Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.02.2000

OVG NRW: zugang, wettbewerber, deutsche bundespost, essential facilities, form, anbieter, kupfer, telekommunikation, juristische person, europäische kommission

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 180/99
Datum:
07.02.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 180/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 1 K 5943/97
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der
Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung
für das erstinstanzliche Verfahren bis zur Verbindung für das Verfahren 1
K 5943/97 auf 1 Mio. DM und für das Verfahren 1 K 6100/97 auf 4 Mio.
DM und für das Verfahren danach sowie für das Berufungsverfahren auf
jeweils 5 Mio. DM festgesetzt.
I.
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Die Klägerin ist Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen und Betreiberin
eines bundesweiten Telekommunikationsnetzes. Die ebenfalls
Telekommunikationsdienstleistungen für Endkunden anbietende und dazu
Telekommunikationsinfrastruktur u. a. für Sprachtelefondienst vorhaltende Beigeladene
erstrebt entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlussleitungen (TAL) im Ortsnetz
der Klägerin. Sie hat unter dem 18. Dezember 1996 und 30. Januar 1997 Lizenzen für
das Betreiben von Übertragungswegen und Sprachtelefondienst (Lizenzklassen 3 u. 4
gem. § 6 Abs. 2 Nrn. 1 c u. 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG)) erworben.
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Seit November 1996 korrespondierte die Beigeladene mit der Klägerin über die
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Bedingungen des Zugangs zu den in zweiadrigen Kupfer- oder Glasfaserkabeln
ausgelegten TAL im Telekommunikationsnetz der Klägerin, die vom Hauptverteiler ggf.
über Kabelverzweiger und Endverzweiger zu den Teilnehmeranschlusseinheiten der
Kunden führen. Während die Beigeladene u. a. die Einräumung eines unmittelbaren,
von zusätzlichen technischen Einrichtungen der Klägerin unabhängigen Zugriffs auf die
TAL am Hauptverteiler (sog. Zugriff auf den "blanken Draht") wünschte, stellte die
Klägerin zunächst die Nutzung dieser Leitungen über einen zwischengeschalteten
Multiplexer (sog. MUX/V5-Lösung), der der Zusammenlegung mehrerer Signale auf eine
Leitung im Falle der Versorgung mehrerer Kunden über diese dient und durch mehrere
Unternehmen nutzbar ist, in Aussicht und lehnte den Zugriff auf den "blanken Draht" ab.
Am 16. April 1997 bat die Beigeladene die Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post (RegTP) der Beklagten unter Schilderung des
Verhandlungsverlaufs und des Standpunktes der Klägerin um
missbrauchsaufsichtsrechtliche Maßnahmen nach dem Telekommunikationsgesetz,
wozu die Klägerin Stellung nehmen konnte. Unter dem 21. Mai 1997 legte sie der
Beigeladenen einen überarbeiteten, als "Carrier Customer Access" (CCA- Lösung)
bezeichneten Vorschlag für die Realisierung des Zugangs zu den TAL vor, der unter
weit gehendem Verzicht auf Multiplexer durch vorgeschaltete Abschlusseinrichtungen
definierte Übertragungsleistungen für analoge Telefonanschlussleitungen (CCA-
Analog), ISDN- Basisanschlussleitungen (CCA-Basic) und ISDN-Primär-Multiplex-
Anschlussleitungen (CCA-Primary) vorsieht und zugleich u. a. die Prüfung der
Parameter ermöglichende Schnittstellen schafft.
Mit Bescheid vom 28. Mai 1997 (Beanstandungsbescheid) beanstandete die Beklagte -
durch die RegTP -, dass die Klägerin bislang der Beigeladenen kein Angebot zum
entbündelten Zugang zur TAL entsprechend deren Nachfrage abgegeben habe und
forderte sie auf, diesen Missbrauch bis zum 4. Juni 1997 in der Weise abzustellen, dass
sie der Beigeladenen ein deren Nachfrage entsprechendes Angebot abgebe, und zwar
ein solches, wonach keine nicht nachgefragten Leistungen abgenommen werden
müssten. Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagiert hatte, gab ihr die Beklagte -
RegTP - mit Bescheid vom 1. Juli 1997 (Auflagenbescheid) auf, der Beigeladenen
gegenüber bis zum 14. Juli 1997 ein deren Nachfrage entsprechendes Angebot auf
entbündelten Zugang zur TAL abzugeben; dieses müsse so beschaffen sein, dass keine
nicht nachgefragten Leistungen abgenommen werden müssten; das gelte jedoch dann
nicht, wenn dem Entbündelungsgebot im Einzelfall aufgrund nachgewiesener
Tatsachen nicht nachgekommen werden könne. Zur Begründung war unter Bezug auf
den Beanstandungsbescheid angeführt: Die von der Klägerin vorgeschlagene CCA-
Lösung sei nicht ausreichend, weil sie nur eine Beschreibung technischer Bedingungen
ohne sonstige Bestimmungen, insbesondere ohne Preise, darstelle und wegen der in ihr
enthaltenen Netzabschlüsse bzw. Schnittstellen nicht hinreichend entbündelt sei. Die
Klägerin habe grundsätzlich den nachgefragten Zugang zur TAL zu gewähren. Eine
Versagung dessen könne allenfalls im Einzelfall, nicht jedoch generell gerechtfertigt
sein. Soweit die Klägerin bei Verwirklichung des von der Beigeladenen nachgefragten
entbündelten Netzzugangs den Verlust der Teilnehmeranschlussleitung für eigene
Zwecke befürchte, könne eine sachliche Rechtfertigung für die Beschränkung oder
Verweigerung des Zugangs im Einzelfall aufgrund bestehender Tatsachen gegeben
sein. Der Anspruch der Beigeladenen auf den nachgefragten Zugang zur TAL bestehe
allerdings nur insoweit und so lange, wie sie die Leitung für eigene Zwecke benötige.
Da die Klägerin ein entsprechendes Angebot bislang nicht abgegeben habe, habe ihr
zum Abstellen des Missbrauchs ihrer marktbeherrschenden Stellung ein Verhalten im
Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG auferlegt werden müssen.
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Die Klägerin hat gegen den Beanstandungsbescheid und den Auflagenbescheid
Klagen erhoben, die im Verlaufe des Verfahrens verbunden worden sind. Entsprechend
ihrer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abgegebenen Verpflichtung hat sie
sodann ein der Nachfrage der Beigeladenen entsprechendes - unter dem Vorbehalt
einer anderweitigen Entscheidung im vorliegenden Hauptsacheverfahren stehendes -
Angebot abgegeben. Auf der Grundlage dieses Angebots haben die Beigeladene und
die Klägerin am 30. September 1998 einen Vertrag mit entsprechender
Vorbehaltsklausel über den Zugang der Beigeladenen zur TAL geschlossen.
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Die Klägerin hat vorgetragen: Der von der Beigeladenen nachgefragte Zugang zur TAL
setze voraus, dass die jeweilige Leitung im Hauptverteiler aus dem Netz abgekoppelt
und der Beigeladenen zur alleinigen Verfügung überlassen werden müsse, womit
dieser unabhängig von ihrem Bedarf die volle Übertragungskapazität des
Verbindungsmediums zur Verfügung gestellt und der exklusive Zugriff auf die Leitung
eingeräumt werde, die alsdann ihr (der Klägerin) und anderen Wettbewerbern nicht
mehr zur Mitbenutzung zur Verfügung stehe. Dadurch seien vor allem in
Ballungsgebieten mit nicht genügend freien Leitungen Kapazitätsengpässe zu
befürchten. Die Beigeladene benötige den Zugang in der begehrten Form tatsächlich
nicht. Die CCA-Lösung sei ausreichend und entspreche den Bedingungen, die sie
selbst intern ihrem Geschäftsfeld "Telekommunikation" einräume. Mit ihr seien Nachteile
für den Service, die Fernwartung, die Umwandlungsmöglichkeiten für bestehende
Anschlüsse und die Entwicklung bedarfsgerechter Angebote nicht zu erwarten. Sie lege
die Beigeladene nicht auf bestimmte Dienste fest, sondern gebe lediglich die Bandbreite
für die zur Verfügung gestellte Übertragungskapazität vor. Die Beigeladene könne
jederzeit unter den angebotenen CCA-Varianten wählen und damit alle derzeit am Markt
möglichen Anschlüsse anbieten. Höhere Leistungen als die nach der CCA-Lösung
möglichen Übertragungen von zwei MB/sec seien gegenwärtig ohnehin technisch nicht
möglich. Für eventuelle spätere Weiterentwicklungen werde sie der Beigeladenen im
Rahmen der technischen Möglichkeiten entsprechende Übertragungskapazitäten zur
Verfügung stellen. Im übrigen dürften wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit
nachteiliger Auswirkungen auf die Netzintegrität und der Notwendigkeit des Einsatzes
von Zwischengeneratoren derartige höherbitratige Systeme ohnehin nicht ohne
Planungsabsprachen mit ihr (der Klägerin) aufgeschaltet werden. Entsprechende
Gefahren bestünden aber, wenn die Beigeladene und andere Wettbewerber
unmittelbaren Zugriff auf die Leitung erhielten, weshalb die Verweigerung dessen
sachlich gerechtfertigt sei. Die Realisierung eines Zugriffs auf das blanke Medium sei
mit erheblichem Aufwand verbunden, weil u. a. auf der Strecke zwischen Hauptverteiler
und TAE installierte aktive Übertragungstechnik in Form von Multiplexern und
Zwischengeneratoren mit nachteiligen Auswirkungen für die Kunden entfernt werden
müssten. Schließlich seien die angegriffenen Bescheide wegen unzureichender
Klarheit des geforderten Verhaltens zu unbestimmt und wegen versäumten Ermessens
fehlerhaft.
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Die Klägerin hat ferner im Erörterungstermin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor
dem beschließenden Gericht am 29. September 1997 vorgetragen: Es sei regional
unterschiedlich und könne im Einzelnen nicht angegeben werden, in welchem Umfang
in ihrem TAL-Netz unbeschaltete Kupferdoppeladern vorhanden seien. In Gebieten mit
Kapazitätsengpässen - etwa 10 % ihres Leitungsnetzes - würden
Teilnehmermultiplexeinrichtungen vor dem Hauptverteiler, also vor der TAL eingesetzt;
in anderen Fällen - etwa 1 bis 2 % der ISDN-Basisanschlüsse - seien im TAL-Netz
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Zwischengeneratoren zur Signalverstärkung erforderlich.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Bescheide der Beklagten vom 28. Mai 1997 und vom 1. Juli 1997 aufzuheben.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen: Kapazitätsengpässe seien wegen der bei der Klägerin
vorhandenen freien Leitungen nicht zu erwarten. Andernfalls erlaubten die
angegriffenen Bescheide einzelfallbezogene Zugangsbeschränkungen, denn die
Klägerin sei nur zu einer generellen Zugangsgewährung verpflichtet worden. Den von
ihr befürchteten Nachteilen für die Sicherheit des Netzbetriebes könne durch
entsprechende Vereinbarungen im Nutzungsvertrag begegnet werden. Der begehrte
Netzzugang sei "entbündelt" zu gewähren und dürfe daher nicht an die Abnahme
zusätzlicher übertragungstechnischer Einheiten der Klägerin gekoppelt werden. Denn
durch die so bewirkte Verteuerung des Angebots und Systemabhängigkeit von der
Klägerin erlitten die Wettbewerber dem Gesetzeszweck zuwider Wettbewerbsnachteile.
Insbesondere die CCA-Lösung führe dazu, dass die Wettbewerber der Klägerin ihren
potentiellen Kunden nur solche Leistungen anbieten könnten, die innerhalb der von der
Klägerin zur Verfügung gestellten Übertragungsleistungen, also in deren
gegenwärtigem Leistungsspektrum realisierbar wären, und an der Entwicklung
innovativer Angebote unter Einsatz eigener oder zugekaufter Technik gehindert wären,
so daß echter Wettbewerb nicht entstünde.
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Die Beigeladene hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat das Vorbringen der Beklagten ergänzend vorgetragen: Den exklusiven Zugriff
auf eine TAL wolle sie nur, wenn ein Kunde sich ausschließlich für ihr Angebot
entscheide, und nur zeitlich begrenzt für die Dauer jener Vertragsbeziehung. Wünsche
der Kunde eine Kombination von Angeboten unterschiedlicher Anbieter und reichten die
vorhandenen Leitungskapazitäten für eine Teilung im Einzelfall nicht aus, seien
technische Lösungen wie von der Klägerin bislang vorgeschlagen denkbar. Ein
Umstöpseln der Leitungen im Hauptverteiler sei mit einem Minimalaufwand von zwei
Minuten verbunden und jederzeit reversibel. Sie benötige die begehrte Zugangsform zur
TAL, da sie selbst zum Aufbau eines Leitungsnetzes zum Endkunden nicht in der Lage
sei und nicht in eine langfristige Abhängigkeit von der Klägerin im Hinblick auf Wartung
und Störungsbeseitigung geraten könne. So sei es ihr ohne direkten Zugriff auf die TAL
unmöglich, einen geplanten "Rund-um-die-Uhr-Service" anzubieten, da die Techniker
der Klägerin an Sonntagen nicht verfügbar seien. Es sei für sie von entscheidender
Bedeutung, ein eigenständiges, innovatives, von den technischen Vorgaben des
Marktführers unabhängiges Dienstleistungsprofil entwickeln zu können und nicht auf
das von der Klägerin am Markt angebotene Leistungsspektrum beschränkt zu bleiben.
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Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage nach Ablehnung von vier Beweisanträgen
durch das angefochtene Urteil vom 5. November 1998 abgewiesen. Hiergegen hat der
Senat durch Beschluss vom 23. März 1999 - der Klägerin zugestellt am 26. März 1999 -
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die Berufung zugelassen, die die Klägerin am 26. April 1999 begründet hat.
Die Klägerin trägt wiederholend und vertiefend vor: Erhielte die Beigeladene den
unmittelbaren Zugriff auf das TAL-Medium, müsste sie (die Klägerin) trotz ihrer
Eigentümerstellung wie andere Wettbewerber zur Erbringung vermittelter Dienste die
Vermittlungsdienste der Beigeladenen gegen Entgeltzahlung in Anspruch nehmen und
könne sie gegen Kapazitätsengpässe auch keine technischen Einrichtungen wie
beispielsweise Multiplexer vorschalten. Richtigerweise müsse die Prüfung der
angegriffenen Bescheide auf den gegenwärtigen Zeitpunkt abstellen, weil die
Bescheide sog. Dauerverwaltungsakte seien. Nach dem materiellen Recht erschöpften
sie sich nicht in einem einmaligen Regelungs- und Anordnungsgehalt, sondern wirkten
in die Zukunft. Abgestellt auf den gegenwärtigen Prüfungszeitpunkt sei ihren
Beweisanträgen zu 2) bis 4) zu entsprechen, da sie auf die Wesentlichkeit der
nachgefragten Leistung zielten. Die Nutzungsüberlassung der TAL sei keine Leistung
nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG. Als solche sei im Gesetzgebungsverfahren die
Überlassung von Übertragungswegen i.S.d. § 3 Nr. 22 TKG an konkurrierende
Diensteanbieter verstanden worden, was als eine Telekommunikationsdienstleistung
definiert sei. Letztere setze eine definierte Übertragungsleistung voraus, was bei dem
bloßen physikalischen Zugang auf das Medium nicht der Fall sei. Selbst bei einer
unterstellten Leistung sei diese nicht wesentlich. Die Europäische Kommission
bestimme den Begriff der Wesentlichkeit unter Übernahme der Ansätze der
amerikanischen "essential-facilities-doctrine" und unter Rückgriff auf Artikel 86 EGV
danach, ob ohne den Zugang die beabsichtigten Aktivitäten nicht durchgeführt werden
könnten oder auf unvermeidbare Weise unwirtschaftlich würden, wobei der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit eine enge Auslegung gebiete. Vor diesem Hintergrund
verlange eine konkret zu verstehende "Wesentlichkeit" die Begründung durch den
Wettbewerber, dass der Zugang zur Leitung im begehrten Umfang für die geplanten
Telekommunikationsdienstleistungen notwendig sei. Würden die Anforderungen an den
Begriff der Wesentlichkeit niedrig angesetzt, wäre dies einer durch das
Telekommunikationsgesetz u. a. beabsichtigten Wettbewerbsförderung nicht dienlich,
weshalb die britische Aufsichtsbehörde OFTEL einen Anspruch auf unmittelbaren
Zugang zum TAL-Medium ablehne. Für die Beigeladene sei der unmittelbare Zugang
auf das TAL-Medium nicht erforderlich, weil sie Sprachtelefondienst bereits über ihr
Fernnetz betreiben könne und inzwischen andere technische Möglichkeiten für einen
Zugang zum Endkunden im Ortsnetz bestünden, wie beispielsweise die WLL-
Technologie oder die Powerline- Technologie oder das Breitbandkabelnetz. Ferner sei
die Beigeladene nicht auf die vollständige Übertragungskapazität des physikalischen
Leiters der TAL angewiesen. Eine Vorratshaltung sei insofern für die Beigeladene
ebenso unzulässig wie für sie. Soweit die Beigeladene angebe, die gesamte
Übertragungskapazität des Mediums für weitere Telekommunikationsdienste als nur
Sprachtelefondienst zu benötigen, müsse sie substantiiert darlegen, dazu überhaupt in
der Lage zu sein. Sie habe aber bisher nicht belegt, sondern nur pauschal behauptet,
durch das CCA-Angebot an der Realisierung konkreter Telekommunikationsdienste
gehindert zu werden. Bei direktem Zugriff der Beigeladenen auf das Medium sei dies im
Ergebnis ihr überlassen und schließe die Nutzung durch sie als Eigentümerin und durch
dritte Wettbewerber aus, was aber keine Mitbenutzung im Sinne der ONP-Richtlinie sei
und dem Zweck des Telekommunikationsgesetzes entgegenlaufe. Dies sei nur zu
vermeiden durch einen Zugang zu einer definierten Übertragungsleistung in Form der
Kabelverbindung einschließlich zugehöriger Abschlusseinrichtung. Ein solcher Zugang
in Form der CCA-Lösung sei für die von der Beigeladenen beabsichtigten
Telekommunikationsdienstleistungen kapazitätsmäßig ausreichend. Dass sie in
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systemtechnische Fremdabhängigkeit gerate oder Produktinnovationen vornehmen
wolle, sei nicht dargetan. Ihre Befürchtung, Kundendaten oder Produktinformationen
preisgeben zu müssen, sei wegen des europarechtlichen internen Verwertungsverbots
unbegründet. Ohnehin bedürfe eine neue höherbitratige Technik wegen der dadurch
möglichen Beeinflussung des Signals auf dem gesamten Kabel einer Abstimmung. Der
von ihr vorgeschlagene CCA-Zugang sei nicht mit Preisnachteilen für die Wettbewerber
verbunden und seine Varianten könnten im Rahmen der Vertragsbeziehungen bei
Bedarf wahlweise ausgetauscht werden. Das Entbündelungsgebot des § 2 NZV finde
keine Anwendung auf die Verpflichtung aus § 33 Abs. 1 TKG, weil die
Netzzugangsverordnung auf § 35 Abs. 5 TKG beruhe und dessen Abs. 1 weiter gefasst
sei als Abs. 1 des § 33 TKG. Selbst bei Anwendbarkeit des Entbündelungsgebots auf §
33 Abs. 1 TKG folge daraus kein Zugriff auf die blanke Doppelader der TAL, weil sich
die Grenze der Entbündelung nicht aus den technischen Möglichkeiten, sondern aus
den die kleinste zulässige Leistungseinheit umschreibenden rechtlichen Kriterien
ergebe. Als solche kleinste anzubietende Leistung könne nur eine definierte
Übertragungsleistung gelten. Auch ein Übertragungsweg sei als Verbindung mit einem
spezifizierten Durchsatzvermögen definiert. Ihr CCA-Angebot bedeute keinen Zugang
zu ungünstigeren Bedingungen im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG. Die ihrem
Geschäftsbereich "Telekommunikation" intern angebotene Leistung einer Kombination
aus Übertragungsmedium mit definierter Übertragungsleistung und entsprechenden
Abschlusseinrichtungen sei rechtlich als Bedingung einzustufen. Ein entbündelter
Zugang zur TAL sei mit Rücksicht auf die angebotene CCA-Lösung sachlich nicht
notwendig und unverhältnismäßig sowie der Marktentwicklung hinderlich. Die
Ablehnung des unmittelbaren Zugangs zum Medium der TAL sei nicht missbräuchlich.
Angesichts der Möglichkeit der Wettbewerber, Sprachtelefondienst auch ohne Zugang
zur TAL zu betreiben, und ihres CCA-Angebots könne ein Missbrauch nicht allein mit
dem Verweis auf den angeblich erfüllten Tatbestand des § 33 Abs. 1 TKG bejaht
werden. Eine Maßnahme nach § 33 Abs. 2 TKG könne auch nicht auf eine
Pflichtverletzung aus § 35 Abs. 1 TKG gestützt werden, weil letzterer einen anderen
Anwendungsbereich habe. Selbst bei Annahme seiner Anwendbarkeit gewähre er nur
Anspruch auf Mitbenutzung des Netzes, nicht aber auf alleinige Nutzung. Die
beigeladene Wettbewerberin verlange denn auch keinen Zugang zum Netz oder zu
Teilen dessen, weil dies gem. § 3 Nr. 9 TKG neben der physikalischen auch die
logische Verbindung von Endeinrichtungen mit einem Telekommunikationsnetz
voraussetze, letztere aber die Ausbildung der Anschlussstelle für einen Zugriff auf
Funktionen des Netzes oder die darüber erbrachten
Telekommunikationsdienstleistungen in Form definiertr Schnittstellen erfordere. Eine
Verpflichtung zur Zugangsgewährung auf das blanke Medium stelle einen
verfassungswidrigen Eingriff in ihr Eigentumsrecht, nämlich die uneingeschränkte
Verfügungsbefugnis und ihre durch die Berufsausübungsfreiheit geschützte
unternehmerische Geschäftstätigkeit dar. Sie verstieße selbst bei Annahme einer
Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums sowie einer
Berufsausübungsregelung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Bei
verfassungskonformer Anwendung der §§ 33 u. 35 TKG müsse u. a. die Zielvorgabe des
Telekommunikationsgesetzes, nämlich die Förderung von Wettbewerb und nicht dessen
Beeinträchtigung sowie der Erforderlichkeitsgrundsatz hinsichtlich des
Tatbestandsmerkmals Wesentlichkeit entscheidende Berücksichtigung finden. Die
angefochtenen Bescheide seien sowohl hinsichtlich der technischen Bedingungen als
auch hinsichtlich der Ausnahmefälle sowie des Merkmals "nachfragegerecht" nicht
hinreichend bestimmt. Unklar bleibe, ob im Auflagenbescheid die Nachfrage der
Beigeladenen zum Verfügungszeitpunkt oder die danach aktualisierte Nachfrage
gemeint und ob im Beanstandungsbescheid mit vorhandenen Kapazitäten auch der Fall
einer ihr nicht mehr verbleibenden Kapazität für eigene Zwecke erfasst sei. Die
neuerdings von den übrigen Verfahrensbeteiligten für möglich gehaltenen
Vertragsklauseln entsprächen nicht der uneingeschränkten Nachfrage der
Beigeladenen, der ihr Angebot entsprechen solle. Unklar sei, welche
Vertragsbedingungen im Einzelnen in der Rahmenvereinbarung und welche
Detailbestimmungen in der konkreten Vereinbarung betreffend die einzelnen
Doppeladern getroffen werden dürften. Die Netzzugangsverordnung unterscheide
jedenfalls nicht zwischen Rahmenvereinbarung und Einzelvereinbarung. Wenn das
abzugebende Angebot, wie die Beklagte meine, nicht als solches i.S.d. § 145 BGB zu
verstehen sei, habe sie es, auch wenn es vorbehaltlos sein solle, unter den Vorbehalt
einer die angegriffenen Bescheide aufhebenden gerichtlichen Entscheidung stellen
dürfen. Die angegriffenen Bescheide seien ermessensfehlerhaft. Die vom
Verwaltungsgericht angeführten Fundstellen in den Verwaltungsvorgängen für
Entscheidungserwägungen der RegTP seien hinsichtlich des
Entschließungsermessens und des Rechtsfolgeermessens unergiebig und beträfen
zudem nur den Stand des Tages vor dem Beanstandungsbescheid; für die Ausübung
des Entschließungsermessens durch die Behörde nach diesem Zeitpunkt sei nichts
ersichtlich. Auch den Bescheiden selbst ließen sich Ermessenserwägungen nicht
entnehmen. Von einer Ermessensreduzierung auf Null könne keine Rede sein. So hätte
die RegTP ihr beispielsweise auch aufgeben können, bei den weiteren Verhandlungen
von einer bestimmten Rechtsauffassung auszugehen. Im Falle nicht erfolgter
Ermessensbetätigung könnten Ermessenserwägungen auch nicht nach § 114 Satz 2
VwGO nachgeschoben werden.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie trägt Bezug nehmend auf ihr Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren
ergänzend vor: Die Beigeladene benötige die TAL nicht nur für den Sprachtelefondienst,
sondern auch um für eine Vielzahl von Sprach- und Datendiensten auf der Basis
innovativer Techniken Angebote aus einer Hand machen zu können. Die von der
Klägerin aufgezeigte Möglichkeit des Sprachtelefondienstes im Fernnetz nach § 43 Abs.
6 TKG eröffne keinen Wettbewerb auf dem Teilmarkt des Ortsnetzes. In dieser Sparte
werde international ein Wettbewerb nur durch entbündelten Zugang zur TAL für möglich
gehalten und auch die britische OFTEL favorisiere heute diese Variante. Ohne den
entbündelten Zugang verbliebe es mit Ausnahme einiger Großstadtzentren bei dem
faktischen Monopol der Klägerin im Ortsnetz. Die von ihr aufgezeigten
Alternativtechniken seien technisch und wirtschaftlich nicht gleichwertig und beträfen
zum Teil (Powerline und Breitbandkabel) ebenfalls Monopole der Betreiber. Der noch in
der Projektphase befindlichen Powerline-Technik fehle zurzeit die Rückkanalfähigkeit
und die WLL-Technik eigne sich zwar für Sprachtelefondienst, nicht aber für
hochbitratige Datenanwendungen. Auf die von der Klägerin zum Gegenstand von
Beweisanträgen gemachten Tatsachen bzw. Fragen komme es nicht an. Der bisher von
vielen Wettbewerbern auf das Angebot der Klägerin hin in Anspruch genommene
entbündelte Zugang zur TAL habe keine unzumutbaren Auswirkungen für die Klägerin
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gezeigt. Gegen die Bestimmtheit und Ermessensfehlerfreiheit ihrer Bescheide, die sie
nach wie vor so erlassen würde, bestünden keine Bedenken.
Die Beigeladene beantragt,
23
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und trägt vor, die von der Klägerin
angeführten Alternativ-Technologien steckten noch in der "Projektphase" und würden
von dieser selbst noch nicht eingesetzt.
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Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte nebst den
zu ihr gereichten Anlagen der Beteiligten und der Verwaltungsvorgänge (Beiakten Heft
1 bis 4) Bezug genommen.
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II.
27
Der Senat entscheidet über die Berufung im Beschlusswege nach § 130a VwGO, weil
er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung insbesondere nach
seinen grundsätzlichen Ausführungen im Erörterungstermin vom 29. September 1997 im
zugehörigen Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz - 13 B 1987/97 u.a. - nicht für
erforderlich hält.
28
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
29
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
30
Zutreffend hat es in der Sache entschieden und den Rechtsstreit nicht etwa deshalb als
erledigt behandelt, weil die Klägerin zwischenzeitlich ein den angefochtenen
Bescheiden entsprechendes Angebot für einen Standardvertrag über den Zugang zur
TAL, Stand: 13. Oktober 1997, abgegeben hat. Denn nach dessen Nr. 9 Abs. 1 Satz 1
wird der entbündelte Zugang zur TAL nur vorbehaltlich einer anderweitigen
rechtskräftigen Entscheidung des in dieser Sache geführten Rechtsstreits ermöglicht,
womit zwar nicht die Willenserklärung des Angebots bei einer der Klage stattgebenden
Gerichtsentscheidung entfällt, wohl aber das Angebot mit Blick auf den gewünschten
dauerhaften TAL-Zugang inhaltlich wertlos ist, so daß der Kern des Streits, nämlich die
Frage der Verpflichtung zur Abgabe eines nachfragegerechten Angebots, und zwar
eines als Grundlage für künftige konkrete TAL-Zugangsvereinbarungen geeigneten
Angebots, noch nicht erledigt ist.
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1. Der Beanstandungsbescheid der RegTP vom 28. Mai 1997 und ihr Auflagenbescheid
vom 1. Juli 1997 sind rechtmäßig.
32
Die Rechtmäßigkeit beider Bescheide beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt des Erlasses des Auflagenbescheides vom 1. Juli 1997. Der maßgebliche
Prüfungszeitpunkt für eine - wie hier erhobene - Anfechtungsklage mit dem Ziel einer
uneingeschränkten Aufhebung der angegriffenen Bescheide wird im Ausgangspunkt
bestimmt durch das auf den Streitgegenstand anzuwendende materielle Recht.
33
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1989 - 7 B 21.89 -, Buchholz OrdNr. 310 §
113 VwGO Nr. 214.
34
Gibt dieses für den maßgeblichen Prüfungszeitpunkt nichts her, ist für
Anfechtungsklagen auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen.
35
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 1993 - 11 C 35.92 -,
Verkehrsrechtssammlung Bd. 85, 312, und vom 11. Januar 1991 - 7 B 102.90 -, GewA
1991, 276.
36
Allerdings ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
zugrunde zu legen.
37
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1988 - 3 C 48.85 -, Buchholz OrdNr. 418.712 LMKV
Nr. 2; Beschluss vom 23. November 1990 - 1 B 155.90 -, GewA 1991, 110; Urteile vom
5. August 1965 - I C 69.62 -, BVerwGE 22, 16, und vom 15. November 1967 - I C 43.67 -,
BVerwGE 28, 202; BGH, Kartellsenat, Beschluss vom 12. Februar 1980 - KVR 3/79 -,
BGHZ 76, 142, und vom 4. Oktober 1983 - KVR 2/82 -, BGHZ 88, 273, der für den dort
angegriffenen Bundeskartellamtsbeschluss wohl einen Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung angenommen und deshalb bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung eingetretene Tatsachenveränderungen berücksichtigt hat.
38
Die hier zu betrachtenden Bescheide sind jedoch keine Verwaltungsakte mit
Dauerwirkung. Nicht alle Verwaltungsakte mit dauernden rechtlichen Folgen sind
bereits deshalb Verwaltungsakte mit verwaltungsrechtlicher Dauerwirkung.
39
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 1982 - 3 B 36.82 -, Buchholz OrdNr. 418.21, ApBO
Nr. 4.
40
So beendet beispielsweise ein Widerruf einer Erlaubnis in einem einmaligen
Umgestaltungsakt den mit Erlaubniserteilung begründeten Rechtszustand, ohne dass
dem Widerruf Dauerwirkung zukäme, auch wenn er für den Adressaten fortdauernde
Folgen nach sich zieht. Ist allerdings ein zu regelnder Sachverhalt nicht abgeschlossen
und bestehen daher die Rechtsfolgen eines Verwaltungsakts in einer andauernden, sich
immer wieder aktualisierenden, vollzugsfähigen Regelung, handelt es sich um einen
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.
41
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 1982, a.a.O., und vom 13. Juni 1995 - 6 B 15.95 -
, Buchholz OrdNr. 421.0, Prüfungswesen Nr. 351.
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Eine solche dauerhafte Wirkung kommt beispielsweise der auf unbeschränkte Zeit
wirksamen Erklärung der Berufsunwürdigkeit einer Person oder einem generellen
Bauverbot oder der Feststellung eines bestehenden oder nicht bestehenden
Rechtsstatus zu. Keine solche sich gleichsam ständig erneuernde Regelung beinhaltet
dagegen ein Verwaltungsakt, der eine bestimmte Sachlage als gegebene
Voraussetzung auf der Tatbestandsseite feststellt und darauf aufbauend eine punktuelle
Regelung beispielsweise in Form eines Handlungsgebotes oder einer sonstigen
einmaligen Gestaltung der Rechtsposition des Adressaten vornimmt. So liegt der Fall
hier:
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Dem Beanstandungsbescheid nach § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG vom 28. Mai 1997 kommt
dem Gesetzesanliegen nach die Bedeutung einer Abmahnung des
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marktbeherrschenden Anbieters zu. Er stellt in seinen Gründen, wenn dies zusätzlich
auch im Tenor durch Bezugnahme auf die vorgenannte Rechtsgrundlage zum Ausdruck
kommt, das Vorliegen eines Missbrauchstatbestandes als eine oder die allein
notwendige Tatbestandsvoraussetzung fest und legt sodann deren Rechtsfolge dar,
indem er das Verhalten des marktbeherrschenden Anbieters regelnd beanstandet und
ebenfalls regelnd zur Abstellung dessen durch eine konkret vorbezeichnete Handlung
auffordert. Hierin liegt insofern eine ungünstige Veränderung der Rechtsstellung des
betroffenen Unternehmens, mithin eine Regelung, als es bei Nichtbefolgung der
Abmahnung mit zwangsweise durchsetzbaren Maßnahmen nach § 33 Abs. 2 Satz 1
TKG rechnen muss und der vorgeschaltete verfahrensrechtliche Schutz gegen derartige
Durchsetzungsmaßnahmen beseitigt ist. Nicht hingegen wird ein
Missbrauchstatbestand als gegeben für die Zukunft verbindlich und damit
möglicherweise regelnd festgeschrieben. Denn die Behörde ist hernach an diese ihre
Wertung nicht ein für alle Mal gebunden. Da die beschriebene regelnde Wirkung erst im
Zeitpunkt des fruchtlosen Ablaufs der gesetzten Frist zur Vornahme der
missbrauchsbeendenden Handlung, spätestens aber mit Erlass der Maßnahme nach §
33 Abs. 2 Satz 1 TKG - hier vom 1. Juli 1997 - in vollem Umfang eintritt, ist es geboten,
die Prüfung auf diesen Zeitpunkt anzulegen.
Derselbe Zeitpunkt gilt auch für die Überprüfung des auf § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG
gestützten Auflagenbescheides vom 1. Juli 1997. Nach dieser Vorschrift kann die
Behörde ein Verhalten auferlegen oder untersagen oder Verträge für unwirksam
erklären. Der vorliegende Bescheid gebietet - mit Ausnahme des Hinweises auf den
Ausnahmefall im letzten Satz des Tenors - die Abgabe eines näher beschriebenen,
nachfragegerechten Angebots auf entbündelten Zugang zur TAL und belastet die
Rechtsstellung des Adressaten mit der Verpflichtung zur Vornahme einer - einmaligen -
Handlung. Diese - regelnde - Verpflichtungsbegründung tritt mit Wirksamkeit des
Bescheides ein, so daß mit ihr die Rechtsgestaltung vollzogen ist, und braucht
ausgehend vom Gesetzesanliegen des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG weder bis zur Erfüllung
der Handlungsverpflichtung durch den Adressaten noch nachher fortlaufend erneuert zu
werden. Der der verpflichtungsbegründenden Anordnung zugrunde liegende
Sachverhalt ist abgeschlossen. Die Erlassbehörde des hier zu betrachtenden
Auflagenbescheides wollte auch erkennbar nicht die Rechtsposition der Klägerin nach
deren Gestaltung für künftige Sachverhalte immer wieder aktuell verbindlich feststellen.
Hierzu böte § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG, der auch keinen maßgeblichen Prüfungszeitpunkt
vorgibt, keine Ermächtigungsgrundlage. Der Ausschluss des Vorverfahrens und der
aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels (§ 80 Abs. 1 TKG) u.a. gegen
aufsichtsrechtliche Anordnungen mit der Folge der unmittelbar drohenden
Verwaltungsvollstreckung sowie die Bußgeldbewehrung der nicht unverzüglichen
Befolgung aufsichtsrechtlicher Anordnungen (§ 96 Abs. 1 Nr. 7 TKG) lassen die
Erwartung des TKG-Gesetzgebers erkennen, dass das Ziel des
Telekommunikationsgesetzes, den Missbrauch der marktbeherrschenden Position eines
Anbieters zu beenden, aufgrund des drohenden Bußgeldes und Verwaltungszwanges
alsbald nach Erlass der aufsichtsrechtlichen Anordnung erreicht sein werde. Im Übrigen
kann es nicht Sinn des Telekommunikationsgesetzes sein, einem Auflagenbescheid
nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG die Wirkung eines Dauer-Verwaltungsakts mit der Folge
beizumessen, dass er nach Befolgung der Auflage durch den Betroffenen auf dessen
Klage hin wegen der nachträglich entfallenden Missbrauchssituation aufzuheben wäre,
worauf der Betroffene sein missbräuchliches Verhalten wieder aufnehmen könnte. Die
Richtigkeit der Verneinung einer Dauerwirkung des Auflagenbescheides wird bestätigt
durch einen Blick auf die Aufsichtsmaßnahme der Erklärung der Vertragsunwirksamkeit,
45
die als eine andere Reaktionsmöglichkeit des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG den gleichen
Rechtscharakter und die gleiche Rechtsqualität wie der Auflagenbescheid trägt.
Unzweifelhaft stellt aber eine Unwirksamkeitserklärung ebenso wie ein
Erlaubniswiderruf eine die Rechtsposition des Adressaten in einem einmaligen,
abgeschlossenen Gestaltungsakt ändernde Maßnahme dar, die keiner dauernden
Aktualisierung bedarf. Bei seinen Erwägungen geht der Senat im rechtlichen Ansatz
konform mit der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Allerdings
gelangt er aufgrund seiner Würdigung der hier zu betrachtenden Bescheide und ihrer
Rechtsgrundlagen zu dem Ergebnis, dass ihnen eine Regelung mit Dauerwirkung nicht
zukommt.
Im dargelegten maßgeblichen Zeitpunkt lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für
ein missbrauchsaufsichtsrechtliches Einschreiten der RegTP vor; Ermessensfehler sind
nicht erkennbar.
46
2. Der Beanstandungsbescheid vom 28. Mai 1997 beruht auf § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG.
Letzterer setzt durch sein inhaltliches Anknüpfen an Satz 1 auf der Tatbestandsseite
einen Verstoß eines Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen für die
Öffentlichkeit gegen Abs. 1 sowie eine Ausnutzung seiner marktbeherrschenden
Stellung voraus und sieht als Rechtsfolge die Aufforderung an ihn vor, diesen
Missbrauch abzustellen.
47
Die Klägerin ist marktbeherrschende Anbieterin auf dem bundesweiten Markt der
Telekommunikationsdienstleistungen im Ortsnetz einschließlich der TAL und hat gegen
ihre Pflicht aus § 33 Abs. 1 TKG verstoßen. Insoweit wird auf die nachfolgenden
Darlegungen zur Rechtmäßigkeit des Auflagenbescheides vom 1. Juli 1997 (siehe zu
3.) verwiesen.
48
Die Klägerin hat ihre beherrschende Position am Markt missbräuchlich genutzt. Gem. §
33 Abs. 3 Satz 3 TKG wird ein Missbrauch vermutet, wenn die dort angeführten
Voraussetzungen vorliegen. Damit verweist die Vorschrift im Ergebnis auf einen Verstoß
des marktbeherrschenden Unternehmens gegen die Verpflichtung aus § 33 Abs. 1 Satz
1 TKG, wobei jedoch in der Vermutungsregelung die Wesentlichkeit der Leistung nicht
genannt wird. Aus diesem Vermutungstatbestand mit Ausnahmevorbehalt folgt, dass
sich der marktbeherrschende Anbieter bei gegebenem Verstoß gegen seine
Verpflichtung aus § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG zu entlasten hat. Weist er
Rechtfertigungsgründe nach, ist die Ungleichbehandlung des Wettbewerbers jedenfalls
nicht missbräuchlich. Aus dem Nebeneinander des Verstoßes des Anbieters gegen
seine Verpflichtung aus § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG und der Missbräuchlichkeit der
Ausübung der marktbeherrschenden Stellung auf der Tatbestandsseite des § 33 Abs. 2
Satz 1 TKG folgt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass über die fehlenden
Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung des Wettbewerbers hinaus
besondere negativ qualifizierende Verhaltensmerkmale des Anbieters vorliegen
müssten. Rechtfertigende sachliche Gründe für eine Verweigerung des unmittelbaren, d.
h. entbündelten Zugangs der Beigeladenen auf das Medium Kupfer oder Glasfaser der
TAL hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Auch insoweit wird auf die nachfolgenden
Ausführungen zum Auflagenbescheid verwiesen.
49
Als Rechtsfolge der erfüllten tatbestandlichen Voraussetzung sieht das Gesetz in
bestimmender Formulierung die Aufforderung des Anbieters durch die
Regulierungsbehörde zum Abstellen des Missbrauchs vor. Der Senat versteht dies als
50
eine für den Regelfall geltende Sollbestimmung für die RegTP. Die Angriffe der
Klägerin, die RegTP habe auch im Zusammenhang mit dem Beanstandungsbescheid
vom 28. Mai 1997 ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, entbehren der Grundlage.
Gesichtspunkte für die Annahme eines ein Nichteinschreiten rechtfertigenden
Ausnahmefalls sind nicht ersichtlich.
Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt der Beanstandungsbescheid vom 28. Mai
1997 den verfahrensrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen. Er geht, wie der
nachfolgende Auflagenbescheid, von einem von der Klägerin abzugebenden, der
Nachfrage der Beigeladenen entsprechenden Angebot auf entbündelten Zugang zur
TAL aus und erläutert dieses dahin, dass vom Wettbewerber keine nicht nachgefragten
Leistungen abgenommen werden müssten. Die Nachfrage der Beigeladenen war der
Klägerin bekannt. Zur näheren Begründung wird insoweit auf die entsprechenden
Ausführungen zum Auflagenbescheid der RegTP vom 1. Juli 1997 verwiesen.
51
3. Der Auflagenbescheid vom 1. Juli 1997 findet seine Ermächtigungsgrundlage in § 33
Abs. 3 Satz 1 TKG, dessen Voraussetzungen im maßgeblichen Zeitpunkt seines
Erlasses erfüllt waren und im Übrigen - obgleich es nach der Ansicht des Sentas hierauf
nicht ankommt - auch gegenwärtig noch erfüllt sind.
52
Die Klägerin hat gegen Abs. 1 des § 33 TKG verstoßen und ihre marktbeherrschende
Stellung missbräuchlich genutzt; die Abmahnung nach Abs. 2 Satz 2 war erfolglos.
53
Die Klägerin ist Anbieterin auf einem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für
die Öffentlichkeit mit marktbeherrschender Stellung nach § 22 GWB. Sie bietet zum
einen bundesweit u.a. Sprachtelefondienst im Ortsbereich unter Benutzung ihrer etwa
5.000 Ortsnetze und TALen für etwa 40 Mio. Anschlüsse, zum anderen aber auch die
Nutzung ihres Netzes durch Wettbewerber zu Telekommunikationsdienstleistungen im
Ortsnetz an. In diesem Teilmarkt nimmt sie deshalb auch gegenwärtig noch eine alle
Wettbewerber überragende Stellung ein. Sie ist bundesweit Eigentümerin des von dem
Bundesunternehmen Deutsche Bundespost Telekom übernommenen und
zwischenzeitlich weiter ausgebauten Ortsnetzes und damit der TAL. Wenn auch in
einigen - etwa 15 - Städten bereits Wettbewerber eine gewisse eigene Infrastruktur
neben der der Klägerin aufgebaut haben, ändert das wegen des vom Gesetz gewollten
bundesweiten Wettbewerbs und der deshalb gebotenen bundesweiten Sicht an der
Beherrschung dieses Teilmarktes durch die Klägerin nichts.
54
Vgl. hierzu: T. Flade in WAZ vom 13. August 1999: Vor Ort sind noch Knoten in der
Leitung.
55
Nach wie vor ist die Klägerin in der Lage, den auf die Mitbenutzung ihrer Infrastruktur im
Ortsbereich angewiesenen Wettbewerbern gegenüber die Konditionen der
Mitbenutzung - im Rahmen des rechtlich Zulässigen - zu bestimmen und so den
Wettbewerb zu erschweren. Die anderen Betreiber eines eigenen Ortsnetzes bilden
aufgrund ihrer geringen Zahl und ihres Geschäftsvolumens - noch - kein ausreichendes
Gegengewicht gegen die Dominanz der Klägerin bei den Marktmechanismen (z. B.
Entgeltentwicklung, Inhalt der Dienstleistungsangebote, Dienstleistungspakete,
Neuentwicklungen).
56
Diese marktbeherrschende Stellung der Klägerin war im maßgeblichen
Prüfungszeitpunkt - und wird auch gegenwärtig noch - nicht erschüttert durch die von
57
anderen Unternehmen entwickelten und möglicherweise in einer Stadt bereits im
Einsatz befindlichen Alternativen zur Erbringung von Sprachtelefonie im Ortsnetz unter
Überwindung der "letzten Meile" zwischen Hauptverteiler und
Teilnehmeranschlusseinheit beim Kunden über das Wireless Local Loop (WLL), die
Powerline oder das Breitbandkabel. Diese Techniken sind, wenn auch eine bereits in
ein Ortsnetz integriert sein sollte, im Allgemeinen noch in der Vorbereitungsphase und
können gegenwärtig weder wirtschaftlich vernünftig, d. h. Gewinn bringend, noch in der
Fläche eingesetzt werden. Gegenteiliges hat auch die Klägerin selbst nicht behauptet.
Mögen auch die Techniken weitgehend entwickelt und ihre Verwendungsmöglichkeiten
bekannt sein, so ist ihr flächendeckender Einsatz gegenwärtig noch mit erheblichen
Problemen verbunden. Bei der Powerline-Technik ist den Berichten zufolge noch eine
Standardisierung unter den Wettbewerbern zur Herstellung einer netzübergreifenden
Kommunikation erforderlich und die elektromagnetische Verträglichkeit auf das Umfeld
noch nicht völlig abgeklärt.
Vgl. hierzu C. Knop in FAZ vom 13./14. März 1999: Auf das Telefonat aus der Steckdose
muss noch gewartet werden.
58
Bei der WLL-Technik ist mit Blick auf eine eventuell höhere Störanfälligkeit, die
Nutzungseinschränkung und die möglicherweise höheren Sachkosten die allgemeine
Kundenakzeptanz fraglich. Eine Verbindung über das Breitbandkabel ist nur bei Kunden
mit entsprechender Anbindung möglich. All das rechtfertigt die Annahme, dass die
Klägerin auch auf absehbare Zeit aufgrund ihrer Eigentümerposition am
Telekommunikationsortsnetz einschließlich der TAL u.a. in der Sparte Sprachtelefonie
marktbeherrschender Anbieter sein wird. Das hat die Klägerin im Erörterungstermin vor
dem Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren 13 B 1987/97 u.a. vom 29.
September 1997 im Ergebnis selbst eingeräumt, indem sie auf die Frage, ob es einen
der Überlassung der Kupfer- oder Glasfaseradern gleichwertigen Zugang zur TAL ohne
vorgeschaltete Übergangstechnik gebe, erklärt hat, eine völlige uneingeschränkte
Nutzung (gemeint war ein Erreichen des Kunden) könne letztlich nur über ein eigenes
Kabelnetz erreicht werden. Über ein solches Netz inklusive der sogenannten "letzten
Meile" zum Kunden verfügen die Wettbewerber jedoch nicht.
59
Vgl. auch zur marktbeherrschenden Position der Klägerin im Ortsnetz: W. Möschel,
Mitglied der Monopolkommission, zitiert in WN vom 4. Dezember 1999: Briefmonopol
sollte fallen.
60
Die Beigeladene strebt in den beschriebenen Markt des bundesweiten
Sprachtelefondienstes im Ortsnetz und ist mithin, auch wenn sie erst künftig als
Konkurrentin des marktbeherrschenden Unternehmens auftreten will, nach Sinn und
Zweck des Gesetzes Wettbewerberin in diesem Markt.
61
Die Klägerin hat der Beigeladenen nicht diskriminierungsfrei Zugang zu einer - hier nur
in Betracht kommenden - von ihr intern genutzten wesentlichen Leistung zu den
Bedingungen ermöglicht, die sie sich selbst bei der Nutzung dieser Leistung für die
Erbringung anderer Telekommunikationsdienstleistungen einräumt.
62
Eine solche diskriminierungsfreie Zugangsgewährung setzt als ungeschriebene - weil
selbstverständliche - Tatbestandsvoraussetzung eine Nachfrage des Wettbewerbers
nach Zugang zu einer bestimmten Leistung voraus. Ohne eine solche Nachfrage
bestünde kein Anlass für ein Angebot sowie keine diesbezügliche Rechtspflicht und
63
wäre das passive Verhalten des marktbeherrschenden Anbieters insoweit nicht
diskriminierend. Hier hat jedoch die Beigeladene im Rahmen der Korrespondenz mit der
Klägerin über ihren Zugang zur TAL im Ortsnetz mehrfach und unmissverständlich den
Wunsch nach einem unmittelbaren Zugang auf das Medium Kupfer- oder Glasfaserader
der TAL ohne zusätzlich geschaltete Techniken, mithin nach entbündeltem Zugang zur
TAL zum Ausdruck gebracht. Beispielsweise hat sie im Besprechungstermin vom 31.
Januar 1997 ausweislich des Ergebnisprotokolls, Folie 37, ausdrücklich den Wunsch
nach einem Zugriff auf "dark copper and fibre" geäußert. Während der Korrespondenz
der Beigeladenen mit der Klägerin ist mehrfach, so auch im Schreiben vom 18. März
1997, um ein umfassendes Angebot u. a. hinsichtlich des Zugangs zur TAL unter
Berücksichtigung der betrieblichen Anforderungen, der physikalischen Anordnung und
der technischen Schnittstellen einschließlich Tarifierungsvorstellungen gebeten worden.
In einem Bestätigungsschreiben der Klägerin vom 27. März 1997 ist zum Ausdruck
gebracht, dass sie einen Zugang zur TAL in Form von "blanken" Kupferdoppeladern
oder zum blanken Medium Glasfaser nicht vorsehe; ein dahingehendes Angebot zu
unterbreiten, sei sie nicht verpflichtet. Diese Reaktion der Klägerin setzt eine
entsprechende Nachfrage der Beigeladenen voraus und bestätigt, dass die Klägerin die
Nachfrage inhaltlich richtig verstanden hat. Im Übrigen ist die Nachfrage der
Beigeladenen voll inhaltlich nochmals durch das an die Beklagte gerichtete Schreiben
vom 16. April 1997, das der Klägerin zur Kenntnis gebracht worden ist, mittelbar
wiederholt worden.
Allerdings war diese Nachfrage der Beigeladenen nicht nur aus den vom
Verwaltungsgericht unter Heranziehung der Regelungen der Netzzugangsverordnung
(NZV) zutreffend dargelegten und nicht zu vertiefenden Erwägungen, sondern schon
nach den allgemeinen Regeln dahin zu interpretieren, dass sie auf eine von der
Klägerin nur generell akzeptierte Möglichkeit zum entbündelten Zugang zum Medium
Kupfer- bzw. Glasfaserader der TAL zielte und von der Klägerin durch ein generelles
Angebot mit den notwendigen technischen Informationen und ihren Tarifvorstellungen,
das als Grundlage für spätere Vereinbarungen über konkrete Zugänge zur TAL mit den
jeweiligen Einzelheiten dienen könnte, beantwortet werden sollte. Die Beigeladene war
im Stadium der Nachfrage nur in der Lage, die Zugangsmöglichkeiten zum Ortsnetz der
Klägerin generell auszuloten und zu kalkulieren, nicht aber konkrete Zugangswünsche
zu äußern. Insoweit musste auch die Klägerin die Nachfrage nach einem Grundlagen-
oder Rahmenangebot oder einem Angebot zu einer Rahmenvereinbarung verstehen.
Aus Sicht eines objektiven Dritten war die Klägerin durch die Nachfrage der
Beigeladenen nicht aufgefordert, mit dem abzugebenden Angebot ein für jeden
künftigen konkreten Zugangswunsch, ungeachtet eventueller Besonderheiten
verbindliches Einverständnis zum entbündelten Zugang auf das Medium Kupfer- bzw.
Glasfaserader der TAL zu erklären. Vielmehr schloss die Nachfrage bei ihrer
Interpretation durch einen verständigen und redlichen Erklärungsempfänger nicht aus,
neben der generellen Einräumung des gewünschten Zugangs auch Vorbehalte zur
Beschränkung oder möglicherweise Verweigerung des Zugangs zur TAL aus
sachlichen Gründen im Einzelfall auszusprechen.
64
Der von der Beigeladenen nachgefragte unmittelbare (entbündelte) Zugang zum
Medium der Kupfer- bzw. Glasfaserader der TAL ist ein Zugang zu einer von der
Klägerin intern genutzten Leistung.
65
Als Leistung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG ist ein von dem marktbeherrschenden
Anbieter oder seinem Rechtsvorgänger geschaffenes oder erworbenes Vorprodukt auf
66
niederer betrieblicher Wertschöpfungsebene zur Erbringung von
Telekommunikationsdienstleistungen auf höherer Ebene zu verstehen. Der Begriff
Leistung ist weit auszulegen und nicht auf Telekommunikationsdienstleistungen
beschränkt,
vgl. Beck'scher TKG-Kommentar, § 33 Anm. 15.
67
Die Leistung kann daher, muss aber nicht eine Telekommunikationsdienstleistung sein;
sie kann auch zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen notwendige
Daten oder Anlagen bzw. Anlageteile umfassen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist
der Begriff der Leistung nicht identisch mit dem der Telekommunikationsdienstleistung.
Soweit der Gesetzgeber in ein und derselben Vorschrift zwei - wenn auch nahe
stehende, so doch - unterschiedliche Begriffe verwendet, ist unter Berücksichtigung der
gängigen Gesetzestechnik auch von zwei beabsichtigten unterschiedlichen
Begriffsinhalten auszugehen. Ist ein Begriff gesetzlich nicht definiert, erschließt sich sein
Inhalt aus dem allgemeinen Sprachverständnis. Danach ist nutzbare "Leistung" ein
Produkt materieller oder geistiger Art oder ein Vorgang, das bzw. der für andere
Wertschöpfungen weiter verwendet werden kann. Gegenüber diesem umfassenden,
generellen Begriffsinhalt ist der der Telekommunikationsdienstleistung eng und speziell
auf den Vorgang des gewerblichen Angebotes von Telekommunikation an Dritte
gerichtet. Der Gesetzgeber hat denn auch diesen Begriff in § 3 Nr. 18 TKG definiert, den
der Leistung hingegen nicht, was dafür spricht, dass er letzterem eben nicht den
normativen Begriffsinhalt des § 3 Nr. 18 TKG beilegen wollte. Hiergegen spricht auch
nicht das Adjektiv "andere" Telekommunikationsdienstleistungen. Insoweit handelt es
sich um die (Folge-)Leistungen, die als Endprodukt in Form des Angebotes von
Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte
erbracht werden und somit eben andere sind als die intern genutzten oder am Markt
angebotenen Leistungen auf niederer Produktionsstufe. Im Übrigen sind die vom
marktbeherrschenden Unternehmen unter Nutzung seiner internen Leistungen
erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen auch andere - nämlich nicht dieselben
- als die von den Wettbewerbern erbrachten.
68
Besteht die intern in Anspruch genommene Leistung aus Teilen einer Anlage, wie hier
aus einem Teil des Telekommunikationsnetzes, kann von einem Vorprodukt nur bei
einer solchen Zusammenfügung von physikalischen Einzelteilen die Rede sein, die sich
bei objektiver, sachbezogener Betrachtung als ein funktionell eigenständiges,
abgrenzbares Ergebnis eines - wenn auch niederen - Wertschöpfungsprozesses
abzeichnet und als solches aus der Wertschöpfungskette des Marktbeherrschers
herausgelöst und ohne weiteres in diejenige eines Wettbewerbers eingefügt werden
kann. Das folgt nicht nur aus dem Begriffsinhalt des Produkts, sondern auch aus einer
Gesamtschau der Begriffe Leistung und Wesentlichkeit der Leistung. Die TAL als die
Verbindung vom Hauptverteiler zur Teilnehmeranschlusseinheit des Kunden ist eine
solche Leistung im Sinne eines Vorprodukts. Sie stellt die Übertragungslinie für die in
konzentrierter Form zum Hauptverteiler gesandten und dort nach Kunden aufgesplitteten
Signale dar. In dieser Verteilfunktion setzt sie sich von anderen Teilen des
Telekommunikationsnetzes der Klägerin ab und kann ohne weiteres in die
Wertschöpfungskette der Beigeladenen in Form ihres Leitungsnetzes eingebunden
werden.
69
Das Vorprodukt TAL umfasst keine eventuell am Hauptverteiler installierte
übertragungstechnische Einheiten, die eine Modifizierung des Durchsatzes etwa durch
70
Kanalisierung oder Kapazitätsbegrenzung - Definierung der Übertragungsleistung -
bewirken. Das zu betrachtende Vorprodukt ist daher nicht Punkt-zu-Punkt-Verbindung
mit bestimmtem Informationsdurchsatzvermögen i.S.d. § 3 Nr. 22 TKG. Vielmehr handelt
es sich bei einer derartigen zusätzlich installierten Technik um Netzteile mit separater
Funktion oder eine Bedingung der Nutzung des Vorproduktes TAL, wovon die Klägerin
selbst ausgeht.
Das Vorprodukt TAL ist eine wesentliche Leistung. Nach dem maßgeblichen Sprach-
und Rechtsverständnis im Geltungsbereich des Telekommunikationsgesetzes ist eine
Leistung wesentlich, die für die Erbringung anderer
Telekommunikationsdienstleistungen unabdingbar, d. h. unverzichtbar und deren
Neuanschaffung dem Zugangswilligen wegen des verglichen mit den Kosten der
Mitbenutzung unangemessen hohen Aufwandes unzumutbar ist. Nach der gesetzlichen
Formulierung des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG bezieht sich das Merkmal der Wesentlichkeit
auf die Leistung, nicht aber auf den Umfang oder die Bedingung ihrer Nutzung. Die TAL
war seinerzeit - und ist noch heute - sowohl für die Klägerin als auch für die
Beigeladene als Wettbewerberin für die Erbringung von Sprachtelefondienst im
Ortsverkehr unverzichtbar, um den Kunden überhaupt drahtgebunden erreichen zu
können. Wie ausgeführt, steht eine wirtschaftlich realisierbare Alternativtechnik für die
"letzte Meile" noch nicht zur Verfügung. Insoweit kommt es an dieser Stelle auf
Erwägungen entsprechend der essential-facilities-doctrine nicht an.
71
Die Wesentlichkeit entfällt nicht, weil etwa die beigeladene Wettbewerberin einen
Bedarf für die volle Durchsatzkapazität der TAL, die ihr mit dem entbündelten Zugang
zum "blanken" Medium Kupfer- bzw. Glasfaserader zwangsläufig zufiele, nicht
nachgewiesen hat. Denn selbst wenn der Bewerber nur einen Bruchteil der
Leitungskapazität in Anspruch nähme, bliebe für ihn die Leistung TAL als solche
unverzichtbar für die beabsichtigte Erbringung von
Telekommunikationsdienstleistungen auf höherer Produktionsstufe beispielsweise in
Form von Sprachtelefonie. Vielmehr betrifft diese von der Klägerin aufgeworfene
Problematik nur die Frage der Bedingung des Zugangs zur Leistung TAL, nämlich eines
kanalisierten oder durchsatzbegrenzten Zugangs, und die Frage der
Verhältnismäßigkeit der Eigentumsbeschränkung.
72
Soweit die Klägerin einwendet, die Beigeladene könne ihren Kunden
Sprachtelefondienst auch über ihr Fernnetz erbringen, entfällt dadurch nicht das
Merkmal der Wesentlichkeit der Leistung. Denn diese aufgezeigte Alternative betrifft
einen anderen Marktbereich, der nicht jedem Wettbewerber uneingeschränkt offen steht
und nicht selten zu - auch von der Klägerin beklagten - technischen Problemen wie
Überlastung des Fernnetzes führt und zudem wegen Ausbaues und Unterhaltung des
eigenen oder Mitbenutzung eines fremden Fernnetzes kostenaufwändig ist. Eine solche
Verweisung wäre unzumutbar und stellte ihrerseits eine Diskriminierung des
Wettbewerbers dar.
73
Dass der Aufwand für ein vom Wettbewerber neu zu erstellendes Ortsnetz unzumutbar
und überdies neben demjenigen der Klägerin gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll wäre,
bedarf keiner Darlegung.
74
Die Klägerin hat der Beigeladenen den Zugang zur TAL bisher nicht zu den
Bedingungen angeboten, die sie sich selbst bei der Nutzung der TAL für die Erbringung
u.a. von Sprachtelefonie für den Kunden einräumt. Sie hat zwar vorgetragen, ihrem
75
internen Geschäftsfeld "Telekommunikation" für dessen zu erbringende
Telekommunikationsdienstleistungen die TAL unter den gleichen Bedingungen, d. h.
unter Vorschaltung der auch der Beigeladenen angebotenen übertragungstechnischen
Einrichtungen, bereitzustellen. Die Beigeladene des vorliegenden Verfahrens wie auch
die Beigeladenen der Parallelverfahren haben jedoch angegeben, dass die Klägerin
sowohl über völlig freie, wie auch benutzte TAL ohne übertragungstechnische
Einrichtungen verfüge. Dies leuchtet ein, weil es unwirtschaftlich und daher nicht zu
erwarten wäre, dass ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Unternehmen wie die
Klägerin in seine Infrastruktur überflüssige und kostenaufwändige Technik einbaut.
Soweit im Netz der Klägerin übertragungstechnische Einrichtungen vorhanden sind,
muss von einem entsprechenden Bedarf, beispielsweise aus Gründen eines
Kapazitätsengpasses oder der notwendigen technischen Kanalisierung der Signale,
ausgegangen werden. Dies sowie die Angabe der Klägerin im Erörterungstermin vor
dem Senat vom 29. September 1997 im Verfahren 13 B 1987/97 u.a., wonach ein
normaler Telefonanschluss keine zusätzliche Übertragungstechnik, also auch keine
übertragungstechnischen Einrichtungen erfordere, nur in etwa 10 % der Fälle
Teilnehmermultiplexeinrichtungen wegen Mangels an Kupferdoppeladern und in 2 %
der ISDN- Basisanschlüsse Zwischengeneratoren verwendet würden, zeigt, dass die
Grundform des Zugangs zur TAL auch für das Geschäftsfeld "Telekommunikation" der
Klägerin gerade die auch von den Wettbewerbern gewünschte Zugangsform ist. Sie
haben im Erörterungstermin nochmals zu verstehen gegeben, dass sie im Grundsatz ein
Angebot über einen entbündelten TAL-Zugang ohne vorgeschaltete
übertragungstechnische Einrichtungen wünschen und hiervon Ausnahmen nur für den
nachgewiesenen Einzelfall akzeptieren. Das zielt auf einen Zugang zur TAL in der
beschriebenen Grundform für den "Normalfall" und nur bei gegebenen sachlichen
Gründen unter einschränkenden Bedingungen durch zusätzliche Übertragungstechnik.
Ersteres entgegen ihrer tatsächlichen internen Handhabung auch den Wettbewerbern
zu gewähren, ist die Klägerin nicht bereit; sie will generell nur den Zugang unter Einsatz
zusätzlicher Übertragungstechnik einräumen.
Auf diese Weise würde die Klägerin die Wettbewerber auf die Erbringung einer solchen
Telekommunikation beschränken, die mit der vorgeschalteten Übertragungstechnik der
Klägerin kompatibel und mit ihrer Kapazität verträglich wäre sowie sich letztlich im
Rahmen der von der Klägerin selbst angebotenen Dienstleistungen und gelieferten
Qualität verhielte; der Wettbewerb wäre zu Lasten der Wettbewerber eingegrenzt und
bliebe für die Klägerin überschaubar; ferner bliebe ein Kapazitätsrest für die Klägerin
vorrätig und wäre für Wettbewerber nicht ohne weiteres zugänglich. Das stellt eine
Diskriminierung der Wettbewerber dar. Diese entfällt nicht schon wegen der Bereitschaft
der Klägerin, den Wettbewerbern den Zugang zur TAL grundsätzlich zu ermöglichen.
Entscheidend ist, dass sie nicht zur Einräumung derselben Zugangsmodalität wie ihr
selbst gewährt bereit ist. Ebenso entfällt die Diskriminierung nicht deshalb, weil die
Klägerin lediglich den Zugang zur vollen, von den Wettbewerbern gegenwärtig
erkennbar nicht benötigten Leitungskapazität verweigert. Denn solange die ungenutzte
Restkapazität nicht von der Klägerin selbst oder von einem anderen Wettbewerber
benötigt wird, sind schutzwürdige Eigentümer- oder Geschäftsinteressen der Klägerin
nicht erkennbar. Vielmehr erscheint dann allein das Interesse der Beigeladenen an
Unabhängigkeit von der Technik und dem Angebotsspektrum der Klägerin
schutzwürdig. Die Besserstellung der Wettbewerber, die keinen konkreten Bedarf an der
vollen Kapazität nachweisen müssen, rechtfertigt sich aus dem Gesetzesziel der
Förderung des Wettbewerbs.
76
Eine durchgreifende sachliche Rechtfertigung dafür, den Wettbewerbern grundsätzlich
nur einen Zugang zur TAL mit einer Übertragungstechnik entsprechend dem Mux-
Modell oder CCA- Modell zu ermöglichen, hat die Klägerin nicht geltend machen
können. Die grundlegenden Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 der ONP-Richtlinie vom
28. Juni 1990 (ABl. EG Nr. L 192 S. 1) rechtfertigen dies nicht (§ 33 Abs. 1 Satz 2 TKG).
Die Klägerin hat nicht zur Überzeugung des Senats dargetan, dass die Sicherheit des
Netzbetriebs, die Aufrechterhaltung der Netzintegrität, die Interoperabilität der Dienste
oder der Datenschutz die von der Klägerin beabsichtigte Beschränkung des Zugangs
zur TAL erfordern. Insbesondere muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass
die Beigeladene ebenso in der Lage ist die ONP-Anforderungen zu wahren wie die
Klägerin. Von ihrer erforderlichen Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde ist
gemäß Abs. 3 des hier - wie noch auszuführen ist - anwendbaren § 35 TKG
auszugehen, weil ihr sowohl für das Betreiben von Übertragungswegen als auch für das
Anbieten von Sprachtelefondienst Lizenzen nach § 8 TKG erteilt sind. Dass nur die von
der Klägerin für geboten gehaltene Form des Zugangs zur TAL die für
Kontrollmessungen erforderlichen Schnittstellen liefere, überzeugt ebenfalls nicht, weil
sie darin für den Fall, dass sie selbst sich eines solchen Zugangs bedient, offenbar kein
oder jedenfalls nur ein vernachlässigbares Problem sieht.
77
Die sich mithin aus den vorliegenden Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG
ergebende, aber von der Klägerin missachtete Verpflichtung, der Beigeladenen ein
Angebot für entbündelten Zugang zur TAL, d. h. ohne Inanspruchnahme
übertragungstechnischer Einrichtungen unmittelbar auf das Medium Kupfer oder
Glasfaser, zu unterbreiten, ergibt sich im vorliegenden Fall überdies unmittelbar aus § 2
Satz 2 NZV, gegen dessen verfassungsrechtliche Wirksamkeit der Senat, wie unten
dargelegt, keine Bedenken hat.
78
Die Netzzugangsverordnung findet Anwendung, weil die Beigeladene Nutzer des
Telekommunikationsnetzes der Klägerin und der gewünschte Zugang zur TAL ein
besonderer Netzzugang i.S.d. § 35 TKG i.V.m. § 1 Abs. 2 NZV ist. Gem. § 35 Abs. 1
Satz 1 TKG hat ein marktbeherrschender, Telekommunikationsdienstleistungen für die
Öffentlichkeit anbietender Telekommunikationsnetzbetreiber anderen Nutzern Zugang
zu seinem Netz oder zu Teilen desselben zu ermöglichen. Während die Regelung des §
33 Abs. 1 Satz 1 TKG als Adressaten den marktbeherrschenden Anbieter von
Telekommunikationsdienstleistungen und als Normbegünstigte die Wettbewerber nennt,
erfasst § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG als Normadressat verengend nur marktbeherrschende
Telekommunikationsnetzbetreiber und als Begünstigte die Nutzer schlechthin, die
mithin nicht Wettbewerber sein müssen. Folglich hat § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG einen
weiteren Geltungsumfang als § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG und kann als Generalklausel
bezeichnet werden, während § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG eine Spezialisierung für den Fall
des Zugangs zur Leistung Telekommunikationsnetz und eine Erweiterung eines
solchen Zugangsrechts auch auf bloße Nutzer darstellt. Der gegenüber § 33 Abs. 1 Satz
1 TKG zum Teil einschränkende, zum Teil erweiternde Zuschnitt des § 35 Abs. 1 Satz 1
TKG und das damit verfolgte Ziel der allgemeinen Öffnung der Netzfunktion sind kein
Grund, bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen beider Vorschriften die
Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG neben § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG
auszuschließen. Die für Nutzer schlechthin geltenden Regelungen des Netzzugangs
müssen jedenfalls - wenn nicht sogar erst recht - auch für im Wettbewerb stehende
Nutzer gelten. § 35 Abs. 1 TKG ist im Falle des begehrten entbündelten Zugangs zur
TAL nicht deshalb unanwendbar, weil Netzzugang in § 3 Nr. 9 TKG als physische und
logische Verbindung ... definiert ist und der unmittelbare Zugriff auf das Medium Kupfer
79
bzw. Glasfaserader der TAL nicht definiert ist. Denn es ist gleichwohl von einer
logischen Verbindung insoweit auszugehen, als Zugang zur vollen Funktion und
Kapazität der TAL hergestellt wird.
Ist die Leistung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG ein Teil des Telekommunikationsnetzes
eines Netzbetreibers und zugleich marktbeherrschenden Anbieters von
Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit, was hier beides der Fall ist,
hat mithin dieser anderen Nutzern Zugang zu seinem Netz über einen allgemeinen oder
besonderen Zugang zu ermöglichen (§ 35 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 TKG). Die Gewährung
des besonderen Netzzugangs hat nach den Regelungen der Netzzugangsverordnung
zu erfolgen (§ 35 Abs. 5 TKG, § 1 Abs. 1 NZV). Im vorliegenden Streitfall ist ein
besonderer Netzzugang nachgefragt, nämlich eine physikalische Verbindung zu einem
Netz, die gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 NZV gekennzeichnet ist durch den Kreis der
qualifizierten Nutzer (§§ 35 Abs. 3, 8 TKG) und deren Absicht, ihrerseits unter
Inanspruchnahme des Netzes Telekommunikationsdienstleistungen anzubieten. Aus §
2 NZV ergibt sich unmissverständlich die Verpflichtung des Netzbetreibers zum Angebot
zum - besonderen - Netzzugang in einer Weise, dass - vom Nutzer - keine nicht
nachgefragten Leistungen abgenommen werden müssen (Satz 1), und zur Gewährung
entbündelten Zugangs zu allen Teilen seines Telekommunikationsnetzes (Satz 2), es
sei denn, dass dem nachgewiesene sachliche Rechtfertigungsgründe entgegen
stünden.
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War mithin der Tatbestand des Verstoßes der Klägerin gegen ihre Verpflichtung aus §
33 Abs. 1 Satz 1 TKG und, wie ausgeführt, damit zugleich der missbräuchlichen
Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung gegeben, konnte die RegTP die in §
33 Abs. 2 Satz 1 TKG angeführten Maßnahmen treffen. Danach stand die Entscheidung,
ob und ggf. in welcher Weise sie zur Beseitigung der gesetzwidrigen Gegebenheiten
reagieren werde, in ihrem Ermessen. Insoweit kann der Senat wie das
Verwaltungsgericht Ermessensfehler der Behörde nicht erkennen.
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Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil unter Hinweis auf den Inhalt der
Verwaltungsvorgänge ausgeführt, dass die RegTP Erwägungen angestellt hat, ob und
wie im Falle eines fortbestehenden Missbrauchs der Klägerin durch Verweigerung eines
ungebündelten Zugangs der Beigeladenen zur TAL zu verfahren sei. Diesen
überzeugenden Darstellungen schließt sich der Senat an. Er beschränkt sich lediglich
auf folgende Ergänzungen: Die RegTP hatte sich bereits vor dem
Beanstandungsbescheid vom 28. Mai 1997 dahin entschieden, der Klägerin für den Fall
der Nichtbeachtung der Beanstandung die Abgabe eines Angebots zum nachgefragten
entbündelten Zugang zur TAL aufzuerlegen. Diese antizipierte Ausübung ihres
Handlungs- und Auswahlermessens war nicht deshalb fehlerhaft, weil sie nicht eine
Auflage an die Klägerin erwogen hat, bei den künftigen Verhandlungen von einer
bestimmten Rechtsansicht auszugehen, worin die Klägerin eine weniger
eingriffsintensive Maßnahme sieht. Denn eine solche Maßnahme wäre erkennbar
ungeeignet gewesen, die Klägerin zu einem alsbaldigen Rahmenangebot zu bewegen,
weil ein weiteres Verzögerungsverhalten der Klägerin nicht ausgeschlossen gewesen
wäre. Die beschriebene Erwägung war daher angesichts des nahen Termins der
Marktöffnung für einen freien Wettbewerb auch im Bereich des Ortsnetzes erst gar nicht
in die Entscheidungsfindung einzustellen. Dass die Beklagte die Erwägung, die
Entwicklung neuer Techniken zur Überwindung der "letzten Meile" könnte durch einen
zwangsweise verfügten entbündelten Zugang der Wettbewerber zur TAL
möglicherweise vernachlässigt werden, erkennbar hinter das Gesetzesziel der
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diskriminierungsfreien Marktzugangsmöglichkeit und Wettbewerbschancen für den
Wettbewerber zurückgestellt hat, ist nicht zu beanstanden.
Bedenken bezüglich der notwendigen Bestimmtheit des Auflagenbescheides vom 1.
Juli 1997 hat der Senat nicht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil sowie
ergänzend auf die obigen Darstellungen zur Nachfrage der Beigeladenen bis zum
angefochtenen Bescheid verwiesen. Hinzuweisen ist darauf, dass es nicht Aufgabe der
Beklagten ist, die in ein Rahmenangebot oder eine konkrete Zugangsvereinbarung
aufnehmbaren Bedingungen und Vorbehalte im Einzelnen zu entwerfen und zum
Gegenstand des missbrauchsaufsichtsrechtlichen Bescheids nach § 33 Abs. 2 TKG zu
machen. Insoweit reichte es aus, den betroffenen Anbieter lediglich abstrakt auf den
Wegfall der Zugangsgewährungspflicht bei sachlichen Rechtfertigungsgründen
hinzuweisen.
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4. Weder hat der Senat Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der §§ 33 Abs. 1 u. 2,
35 TKG mit den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG noch hinsichtlich
ihrer grundrechtsangemessenen Anwendung im vorliegenden Streitfall.
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Dazu ist vorab festzustellen, dass die von den Regelungen des § 33 TKG gegenwärtig
als einzige marktbeherrschende Anbieterin allein betroffene Klägerin Grundrechtsschutz
aus Art. 12 und 14 GG in Anspruch nehmen kann. Sie ist als juristische Person des
Privatrechts grundrechtsfähig. Wie jedes andere privatrechtlich verfasste, im
Telekommunikationsbereich tätige Wirtschaftsunternehmen ist auch ihre
Geschäftstätigkeit allein kaufmännisch und wettbewerbsorientiert, wobei sie u. a. ihr
sächliches Vermögen, wie das Telekommunikationsnetz, in Wahrnehmung ihrer
Eigentümerbefugnis wertschöpfend einsetzt. Mithin verfolgt sie rein privatwirtschaftliche
Interessen und nicht etwa nur im Gewand eines privatrechtlichen Unternehmens
staatliche Aufgaben beispielsweise der Daseinsvorsorge, wofür Grundrechtsschutz
nicht in Anspruch genommen werden könnte.
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Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1989 - 1 BvR 705/88 -, JZ 1990, 335.
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Eine andere Qualifizierung der klägerischen Unternehmenstätigkeit folgt nicht aus dem
Umstand, dass sie ihr anfängliches Vermögen, insbesondere das
Telekommunikationsnetz nicht selbst erwirtschaftet, sondern aus dem Sondervermögen
Deutsche Bundespost Telekom im Wege der Umwandlung (Art. 143b GG) erhalten hat
und die Bundesrepublik Deutschland vorübergehend noch zu ihren Anteilseignern zählt.
Denn es ist kraft Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers in Erfüllung
europarechtlicher Vorgaben im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen zu
einer echten Aufgabenauslagerung aus dem staatlichen Aufgabenkreis und zu einer
Privatisierung gekommen, in welcher die Klägerin wie jeder andere zu ihr im
Wettbewerb stehende Anbieter tätig ist und dem Staat nur ein äußerst kleiner, hier nicht
relevanter Bereich als verbliebene Aufgabe vorbehalten ist. Im Übrigen hat die Klägerin
parallel zum Übergang des Aktivvermögens auch nicht unerhebliche alte
Verbindlichkeiten ihrer Rechtsvorgängerin übernommen.
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Die Zugangsgewährungsverpflichtung des marktbeherrschenden Anbieters von
Telekommunikationsdienstleistungen ist mit Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG vereinbar.
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Sie stellt eine Berufsausübungsregelung dar, weil die konkurrentengünstige
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Inanspruchnahme - insbesondere hier - intern genutzter Leistungen in die
unternehmerische Organisationsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit, die
gewerbeausübungsbezogene Vertragsfreiheit sowie die Selbstbestimmung über
Weitergabe von Betriebsinformationen, die als spezielle Ausformungen der
Berufsausübung angesehen werden, massiv eingreift. Der Eingriff führt jedoch aus Sicht
des Senats nicht zu einer derartigen Umgestaltung des Berufsbildes eines Anbieters
von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit, dass er durch seine
Inpflichtnahme zur konkurrentengünstigen Gewährung der Mitbenutzung interner
Leistungen in einen Beruf mit anderen Konturen abgedrängt und im Nachhinein der
Verbleib in seinem erwählten Beruf verhindert und so seine Berufswahlfreiheit betroffen
wäre. Der Normadressat der §§ 33 Abs. 1 und 35 Abs. 1 TKG bleibt Anbieter von
Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit bzw. Betreiber eines
Telekommunikationsnetzes, ist aber erhöhtem Wettbewerb und ggf. der Einsicht in seine
Betriebsgegebenheiten durch Konkurrenten ausgesetzt, mit denen er sich wegen der
gemeinsamen Benutzung seiner Infrastruktur und sonstiger Vorprodukte vertraglich
arrangieren muss. Hierdurch wird im Ergebnis lediglich seine marktbeherrschende
Position kartellrechtlich beschnitten. Unbestritten betreibt ein solcher Unternehmer noch
keinen anderen Beruf.
Zugleich berührt die Zugangsgewährungspflicht das Eigentumsrecht des Anbieters bzw.
Netzbetreibers. Er wird als Eigentümer der Leistung, ggf. des
Telekommunikationsnetzes oder Teilen dessen, durch die zwangsweise Mitbenutzung
durch einen Dritten in seiner Verfügungsfreiheit im Sinne einer freien Selbstverwendung
beschnitten. Die Verfügungsfreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil des Eigentums.
Allerdings kann der Einfachgesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums
bestimmen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) und so die substantiellen Elemente des
Eigentums modifizieren. Das ist hier durch die abstrakt-generelle Neuregelung eines
Substanzelements des Eigentums am jeweiligen Vorprodukt (Leistung), hier der TAL als
eines Teils des Telekommunikationsnetzes, in §§ 33 Abs. 1, 35 Abs. 1 TKG geschehen.
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Allerdings ist das Recht des Gesetzgebers zur Regelung der Berufsfreiheit ebenso wie
sein Recht zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums beschränkt durch
das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Übermaßverbot). In Anwendung dieses
Verfassungsprinzips sind Regelungen der Berufsausübung als solche auf der niederen
Stufe der Eingriffsintensität verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie durch vernünftige
Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sind. Andererseits sind Eigentumsinhalts-
und Eigentumsschrankenbestimmungen zulässig, wenn sie sachlich geboten und
Intensität, Schwere und Tragweite des Grundrechtseingriffs hinreichend berücksichtigt
sind. Das ist bezüglich der Zugangsgewährungspflicht marktbeherrschender Anbieter
von Telekommunikationsdienstleistungen bzw. Betreiber von
Telekommunikationsnetzen der Fall.
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Die staatliche Gemeinschaft hat ein großes Interesse am Entstehen von Wettbewerb auf
dem Telekommunikationsmarkt. Er lässt freiheitliche, unternehmerische Entfaltung, ein
effektives Wirtschaften und ein hohes Dienstleistungsniveau sowie dadurch zugleich die
Erfüllung von Gemeinwohlbelangen erwarten. Zugleich dient die missbrauchsrechtliche
Inpflichtnahme des marktbeherrschenden Anbieters bzw. Netzbetreibers der effektiven
gemeinsamen Nutzung vorhandener Infrastruktur durch mehrere Anbieter und dadurch
der Vermeidung eines hohen Kostenaufwandes für die volkswirtschaftlich unnötige
Neuschaffung weiterer Infrastrukturen neben der vorhandenen sowie der Erfüllung
verbindlicher europarechtlicher Vorgaben für den diskriminierungsfreien Zugang von
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Diensteanbietern zu vorhandenen öffentlichen Telekommunikationsfestnetzen. All diese
Ziele sind als wichtige Gemeinschaftsinteressen anzuerkennen.
In Verfolgung dieses Anliegens ist dem marktbeherrschenden Anbieter bzw.
Netzbetreiber seine wettbewerbliche Tätigkeit in den typischen Konturen seines Berufs
weiterhin möglich und verbleibt ihm auch die formale Eigentumszuordnung. Soweit es
den Zugang zur TAL betrifft, wird dadurch dieser Teil des Netzes nicht
herausgeschnitten und nicht dem Eigentümer zur Selbstnutzung entzogen, wie die
Klägerin behauptet. Abgesehen davon, dass der Netzzugang auf ungünstigere
Bedingungen beschränkt und möglicherweise äußerstenfalls sogar verweigert werden
kann, wenn den Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 der ONP- Richtlinie nicht entsprochen
wird, können ungünstigere Bedingungen oder Beschränkungen auch aus sonstigen
sachlichen Gründen gerechtfertigt sein. Als solche sachliche Gründe kommen
beispielsweise in Betracht Kapazitätsengpässe, Bonitätsbedenken bezüglich des
Wettbewerbers oder technische Gegebenheiten. So kann der einen entbündelten
Netzzugang wünschende Wettbewerber auf den Einsatz nicht nachgefragter Technik
(Leistungen) verwiesen werden, wenn der Netzeigentümer das Netz - ggf. die TAL -
selber oder für einen weiteren Wettbewerber benötigt. Das kann auch nachträglich
geschehen, wenn der Wettbewerber bereits entbündelten Netzzugang erlangt hat.
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Allerdings hat der Eigentümer die sachliche Rechtfertigung für die ungünstigere
Zugangsbedingung oder die Beschränkung nachzuweisen (§ 33 Abs. 2 Satz 3, § 2 Satz
3 NZV), was auch für den Fall eines nachträglichen Zurückholens der Leitung zur
Mitbenutzung durch den Eigentümer oder einen weiteren Wettbewerber und dazu
notwendiger übertragungstechnischer Einheiten gilt. An diesen Nachweis sind jedoch
keine hohen Anforderungen zu stellen, weil sonst die Wiedererlangung der Verfügung
des Netzbetreibers und Eigentümers über sein Eigentum in Form der
berufsentsprechenden Nutzung bzw. Mitbenutzung an unzumutbare Hürden stieße und
eine Zugangsgewährungsverpflichtung des Eigentümers ohne realistische
Rückholmöglichkeit einer Enteignung gleichkäme. So wird es regelmäßig ausreichen,
wenn der Eigentümer glaubhaft macht, dass er oder ein anderer Wettbewerber einen
Kunden gewonnen hat, der über die zur Mitbenutzung zurückverlangte Linie versorgt
werden soll. Dabei kann vom Eigentümer nicht verlangt werden nachzuweisen, dass die
Versorgung des Kunden auf anderem Wege unmöglich ist, und seine Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse preiszugeben. Ebenso wie es ausreicht, dass der einen
konkreten entbündelten Leitungszugang beanspruchende Wettbewerber glaubhaft
darlegt, einen für sich gewonnenen Kunden über die Leitung versorgen zu wollen -
ansonsten wäre er nicht schutzwürdig und eine schlichte Vorratshaltung an fremder
Netzkapazität durch den Wettbewerber bezweckt das Gesetz nicht -, reicht für ein
späteres Rückholbegehren des Eigentümers die Darlegung aus, dass aus Sicht eines
wirtschaftlich vernünftig und effizient agierenden Unternehmers die Mitbenutzung der
bereits anderweitig belegten Leitung erforderlich ist. All dies kann zum Gegenstand
bereits des Rahmenangebotes des Anbieters und Netzbetreibers oder der konkreten
Zugangsvereinbarung zwischen ihm und einem Wettbewerber/Nutzer gemacht werden.
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Vor diesem Hintergrund verliert die Zugangsgewährungspflicht des Leistungs- und
Netzeigentümers aus §§ 33 Abs. 1, 35 Abs. 1 TKG an Eingriffsintensität und reduziert
sich ihre Tragweite auf eine bloße Gewährung von Mitbenutzung gegen Entgelt. Die
darin verbleibende Einschränkung der Grundrechte der Berufsfreiheit und der
Eigentumsgewährung ist gemessen an dem Gewinn für die Gemeinschaft, nämlich dem
chancengleichen freien Wettbewerb im Telekommunikationsbereich, vertretbar und der
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Aufwand des Zugangsgewährungspflichtigen in Form von Verhandlungen und
Folgekorrespondenz mit Wettbewerbern sowie durch Rückholaufforderungen
gegenüber Mitbenutzern zumutbar. Die Eingriffsermächtigung selbst unterliegt wegen
des in § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG der Behörde eingeräumten Entschließungs- und
Auswahlermessens keinen Bedenken hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsgebotes.
Auch die konkrete Anwendung der Eingriffsermächtigung im vorliegenden Fall unterliegt
solchen Bedenken nicht. Die Beklagte hat neben dem Hinweis auf die Ausnahme von
der Zugangsgewährungspflicht im Bescheidtenor in den Gründen der angefochtenen
Bescheide mehrfach ausgeführt, dass den von der Klägerin vorgebrachten technischen
und sonstigen Bedenken gegen einen entbündelten TAL-Zugang durch vertragliche
Vereinbarungen im konkreten Einzelfall begegnet werden könne. Damit hat sie einen
Weg aufgezeigt, der einerseits den schutzwürdigen Interessen der Klägerin Rechnung
trägt, andererseits aber ein grundsätzliches Angebot zum entbündelten TAL-Zugang
nicht ausschließt. Die angefochtenen Bescheide verbieten der Klägerin nicht,
beispielsweise die Bedingungen und Beschränkungen des Zugangs zur TAL bei
gegebenen sachlichen Gründen und/oder die Voraussetzungen sowie Modalitäten der
Rückgabe entbündelt gewährter Zugänge zur Mitbenutzung der TAL durch die Klägerin
oder andere Wettbewerber bereits in ihrem abzugebenden Rahmenangebot in
genereller Weise anzuführen. Einzelheiten und Besonderheiten können insoweit den
Einzelvereinbarungen für die konkreten Zugangsbegehren vorbehalten bleiben. Damit
ist der Klägerin lediglich die Pflicht zum generellen Angebot für entbündelten TAL-
Zugang auferlegt und im Übrigen die Wahrnehmung ihrer schutzwürdigen Interessen
durch vertragliche Vereinbarungen selbst an die Hand gegeben. Das ist nicht
unverhältnismäßig und nicht unzumutbar.
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Die Frage, ob das Entbündelungsgebot, soweit es sich aus § 2 Satz 2 NZV ergibt, den
Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG entspricht, stellt sich im vorliegenden Fall nicht,
weil es sich hier bereits aus dem verfassungsrechtlichen Bedenken nicht
unterliegenden § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG ergibt. Unabhängig davon sieht der Senat
jedoch § 2 NZV von einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage
gedeckt, die sich nicht nur aus § 35 Abs. 5 TKG, sondern aus dem Gesamtwerk des
Telekommunikationsgesetzes, insbesondere seinen Gesetzesziel und -zweck,
Regulierungsmechanismen und Verhaltenspflichten der marktbeteiligten Unternehmen
normierenden Vorschriften (z. B. §§ 1, 2 Abs. 2, 33, 36 f. TKG) erschließt. Aus ihnen
lassen sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung des Verordnungsgebers aus
Sicht des Senats hinreichend ableiten. Das Entbündelungsgebot ist Ausfluss des
Diskriminierungsverbots und bereits in § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG angelegt. Der dort
angeführte marktbeherrschende Anbieter, der zugleich Netzbetreiber (§ 35 Abs. 1 Satz 1
TKG) ist, hat den sich selbst regelmäßig gewährten entbündelten Zugang zur TAL auch
anderen Anbietern zu gewähren, wenn dem nicht sachliche Gründe i.S.d. § 33 Abs. 1
Sätze 1 und 2 TKG entgegenstehen. Dem aus Art. 80 Abs. 1 GG abgeleiteten
Bestimmtheitsgebot und Parlamentsvorbehalt ist damit genügt. Ein formalgesetzlich
nicht gerechtfertigter Eingriff des Entbündelungsgebots in die Schutzbereiche der Art. 12
Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
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Den von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Beweisanträgen ist auch
in diesem Verfahren nicht zu entsprechen. Soweit nach Beweisantrag zu 1), Satz 1, das
Bestehen eines näher beschriebenen Handelsbrauches oder einer Übung bewiesen
werden soll, kommt es auf die unter Beweis gestellte Tatsache nicht an. Keine der
Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 TKG, insbesondere nicht die Begriffe Leistung und
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Wesentlichkeit der Leistung, werden von dem sinngemäß behaupteten Handelsbrauch
oder der Übung bestimmt. Überdies käme es auf einen für die Gegenwart festgestellten
Handelsbrauch oder eine Übung auch wegen des eingangs dargelegten maßgeblichen
Prüfungszeitpunktes nicht an. Im Übrigen ist es unwahrscheinlich, dass sich in der
Anfangsphase der Netzzugangsverhandlungen der Wettbewerber schon ein
Handelsbrauch oder eine Übung im behaupteten Sinne entwickelt hat. Satz 2 des
Beweisantrages zu 1) betrifft keine Tatsachenfeststellung, sondern eine nicht
beweisfähige Rechtsfrage. Soweit unter den Beweisanträgen zu 2) und 3) die
behauptete Tatsache bewiesen werden soll, dass die WLL- Technologie und der
Breitbandkabel-Zugang ökonomisch und technisch gleichwertige Alternativen zum
drahtgebundenen TAL- Zugang seien, kommt es hierauf ebenfalls wegen des
maßgeblichen Prüfungszeitpunktes und ferner deshalb nicht an, weil auch gegenwärtig
diese Techniken noch nicht flächendeckend einsetzbar sind. Auch auf die mit
Beweisantrag zu 4) unter Beweis gestellte Tatsache, dass die Brutto- Investitionssumme
für Errichtung und Inbetriebnahme einer TAL im Schnitt 800 DM betrage, kommt es nicht
an, weil selbst bei diesem Betrag die Gesamtinvestition für ein weiteres TAL-Netz - ggf.
für mehrere Netze bei mehreren Anbietern verschiedener Dienstleistungen - sinnlos
wäre und keine der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 TKG, insbesondere nicht die
Wesentlichkeit der Leistung entfiele. Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge
aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil u.a. der maßgebliche
Prüfungszeitpunkt und der Begriff der Leistung sowie ihrer Wesentlichkeit grundsätzlich
klärungsbedürftig sind.
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III.
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Die Streitwertänderung und -festsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3, 25 Abs. 2
Satz 2 GKG. Der Senat hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, das ebenfalls die
im Hauptsacheverfahren angegriffenen Bescheide erfasst hat, einen Streitwert von 1
Mio. DM angesetzt, wobei er wie das Verwaltungsgericht die Bedeutung der Sache (§
13 Abs. 1 Satz 1 GKG) u. a. an dem drohenden maximalen Bußgeld bei Missachtung
einer Anordnung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG (§ 96 Abs. 1 Nr. 7 TKG) gemessen und
dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren hinsichtlich des Beanstandungsbescheids
keine eigenständige Bedeutung beigelegt hat. Im Hauptsacheverfahren kommt indes
dem Beanstandungsbescheid als notwendige Voraussetzung der Auflagenanordnung
sehr wohl Bedeutung zu, die der Senat wie das Verwaltungsgericht mit 1 Mio. DM
bemisst. Bei seinen Erwägungen zur Streitwertbemessung stellt der Senat allein auf die
strittige Verpflichtung zur Abgabe eines - einmaligen - Angebotes für den entbündelten
Zugang zur TAL ab und lässt die Frage, ob und in welchem Umfang die Beigeladene
ihrer marktwirtschaftlichen Position entsprechend von dem Angebot Gebrauch machen
könnte, außer Betracht. Ausgehend von dem in der Regel in Höhe der Hälfte des
Streitwertes des Hauptsacheverfahrens festzusetzenden Streitwert für das einstweilige
Rechtsschutzverfahren sowie von der erst im Hauptsacheverfahren deutlich
gewordenen Pilotwirkung des umstrittenen Rahmenangebotes belegt der Senat die
Bedeutung des Hauptsacheverfahrens gegen den Auflagenbescheid mit 4 Mio. DM, was
zu einem Streitwert nach Verbindung der Ausgangsverfahren von 5 Mio. DM führt.
Demgemäß war die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung zu ändern und entsprechend
102
neu festzusetzen.