu ihr sei deshalb zurückzukehren.
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Wegen der dargestellten Umstände des Abrechnungsgebiets sei auch die der
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Beitragsermittlung zugrunde liegende Abschnitts- bildung unzulässig. Der S. weg bilde
nach seinem äußeren Erscheinungsbild in der Örtlichkeit insgesamt eine einheitli- che
Erschließungsanlage. Der vorliegend abgerechnete Abschnitt sei weit überwiegend nur
einseitig bebaubar, was zu einer er- heblichen und rechtlich unzulässigen
Beitragsverzerrung führe. Dies verdeutliche zwar noch nicht der vom Beklagten in dem
an- gefochtenen Bescheid angesetzte Betrag von 21,11 DM/qm. Es sei indessen zu
berücksichtigen, dass die in die Beitragsvertei- lung eingeflossene Fläche des
Abrechnungsgebiets durch die un- typische Tiefe seines - des Klägers - Grundstücks
und dessen zweigeschossige Bebaubarkeit um mehr als 3000 qm vergrößert worden
sei. Ohne diese Besonderheit betrüge der auf den Quad- ratmeter entfallende Beitrag
ca. 32,-- DM. Dieser Beitragssatz wäre bei Einbeziehung des beidseitig anbaubaren
Abschnitts des S. weg erheblich niedriger ausgefallen. Insoweit sei zu beachten, dass
an dem anderen Abschnitt des S. weg ein sechsgeschossiges Wohnhaus auf einem
größeren Grundstück ste- he. Die auf den Eigenarten des jeweiligen Verteilungsgebiets
beruhende Ungleichheit der Belastung sei auch beachtlich. Wenn auch die Zulässigkeit
der Abschnittsbildung grundsätzlich eine Frage der Aufwandsermittlung sei, so sei doch
in der oberge- richtlichen Rechtsprechung bereits anerkannt worden, dass eine
willkürliche Abschnittsbildung auch dann vorliegen könne, wenn - wie hier - eine im
Wesentlichen nur einseitig anbaubare Strecke von einer beidseitig anbaubaren
Teilstrecke im Wege der Abschnittsbildung abrechnungsmäßig getrennt werde.
Schließlich sei auch die Aufwandsermittlung nicht nachvoll- ziehbar. Falls die Kosten für
die Herstellung eines Abschnitts - wie vorliegend - einer Gesamtabrechnung zu
entnehmen seien, könnten die Beitragspflichtigen eine korrekte und nachvoll- ziehbare
Aufwandsermittlung in der Weise erwarten, dass ein Aufmaß für eben den
abzurechnenden Abschnitt erstellt und auf dieser Grundlage die maßgeblichen Anteile
aus den Unternehmer- rechnungen ermittelt würden. Dies sei vorliegend nicht gesche-
hen. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge sei ein Aufmaß viel- mehr nur für den
anderen, hier nicht zur Abrechnung gestellten Abschnitt des S. weg erstellt worden. Die
danach ermittel- ten Kostenmassen seien offenbar von den Gesamtkosten abgezogen
und anschließend sei die Differenz für den vorliegend abge- rechneten Abschnitt
angesetzt worden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte den
Heranziehungsbescheid - im Hinblick auf eine vom Senat angeforderte Neuberechnung
der Fremdfinanzierungskosten - geändert und seine Beitragsforderung um 14.088,72
DM auf 100.488,72 DM reduziert. Hinsichtlich der Beitragsreduzierung haben die
Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache über- einstimmend für erledigt erklärt.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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unter Änderung des angefochtenen Ur- teils den Erschließungsbeitragsbescheid des
Beklagten vom 13. Dezember 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
3. Februar 1994 sowie der Änderung vom 18. Mai 2000 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung bekräftigt er seine Ansicht, dass die vom Klä- ger angeführten
Nutzungsbeschränkungen für die Beurteilung des Beitragsbescheides unerheblich
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seien. Das gelte insbesondere, wenn die im Bebauungsplan festgesetzte (Höchst-)Zahl
von zwei Vollgeschossen für das ganze denkmalgeschützte Gebäude durch
Umbaumaßnahmen im Inneren unter Wahrung der Außenfassade voll realisiert werden
könne. Ergänzend trägt er vor: Die vorgenom- mene Abschnittsbildung entspreche
geltendem Recht. Insbesonde- re sei sie nicht willkürlich erfolgt. Zum maßgeblichen
Zeit- punkt des Abschnittsbildungsbeschlusses seien ausstattungsbe- dingte
Mehrkosten nicht erkennbar gewesen. Sie seien auch nachweislich nicht entstanden.
Dem Umstand, dass ein Teilstück des hier abgerechneten Abschnitts des S. weg nur
einseitig anbaubar sei, sei dadurch Rechnung getragen worden, dass die Anlage eines
einseitigen Gehweges als ausreichend angesehen worden und bei der
Aufwandsermittlung lediglich eine Fahrbahn- breite von 4,75 m als schlechthin
unentbehrlich zugrunde ge- legt worden sei, was zu einer entsprechenden
Kostenminderung geführt habe. J. Übrigen sei von den Anliegern des anderen
Abschnitts des S. weg ein höherer Beitrag pro Quadratmeter Grundstücksfläche zu
entrichten gewesen als von den Anliegern des vorliegend abgerechneten Abschnitts.
Auch die Aufwandser- mittlung sei rechtlich bedenkenfrei. In Fällen der hier gege-
benen Art, in denen der Gemeinde Kosten für die Herstellung mehrerer
Abrechnungsräume zum Teil zusammengefasst in Rechnung gestellt worden seien,
bestehe die Befugnis, den beitragsfähi- gen Aufwand mit Hilfe gesicherter
Erfahrungssätze zu schätzen, wobei diese Schätzungsbefugnis mit einem gewissen
Spielraum verbunden sei. Diesen Anforderungen sei genügt worden. Der Bauleiter habe
im Jahre 1987 ein Aufmaß für den ersten Ab- schnitt des S. weg in der Örtlichkeit erstellt,
um die Beitragsabrechnung für diese Teilstrecke zu ermöglichen. Es sei davon
auszugehen, dass die damals nicht berücksichtigten Massen auf den nunmehr
abgerechneten Abschnitt entfielen. Eine Eckgrundstücksvergünstigung scheide aus,
weil es sich bei der L 277 um eine vorhandene Straße i.S.v. § 242 Abs. 1 BauGB han-
dele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte dieses Verfahrens und der zugehörigen Eilsache (7 L 395/94) sowie der
beigezogenen Ver- waltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das
angefochte- ne Urteil entsprechend § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2
ZPO für wirkungslos zu erklären.
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Die danach noch anhängige Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. In
dem noch streitigen Umfang hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht
abgewiesen.
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Der Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 13. Dezember 1993 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 1994 und der Änderung in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er findet seine Rechtsgrundlage in den §§ 127 ff
BauGB i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde F. vom 10. November
1987 in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 7. April 1992 (EBS 1987/92).
Dieses Satzungsrecht stellt, soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung,
gültiges Ortsrecht dar.
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Die danach maßgeblichen Voraussetzungen für die Heranziehung zu dem streitigen
Erschließungsbeitrag liegen vor. Die Beitragsfestsetzung in der nunmehr maßgeblichen
Fassung ist namentlich weder unter dem Gesichtspunkt des vom Beklagten gewählten
Abrechnungsraumes (1.) noch hinsichtlich der Aufwandsermittlung (2.) oder der
Bemessung des Erschließungsbeitrages für das klägerische Grundstück (3.)
rechtsfehlerhaft.
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1. Die vom Beklagten zugrundegelegte Abrechnungsstrecke ist nicht zu beanstanden.
Dabei kann dahinstehen, ob es mit Blick auf das Erscheinungsbild der Straße in der
Örtlichkeit überhaupt einer Abschnittsbildung bedurfte oder diese - wie das
Verwaltungsgericht meint - durch die vorangegangene Bildung und Abrechnung des
anderen Abschnitts des S. weg rechtlich vorgegeben war. Denn ungeachtet dessen
erweist sich die Bildung eines Abrechnungsabschnittes zwischen der L 277 bis zur
Einmündung in denjenigen Teil des S. weg , der vom H. Fließ in südlicher Richtung bis
zur Straße "J. T. " verläuft, nicht als fehlerhaft. Der Einwand des Klägers, die
Abschnittsbildung an dieser Stelle führe im Zu- sammenhang mit dem von ihm
beanstandeten Ansatz seines Grund- stücks mit seiner vollen Fläche zu einer gegen
das Willkürver- bot verstoßenden und damit unzulässigen Beitragsverzerrung zu seinen
Lasten, greift nicht durch.
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Eine willkürliche Mehrbelastung der Anlieger des nunmehr abgerechneten
Straßenabschnitts ist selbst dann nicht erkennbar, wenn man insofern mit dem Kläger
auf die jeweilige Beitragslast pro Quadratmeter Grundstücksfläche abstellt. Denn der
Betrag je Quadratmeter Grundstücksfläche für die Teilstrecke, an die das Grundstück
des Klägers grenzt, liegt mit 21,1154 DM bereits ohne Berücksichtigung der vom
Beklagten hinsichtlich der Fremdfinanzierungskosten in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat vorgenommenen Reduzierung des Erschließungsaufwandes niedriger
als derjenige Beitrag, der von den Anliegern des anderen, schon früher abgerechneten
Abschnitts bezahlt werden musste und sich auf 21,3680 DM belief. Die Überlegung des
Klägers, die Erschließungskosten des mit dem angefochtenen Bescheid abgerechneten
Abschnitts lägen deutlich höher, wenn sein Grundstück mit einer um etwa 3000 qm
reduzierten Grundstücksfläche in das Verteilungsgebiet eingestellt worden wäre, geht
insoweit fehl, weil - wie noch unter 3. auszuführen sein wird - die gesamte der
Abrechnung zugrundeliegende Fläche des Grundstücks zu Recht berücksichtigt worden
ist und ein Verstoß gegen das Willkürverbot nicht aus lediglich hypothetisch
angenommenen, tatsächlich aber nicht den gegebenen Umständen abgeleitet werden
kann.
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Unabhängig davon ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum
Willkürverbot bei der Abschnittsbildung grundsätzlich abzustellen auf einen Vergleich
der Kosten der gebildeten Abschnitte pro Quadratmeter Straßenfläche, wobei nur
ausstattungsbedingte, nicht hingegen preissteigerungsbedingte Mehrkosten relevant
sind.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Juni 1996 - 8 C 30.94 -, DVBl 1996, 1325;
Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl., § 14 Rdn. 24 f.
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Bei Entstehung solcher Mehrkosten für einen der gebildeten Ab- schnitte ist jedoch
weder vom Kläger geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Hiervon ausgehend bedarf
es keiner weiteren Erörterung, ob die vom Kläger zusätzlich angeführte (überwie- gend)
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lediglich einseitige Anbaubarkeit des vorliegend abge- rechneten Abschnitts überhaupt
einen geeigneten Ansatzpunkt für die Annahme eines Verstoßes gegen das
Willkürverbot bieten kann, wenn - wie hier - von der Gemeinde unter Berücksichti- gung
des "Halbteilungsgrundsatzes" eine Reduzierung des Er- schließungsaufwandes auf
das für die einseitige Anbaubarkeit Unerlässliche vorgenommen worden ist.
2. Die dem angefochtenen Heranziehungsbescheid zugrundeliegende
Aufwandsermittlung ist - nachdem der Beklagte die Berechnung der
Fremdfinanzierungskosten korrigiert und den Erschließungsaufwand entsprechend
vermindert hat - gleichfalls nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zutreffend darauf hin-
gewiesen, dass gemäß § 128 Abs. 1 BauGB die Pflicht zur "pfen- niggenauen"
Ermittlung eines nachweislich entstanden Aufwands nur so weit reicht, wie eine solche
Kostenermittlung praktisch möglich ist.
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Vgl. dazu Driehaus, a.a.O., § 13 Rdn. 7 m.w.N.
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Hiervon ausgehend begegnet es keinen Bedenken, dass der Be- klagte - soweit
erforderlich - eine Kostenaufteilung für die beiden (teilweise) gemeinsam ausgebauten
Abschnitte in der Weise vorgenommen hat, dass er für den zunächst abgerechneten
Abschnitt ein Aufmaß erstellt und danach den hierauf entfal- lenden Kostenanteil
berechnet hat und davon ausgegangen ist, das verbleibende Kostenvolumen sei dem
nunmehr abgerechneten Abschnitt zuzuordnen. Die Erstellung eines eigenen - vom Klä-
ger geforderten - Aufmaßes für den zweiten Abschnitt ist bei diesem Ansatz entbehrlich.
Wenn nämlich das erste Aufmaß und die in der jeweiligen Unternehmerrechnung
angegebenen Massen zutreffend sind, was auch der Kläger nicht in Zweifel zieht, ist
nicht ersichtlich, dass ein Aufmaß für den zweiten Ab- schnitt zu einer abweichenden
Verteilung des Aufwandes führen würde. Ein Anspruch auf ein anderes, unmittelbar auf
den Ab- rechnungsraum bezogenes Verfahren der Kostenermittlung steht dem Kläger
unter diesen Umständen jedenfalls nicht zu.
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3. Schließlich ist die Bemessung des auf das klägerische Grundstück entfallenden
Erschließungsbeitrags fehlerfrei gemäß § 6 EBS 1987/92 erfolgt. Dabei legt der Senat
zugrunde, dass jedenfalls das auf dem Grundstück des Klägers befindliche (al- te)
Wohnhaus entsprechend den Feststellungen des Beklagten in seinem
Widerspruchsbescheid und in Übereinstimmung mit der Be- schreibung des Gebäudes
in der Denkmalliste zwei Vollgeschosse aufweist, was - ausweislich der Einlassungen
seines Prozessbe- vollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - auch
der Kläger nicht in Frage stellen will. Hiervon ausgehend greift der Einwand des
Klägers, sein Grundstück sei gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans
sowohl hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche als auch hinsichtlich der Ge-
schosszahl besonderen Nutzungsbeschränkungen unterworfen, die im Rahmen der
Beitragsbemessung beitragsmindernd zu berück- sichtigen seien, nicht durch. Das
Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungs- gerichts zutreffend davon ausgegangen, dass sich öffentlich-
rechtliche Nutzungsbeschränkungen auf die Ermittlung des auf ein Grundstück
entfallenden Beitrages nur dann auswirken, wenn das durch die Baubeschränkung
betroffene Nutzungsmaß eine Kom- ponente der satzungsmäßigen Verteilungsregelung
ist.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 3. Februar 1989 - 8 C 66.87 -, NVwZ 1989,
1076 und - 8 C 78.88 -, NVwZ 89, 1072.
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Dies ist hier nicht der Fall. Nach § 6 Abs. 1-4 EBS 1987/92 wird der abrechnungsfähige
Erschließungsaufwand auf die er- schlossenen Grundstücke des Abrechnungsgebietes
nach Grund- stücksfläche und Geschosszahl verteilt, wobei in beplanten Ge- bieten die
im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse maßgeblich ist
(vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 EBS 1987/92). Hieraus ergibt sich, dass die vom Kläger geltend
ge- machte Beschränkung der überbaubaren Grundstücksfläche keine Komponente der
satzungsmäßigen Verteilungsregelung ist und mithin keine Beitragsreduzierung
rechtfertigt. Gleiches gilt im Ergebnis auch hinsichtlich des Einwandes des Klägers, er
sei gehindert, die überbaubare Grundstücksfläche entsprechend der Festsetzung des
Bebauungsplanes vollständig zweigeschossig zu bebauen, da aus
denkmalschutzrechtlichen Gründen eine "Auf- stockung" des teilweise lediglich
eingeschossigen Baubestandes unzulässig sei. Eine solche Beschränkung der
baulichen Nutz- barkeit der überbaubaren Grundstücksfläche ändert - mit Blick darauf,
dass die Bebauung auf dem klägerischen Grundstück je- denfalls teilweise zwei
Vollgeschosse aufweist - nichts daran, dass die im Bebauungsplan festgesetzte Zahl
der Vollgeschosse von II im Sinne einer nach § 6 Abs. 4 Satz 1 EBS 1987/92 maß-
geblichen höchstzulässigen Geschosszahl tatsächlich ausge- nutzt werden kann und
durch den vorhandenen Gebäudebestand be- reits realisiert ist. Der Begriff
"höchstzulässig" setzt näm- lich entgegen der Ansicht des Klägers nicht eine einheitlich
für die gesamte überbaubare Grundstücksfläche erlaubte Ge- schosszahl voraus;
vielmehr nimmt er - in dem von ihm glei- chermaßen umfaßten Fall "gestaffelter"
Geschosszahlen - auf die höchste der jeweils auf dem Grundstück zulässigen Ge-
schosszahlen Bezug, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre.
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Vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Dezember 1986 - 8 C 9.86 -, NVwZ
1987, 420 (422).
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Diese durch § 6 Abs. 4 Satz 1 EBS 1987/92 für Fälle unter- schiedlicher Geschossigkeit
der Baukörper auf einem Grundstück vorgegebene Regelung knüpft zwar ausschließlich
an die in ei- nem Bebauungsplan festgesetzte Geschoßzahl an. Es kann aber keinen
rechtlichen Bedenken unterliegen, dass ihre Anknüpfung an die (irgendwo) auf dem
Grundstück höchste realisierbare Vollgeschosszahl gleichermaßen Geltung
beansprucht, wenn man annimmt, dass in Fällen der hier vorliegenden Art öffentlich-
rechtliche Baubeschränkungen trotz einer im Bebauungsplan festgesetzten
einheitlichen Geschoßzahl Einfluss auf den Bei- tragsbemessungsfaktor "Anzahl der
zulässigen Vollgeschosse" haben können. Denn ist in dem Fall, in dem ein
Bebauungsplan für den einen Teil der bebaubaren Fläche eines Grundstücks et- wa
eine Geschosszahl von II, für den anderen Teil dieser Flä- che aber eine lediglich
eingeschossige Bebaubarkeit festsetzt, nach § 6 Abs. 4 Satz 1 EBS 1987/92 zwingend
die gesamte Grund- stücksfläche bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes un-
ter Zugrundelegung einer zweigeschossigen Bebaubarkeit zu be- rücksichtigen, ist es
unter den Gesichtspunkten des Gleich- heitssatzes und der Vorteilsgerechtigkeit nur
folgerichtig, wenn die Anwendung des Satzungsrechts - nach Maßgabe der im
Bebauungsplan festgesetzten Geschosszahl - zum gleichen Resul- tat führt, falls eine
"Staffelung" der Geschosszahl in der zu- vor beschriebenen Weise nicht aus dem
Bebauungsplan selbst, sondern etwa aus denkmalschutzrechtlichen Vorschriften resul-
tiert. Dieses Ergebnis wird unter den vorgenannten materiellen Aspekten bestätigt, wenn
der auf dem Grundstück des Klägers vorhandene lediglich eingeschossige Baubestand
hinweggedacht und zudem angenommen wird, eine Bebauung über das dann noch
vorhandene zweigeschossige (alte) Wohnhaus hinaus sei aufgrund entsprechender
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Festsetzungen im Bebauungsplan oder aus denk- malschutzrechtlichen Gründen
unzulässig. In diesem Fall müsste die gesamte Grundstücksfläche nach § 6 Abs. 1-4
EBS 1987/92 - ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht - unter Zugrundele- gung
einer zweigeschossigen Bebaubarkeit veranlagt werden. Da- für, den Kläger nach
Maßgabe der tatsächlichen Gegebenheiten - bei demgegenüber intensiverer baulicher
Nutzung des Grund- stücks - aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit günstiger zu stellen,
besteht kein sachlicher Grund.
Das von der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Relevanz öffentlich-
rechtlicher Nutzungsbeschränkungen zuvorderst verfolgte Anliegen, insbesondere in
Fällen einer Verteilung nach dem kombinierten Grundflächen- /Vollgeschossmaßstab
unter dem Blickwinkel der Beitragsgerechtigkeit unbefriedigende Ergebnisse zu
vermeiden,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Februar 1989 - 8 C 66.87 -, a.a.O.;
Driehaus, a.a.O., § 17 Rdn. 89,
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zwingt demnach vorliegend entgegen der Annahme des Klägers nicht zu einer
Beitragsreduzierung, sondern im Gegenteil zu einer strikten Anwendung der in der
Erschließungsbeitragssat- zung vorgegebenen Beitragsbemessungsfaktoren. Die
Auffassung des Klägers, für die Außerachtlassung von Nutzungsbeschränkun- gen der
in Rede stehenden Art könnten lediglich Praktikabili- tätserwägungen angeführt werden,
findet demgegenüber weder in den zitierten Entscheidungen eine Stütze, noch erweist
sie sich anhand des vorliegenden Sachverhalts als zutreffend.
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Ausgehend von dem ergänzenden Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 8. Mai
2000 ist auch die Versagung einer Eck- grundstücksvergünstigung (§ 6 Abs. 11 EBS
1987/92) rechtmäßig. Da es sich bei der L 277 nach Angaben des Beklagten im fragli-
chen Bereich um eine vorhandene Straße i.S.v. § 242 Abs. 1 BauGB handelt - dafür,
dass diese Beurteilung falsch ist, be- steht kein Anhalt - und überdies nicht ersichtlich
ist, dass für diese Straßenstrecke Beiträge nach preußischem Anlieger- recht erhoben
worden sind, ist eine Eckgrundstücksvergünsti- gung durch § 6 Abs. 12 b EBS 1987/92
ausgeschlossen.
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Die Kostenentscheidung ist gemäß §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO zu
treffen. Hinsichtlich des für erledigt er- klärten Teils des Verfahrens sind die Kosten
gemäß der letzt- genannten Vorschrift dem Beklagten aufzuerlegen. Diese Ent-
scheidung entspricht billigem Ermessen i.S.v. § 161 Abs. 2 VwGO, weil der Beklagte
insoweit den Heranziehungsbescheid aufgehoben und damit dem Begehren des
Klägers der Sache nach entsprochen hat.
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Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§
132 Abs. 2 VwGO).
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