Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.11.1999

OVG NRW: neue beweismittel, verdacht, bundesamt, erforschung, beweisantrag, gehalt, behandlung, willkür, anhörung, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 21 A 3868/99.A
Datum:
19.11.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 A 3868/99.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 3947/99.A
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten der Kläger abgelehnt.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Gehörsrüge dringt nicht durch; sie ist
auf Angriffe gegen die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht gestellten Beweisantrags zu der Behauptung, daß der Kläger zu 2.
unter dem Verdacht der Unterstützung der LTTE im Jahre 1991 festgenommen, dem
"Magistrate`s Court" in Colombo vorgeführt, dort von Rechtsanwalt A. G. vertreten, auch
nach Beendigung dieses Verfahrens von den srilankischen Sicherheitsbehörden unter
diesem Verdacht mehrfach festgenommen und durch Intervention des Rechtsanwalts
wieder freigelassen worden sei, gestützt.
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Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das
Gericht dazu, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in
Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als
Prozeßgrundrecht sicherstellen, daß die gerichtliche Entscheidung frei von
Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der Außerachtlassung von
entscheidungserheblichem Vorbringen der Beteiligten haben. In diesem Sinne gebietet
das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs in Verbindung mit den Grundsätzen des
Prozeßrechts auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Allerdings bietet
es keinen Schutz dagegen, daß ein angebotener Beweis aus Gründen des formellen
oder materiellen Rechts nicht erhoben wird. Die Nichtberücksichtigung eines
erheblichen Beweisantrags verstößt danach gegen den Grundsatz des rechtlichen
Gehörs, wenn sie im Prozeßrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfG, Beschluß vom
18. Juni 1993 - 2 BvR 22/93 -, InfAuslR 1993, 349, 353).
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Ein solcher Verstoß ist nicht in einer dem Darlegungserfordernis (§ 78 Abs. 4 Satz 4
AsylVfG) genügenden Weise dargetan und letztlich auch in der Sache nicht gegeben. In
der Antragsschrift ist weder aufgezeigt, daß es sich bei der unter Beweis gestellten
Behauptung unter Berücksichtigung der hier zu beachtenden Anforderungen an einen
Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 AsylVfG) um entscheidungserhebliches Vorbringen handelt,
noch sind die prozeßrechtlichen Vorgaben angeführt, gegen die die Ablehnung des
Beweisantrags durch das Verwaltungsgericht aus Sicht der Kläger verstößt.
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In der Sache ist das unter Beweis gestellte Vorbringen, das die Frage nach einer im
Erstverfahren verneinten (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 1999 - 18
K 1964/94.A - ) Vorverfolgung des Klägers zu 2. betrifft, nicht entscheidungserheblich.
Bei einem Folgeantrag - wie hier - findet eine neue Sachprüfung des Asylbegehrens,
auch in bezug auf eine Vorverfolgung, nur dann statt, wenn Gründe für ein
Wiederaufgreifen des unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1
bis 3 VwVfG gegeben sind und die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Absätze 2 und 3
des § 51 VwVfG in bezug auf den jeweiligen Grund erfüllt sind (vgl. OVG NRW,
Beschluß vom 10. August 1999 - 1 A 5410/96.A -). Das Wiederaufgreifen eines
unanfechtbaren Verwaltungsverfahrens ist, auch bei einem Folgeantrag nach § 71
AsylVfG, an die gesetzlich normierten Voraussetzungen gebunden; anderenfalls könnte
den öffentlichen Interessen an Rechtssicherheit und Aufrechterhaltung des
Rechtsfriedens nach unanfechtbarem Abschluß des Erstverfahrens zuwider die Rechts-
oder Bestandskraft einer Entscheidung schon bei neuem, für die Entscheidung in der
Sache günstigen Vorbringen unterlaufen werden. Das Vorbringen zu Verhaftungen des
Klägers zu 2. im Jahre 1991 und zu gerichtlichen Verfahren wegen Verdachts der
Unterstützung der LTTE einschließlich des Schreibens des angesprochenen
srilankischen Rechtsanwalts vom 20. April 1999 ist keinem der
Wiederaufgreifensgründe des § 51 Abs. 1 VwVfG, von denen Nr. 3 von vornherein
ausscheidet, zuzuordnen.
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Es liegt auf der Hand, daß das für 1991 angegebene Geschehen keine nachträgliche,
also nach unanfechtbarem Abschluß des Erstverfahrens eingetretene Änderung der
Sachlage (Nr. 1) betrifft.
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Zu dem angesprochenen Vorbringen sind auch keine neuen Beweismittel (Nr. 2)
angebracht. Der Wiederaufgreifensgrund nach Nr. 2 läßt nicht bereits neues, für die
Entscheidung in der Sache günstiges Vorbringen genügen, was zu einer weitgehenden
Durchbrechung der Bestandskraft führen würde; er verlangt vielmehr neue Beweismittel.
Neue Beweismittel im Sinne der Nr. 2 sind Beweismittel, die auf schon im Erstverfahren
berücksichtigte Umstände bzw. auf schon im Erstverfahren angebrachten Sachvortrag
bezogen sind, für die bzw. für den seinerzeit die Beweislage nicht ausreichend war; sie
sind darauf angelegt, die bereits früher vorgetragenen Tatsachen nachträglich zu
beweisen. Ein Beweismittel für einen neuen Tatsachenvortrag ist nach Nr. 2 aber nicht
beachtlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1984 - 9 C 875.81 -, NVwZ 1985, 899;
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 51 Rdnr. 16). Vorliegend ist das Schreiben des
angesprochenen srilankischen Rechtsanwalts vom 20. April 1999, auf das das
Vorbringen zu einer gesehenen individuellen Vorverfolgung des Klägers zu 2.
maßgeblich gestützt ist, nicht ansatzweise auf früheres Vorbringen bezogen. Denn für
Verhaftungen durch srilankische Sicherheitskräfte und gerichtliche Maßnahmen in
Colombo bieten die im Erstverfahren gemachten Angaben des Klägers zu 2. keinerlei
Anhalt. Dieser wie auch die übrigen Kläger haben ihr erstes Asylbegehren auf die durch
den Bürgerkrieg im Norden Sri Lankas - insbesondere ständiges Bombardieren -
bedingte Angst um ihr Leben und auf Vorgehen der LTTE gestützt; für den Kläger zu 2.
ist bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 17. Januar 1994 ausdrücklich
hervorgehoben worden, er habe zu keinem Zeitpunkt Kontakt mit srilankischen
Sicherheitskräften gehabt. Für das im anwaltlichen Schreiben vom 20. April 1999
Gesagte bietet auch das im Verfahren 18 K 1964/94.A in der mündlichen Verhandlung
vor dem Verwaltungsgericht am 27. Januar 1999 Angeführte, der Kläger zu 2. habe
öfters Schwierigkeiten gehabt und sei geschlagen worden, keine tauglichen
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Anknüpfungspunkte. Das Antragsvorbringen, das mit seinen Angriffen gegen die
Ablehnung des Beweisantrags ganz maßgeblich auf den Aspekt des neuen
Beweismittels abhebt, ist danach schon im Ansatz verfehlt und verkennt mit seiner
Forderung nach Erforschung des vorgetragenen Sachverhalts die speziellen
Voraussetzungen eines Folgeantrags.
Das für den Kläger zu 2. in bezug auf eine Vorverfolgung im vorliegenden
Folgeantragsverfahren Vorgetragene bot danach unter keinem rechtlich relevanten
Gesichtspunkt einen tauglichen Ansatz für eine Überprüfung in der Sache, so daß dem
Beweisantrag schon mangels Entscheidungserheblichkeit des Vorbringens nicht
nachzugehen war. Die für diese Beurteilung tragenden Aspekte hat das
Verwaltungsgericht für seine Ablehnung des Beweisantrags, wenn auch in anderer
rechtlicher Zuordnung zu Fragen der unauflösbaren Widersprüchlichkeit des
Vorbringens bzw. seiner Unglaubhaftigkeit, herangezogen. Daß dies, wie zur
Gehörsrüge einleitend angeführt, in der Begründung nicht nachvollziehbar und objektiv
willkürlich sei, ist vor dem Hintergrund des Vorstehenden nicht ersichtlich. Mängel der
rechtlichen Zuordnung der Aspekte begründen weder eine Willkür in der Behandlung
des Beweisantrags noch sonst einen Gehörsverstoß. Denn der für die Wahrung des
Rechts auf Gehör maßgebliche Gehalt des Gebots - die Berücksichtigung
entscheidungserheblichen Vorbringens und entscheidungserheblicher Beweisanträge -
ist vorliegend nicht mißachtet worden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
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