Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.12.2004

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Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 22d A 4407/02.O
22.12.2004
Oberverwaltungsgericht NRW
Landesdisziplinarsenat
Urteil
22d A 4407/02.O
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 35 K 3632/01.O
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Das Ruhegehalt des Ruhestandsbeamten wird auf die Dauer von 6
Monaten um 10 vom Hundert gekürzt.
Der Dienstherr trägt die dem Ruhestandsbeamten im Berufungsverfahren
erwachsenen notwendigen Auslagen zur Hälfte.
G r ü n d e :
I. Der am geborene Ruhestandsbeamte stand im Polizeivollzugsdienst des Landes
Nordrhein-Westfalen. Er wurde als Erster Polizeihauptkommissar mit Ablauf des 29.
Februar 2004 in den Ruhestand versetzt.
Der Ruhestandsbeamte wurde im Strafverfahren wegen Diebstahls und Beihilfe zur
Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen des der Verurteilung zugrunde
liegenden Sachverhalts leitete der Oberkreisdirektor als Kreispolizeibehörde N. gegen den
Ruhestandsbeamten das förmliche Disziplinarverfahren ein.
Mit der am 2. Juli 2001 bei Gericht eingegangenen Anschuldigungsschrift vom 27. Juni
2001 wird dem Ruhestandsbeamten zur Last gelegt, dadurch ein Dienstvergehen
begangen zu haben, dass er
1. widerrechtlich Materialien der Stadt S. entfernt und zur Gestaltung seines
Wohnwagenstellplatzes an der C. verwendet habe
sowie
2. in zwei Fällen einem anderen zu dessen vorsätzlich begangenen Untreue gegenüber
dem Arbeitgeber Hilfe geleistet habe.
Die Disziplinarkammer hat den damals noch im aktiven Dienst stehenden
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Ruhestandsbeamten degradiert und sich an die im Strafurteil des Landgerichts X. vom 8.
Mai 2000 getroffenen Feststellungen gebunden gesehen.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten Berufung macht der Ruhestandsbeamte im Wesentlichen
geltend, die Disziplinarkammer habe nicht ausreichend dem Umstand Rechnung getragen,
dass er gegenüber dem strafbaren Verhalten eines anderen lediglich die Augen
verschlossen habe und nicht eingeschritten sei. Für ihn spreche, dass er an die Stadt S.
einen Betrag gezahlt habe, der den Schaden bei weitem übersteige. Außerdem habe er
wegen des Verfahrens in finanzieller, dienstlicher und gesundheitlicher Hinsicht Nachteile
erlitten. Der allenfalls in Betracht kommenden Kürzung des Ruhegehalts stehe das
Maßnahmeverbot in § 14 DO NRW entgegen.
In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat der Beamte uneingeschränkt sein Bedauern
über sein damaliges Fehlverhalten geäußert.
Der Verteidiger des Beamten beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils auf eine Ruhegehaltskürzung für die Dauer
von sechs Monaten in Höhe von 10 vom Hundert zu erkennen.
Der Vertreter der obersten Dienstbehörde schließt sich diesem Antrag an.
II.
Die zulässige Berufung des Ruhestandsbeamten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang Erfolg
Der Ruhestandsbeamte hat in der Hauptverhandlung vor dem Senat seine Berufung zuletzt
auf das Disziplinarmaß beschränkt, so dass der Senat über Art und Umfang der
Disziplinarmaßnahme zu befinden hatte.
Der hier nur noch in Betracht kommenden Kürzung des Ruhegehalts steht nicht das
Maßnahmeverbot in § 14 DO NRW entgegen. Nach Auffassung des Senats liegen die
Voraussetzungen vor, unter denen nach seiner ständigen Rechtsprechung neben der
strafrechtlichen Ahndung zusätzlich eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen ist.
Ausgehend vom Sinn und Zweck des Disziplinarverfahrens, welches der Erhaltung der
Funktionsfähigkeit und des Ansehens des öffentlichen Dienstes dient, hält der Senat
allerdings die Verhängung einer Ruhegehaltskürzung im unteren Bereich des durch §§ 12
Abs. 1, 9 Abs. 1 DO NRW eröffneten Rahmens für ausreichend. Dafür sind folgende
Gesichtspunkte maßgebend.
Zu Gunsten des Ruhestandsbeamten wirkt sich aus, dass er in der Hauptverhandlung vor
dem Senat sein Fehlverhalten uneingeschränkt eingestanden und sein Bedauern hierüber
zum Ausdruck gebracht hat. Bedacht hat der Senat bei der Maßnahmebemessung auch,
welche Auswirkungen die Durchführung des Disziplinarverfahrens sowie des Straf- und
des Zivilverfahrens auf den Ruhestandsbeamten in finanzieller und gesundheitlicher
Hinsicht gehabt hat. Einer einschneidenderen Maßnahme bedarf es auch unter
Berücksichtigung der Ansehenswahrung des öffentlichen Dienstes nicht, § 14 Abs. 1 Satz 2
DO NRW. In diesem Zusammenhang ist die Neuregelung der §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 82 Abs. 1
des zum 1. Januar 2005 in Kraft tretenden Landesdisziplinargesetzes zu berücksichtigen,
durch die der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, dass in Zukunft die
Ansehenswahrung des öffentlichen Dienstes eine zusätzliche Disziplinarmaßnahme in der
Form einer Ruhegehaltskürzung nicht erfordert, wenn gegen den Ruhestandsbeamten -
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wie hier - wegen desselben Sachverhalts im Strafverfahren unanfechtbar eine Strafe
verhängt worden ist. Obwohl der vorliegende Sachverhalt uneingeschränkt nach der bis
zum 31. Dezember 2004 geltenden Landesdisziplinarordnung zu beurteilen ist, kann die
durch die Neuordnung des Disziplinarrechts zum Ausdruck gekommene gewandelte
Auffassung des Gesetzgebers bei der Festsetzung der Höhe der als angemessen
anzusehenden Sanktion nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar würde es der bisherigen
Rechtsprechung des Senats entsprechen, das angeschuldigte Dienstvergehen deutlich
härter zu ahnden. Unter besonderer Berücksichtigung des vorgenannten Gesichtspunktes
hält der Senat aber aufgrund der besonderen, durch die Übergangsproblematik geprägten
Umstände des Einzelfalles die Verhängung einer Ruhegehaltskürzung für die Dauer von
sechs Monaten für angemessen und ausreichend.
Den Kürzungssatz bemisst der Senat in ständiger Rechtsprechung nach der jeweiligen
Laufbahn. Für den Ruhestandsbeamten als ehemaligen Beamten des gehobenen Dienstes
ergibt dies einen Regelkürzungssatz von zehn vom Hundert. Besondere Umstände, die ein
Abweichen vom diesem Regelsatz gebieten, sind nicht ersichtlich.
Da das Rechtsmittel des Ruhestandsbeamten teilweise Erfolg gehabt hat, hat der Senat
gemäß § 114 Abs. 2 DO NRW die Kostenerstattung in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang angeordnet.