Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.04.2008

OVG NRW: ablauf der frist, arzneimittel, kommission, beitrag, unternehmer, bestandteil, hypertonie, verwaltungsverfahren, behörde, vergleich

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 4996/04
Datum:
29.04.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 A 4996/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 7 K 2931/00
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Köln vom 9. November 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um die Nachzulassung des Arzneimittels I. , das nach einer
homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt wird. Es enthält als arzneilich wirksame
Bestandteile Reserpin D3, Rauwolfia D3, Viscum album D2 und Crataegus D2.
2
Das Arzneimittel wurde 1998 in der Ukraine und im November 2007 für leichte Formen
der Hypertonie in Österreich zugelassen.
3
Die Klägerin zeigte im Juni 1978 beim Bundesgesundheitsamt das Arzneimittel gemäß
Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG)
mit dem Anwendungsgebiet Hypertonie an.
4
Am 23. April 1990 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Zulassung des
Arzneimittels. Am 24. Februar 1992 stellte sie den sogenannten Langantrag.
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Die Klägerin berief sich auf Monographien der Kommission D zu den Wirkstoffen
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Rauwolfia D3, Viscum album und Crataegus D2 und teilte weiter mit, es sei nur die
sinngemäße Übernahme für das homöopathische Kombinationsarzneimittel möglich.
Die Kombinationsbegründung werde noch übersandt.
Mit Schreiben vom 20. August 1993, zugestellt am 25. August 1993, wies das
Bundesgesundheitsamt die Klägerin auf Mängel des Verlängerungsantrages hin und
gab ihr unter Hinweis darauf, dass die Zulassung bei nicht fristgerechter
Mängelbeseitigung zu versagen sei, Gelegenheit, diesen binnen 3 Jahren nach Zugang
des Schreibens abzuhelfen. Unter anderem wurden folgende Punkte bemängelt:
7
Es fehle eine ausreichende Begründung gemäß § 22 Abs. 3a des Arzneimittelgesetzes
(AMG), dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen positiven Beitrag zur
Beurteilung des Arzneimittels leiste. Es werde um Darlegung gebeten, dass die fixe
Kombination den Anforderungen der von der Kommission D erarbeiteten "Richtlinie zur
Bewertung fixer Kombinationen homöopathischer Einzelmittel" entspreche. Darüber
hinaus werde um Vorlage von Erfahrungsberichten über die Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit des Arzneimittels in der beantragten Dosierung bei dem beantragten
Anwendungsgebiet gebeten, sofern diese zur Verfügung stünden. Die Monographie der
Kommission D zu Reserpinum könne nicht als Beleg für die Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit des Bestandteils Reserpinum D3 herangezogen werden. In der
Monographie sei die Unbedenklichkeit erst ab der 6. Dezimalpotenz belegt. In dem
Fertigarzneimittel entspreche die Konzentration dieses Bestandteils rechnerisch einer
D4. Durch die Monographie werde für Reserpinum eine Wirksamkeit bei dem
beanspruchten Anwendungsgebiet "Hypertonie" nicht belegt. Es werde um Vorlage von
anderem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial zum Beleg der Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit des Bestandteils gebeten.
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Ferner sei eine Stellungnahme zur Bewertung der Nutzen-Risiko-Aspekte des
Arzneimittels erforderlich. Der Indikationsanspruch "Hypertonie" sei durch die
Aufbereitungsmonographien der Kommission D nicht hinreichend abgedeckt. Werde der
Indikationsanspruch beibehalten, sei wegen der Schwere der Indikationsaussage und
im Hinblick auf die mögliche Selbstmedikation mit dem Arzneimittel weiteres
wissenschaftliches Erkenntnismaterial erforderlich. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
der Kombination seien durch die Monographien der Einzelstoffe nicht hinreichend
bestimmbar. Auf der Grundlage der Monographien bestünden bei einer Kombination der
wirksamen Bestandteile Crataegus, Rauwolfia serpentina und Viscum album keine
Bedenken gegen die Formulierung "Die Anwendungsgebiete entsprechen den
homöopathischen Arzneimittelbildern. Dazu gehören: Blutdruckstörungen."
9
Mit am 22. August 1996 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben nahm die
Klägerin zu den mitgeteilten Beanstandungen Stellung. Die beanspruchte Indikation
Bluthochdruck werde von den Bestandteilen Rauwolfia serpentina und Viscum album
vollumfänglich getragen. Anwendungsgebiete für das Einzelmittel Reserpinum seien
"Schwäche und Verstimmungszustände". Für Rauwolfia serpentina sei bekannt, dass
der Inhaltsstoff Reserpin der Hauptwirkungsträger sei. Als Hauptalkaloid von Rauwolfia
serpentina müsse Reserpin in seiner Wirkung und seinen Anwendungsgebieten mit den
Zubereitungen aus der Droge weitgehend übereinstimmen. Diese Übereinstimmung
werde bestätigt durch die Monographie. Hier seien für Rauwolfia serpentina zusätzlich
Verstimmungszustände benannt. Die Übereinstimmung bestätige die Fachliteratur. Für
den Bestandteil Reserpin ergebe sich die Eignung zur Blutdruckbehandlung aus dem
beigefügten von T3. /P1. und von B1. erstellten Arzneimittelbild. Die Aussage der
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Beklagten, wonach die Unbedenklichkeit des Bestandteils Reserpin durch die
Aufbereitungskommission nicht belegt werde, werde durch das umfangreiche
wissenschaftliche Erkenntnismaterial zur allopathischen Anwendung widerlegt. Aus
Untersuchungen und wissenschaftlichem Erkenntnismaterial ergebe sich ferner die
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von I. in der beantragten Dosierung bei dem
beantragten Anwendungsgebiet.
Der Stellungnahme beigefügt waren u.a. eine Stellungnahme nach § 22 Abs. 3a AMG
von Dr. T3. vom 3./16. August 1996 sowie ein Bericht über die Ergebnisse einer
Arzneimittelprüfung von Reserpinum von Dr. T3. , Dr. P1. und von B1. .
11
Die Kommission D sprach sich am 26. Februar 1997 gegen die Verlängerung der
Zulassung aus.
12
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18. April 1997 mit, die Bewertung der
eingereichten Unterlagen habe die Notwendigkeit einer nochmaligen Anhörung vor der
abschließenden Beurteilung ergeben. Aus der beigefügten medizinischen
Stellungnahme ergebe sich, dass nach dem derzeitigen Stand eine Verlängerung der
Zulassung noch nicht möglich sei. Um Übersendung der Antwort innerhalb einer Frist
von 2 Monaten nach Zugang werde gebeten.
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In der beigefügten medizinischen Stellungnahme wurde beanstandet, dass die von der
Klägerin angegebene therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand
der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet sei, es an einer
ausreichenden Begründung dafür fehle, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil
einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leiste. Überdies bestehe der
begründete Verdacht, dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
schädliche Wirkungen habe, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen
Wissenschaft vertretbares Maß hinausgingen. Wegen der Schwere des
Krankheitsbildes sei ein Vergleich mit einer Standardtherapie zu fordern und
mindestens eine gleichwertige Blutdrucksenkung zu erreichen.
14
Mit Schreiben vom 17. Juni 1997 nahm die Klägerin zum Schreiben vom 18. April 1997
unter Beifügung zahlreicher Unterlagen, u.a. eines Vergleichs der
Arzneimittelbilder/Arzneimittelprüfungen von Reserpinum und Rauwolfia serpentina,
Stellung. Die Klägerin führte unter anderem aus, die Forderung der Beklagten nach
einer standard-kontrollierten Studie für den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit
sei unangemessen und überzogen und könne auch keine neuen Erkenntnisse bringen.
Da es keine Standardtherapie zur Behandlung des Blutdrucks gebe, könne allenfalls
eine mehrarmige Studie in Betracht kommen, die angesichts der Tatsache, dass sich
das Arzneimittel seit mehreren Jahrzehnten im Verkehr befinde, unverhältnismäßig sei.
Die therapeutische Wirksamkeit von I. sei anhand von vier Studien und durch
umfangreiches medizinische Erfahrungsmaterial belegt. Es bestehe kein begründeter
Verdacht, dass I. bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen habe.
15
Der Wirksamkeitsnachweis für Reserpin könne durchaus anhand der Vergleichbarkeit
der pharmakologischen Wirkungen mit Rauwolfia serpentina geführt werden. Die
pharmakologische Verwandtschaft homöopathischer Arzneimittel werde in der
einschlägigen Fachliteratur anerkannt. Sowohl der Bestandteil Reserpin als auch der
Bestandteil Rauwolfia serpentina werde gemäß der homöopathischen Literatur zur
Behandlung der Hypertonie eingesetzt. Unter homöopathischen Gesichtspunkten sei es
16
zulässig, die therapeutische Wirksamkeit von Rauwolfia serpentina auf Reserpin zu
übertragen. Da eine Bluthochdruckerkrankung keine typischen Symptome zeige, könne
die Arzneimittelprüfung zu Reserpin solche Symptome nicht aufzeigen. Der Anteil an
Reserpin entspreche der Dosierungslehre der Homöopathie. Außerdem liege die Dosis
an Reserpin unter der in der Allopathie als wirksam angesehenen Menge.
Mit Bescheid vom 6. März 2000 lehnte die Beklagte die Verlängerung der Zulassung mit
der Begründung ab, die Klägerin habe die mit Mängelschreiben vom 18. April 1997
mitgeteilten Mängel nicht zum gesetzten Termin vollständig beseitigt. Die Klägerin habe
die angegebene therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausreichend begründet. Es fehle weiterhin an
einer ausreichenden Begründung dafür, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil
einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leiste; schließlich bestünden
Anhaltspunkte für Risiken, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen
Wissenschaft vertretbares Maß hinausgingen. Lediglich in der Monographie der
Kommission D für den Bestandteil Rauwolfia sei die Indikation Bluthochdruck
angegeben. Für die Bestandteile Vicum album und Crataegus würden sowohl Hypo- als
auch Hypertonie als eine mögliche Indikation gelten. Für Reserpin sei in der
Monographie der Kommission D keine Blutdruckindikation angegeben und die
Unbedenklichkeit erst ab einer Verdünnung von D 6 als sicher anzusehen. Sowohl in
der Literatur für Reserpin als auch in der von der Klägerin in der 1. Phase vorgelegten
Arzneimittelprüfung komme der Hypertonus nicht vor. Der Vergleich der
pharmakologischen Wirkungen von Reserpin und Rauwolfia serpentina könne nicht
akzeptiert werden, da es sich nicht um einen homöopathischen Ansatz handele. Die
vorgelegte Arzneimittelprüfung und der Vergleich der Arzneimittelbilder seien nicht
geeignet, den positiven Beitrag von Reserpin zu belegen. Die aufgetretenen Symptome
seien außer dem Kopfschmerz nicht notwendiger- und typischerweise bei Hypertonie zu
finden. Die vorgelegten Berichte der Studien von Wolf und Anzensberger könnten nicht
als Wirksamkeitsnachweis akzeptiert werden, da sie erhebliche Mängel aufwiesen. Die
Erfahrungsberichte der Ärzte seien als Nachweis nicht geeignet, da ohne weitere
Angaben, z.B. zur Höhe des Blutdrucks, Dauer der Erkrankung, andere
Begleitmedikations- oder Begleittherapien, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht
nachvollziehbar sei. Die vergleichende Literaturstudie sei ohne Berücksichtigung der
Studienbedingungen ohne Aussagekraft. Außerdem sei wegen des schweren
Krankheitsbildes ein Vergleich mit einer Standardtherapie zu führen, bei dem eine
mindestens gleichwertige Blutdrucksenkung erreicht werde.
17
Die Klägerin hat am 4. April 2000 Klage erhoben und dazu unter Vorlage weiterer
Unterlagen vorgetragen:
18
Die von der Beklagten gerügten Mängel seien bereits durch die mit der ersten
Nachlieferung vom 19. August 1996 eingereichten Unterlagen behoben worden. Die mit
der Nachlieferung vorgelegten Studien belegten ausreichend die blutdrucksenkende
Wirkung von I. . Die blutdrucksenkende Wirkung von I. werde überdies durch die
Fachliteratur belegt. Die "randomisierte Doppelblind Studie", die erstmals mit
Versagungsbescheid vom 6. März 2000 gefordert worden sei, sei erst in 2001/2002
abgeschlossen worden, mit dem Ergebnis, dass für I. sowohl die Hauptzielkriterien als
auch die sekundären Wirkkriterien beim diastolischen und systolischen Blutdruck
signifikant gegenüber einem Placebo seien. Auch die Stellungnahme von Prof. L. vom
12. November 2001, der statistische Analysebericht von U. (TU N. ) vom 1. Juli 2003
und die Stellungnahme von Prof. C. vom 1. Mai 2004 belegten die Wirksamkeit. Die von
19
der Beklagten in Frage gestellte Aussagekraft der offenen multizentrischen Studie von
T3. werde durch eine biometrische Bewertung von U. vom 24. Juni 2003 bestätigt.
Nebenwirkungen bestünden nicht. Das Arzneimittel sei seit mindestens 1964 ohne
Meldung von Nebenwirkungen im Handel. In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31.
Dezember 2001 seien mehr als 1,2 Mio. Packungen verkauft worden. Die Wirksamkeit
und gute Verträglichkeit sei durch Untersuchungen von Prof. L1. im Jahr 2000 ebenfalls
bestätigt worden. Im Jahr 2000 und 2001 seien 1.991 Erfahrungsberichte von Patienten
erhoben worden. Die Auswertung bestätige die gute Verträglichkeit.
20
Es sei eine ausreichende Kombinationsbegründung vorgelegt worden. In der
Stellungnahme vom 17. Juni 1997 sei ausführlich dargestellt worden, dass jeder
wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leiste.
21
Sie, die Klägerin, bestehe auch zu Recht auf die Indikation "Hypertonie". Die
therapeutische Wirksamkeit bei Bluthochdruck sei für die einzelnen Bestandteile belegt
durch Arzneimittelbilder bzw. Arzneimittelprüfungen. In dem Standardwerk von Prof. Dr.
Mutscher werde die blutdrucksenkende Wirkung von Reserpin bestätigt. Weiterhin
ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen auch die Unbedenklichkeit des
Bestandteils in der in I. enthaltenen Dosis.
22
Das Schreiben der Beklagten vom 18. April 1997 sei als weiteres Mängelschreiben
anzusehen, was sich auch aus der Begründung des Versagungsbescheides ergebe, in
dem dieses Schreiben ausdrücklich als Mängelschreiben bezeichnet sei. Die gesetzte
Mängelbeseitigungsfrist von 2 Monaten sei deutlich zu kurz bemessen. Abgesehen
davon, seien die gerügten Mängel jedenfalls durch die innerhalb der erneut gesetzten
Frist eingereichten Unterlagen beseitigt worden. Aus allen vorgelegten Studien und
Berichten ergebe sich eindeutig, dass Nebenwirkungen nicht beobachtet worden seien.
Auch sonst seien Nebenwirkungen nicht bekannt geworden. Aufgrund der Begründung
des Versagungsbescheides entstehe der Eindruck, dass die Beklagte die eingereichten
Unterlagen nur teilweise zur Kenntnis genommen und auch nur teilweise der
Kommission D vorgelegt habe. Aus den im Laufe des Klageverfahrens durchgeführten
weiteren klinischen Studien ergebe sich eindeutig die Wirksamkeit von I. .
23
Die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen seien zu berücksichtigen, weil § 105
Abs. 5 Satz 3 AMG, der die Vorlage von Unterlagen zur Mängelbeseitigung nach der
Entscheidung über die Versagung der Zulassung ausschließe, erst während des
Klageverfahrens in Kraft getreten sei. Wende man diese Vorschrift auch auf laufende
Klageverfahren an, liege darin eine unzulässige Rückwirkung. Schließlich sei der
Versagungsbescheid auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte von der ihr
zustehenden Befugnis, die Zulassung unter Auflagen zu erteilen, keinen Gebrauch
gemacht habe.
24
Die Klägerin hat beantragt,
25
die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheides des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte vom 6. März 2000 zu verpflichten, den Antrag auf
Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels I. unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut zu bescheiden.
26
Die Beklagte hat beantragt,
27
die Klage abzuweisen.
28
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt:
29
Die von der Klägerin erst im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgelegten
Unterlagen seien nicht zu berücksichtigen. Sie, die Beklagte, habe nur zu prüfen, ob die
nicht behobenen Mängel tatsächlich zu Recht gerügt worden seien und ob die
fristgerecht nachgereichten Unterlagen die Mängel beseitigt hätten. Bereits durch die vor
dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes gültige Fassung des § 105
Abs. 5 AMG sei eine Mängelbeseitigung im gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen
gewesen. Diese Regelung sei durch die Neufassung lediglich präzisiert worden. Die im
Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen räumten die gerügten Mängel nicht aus.
30
Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe jedenfalls den
Mangel der unzureichenden Kombinationsbegründung nicht fristgerecht beseitigt. Die
nach dem 25. August 1996 eingereichten Unterlagen könnten nicht berücksichtigt
werden, da § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG eine gesetzliche Ausschlussfrist enthalte. Eine
Berücksichtigung verspäteten Vorbringens komme auch nach § 105 Abs. 5 AMG in der
vor dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes geltenden Fassung
nicht in Betracht. Das Schreiben der Beklagten vom 19. April 1997 stelle kein neues
Mängelschreiben dar.
31
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin.
32
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt im
Wesentlichen ergänzend vor:
33
Die Versagung der Verlängerung der Zulassung wegen einer unzureichenden
Kombinationsbegründung widerspreche den Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG. Dort
seien die Versagungsgründe abschließend in Art. 117 aufgeführt. Die Richtlinie enthalte
den Versagungsgrund der fehlenden Kombinationsbegründung nicht. Das AMG enthalte
überdies für homöopathische Arzneimittel Sonderregelungen. In Abweichung zu § 105
Abs. 4a Satz 1 AMG seien Unterlagen nach Satz 2 AMG nicht vorzulegen. Da dies
jedoch Unterlagen zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit seien, könne aus ihrem
Fehlen keine unzureichende Prüfung hergeleitet werden.
34
Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 105 Abs. 5 Satz 1
AMG in der Fassung des Vierten und Fünften Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes eine gesetzliche Ausschlussfrist enthalte. Die Regelung genüge
nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Präklusionsvorschrift.
Überdies seien Unterlagen, die die Darlegungen zur Mängelabhilfe erläuterten, nicht
ausgeschlossen.
35
Die Beanstandungen der Arzneimittelprüfung von T. /P. und von B. seien, wie sich aus
den Gutachten des Dr. N1. vom 17. April 2005 und vom 15. Dezember 2005 ergebe,
nicht gerechtfertigt. Dem Verwaltungsgericht habe es an der erforderlichen Sachkunde
zur Beurteilung der Arzneimittelprüfung gefehlt. Dr. N1. bestätige in seiner
Stellungnahme die ordnungsgemäße Durchführung der Arzneimittelprüfung nach dem
wissenschaftlichen Stand 1995 und weiter auch die blutdrucksenkende Wirkung von
36
Reserpin. In der wissenschaftlichen Literatur werde die blutdrucksenkende Wirkung von
Reserpin ebenfalls bestätigt. Reserpin sei als Niedrigdosis in I. enthalten,
Nebenwirkungen seien nicht zu erwarten. Durch die offene Studie von Dr. T1. sei die
blutdrucksenkende Wirkung von I. bestätigt worden. Die Studie weise keine Mängel auf.
Der Versagungsbescheid sei ferner deshalb rechtswidrig, weil die angeblich fehlende
therapeutische Wirksamkeit nicht Gegenstand des Mangelbescheides gewesen sei.
Dieser Versagungsgrund sei erst mit der 5. AMG-Novelle im Jahre 1994 in das AMG
eingeführt worden.
37
Die Klägerin beantragt,
38
das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. November 2004 zu ändern und nach
dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
39
Die Beklagte beantragt,
40
die Berufung zurückzuweisen.
41
Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass § 105 Abs. 5 Satz 1
AMG eine materielle Ausschlussfunktion habe und das Schreiben vom 18. April 1997
kein zweites Mangelschreiben sei. Aus zwingenden gesetzlichen Gründen habe das
Schreiben eine weitere Frist nicht in Gang setzen können. Den gerügten Mängeln sei
nicht fristgerecht abgeholfen worden. Es sei zwar richtig, dass Reserpin auf Grund
seiner Wirkung auf den Stoffwechsel Wirksamkeit im Sinne einer Blutdrucksenkung
habe und diese Effekte in der Schulmedizin genutzt würden. Vorliegend handele es sich
jedoch um ein homöopathisches Mittel, so dass der Nachweis der Sinnhaftigkeit und
Wirksamkeit der Kombination im Rahmen des Selbstverständnisses und der
Erfahrungen der homöopathischen Therapierichtung zu führen sei. Die
Arzneimittelprüfung sei zum Beleg der Wirksamkeit nicht ausreichend. Im
Nachzulassungsverfahren seien nur Rohdaten vorgelegt worden. Es sei nicht
erkennbar, welchen Stellenwert den Symptomen im gesamten Arzneimittelbild
zukomme.
42
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte,
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die von der Klägerin
eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
43
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
44
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
45
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin im
Zeitpunkt der bei Bescheidungsklagen auf Verlängerung der Zulassung nach dem AMG
maßgeblichen Sach- und Rechtslage der gerichtlichen Entscheidung,
46
vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 2007
47
- 13 A 328/04 -,
48
keinen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Nachzulassungsantrags hat.
49
Der Nachzulassung steht der Versagungsgrund des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG in der im
Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung am 6. März 2000 fortgeltenden Fassung des
Achten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 7. September 1998
(BGBl. I S. 2649) entgegen.
50
Nach § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG hat der Antragsteller bei Beanstandungen Mängeln
abweichend von § 25 Abs. 4 AMG innerhalb von 18 Monaten nach Mitteilung der
Beanstandungen abzuhelfen; die Mängelbeseitigung ist in einem Schriftsatz
darzulegen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die
Zulassung nach Satz 2 zu versagen. Abweichend von § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG in der
im Zeitpunkt des Versagungsbescheides geltenden Fassung des AMG stand der
Klägerin entsprechend dem im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des
Mängelbescheides am 20. August 1993 geltenden § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG in der
Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11. April
1990 (BGBl. I S. 717) eine Frist von drei Jahren zur Mängelbeseitigung zu (Art. 6 Abs. 2
Nr. 4 i.V.m. Art. 1 Nr. 60 a) ee) des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl. I S. 2071)).
51
Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG liegen vor, weil die Klägerin einen
die Versagung der Nachzulassung rechtfertigenden Mangel nicht fristgerecht beseitigt
hat und das der Versagung vorausgehende Mängelbeseitigungsverfahren
ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
52
Die Klägerin war im Zeitpunkt der Zustellung des Mangelbescheides am 25. August
1993 zu einer ausreichenden Kombinationsbegründung verpflichtet.
53
§ 22 Abs. 3a AMG, eingeführt durch das Zweite Gesetz zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes vom 16. August 1986 (BGB. I S. 1296) auf der Grundlage des
Anhangs V der Richtlinie 83/571/EWG vom 26. Oktober 1983 (ABl. Nr. L 332, S. 11),
54
vgl. Sander, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand Oktober 2007, § 22 AMG, Anm. 21a,
55
legt den pharmazeutischen Unternehmern die Verpflichtung auf, in Fällen, in denen das
Arzneimittel mehr als einen arzneilich wirksamen Bestandteil enthält, zu begründen,
dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leistet.
56
Die Verpflichtung zur Kombinationsbegründung galt auch für das hier durchgeführte
Nachzulassungsverfahren. Gemäß Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 4 AMNG in der im Zeitpunkt
des Mängelbescheides geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 1 c) des Vierten Gesetzes zur
Änderung des Arzneimittelgesetzes war der pharmazeutische Unternehmer auch im
Nachzulassungsverfahren verpflichtet, Unterlagen nach § 22 Abs. 3a AMG
einzureichen.
57
Vgl. zur zuvor unklaren Rechtslage Sander, § 22 AMG, Anm. 21a.
58
Diese Verpflichtung bestand zwar nicht bereits bei Stellung des
Nachzulassungsantrags. Die Unterlagen waren nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 5 und 8
AMNG erst innerhalb von vier Monaten nach Aufforderung der zuständigen
Bundesoberbehörde einzureichen. Eine entsprechende Aufforderung zur Vorlage der
59
Unterlagen nach § 22 Abs. 3a AMG folgte aus der Neunten Bekanntmachung des
Bundesgesundheitsamtes über die Verlängerung der Zulassungen nach Art. 3 § 7 des
Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 20. September 1991 (BAnz. Nr.
197 vom 22. Oktober 1991).
Das Fehlen der nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 4 AMGNRG, § 22 Abs. 3a AMG
erforderlichen Kombinationsbegründung stellt einen Mangel dar, der die Versagung der
Nachzulassung rechtfertigt. Für das Zulassungsverfahren folgt dies aus §§ 25 Abs. 2 Nr.
5a, 31 Abs. 3 AMG, in der im Zeitpunkt des Mängelbescheides im Jahre 1993 geltenden
Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Zwar wurde der
vollständige Versagungskatalog des § 25 Abs. 2 AMG erst durch § 105 Abs. 4f AMG in
der Fassung des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 4. Juli
2000 (BGBl. I S. 1002) in das Nachzulassungsverfahren aufgenommen. Durch die
vollständige Aufnahme des Versagungskataloges wollte der Gesetzgeber das
Nachzulassungsverfahren dem Neuzulassungsverfahren gleich stellen.
60
Vgl. BT-Drucks. 14/2292, S. 9.
61
Das Fehlen der nach § 22 Abs. 3a AMG erforderlichen Kombinationsbegründung stellte
aber auch zuvor bereits einen Versagungsgrund dar, wie §§ 105 Abs. 4c, 31 Abs. 3
AMG in der im Zeitpunkt des Versagungsbescheides geltenden Fassung zeigen. § 105
Abs. 4c AMG fand zwar bei Erlass des Mangelbescheides am 20. August 1993 noch
keine Anwendung, weil er erst durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes mit Wirkung zum 17. August 1994 in § 105 AMG eingeführt wurde.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Versagungsgründe des § 31 AMG - hier Abs. 3 - in
Verbindung mit § 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG unmittelbar herangezogen.
62
Vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand Juni 2007,§ 105, Anm. 66.
63
Die Versagung der Zulassung wegen einer nicht ausreichenden
Kombinationsbegründung steht Gemeinschaftsrecht nicht entgegen.
64
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2003 - 3 C 28.02 -, NVwZ-RR 2004, 180.
65
Die Prüfung, ob jeder Bestandteil zur positiven Beurteilung des Arzneimittels beiträgt,
stellt sich als ein besonderer Teil der allgemeinen Prüfung des Arzneimittels auf
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit dar, wobei sich die Frage der Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit für jeden Bestandteil nicht anders darstellt als bei einem
Monopräparat.
66
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2007
67
- 3 B 16.06 -, juris; BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2003 - 3 C 28.02 -, a.a.O.; OVG
Berlin, Urteil vom 31. August 2006 - 5 B 2.06 -, juris,; OVG NRW, Urteile vom 23. Mai
2007
68
- 13 A 328/04 -, juris, und vom 10. November 2005 - 13 A 4137/03 -, PharmaR 2006,
193.
69
Entsprechendes ergibt sich aus Anhang V der Erläuterungen zu fixen
Arzneimittelkombinationen in der Empfehlung des Rates 83/571/EWG vom 26. Oktober
70
1983 (Abl. Nr. L 332, S. 11). Danach sind bei jeder einzelnen fixen Kombination die
möglichen Vor- und Nachteile im klinischen Versuch zu beurteilen und einander
gegenüberzustellen, um festzustellen, ob das Arzneimittel den Anforderungen der
Vorschriften und Nachweise im Hinblick auf die Wirksamkeit und Sicherheit entspricht.
Die fehlende therapeutische Wirksamkeit und die fehlende Unbedenklichkeit werden
von den Versagungsgründen des Art. 117 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6.
November 2001 (ABl. Nr. L 331, S. 67) erfasst.
Eine Kombinationsbegründung ist auch für homöopathische Arzneimittel erforderlich, für
die keine Registrierung, sondern eine Nachzulassung beantragt wird. Dies bestätigt §
105 Abs. 4c Satz 1 AMG in der im Zeitpunkt des Versagungsbescheides geltenden
Fassung, der auf die §§ 31 Abs. 3, 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG verweist und in Satz 2
anordnet, dass die Besonderheiten einer bestimmten Stoffgruppe oder Therapierichtung
(Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) zu berücksichtigen sind.
71
Im Zeitpunkt des Erlasses des Mängelbescheides am 20. August 1993 fehlte es an einer
ausreichenden Kombinationsbegründung in Sinne des § 22 Abs. 3a AMG. Die Klägerin
hatte hierzu keine Unterlagen vorgelegt.
72
Diesen Mangel hat die Klägerin auch nicht innerhalb der ihr gesetzten Mängelfrist von
drei Jahren, die mit der Zustellung des Mängelbescheides am 25. August 1993 begann,
beseitigt. Die von der Klägerin innerhalb der Mängelbeseitigungsfrist vorgelegten
Unterlagen enthalten keine den Anforderungen des § 22 Abs. 3a AMG genügende
Kombinationsbegründung.
73
Gemäß § 22 Abs. 3a AMG ist, wenn das Arzneimittel mehr als einen arzneilich
wirksamen Bestandteil enthält, zu begründen, dass jeder arzneilich wirksame
Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
74
Ein "Beitrag zur positiven Beurteilung" im Sinne des § 22 Abs. 3a AMG liegt vor, wenn
der Beitrag entweder die Wirksamkeit des Präparats in der vorgegebenen Indikation
fördert oder unerwünschten Effekten entgegenwirkt. Dies setzt nicht voraus, dass jeder
Wirkstoff für sich genommen bei gegebener Indikation wirksam ist. Vielmehr reicht es
aus, wenn der Wirkungseintritt, soweit therapeutisch erwünscht, früher erreicht, verstärkt,
verlängert oder der erstrebte Heilerfolg mit geringerer Menge der Wirksubstanz erreicht
wird. Da bei Kombinationsarzneimitteln jeder arzneilich wirksame Bestandteil die
Gefahr zusätzlicher unerwünschter Wirkungen tendenziell erhöht, ist die Aufnahme
jedes weiteren Wirkstoffs in das Arzneimittel nur gerechtfertigt, wenn dies insgesamt zu
einer Verbesserung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses führt, also etwa zur besseren
Wirksamkeit in der beanspruchten Indikation beiträgt oder unerwünschten Effekten
entgegenwirkt.
75
Vgl. BT-Drucks. 10/5112 S. 17 sowie Anhang V "Fixe Arzneimittelkombinationen" der
Empfehlung des Rates 83/571/EWG vom 26. Oktober 1983 (ABl. Nr. L 332, S. 11) in
Verbindung mit Teil 3, Kapitel II, C 2 der Richtlinie 75/318/EWG vom 20. Mai 1975 (ABl.
L Nr. 147 S. 1); OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 - 13 A 328/04 -, a.a.O. und vom 10.
November 2005 - 13 A 4137/03 -, a.a.O.
76
Die nach § 22 Abs. 3a AMG hinreichende Begründung setzt eine Darlegung voraus,
dass in Bezug auf das angegebene Anwendungsgebiet ein Beitrag zur positiven
Beurteilung geleistet wird. Eine ausreichende Begründung für den positiven Beitrag
77
jedes Wirkstoffs eines Kombinationspräparats liegt demgemäß nicht vor, wenn die vom
Antragsteller eingereichten Unterlagen nach dem jeweils gesicherten Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnis den geforderten Schluss nicht zulassen, sachlich
unvollständig oder inhaltlich unrichtig sind. Die bloße plausible Darlegung eines
positiven Beitrages jedes Bestandteils reicht nicht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2003
78
- 3 C 28.02 -, NVwZ-RR 2004, 180.
79
Diese Anforderungen gelten auch für Arzneimittel der homöopathischen
Therapierichtung, für die eine Zulassung entsprechend §§ 21 ff. AMG begehrt wird.
Dass grundsätzlich Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweise zu erbringen sind,
bestätigten auch die Gesetzesmaterialien,
80
vgl. zum Erfordernis des Nachweises der Wirksamkeit für homöopathische Arzneimittel,
für die eine Zulassung beantragt wird, Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur
Neuordnung des Arzneimittelgesetzes BT-Drucks. 7/3060, S. 52, zu
81
§ 36 AMG,
82
sowie Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG und Art. 4 der durch die Richtlinie
2001/83/EG aufgehobenen Richtlinie 92/73/EWG des Rates vom 22. September 1992
(ABl. Nr. L 297 vom 13. Oktober 1992, S. 0008). Aus diesen ergibt sich, dass für
homöopathische Arzneimittel, die eine Indikation beanspruchen, der Nachweis der
therapeutischen Wirksamkeit erforderlich ist. In den Erwägungsgründen beider
Richtlinien wird überdies ausdrücklich klargestellt, dass bei einem homöopathischen
Arzneimittel, das mit therapeutischem Indikationsanspruch oder in einer mit potenziellen
Risiken verbundenen Darreichungsform in den Verkehr gebracht wird - wobei diese
Risiken mit der zu erwartenden therapeutischen Wirksamkeit ins Verhältnis zu setzen
wären -, die üblichen Regeln für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln anzuwenden
sind. Allerdings wird den Mitgliedsstaaten mit homöopathischer Tradition insoweit die
Möglichkeit eingeräumt, besondere Regeln zur Bewertung der Ergebnisse der Versuche
zur Sicherheit und Wirksamkeit dieser Arzneimittel anzuwenden.
83
Dementsprechend enthält auch § 22 Abs. 3a AMG keine Ausnahmeregelung für
homöopathische Arzneimittel. Die Kombination homöopathischer Mittel ist jedoch hier
unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Therapierichtung zu begründen.
84
Vgl. BT-Drucks. 11/5373, S. 14, zu § 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG.
85
Das vorgelegte wissenschaftliche Erkenntnismaterial ist daher entsprechend dem
Selbstverständnis und der Eigenerfahrung der homöopathischen Therapierichtung zu
bewerten.
86
Vgl. Abschnitt 5 Nr. 2 der Bekanntmachung der Neufassung der Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien vom 5. Mai 1995,
BAnz. Nr. 96 a vom 20. Mai 1995, sowie Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur
Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der
Arzneimittelprüfrichtlinien vom 11. Oktober 2004, BAnz. vom 16. Oktober 2004, S.
22037.
87
Die an die Kombinationsbegründung homöopathischer Arzneimittel zu stellenden
Anforderungen gelten auch für das Nachzulassungsverfahren.
88
Vgl. hierzu OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 - 13 A 328/04 -, a.a.O., sowie hierzu
BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 3 B 90.07 -, und Urteil vom 10. November
2005 - 13 A 4137/03 -, a.a.O., sowie hierzu BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2007 - 3
B 16.06 -,a.a.O.
89
Nichts anderes folgt aus § 105 Abs. 4a Satz 2 AMG in der Fassung des Zehnten
Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Zwar sind danach einem Antrag auf
Verlängerung der Zulassung eines homöopathischen Arzneimittels keine Unterlagen
nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AMG sowie die Gutachten nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
und 3 AMG beizufügen. Dies sind aber die Unterlagen, die der Beurteilung der
therapeutischen Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit eines Arzneimittels zugrunde zu
legen sind. Da das Gesetz ihre Vorlage bei der Nachzulassung homöopathischer
Arzneimittel nicht verlangt, kann aus ihrem Fehlen keine unzureichende Begründung
hergeleitet werden.
90
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007 - 3 C 39.06 -, NVwZ-RR 2007, 776.
91
Hieraus ergibt sich indes nicht, dass im Nachzulassungsverfahren für ein
homöopathisches Arzneimittel Erklärungen zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, auch
soweit die Kombination betroffen ist, entbehrlich sind. Einer solchen Annahme steht
zunächst entgegen, dass die Regelung des § 105 Abs. 4a Satz 2 AMG sich nicht auf die
nach § 104 Abs. 4 Satz 2 AMG erforderliche Kombinationsbegründung bezieht. Die
durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes eingeführte Regelung
des § 105 Abs. 4a AMG basiert überdies auf einer Rüge der Europäischen Kommission,
die vom Bundesgesetzgeber gefordert hatte, die Vorschriften der Nachzulassung an die
Vorgaben der Richtlinie 65/65/EWG anzupassen und auch im
Nachzulassungsverfahren die Vorlage von Unterlagen zur pharmakologisch-
toxikologischen Prüfung und zur klinischen Prüfung sowie entsprechender
Sachverständigengutachten zu verlangen.
92
Vgl. BT-Drucks. 14/2292, S. 1; Kügel/Hesshaus, Das Arzneimittelrecht nach der 10.
AMG-Novelle, MedR 2001, 248; Hofmann/Nickel, Die Nachzulassung von Arzneimitteln
nach der Zehnten Novelle zum Arzneimittelgesetz, NJW 2000, 2700; Kloesel/Cyran, §
105 AMG, Anm. 54; Ratzel, in: Deutsch/Lippert, Kommentar zum Arzneimittelgesetz, 2.
Aufl. 2007, Vorb. zu § 105 Rdrn. 2.
93
Von einer solchen Verpflichtung hatte der Gesetzgeber ursprünglich abgesehen, weil er
für das Nachzulassungsverfahren davon ausgegangen war, dass der therapeutische
Gebrauch bereits hinreichende Erkenntnisse ermöglichte.
94
Vgl. BT-Drucks. 7/5091, S. 22.
95
Der Gesetzgeber verpflichtete in Folge der Beanstandungen der Europäischen
Kommission die pharmazeutischen Unternehmer zur Vorlage entsprechender
Unterlagen. Unter Hinweis auf das Gemeinschaftsrecht wurde die Vorlage
entsprechender Unterlagen für Arzneimittel, die nach einer im homöopathischen Teil
des Arzneibuchs hergestellten Verfahrenstechnik hergestellt werden, weiterhin nicht
96
verlangt.
Vgl. BT-Drucks. 14/2292, S. 9.
97
Hieraus folgt indes nicht, für diese Arzneimittel könne im Nachzulassungsverfahren auf
entsprechende Nachweise verzichtet werden. Einer solchen Annahme steht entgegen,
dass das Gemeinschaftsrecht zwar den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zur
Anwendung besonderer Regeln zur Bewertung der Ergebnisse der Versuche zur
Sicherheit und Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel eröffnet, aber nicht zu einem
Verzicht auf den Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit berechtigt.
98
Vom pharmazeutischen Unternehmer eines homöopathischen Arzneimittels ist daher
auch im Nachzulassungsverfahren eine Kombinationsbegründung zu fordern, aus der
sich in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise auf der Grundlage des
zugrundeliegenden homöopathischen Therapiekonzeptes ergibt, dass jeder arzneilich
wirksame Bestandteil einen positiven Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leistet.
99
Die im Verfahren der Nachzulassung homöopathischer Arzneimittel zu
berücksichtigenden Besonderheiten der Therapierichtung ergeben sich aus den von der
Kommission D entwickelten Kriterien zur Bewertung von fixen Kombinationen
homöopathischer Einzelmittel vom 24. April 1997 (BAnz Nr. 100 vom 5. Juni 1997, S.
6724). Diesen Bewertungsrichtlinien kommt die Qualität eines antizipierten
Sachverständigengutachtens insoweit zu, als sie den Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse in Bezug auf die Prüfung homöopathischer Arzneimittel widerspiegeln.
100
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2007
101
- 3 B 16.06 -, a.a.O., entsprechend zu den von der Kommission erstellten Monographien;
BT-Drucks. 7/5091, S. 7; VG Berlin, Urteil vom 11. Januar 2006 - 14 A 252.98 -,
PharmaR 2007, 476.
102
Ausweislich dieser Kriterien ist zunächst zu prüfen, ob sich die Arzneimittelbilder der
Einzelbestandteile hinsichtlich des Indikationsanspruchs gleichen oder ergänzen.
Soweit Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der fixen Kombination nach
Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten aufgrund
der Einzelstoffmonographien nicht bestimmbar sind, ist zusätzliches wissenschaftliches
Erkenntnismaterial erforderlich. Darüber hinaus erfordern neue Kombinationen
bekannter Einzelmittel Untersuchungen mit der Kombination, z.B. die Durchführung
einer homöopathischen Arzneimittelstudie, klinische Studien oder wissenschaftlich
auswertbares Erkenntnismaterial zu der Kombination in freier Rezeptur.
103
Ausgehend hiervon lässt sich ein positiver Beitrag des Bestandteils Reserpin aus der
Monographie der Kommission D vom 16. Oktober 1991 (BAnz. 193 vom 16. Oktober
1991, S. 7118) nicht herleiten, weil in dieser als Anwendungsgebiet angegeben wird,
"Die Anwendungsgebiete entsprechen dem homöopathischen Arzneibild. Dazu
gehören: "Schwäche und Verstimmungszustände" und die Anwendung überdies erst in
einer Darreichungsform ab "D6" befürwortet wird.
104
Die Klägerin hat auch kein sonstiges wissenschaftliches Erkenntnismaterial
beigebracht, aus dem sich in schlüssig nachvollziehbarer Weise ein positiver Beitrag
105
des Wirkstoffs Reserpin ergibt. Den positiven Beitrag sieht die Klägerin ausschließlich
in der blutdrucksenkenden Wirkung, der im Anwendungsgebiet unter Bezugnahme auf
das homöopathische Arzneimittelbild nicht beschrieben ist.
Die Formulierung von Anwendungsgebieten homöopathischer Arzneimittel ist möglich,
weil dem jeweiligen Arzneimittelbild, welches sich zusammensetzt aus der
homöopathischen Prüfung am Gesunden, aus den Erfahrungen am Kranken und aus
der Toxikologie, im Krankheitsbild diagnostisch abgrenzbare Indikationsbereiche, bei
denen sich das Arzneimittelbild besonders bewährt hat, entsprechen. Auch bei fixen
Kombinationen homöopathischer Einzelmittel kann ein Anwendungsgebiet nur
entsprechend den einzelnen Arzneimittelbildern formuliert werden.
106
Vgl. Bewertungskriterien der Kommission D für fixe Kombinationen, a.a.O.
107
Da das homöopathische Arzneimittelbild in essentieller Form die Angaben zur
Wirksamkeit eines homöopathischen Arzneimittelbildes enthält, ist in Fällen, in denen
der pharmazeutische Unternehmer für einen Wirkstoff ein bislang nicht in der
Monographie beschriebenes Anwendungsgebiet - hier Hypertonie - beansprucht, zu
prüfen, ob der pharmazeutische Unternehmer Erkenntnismaterial
(Arzneimittelprüfungen, Erfahrungen am Kranken, toxikologische Erfahrungen,
homöopathische Fachliteratur) vorlegt, das die Ausweitung des homöopathischen
Arzneimittelbildes auf das nicht monographierte Anwendungsgebiet rechtfertigt.
108
Derartige aussagekräftige Erkenntnisse hat die Klägerin nicht vorgelegt. Hinsicht- lich
der von der Klägerin vorgelegten Ergebnisse der Arzneimittelprüfung von Reserpin von
T. , P. und von B. ist bereits zweifelhaft, ob die zu Grunde liegende Arzneimittelprüfung
den Anforderungen an eine hinreichend aussagekräftige Arzneimittelprüfung genügt.
109
Welchen Anforderungen eine Arzneimittelprüfung zu genügen hat, folgt aus der
Bekanntmachung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte über die
Zulassung, Nachzulassung und Registrierung von Arzneimitteln (Empfehlungen der
Kommission D nach § 25 Abs. 6 und Abs. 7 des Arzneimittelgesetzes zur Planung und
Durchführung homöopathischer Arzneimittelprüfungen) vom 18. November 1998 (BAnz.
Nr. 239 vom 18. Dezember 1998, S. 17450). Die Bekanntmachung fand zwar im
Zeitpunkt der Prüfung noch keine Anwendung, gibt aber gleichwohl Anhaltspunkte für
die an eine nachvollziehbare Prüfung zu stellenden Anforderungen. Ob die
Anforderungen erfüllt sind, lässt sich dem Bericht von T. , P. und von B. nicht
entnehmen, weil keine Rohdaten vorliegen. Offen bleibt daher insbesondere, wann und
in welcher Häufigkeit Symptome auftraten (vgl. Nr. 8 der Empfehlungen). Da die
Klägerin lediglich die Ergebnisse der Prüfung vorgelegt hat, lässt sich auch nicht
feststellen, in welcher genauen Zusammensetzung der Prüfarznei die
Arzneimittelprüfung durchgeführt wurde. Entsprechend wird im Gutachten, das der
österreichischen ZuIassung zu Grunde liegt, bemängelt, dass im Falle einer
Endverdünnung D3 sowohl pharmakologische als auch homöopathische Wirkungen
möglich gewesen seien, und auf Anfrage bei der Klägerin zwar nachträglich mitgeteilt
worden sei, dass die Endverdünnung D6 betragen habe, das angefragte Protokoll der
Herstellung und Zusammensetzung der Prüfarznei aber nicht übermittelt worden sei
(Gutachten Seite 20, 43).
110
Ob die Arzneimittelprüfung gleichwohl in formaler Hinsicht entsprechend dem Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnis im Jahre 1995 durchgeführt wurde, wie der von der
111
Klägerin eingereichten gutachterlichen Stellungnahme des Dr. N1. vom 17. April 2005/
15. Dezember 2005 zu entnehmen ist, bedarf letztlich aber keiner weiteren Klärung, weil
nach den Aussagen des Gutachters das Arzneimittelbild von Reserpin nicht annähernd
ausgeprüft ist (Gutachten, Seite 6 Anm. 7, Seite 10 Fazit 2).
Die vorgelegten Ergebnisse der Arzneimittelprüfung lassen, was für die Formulierung
eines Anwendungsgebietes erforderlich ist, auch keinen nachvollziehbaren
Rückschluss darauf zu, dass charakteristische Merkmale der Indikation durch gut
bestätigte Charakteristika des Wirkstoffs bestätigt werden. Ausgehend vom eigenen
Vortrag der Klägerin ist ein solcher Rückschluss bereits deshalb nicht möglich, weil
keine charakteristischen Symptome einer Hypertonie bestehen. Soweit nach N1.
charakteristische Symptome des Bluthochdrucks durchaus benennbar sind, lässt sich
nicht feststellen, inwieweit diese charakteristischen Prüfsymptomen des Wirkstoffs
entsprechen.
112
Auch aus der von der Klägerin eingereichten Gegenüberstellung der von T. , P. und von
Armin ermittelten Prüfsymptome mit denjenigen von Julian lässt sich zu Gunsten der
Klägerin nichts herleiten. Danach bestehen zwar wesentliche Übereinstimmungen. Die
Arzneimittelprüfung von Julian lag der Kommission D bei Monographieerstellung indes
vor, die ermittelten Prüfsymptome rechtfertigten die Aufnahme von Hypertonie in das
Homöopathische Arzneimittelbild von Reserpin aber nicht. Ausweislich der an das
Bundesgesundheitsamt gerichteten Stellungnahme zur Nachbearbeitung der
Monographie zu Reserpin von Dr. I2. vom 26. Juni 1990 konnte für das Arzneimittelbild
von Reserpin der Blutdruck nicht als indikatives Kennzeichen herangezogen werden,
weil bei der Arzneimittelprüfung sowohl Hypertonie als auch Hypotonie erwähnt wurden
und das Fehlen therapeutischer Erfahrungen bemängelt wurde. Ent-sprechend vermag
auch der Umstand, dass Rauwolfia serpentina vergleichbare Prüfsymptome aufweist,
die blutdrucksenkende Wirkung von Reserpin nicht zu belegen. Dies bestätigt letztlich
auch die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme von N1. , der ausführt, aus dem
Arzneimittelbild von Rauwolfia serpentina könne nicht auf das von Reserpin
geschlossen werden.
113
Die Klägerin hat bezogen auf den Wirkstoff Reserpin auch keine für die Erstellung eines
homöopathischen Arzneimittelbildes erforderlichen Anwendungserfahrungen am
Kranken vorgelegt. Anwendungserfahrungen am Kranken sind sowohl für die Erstellung
des Arzneimittelbildes als auch für die Formulierung von Anwendungsgebieten von
wesentlicher Bedeutung.
114
Vgl. Bewertungskriterien der Kommission D für fixe Kombinationen, a.a.O.
115
Muss sich der Wirkstoff besonders bewährt haben, kann einer Arzneimittelprüfung am
Gesunden für sich gesehen keine maßgebende Bedeutung zukommen.
116
Dass Anwendungsbeobachtungen grundsätzlich nicht verzichtbar sind, gilt
insbesondere auch für schwere Indikationen, da hier nicht ohne Weiteres von einer
Similewirkung auszugehen ist. Ein Wirkstoff, der bei der Anwendung am Gesunden weit
gestreute Symptome hervorruft, muss sich bei der Anwendung am Patienten, der diese
Symptome nur ausschnittweise aufweist, nicht zwangsläufig bewähren. Soweit die
Klägerin in ihrem Schreiben vom 17. Juni 1997 unter Bezugnahme auf X. darlegt, dass
in Fällen, in denen die Symptome einer Arzneimittelprüfung ausreichend
charakteristisch seien, auch die Einzelkomponenten eines Arzneimittelbildes eine auf
117
homöopathischen Kriterien basierende Therapie zuließen, ist dies ausgehend vom
eigenen Vortrag der Klägerin bereits deshalb nicht schlüssig, weil diese vorträgt, die
Symptome einer Bluthochdruckerkrankung seien unspezifisch. Gerade in einem solchen
Fall hätte es daher einer Anwendungsbeobachtung bedurft, mit der die Klägerin hätte
bestätigen können, dass sich der Wirkstoff in dem diagnostisch abgrenzbaren
Indikationsbereich besonders bewährt hat.
Ein Rückgriff auf allopathische Anwendungserfahrungen kommt nicht in Betracht. Die
Klägerin bringt das Arzneimittel (werbewirksam) als homöopathisches Arzneimittel in
den Verkehr. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Kombination sind daher allein nach
Maßgabe der homöopathischen Therapierichtung zu prüfen. Der Umstand, dass
Reserpin unstreitig in der Schulmedizin zur Blutdrucksenkung eingesetzt wurde bzw.
wird, vermag insbesondere die für die Erstellung des Arzneimittelbildes maßgeblichen
homöopathischen Erfahrungen am Patienten nicht zu ersetzen. Abgesehen davon
dürften die schulmedizinischen Erfahrungen bei Monographieerstellung bekannt
gewesen sein, da Reserpin ausweislich der Erklärungen der Klägerin im Schreiben vom
17. Juni 1997 bereits ab 1950 zur Blutdrucksenkung eingesetzt wurde, wobei - so die
Klägerin - als Stand des Wissens gilt, dass niedrige, nebenwirkungsfreie Dosen von
Reserpin keine blutdrucksenkende Wirkung zeigen.
118
Der Stellungnahme von T. zu § 22 Abs. 3a AMG vom 16. August 1996, die auf die
Arzneimittelprüfung von Reserpinum und die Ähnlichkeit mit Rauwolfia serpentina
Bezug nimmt, ist nach alledem - ohne dass es für eine solche Feststellung der
Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf - ebenfalls kein ausreichender
positiver Beitrag für den Wirkstoff Reserpin zu entnehmen.
119
Den von der Klägerin mit Schreiben vom 19. August 1996 zitierten Arzneimittelbildern
und Indikationsempfehlungen zu Reserpin von E. , N2. , T2. und W. enthalten gleichfalls
keine weiteren hinreichenden Erkenntnisse, weil in diesen lediglich auf Rauwolfia
serpentina verwiesen wird. Spezifische, die homöopathische Wirksamkeit von Reserpin
bei Bluthochdruck bestätigende Literatur hat die Klägerin innerhalb der dreijährigen
Mangelbeseitigungsfrist ebenfalls nicht vorgelegt.
120
Ausgehend hiervon ist - ohne dass es hierzu der von der Klägerin begehrten Einholung
eines Sachverständigengutachtens zu den Stellungnahmen von T1. bedarf -
festzustellen, dass es an einer fristgerechten ausreichenden Begründung für einen
Beitrag Reserpins zur positiven Beurteilung des Arzneimittels fehlt.
121
Die Klägerin war mit weiteren Mängelbeseitigungsversuchen nach Ablauf der Frist mit
Wirkung für das weitere Verwaltungsverfahren und das gerichtliche Verfahren
ausgeschlossen.
122
Bereits aus dem Wortlaut des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG ergibt sich, dass im Falle einer
nicht fristgerechten Mangelbeseitigung die Zulassung zwingend zu versagen ist.
Hieraus folgt, dass der Zulassungsbehörde nach Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist
keinerlei Ermessen zusteht, weitere Mängelbeseitigungsversuche zu berücksichtigen.
Aufgrund des eindeutigen Wortlauts gilt dies selbst dann, wenn sie mit der Bearbeitung
noch nicht begonnen hat oder die Entscheidung nicht unangemessen verzögert wird.
123
Vgl. Brixius /Schneider, Nachzulassung und AMG-Einreichungsverordnung, 2004, § 105
Abs. 5 9.3.3, a.A. Sander, § 105 AMG, Anm. 16, bei Vorliegen geringfügiger Mängel,
124
ebenso VG Berlin, Urteil vom 30. März 2000 - 14 A 404/97 - .
Wird die Klarheit verbürgende Frist des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG durchbrochen, ist eine
Grenze, jenseits derer verspätete Mängelbeseitigungsversuche nicht mehr zu
berücksichtigen sind, nur schwer zu ziehen. Sie stünde damit letztlich wieder zur
Disposition der Zulassungsbehörde; dieses Ergebnis widerspräche der gesetzlichen
Regelung.
125
Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1980 - 7 C 101.78 -, BVerwGE 60, 297 zu § 3
AtAnlV.
126
Wegen der dem pharmazeutischen Unternehmer obliegenden Verpflichtung,
vollständige Unterlagen einzureichen, sind die durch Präklusion ausgeschlossenen
Mängelbeseitigungsversuche auch nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.
127
Nach Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Regelung erstreckt sich die
Präklusion ebenfalls auf das gerichtliche Verfahren.
128
Offengelassen im Urteil des Senats vom 10. November 2005 - 13 A 4137/03 -, a.a.O.;
129
zur Erstreckung einer Präklusion auf das gerichtliche Verfahren vgl. BVerwG, Beschluss
vom 11. Februar 2000 - 4 VR 17.99 - zu § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG, sowie Urteil vom 17.
Juli 1980
130
- 7 C 101.78 -, a.a.O., zu § 3 AtAnlV.
131
Bereits der Wortsinn spricht für diese Rechtsfolge. Er lässt nicht den Rückschluss zu, es
handele sich nicht um eine endgültige Wirkung auch für das gerichtliche Verfahren
beanspruchende Versagung. Hätte der Gesetzgeber nur eine auf das
Verwaltungsverfahren bezogene Ausschlusswirkung gewollt, so hätte er die
Rechtsfolge der Zulassungsversagung als selbstverständliche Konsequenz nicht
besonders zu normieren brauchen.
132
Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1980
133
- 7 C 101.78 -, a.a.O., zu § 3 AtAnlV.
134
Bestätigt wird dies durch die abweichende Formulierung des Gesetzgebers in § 25 Abs.
4 a.F. AMG, wo es lediglich heißt, "wird den Mängeln nicht abgeholfen, so ist die
Zulassung zu versagen". Während der Gesetzgeber für den Anspruch auf
Nachzulassung zwingend eine fristgerechte Mängelbeseitigung fordert, folgt aus dem
Wortlaut der Regelungen für das Zulassungsverfahren, dass die Zulassung - ohne eine
zeitliche Komponente vorzugeben - zu versagen ist, wenn den Mängeln nicht
abgeholfen wird. Zwar hat der Gesetzgeber auch hier der zuständigen Behörde die
Verpflichtung auferlegt, dem pharmazeutischen Unternehmer eine - allerdings in das
behördliche Ermessen gestellte, verlängerbare (§ 31 Abs. 7 VwVfG) - Frist zu gewähren.
Allerdings ist nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 4 AMG für die Versagung allein die
fehlende Mängelbeseitigung, nicht aber die nicht fristgerechte Mängelbeseitigung
Voraussetzung. Dies hat zur Folge, dass im Anwendungsbereich des § 25 AMG in der
bis zum Zehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes geltenden Fassung
Mängelbeseitigungsversuche noch im gerichtlichen Verfahren Berücksichtigung finden
135
konnten.
Auch der Vergleich der Formulierung des Wortlauts des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG mit
der Formulierung des § 25a AMG in der Fassung des Vierten Änderungsgesetzes
bestätigt die Präklusionswirkung des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG, denn dort heißt es
lediglich, "Bei Beanstandungen im Sinne des Abs. 1 hat der Sachverständige dem
Antragsteller Gelegenheit zu geben, Mängeln innerhalb von drei Monaten abzuhelfen".
Gesetzlich vorgegebene Sanktionen werden an die fehlende Mängelbeseitigung nicht
geknüpft. Wäre es allein die Absicht des Gesetzgebers gewesen, dem
pharmazeutischen Unternehmer vor Versagung der Zulassung Gelegenheit zu geben,
bestehende Mängel auszuräumen, hätte es lediglich einer dem Wortlaut des § 25a AMG
entsprechenden Formulierung bedurft.
136
Sinn und Zweck der Regelung sprechen gleichermaßen für eine Ausschlusswirkung für
das gerichtliche Verfahren. Zwar lässt sich den Gesetzesmaterialien zu Art. 3 § 7
AMNG, der in Absatz 5 eine § 105 Abs. 5 AMG entsprechende Regelung enthielt,
ausdrücklich nichts entnehmen. Allerdings folgt aus der Begründung des Ausschusses
für Jugend, Familie und Gesundheit zu Art. 3 § 7 AMNG, dass die Kommissionen nach §
24 Abs. 5b AMG das wissenschaftliche Erkenntnismaterial binnen zwölf Jahren nach
dem Inkrafttreten des Gesetzes aufbereitet haben würden, so dass den
pharmazeutischen Unternehmern aufgrund der durch Art. 39 Abs. 2 der Richtlinie
75/319/EWG (ABl. Nr. 147 S. 13) vorgegebenen Umsetzungsfrist von 15 Jahren noch
eine dreijährige Frist zur Behebung von Mängeln verblieb.
137
Vgl. BT-Drucks. 7/5091, S. 22.
138
Die Zulassung weiterer Mängelbeseitigungsversuche im Verwaltungsverfahren nach
Ablauf der dreijährigen Mängelbeseitigungsfrist hätte aber zwangsläufig zu einer der
Richtlinie widersprechenden Überschreitung der Umsetzungsfrist geführt, deren
Einhaltung der Gesetzgeber sicherstellen wollte.
139
Überdies ist es sinnlos, die Präklusion im Verwaltungsverfahren für rechtens zu
erklären, im gerichtlichen Verfahren ein unbegrenztes Nachschieben zu erlauben,
obwohl der pharmazeutische Unternehmer im Verwaltungsverfahren hinreichend auf die
Entscheidung hätte Einfluss nehmen können. Die Berechtigung, weitere
Mängelbeseitigungsversuche zuzulassen, würde die Prüfung der
Zulassungsvoraussetzungen von der sachnäheren Behörde auf das Gericht verlagern.
Die Gerichte haben solche Feststellungen und Bewertungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu
überprüfen, nicht aber ihre eigenen Bewertungen an deren Stelle zu setzen. Diese
Prüfungsabfolge, die im Einklang mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung steht, wäre
durchbrochen, wenn im Verwaltungsverfahren nicht oder verspätet vorgebrachte
Mängelbeseitigungsversuche im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wären,
obwohl sie im Verwaltungsverfahren hätten vorgebracht und abschließend geklärt
werden können.
140
Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 -, BVerfGE 61, 82, zu § 7
Abs. 2 Nr. 3 AtomG.
141
Die Fristsetzung wäre letztlich auch bedeutungslos. Der pharmazeutische Unternehmer
könnte ohne jegliche Konsequenz die ihm gesetzte Frist missachten und das
Nachzulassungsverfahren durch das erstmalige Vorlegen von Unterlagen zur
142
Mängelbeseitigung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sogar noch in der
mündlichen Verhandlung, in die Länge ziehen.
Eine Präklusionswirkung annehmend: Brixius/
143
Schneider, a.a.O., § 105 Abs. 5 9.3.1. und 9.3.2, VG Berlin, Urteile vom 17. August 2000
- 14 A 222/97 - und vom 30. März 2000 - 14 A 404/97 -, juris.
144
Soweit das Verwaltungsgericht Berlin nunmehr,
145
Urteil vom 11. Januar 2006 - 14 A 252/98 -, a.a.O.,
146
darauf verweist, dass § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG auch bei fehlender Annahme einer
Präklusionswirkung sinnvoll sei, weil der Versagungsbescheid mit der Anordnung der
sofortigen Vollziehung verbunden werden könne, wodurch verhindert werde, dass das
Unternehmen seine Position auf dem Markt weiter ausübe, vermag dies nicht zu
überzeugen, weil bereits Art. 3 § 7 Abs. 5 Satz 2 AMNG eine entsprechende Regelung
enthielt und die Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemeinsam mit
einer Regelung zum Wegfall des Widerspruchsverfahrens erst durch das Fünfte Gesetz
zur Änderung des Arzneimittelgesetzes in Abs. 5b des § 105 AMG aufgenommen
wurde.
147
Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt auch nicht der durch das Zehnte Gesetz zur
Änderung des Arzneimittelgesetzes eingeführte Satz 3 des § 105 Abs. 5 AMG, der im
Zusammenhang mit Satz 2 (Verkürzung der Mängelbeseitigungsfrist auf eine
angemessene, in das Ermessen der Behörde gestellte Frist von maximal 12 Monaten)
zu sehen ist. Nach Satz 3 ist nach einer Entscheidung über die Versagung der
Zulassung das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.
148
§ 105 Abs. 5 Satz 3 AMG kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Er enthält
jedenfalls, soweit die Zulassungsbehörde dem pharmazeutischen Unternehmer zur
Mängelbeseitigung die Höchstfrist von 12 Monaten gewährt hat, lediglich eine
Klarstellung.
149
Vgl. Brixius /Schneider, a.a.O., § 105 Abs. 5, 9.5.2.
150
Der Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung des Satzes 3 zunächst, das behördliche
Zulassungsverfahren zu verkürzen. Beabsichtigt war aber auch, den Ausschluss
weiterer Mangelbeseitigungsversuche im Nachzulassungsverfahren zu verhindern. Die
Antragsteller sollten angehalten werden, von vornherein einen zulassungsreifen Antrag
zu stellen.
151
Vgl. BT-Drucks. 14/2292, S. 9.
152
In den Materialien finden sich zwar verschiedene Formulierungen, die darauf schließen
lassen, dass der Gesetzgeber der Zehnten Novelle davon ausging, erstmals eine im
bisherigen Recht noch nicht enthaltene Präklusionsmöglichkeit zu schaffen. So heißt es
im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung zum Zehnten Gesetz zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes,
153
vgl. BT- Drucks. 14/2292, S. 7,
154
"Zur Straffung und damit zur Beschleunigung des Nachzulassungsverfahrens sind
darüber hinaus weitere Änderungen der Vorschriften insbesondere über eine Änderung
des Arzneimittels und eine Mängelbeseitigung während des laufenden Verfahrens
erforderlich, damit die Entscheidung über die Nachzulassung so zügig wie möglich
erfolgen kann". In der Einzelbegründung zu § 105 Abs. 5 AMG
155
vgl. BT-Drucks. 14/2292, S. 9,
156
heißt es weiter: "Die Konzentration der Arbeiten auf die laufenden
Nachzulassungsverfahren durch Ausschluss weiterer Mängelbeseitigungsversuche im
Rechtsmittelverfahren ist zwingend notwendig, um in vertretbarem Zeitrahmen einen
Abschluss der Nachzulassung zu erreichen."
157
Ob der Gesetzgeber die Regelung des § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG im
Nachzulassungsverfahren angesichts einer bestehenden Praxis der
Zulassungsbehörde und der Verwaltungsgerichte, nachgereichte Unterlagen zu
überprüfen, für erforderlich hielt, oder ob er davon ausging, ein Nachschieben sei zuvor
bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unbegrenzt zulässig gewesen,
158
in diesem Sinne Meier/von Czettritz, Verfassungswidrigkeit von Präklusionsregelungen
§ 25 IV 3 AMG und § 105 V 3 AMG, PharmaR 2003, 333,
159
kann letztlich dahinstehen, da die (nachträgliche) Interpretation der gesetzlichen
Regelung durch den Gesetzgeber nicht geeignet ist, den Regelungsgehalt des § 105
Abs. 5 Satz 2 AMG in Frage zu stellen.
160
Für die Anwendung des § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG bleibt bei Annahme einer
präkludierenden Wirkung des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG ein eigenständiger
Anwendungsbereich. Nach der Neuregelung ist ein Nachschieben von Unterlagen vor
Ablauf der Höchstfrist zur Mängelbeseitigung wegen der Möglichkeit einer (auch
rückwirkend gewährten) Fristverlängerung nach § 31 Abs. 7 VwVfG möglich. Hat die
Zulassungsbehörde nicht die Mängelbeseitigungshöchstfrist gewählt, so tritt die
Präklusion nicht bereits mit Ablauf der Frist, sondern mit der Entscheidung der
Zulassungsbehörde ein.
161
Vgl. Brixius/Schneider, a.a.O., § 105 Abs. 5, 9.5.3.
162
Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Behörde vor Ablauf der Höchstfrist entscheidet.
Hierdurch tritt ein nochmaliger Beschleunigungseffekt ein.
163
Die Annahme einer Präklusion begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. In
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass formelle und materielle Präklusionsfristen
mit Art. 19 Abs. 4 GG und den Grundrechten - hier Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 GG -
verfassungsrechtlich grundsätzlich vereinbar sind. Dies gilt nicht lediglich für
Präklusionen, mit denen Einwendungen am Verfahren beteiligter Dritter
ausgeschlossen werden, sondern auch für Präklusionen die einen Antragsteller selbst
betreffen (vgl. z.B. § 82 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, § 25 Abs. 3 AsylVfG). Allerdings
unterliegt der Gesetzgeber bei der Normierung von Präklusionsregelungen
verfassungsrechtlichen Grenzen. Insgesamt darf der gerichtliche Rechtsschutz nicht
164
unzumutbar erschwert werden. Im Einzelnen muss der Gesetzgeber mit der
Präklusionsregelung legitime Ziele verfolgen und der Eingriff durch die
Präklusionsregelung muss geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. In
verfahrensmäßiger Hinsicht muss die Präklusionsregelung wegen ihres
Ausnahmecharakters und wegen der einschneidenden Folgen hinreichend klar sein.
Ferner muss das Verwaltungsverfahren im Hinblick auf die Präklusion adäquat gestaltet
sein.
Siehe z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 1379/80 -, NJW 1982,
1453, vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 -, a.a.O., vom 6. Oktober 1982 - 2 BvR 304/82 -,
NVwZ 1983, 27, vom 14. April 1987 - 1 BvR 162/84 -, NJW 1987, 2003; vom 26. April
1995 - 1 BvL 19/94,
165
1 BvR 1454/94 -, BVerfGE 92, 262, vom 24. Januar 2005 - 1 BvR 2653/03 -, NJW 2005,
1768; BVerwG, Urteile vom 17. Juli 1980 - 7 C 101.78 -, a.a.O., vom 24. Mai 1996 - 4 A
38.95 -, NVwZ 1997, 489, vom 23. April 1997 - 11 A 7.97 -, BVerwGE 104, 337 und
Beschluss vom
166
17. Oktober 2005 - 7 BN 1.05 -, NVwZ 2006, 85; vgl. ferner OVG NRW, Beschluss vom
19. April 2007 - 13 A 2975 -, PharmR 2007, 200; kritisch Meier/ von Czettritz, a.a.O.
167
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG. Die
Vorschrift dient der Vereinfachung und Beschleunigung des arzneimittelrechtlichen
Nachzulassungsverfahrens. Dies sind verfassungsrechtlich legitime Ziele, zumal das
Arzneimittelzulassungsverfahren hochkomplex ist und eine ausgedehnte Beschäftigung
der Behörde in einem einzelnen Zulassungsverfahren bei begrenzter Personalkapazität
die gebotene zügige Bearbeitung anderer Zulassungsanträge beeinträchtigt. Ferner
muss es auch dem Bestreben des pharmazeutischen Unternehmers entsprechen,
schnell in den Besitz der notwendigen Zulassung zu gelangen. Die zügige Abarbeitung
der Nachzulassungsverfahren entspricht - wie oben ausgeführt - überdies europäischen
Vorgaben.
168
Zur Erreichung dieser Ziele ist die Vorschrift geeignet, denn hierdurch werden die
pharmazeutischen Unternehmer angehalten, mangelfreie Nachzulassungsanträge im
Interesse eines zügigen Zulassungsverfahrens innerhalb einer angemessenen Frist
vorzulegen. Der Hinweis von Meier/von Cettritz,
169
vgl. a.a.O. zu § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG,
170
wonach eine materielle Präklusion und der Verweis auf ein neues Zulassungsverfahren
zu einer höheren Belastung der Behörde führe, steht der Geeignetheit nicht entgegen.
Die Präklusion ist zur Erreichung des Ziels, das Nachzulassungs-verfahren zügig
abzuschließen, geeignet. Da es dem Interesse des pharmazeutischen Unternehmers
entsprechen wird, die Zulassung bereits im Nachzulassungsverfahren zu erlangen,
dürfte im Regelfall davon auszugehen sein, dass dieser die erforderlichen
Anstrengungen zur Mängelbeseitigung anstellt, sodass der Verweis auf ein weiteres
Zulassungsverfahren lediglich in Ausnahmefällen in Betracht kommen wird.
171
Die Vorschrift ist erforderlich, da ein milderes, gleich effizientes Mittel nicht ersichtlich ist.
Eine andere Regelung öffnet einem unbegrenzten Nachschieben im Verwaltungs- und
Klageverfahren Tür und Tor.
172
Die Regelung ist auch verhältnismäßig. Einerseits verfolgt der Gesetzgeber mit der
Regelung gewichtige öffentliche Interessen, andererseits belastet er den
antragstellenden pharmazeutischen Unternehmer nicht unangemessen. Diesem
obliegen von Beginn des Nachzulassungsverfahrens an Mitwirkungspflichten. Zur
Erfüllung dieser Pflichten wird er durch das Beanstandungsverfahren angehalten; erst
wenn er trotz Beanstandung und Fristsetzung den Mängeln der Unterlagen nicht abhilft,
trifft ihn die Präklusionsregelung. Dem pharmazeutischen Unternehmer wird auch
hinreichend Zeit zur Mängelbeseitigung eingeräumt. Reicht er - wie hier - erst kurz vor
Ablauf der Frist Unterlagen zur Mangelbeseitigung ein, fällt es in seinen
Verantwortungsbereich, nicht fristgerecht mit weiteren Mängelbeseitigungsversuchen
auf Beanstandungen reagieren zu können. Die Regelung führt letztlich auch nicht zu
einem endgültigen Rechtsverlust für den Antragsteller, denn ihm verbleibt die
Möglichkeit, einen neuen Zulassungsantrag zu stellen. Dies mag für ihn kosten- und
zeitintensiv sein. Es ist aber von ihm selbst zu verantworten, wenn er trotz
Beanstandung nicht in der Lage ist, seinen gesetzlichen Verpflichtungen fristgerecht
nachzukommen.
173
Die Präklusionsregelung des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG ist auch hinreichend klar
formuliert. Sie bezieht sich für den pharmazeutischen Unternehmer eindeutig erkennbar
auf den Fall, dass eine Beanstandung nach § 105 Abs. 1 Satz 1 AMG ausgesprochen
und die Beseitigungsfrist fruchtlos verstrichen ist. Auch ist die Wirkung der Präklusion
eindeutig für das konkrete Nachzulassungsverfahren angeordnet. Dass die Präklusion
in das gerichtliche Verfahren wirkt, ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Wortlaut
sowie dem oben benannten Sinn und Zweck der Regelung. Einer ausdrücklichen
Belehrung darüber, dass die Präklusion im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gilt,
bedarf es nicht, zumal die gesetzliche Regelung nicht von dem abweicht, was der
pharmazeutische Unternehmer vernünftiger Weise in Rechnung stellen muss.
174
Vgl. entsprechend zu § 3 Abs. 1 AtAnlV: BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1980 - 7 C 101.78 -
, a.a.O. sowie bestätigend BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 -,
BVerfGE 61, 82; BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1982 - 2 BvR 302/82 -, a.a.O.
175
Schließlich ist die Regelung des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG verfahrensmäßig so
eingebunden, dass der Rechtsschutz des pharmazeutischen Unternehmers nicht
unzumutbar verkürzt wird. Diesem wird im Verwaltungsverfahren eine angemessene
Zeit zur Mängelbeseitigung eingeräumt. Anforderungen, die er während dieser Zeit nicht
oder nur mit großen Schwierigkeiten erfüllen kann, bestehen nicht.
176
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. April 2007
177
- 13 A 2975/06 -.
178
Da der betroffene Unternehmer ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu allen wichtigen
Punkten zur Sache zu äußern, stellt die Präklusion mit Wirkung für das gerichtliche
Verfahren auch keine unzumutbare, gegen Art. 103 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG
verstoßende Erschwerung der Rechtsschutzmöglichkeiten dar.
179
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2005
180
- 1 BvR 2653/03 -, NJW 2005, 1768; kritisch Meier/von Czettritz, a.a.O.
181
Hiervon ausgehend war die Klägerin, die im Mängelbescheid auf die Versagung der
Zulassung bei nicht fristgerechter Mängelbeseitigung hingewiesen worden war, mit
weiteren Mängelbeseitigungsversuchen präkludiert. Die Beklagte war zudem nicht
berechtigt, mit Schreiben vom 18. April 1997 eine neue Frist zur Beseitigung bereits
gerügter Mängel zu gewähren. Eine solche hat sie, wie das Verwaltungsgericht
zutreffend ausgeführt hat, auch nicht gesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass mit diesem
Schreiben die mit Bescheid vom 20. August 1993 erfolgte Fristsetzung aufgehoben
werden sollte, lassen sich dem Schreiben ebenfalls nicht entnehmen.
182
Da der Klägerin die Nachzulassung zu Recht wegen der unzureichenden
Kombinationsbegründung versagt wurde, kann dahinstehen, ob die weiteren
Mangelrügen im Schreiben vom 20. August 1993 zu Recht erfolgt sind. Dahinstehen
kann insbesondere, welchen weiteren Anforderungen die Kombinationsbegründung
genügen muss, insbesondere ob sie den Beurteilungsrichtlinien der Kommission D
genügt, wonach Indikationsaussagen für schwere Erkrankungen nur auf der Basis
wissenschaftlich bewertbaren speziellen Erkenntnismaterials für die jeweilige fixe
Kombination akzeptiert werden können. Ob im Hinblick auf § 104 Abs. 4a Satz 2 AMG
klinische Prüfungen des homöopathischen Arzneimittels oder des einzelnen Wirkstoffs
in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung gefordert werden können, wie sie
nunmehr nach den abgestuften Kriterien der Kommission D für Erkenntnismaterial zu
klinischen Indikationen in der Homöopathie vom 9. Oktober 2002 (hier wäre nach Grad
IIIb mindestens eine klinische Prüfung erforderlich) verlangt werden, braucht daher nicht
entschieden zu werden.
183
Die Klägerin kann auch nicht nach § 105 Abs. 4c AMG beanspruchen, dass ihr wegen
der während des Klageverfahrens am 5. November 2007 in Österreich erteilten
Zulassung I. für leichte Formen der Hypertonie (mit Rezeptpflicht) eine Verlängerung der
inländischen Zulassung erteilt wird. Dabei kann dahinstehen, ob die Anwendung des §
105 Abs. 5c AMG bereits wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 105
Abs. 5 Satz 2 AMG ausscheidet.
184
Vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 4. Dezember 2007 - 7 K 583/05 -.
185
Eine Verlängerung der Nachzulassung kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil
der Klägerin die Zulassung in Österreich nicht nach der Richtlinie 2001/83/EG, sondern
nach Maßgabe des § 13 des österreichischen AMG erteilt wurde. Überdies findet das
Anerkennungsverfahren nach § 105 Abs. 4c AMG keine Anwendung auf
homöopathische Arzneimittel. Sowohl nach der im Zeitpunkt der Einführung des § 105
Abs. 4c AMG durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
geltenden Fassung des § 25 Abs. 5a-5c AMG als auch nach § 25b AMG in der Fassung
des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005
(BGBl. I S. 2570) findet das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung keine
Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik
hergestellt werden (§ 25 Abs. 5e AMG a.F.), sofern diese Arzneimittel - was hier der Fall
ist - dem Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unterliegen (§ 25b Abs. 6AMG).
186
Dem entspricht es, dass auch nach Art. 39 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG die
Regelungen über die gegenseitige Anerkennung nach Art. 28 bis 34 nicht für
homöopathische Arzneimittel im Sinne des Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG
gelten, weil den jeweiligen Mitgliedstaaten hier die Möglichkeit offen steht,
187
entsprechend der eigenen Grundsätze und der besonderen Merkmale der
homöopathischen Medizin besondere Regelungen zur Bewertung der Ergebnisse der
Versuche zur Sicherheit und Wirksamkeit einzuführen.
§ 105 Abs. 4c AMG enthält für das Nachzulassungsverfahren Sondervorschriften, ohne
den sachlichen Anwendungsbereich der § 25 Abs. 5a-e AMG a.F. bzw. § 25 b AMG zu
erweitern. Dies bestätigt die amtliche Begründung zu § 105 Abs. 4c AMG. Danach
wollte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 105 Abs. 4c AMG das Prinzip der
Zulassungsanerkennung ausländischer Genehmigungen für das
Nachzulassungsverfahren nutzbar machen, ohne ein reguläres Verfahren der
gegenseitigen Anerkennung nach § 25 Abs. 5a bis c AMG durchzuführen.
188
Vgl. BT-Drucks. 14/2292, S. 9.
189
Schließlich war die Beklagte auch nicht gehalten, die Nachzulassung unter Auflagen zu
erteilen. Die Versagung der Zulassung war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt hat, nicht ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte die Erteilung von Auflagen
nicht in Erwägung gezogen hat.
190
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit den §§
708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
191
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegt.
192
193