Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.11.1998

OVG NRW (bewerber, gut, leistung, person, eugh, amt, vorrang, zweifel, grenze, beförderung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 B 2101/98
Datum:
11.11.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 B 2101/98
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 L 2599/98
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit
Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die geltend
gemachten Zulassungsgründe (§§ 146 Abs. 4 iVm 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 VwGO) liegen
nicht vor.
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Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses vom 17.
August 1998. Der Beschluß entspricht namentlich der Rechtsprechung des EuGH und
des erkennenden Senats zu § 25 Abs. 6 Satz 2, 1. Halbsatz LBG NW 1998.
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Gemäß §§ 25 Abs. 6 Satz 1, 7 Abs. 1 LBG NW 1998 hat der Dienstherr Beförderungen
aufgrund einer Auslese der Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher
Leistung vorzunehmen. Hierbei ist auf das Geschlecht keine Rücksicht zu nehmen, wie
der Landesgesetzgeber in § 7 Abs. 1 LBG NW ausdrücklich hervorgehoben hat. Bei
gleicher Qualifikation der Bewerber ist die Auswahlentscheidung in das pflichtgemäße
Ermessen des Dienstherrn gestellt. Dabei kann er auf sogenannte Hilfskriterien
zurückgreifen. Es ist grundsätzlich ihm überlassen, welche (sachliche) Hilfskriterien er
bei seiner Ermessensentscheidung heranzieht und wie er die Hilfskriterien zueinander
gewichtet, sofern nur das Prinzip der Bestenauslese beachtet wird. In diesem
Zusammenhang ist auch § 25 Abs. 6 Satz 2, 1. Halbsatz LBG NW zu beachten. Soweit
im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde im jeweiligen Beförderungsamt
der Laufbahn weniger Frauen als Männer sind, sind nach dieser Vorschrift die Frauen
bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern,
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sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Diese
Regelung besagt somit nicht, daß weiblichen Bewerbern im Rahmen der Hilfskriterien
stets Vorrang gegenüber männlichen Bewerbern einzuräumen ist. Vielmehr ist auch bei
der Anwendung von § 25 Abs. 6 Satz 2, 1. Halbsatz LBG NW in jedem Einzelfall zu
gewährleisten, daß alle in der Person der Bewerber liegenden Kriterien berücksichtigt
werden und der den weiblichen Bewerbern eingeräumte Vorrang schon dann entfällt,
wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers
überwiegen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 1997 - C - 409/96 - (Marschall) sowie
den Beschluß des erkennenden Senats vom 29. Mai 1998 - 12 B 247/98 -).
Hiervon ausgehend ist es verwaltungsgerichtlich nicht zu beanstanden, daß der
Generalstaatsanwalt in Düsseldorf den Beigeladenen der Antragstellerin für die strittige
Beförderungsstelle vorgezogen hat, weil der Beigeladene die bessere
Leistungsentwicklung (Leistungskonstanz) aufweist. Wie der Dienstherr im
Besetzungsvorgang dargelegt hat, räumt er dem Hilfskriterium "bessere
Leistungsentwicklung" Vorrang vor der zugunsten der Antragstellerin zu
berücksichtigende Frauenförderung ein und zwar auch dann, wenn man für die
Antragstellerin zusätzliche Hilfskriterien wie z.B. höheres Lebensalter, höheres
Dienstalter (generell sowie im derzeitigen Statusamt) heranzieht. Diese Gewichtung hält
sich im Rahmen des dem Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung eingeräumten,
eingangs dargestellten Ermessens. Danach ist es gerichtlich nicht zu beanstanden, dem
Hilfskriterium "bessere Leistungsentwicklung" ein erheblich größeres Gewicht
beizumessen als den nicht leistungsorientierten Hilfskriterien der Frauenförderung, des
höheren Lebensalters und des höheren Dienstalters. Denn das Kriterium
Leistungsentwicklung trägt dazu bei, den für jede Beförderung geltenden Grundsatz der
Bestenauslese zu verwirklichen. Dabei hat der Senat keine Zweifel, daß die
Leistungsentwicklung zu den "in der Person der Bewerber liegenden Kriterien" im Sinne
des § 25 Abs. 6 Satz 2, 1. Halbsatz LBG NW zählt, ohne daß der vorliegende Fall Anlaß
gibt, rechtsgrundsätzlich der Frage nachzugehen, welche sonstigen Kriterien mit dieser
gesetzlichen Regelung erfaßt sind.
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Die Heranziehung der "Leistungsentwicklung" bzw. der "Leistungskonstanz" als
Hilfskriterien bei der Besetzung von Beförderungsstellen führt das
Frauenförderungsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen nicht - wie die
Antragstellerin geltend macht - "ad absurdum". Die Frauenförderung nach § 25 Abs. 6
LBG NW kann auch nach dem Willen des Gesetzgebers überhaupt erst dann eingreifen,
wenn die Leistung der konkurrierenden Bewerber gleich ist. Ergeben zwar nicht die
aktuellen Beurteilungen, jedoch vorausgehende Beurteilungen ein wesentlich besseres
Leistungsbild eines Bewerbers, so ist dieser leistungsstärker als seine Konkurrentin.
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Daß die Leistungsentwicklung des Beigeladenen tatsächlich wesentlich besser ist als
die der Antragstellerin, ergibt sich aus den dem Senat vorliegenden Personalakten
beider Konkurrenten. Die Antragstellerin wurde zwar schon zum 1. Mai 1984 zur
Justizamtfrau befördert, während der Beigeladene erst zum 1. Januar 1988 in das Amt
eines Justizamtmanns eingewiesen wurde. Seine Fähigkeiten und Gesamtleistungen in
diesem Amt wurden jedoch von Anfang an (seit der dienstlichen Beurteilung vom 2.
Januar 1991) uneingeschränkt mit der Note "sehr gut" bewertet. Hingegen hat die
Antragstellerin in dem Amt einer Justizamtfrau in den dienstlichen Beurteilungen vom
14. April 1987 bis einschließlich 5. Mai 1992 die Note "gut (obere Grenze)", in den
dienstlichen Beurteilungen vom 7. Mai 1993 bis zum 10. Februar 1994 die Note "sehr
gut (untere Grenze)" und erst in den dienstlichen Beurteilungen vom 19. August 1995
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bis zum 24. April 1997 uneingeschränkt die Bewertung "sehr gut" erhalten.
Im Hinblick auf die obigen Darlegungen weist das Verfahren keine besonderen
rechtlichen Schwierigkeiten auf. Es hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die
einschlägigen Rechtsfragen sind bereits im Grundsatz geklärt. Es geht nur noch darum,
sie im konkreten Fall anzuwenden. Der Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 18.
August 1998 weicht - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen des Senats ergibt -
hinsichtlich der Gewichtung der Hilfskriterien auch nicht von dem Urteil des EuGH vom
10. November 1997 - C - 409/96 - (Marschall) sowie von dem Senatsbeschluß vom 29.
Mai 1998 - 12 B 247/98 - ab.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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