Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.01.2010

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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 408/09
Datum:
21.01.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 408/09
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin ¬gegen den Be-schluss des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2009 wird
zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerde-verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerde¬verfah¬ren auf 5.000,--
Euro festgesetzt.
Gründe:
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Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen
der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg. Der
angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist in dem vorgegebenen
Prüfungsumfang nicht zu beanstanden.
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Das Verwaltungsgericht hat das im Rahmen des § 123 VwGO geltend gemachte
Antragsbegehren der Antragstellerin, sie nach den Rechtsverhältnissen des
Wintersemesters 2009/2010 im ersten Fachsemester außerhalb der festgesetzten
Kapazität vorläufig zum Studium im Studiengang Psychologie zuzulassen, als
unzulässig angesehen, weil die Antragstellerin einen entsprechenden - endgültigen -
Studienplatz in dem Studiengang Psychologie an der Bergischen Universität X.
erhalten und angenommen hat. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin vermag
eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen.
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Wegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden universitären
Ausbildungskapazitäten ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG (lediglich) ein Recht auf
Teilhabe an vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten und der damit verbundenen
Lebenschance. Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz
und dem Sozialstaatsgebot gewährleistet ein nur durch Gesetz oder auf Grund eines
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Gesetzes einschränkbares Recht des die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen
erfüllenden ("hochschulreifen") Staatsbürgers auf Zulassung zum Hochschulstudium
seiner Wahl. Dieses Teilhaberecht steht allerdings unter dem Vorbehalt des Möglichen
im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft
beanspruchen kann.
Vgl. BVerfG, Urteile vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 u. a. , BVerfGE 33, 303,
333 ff. = NJW 1972, 1561, und vom 8. Februar 1977 1 BvF 1/76 -, BVerfGE
43, 291, 313 f. = NJW 1977, 569.
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Auf dieser Grundlage ist anerkannt und hat - wie das Verwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt hat - der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein
Studienbewerber seinen Anspruch auf Zulassung zum Studium an einer bestimmten
Hochschule regelmäßig nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann und
dementsprechend auch kein Rechtsschutzinteresse für einen Antrag nach § 123 VwGO
besteht, wenn er einen entsprechenden Studienplatz an einer anderen Hochschule
erlangt hat oder einen solchen ohne Zulassungsbeschränkungen erlangen kann.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Juni 1999 - 13 C 16/99 -, vom 13. Juni
1996 - 13 C 39/96-, und vom 3. Juni 1996 - 13 C 40/96 -, Urteil vom 20. März
1984 13 A 1422/83 -; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.
September 2006 - NC 9 S 77/06 -.
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Diese Erwägungen und Folgerungen haben auch in Bezug auf einen
Bachelorstudiengang an einer Hochschule nach Wahl des Studienbewerbers, der auch
hier in Frage steht, ihre Berechtigung. Mit einem Bachelorstudiengang kann nach § 19
Abs. 2 Hochschulrahmengesetz – HRG – ein erster berufsqualifizierender Abschluss
erworben werden. Er unterscheidet sich insoweit nicht von den bisherigen
Studiengängen und Studienverläufen, bei denen die Realisierung der (vermeintlich) mit
einem erfolgreichen Studium verbundenen höheren Lebenschancen ebenfalls erst mit
deren Abschluss ansetzt. Das Bachelorstudium wird allgemein als wissenschaftlich
basiertes grundständiges Studium definiert, das sich in der Regel auf ein Kernfach
konzentriert, daneben aber auch die Möglichkeit der Verbindung bzw. Kombination mit
anderen Fächern bietet.
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Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2008 - 5 NC 125.07
-, juris.
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Es ist, wie den Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und
die Modularisierung von Studiengängen im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom
15. September 2000 zu entnehmen ist und beispielsweise auch in § 60 Abs. 3,4
Hochschulgesetz NRW geregelt ist, entscheidend gekennzeichnet durch eine
Modularisierung der Studiengänge, die u. a. dem Ziel dient, die Mobilität der
Studierenden zu fördern und die wechselseitige Anerkennung von Modulen (z. B. bei
Hochschulwechsel) bei zu Grunde liegender Vergleichbarkeit derselben zu bewirken.
Die mit dem Vertrauen in wissenschaftliche Leistungsfähigkeit verbundene
Gleichwertigkeit der Ausbildungen in Bachelorstudiengängen wird gesichert durch die
Festlegung inhaltlicher und formaler Kriterien, die mit den ländergemeinsamen
Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelor- und
Masterstudiengängen im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003
i. d. F. vom 18. September 2008 erfolgt. Eine Einheitlichkeit der Studiengänge ist
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hingegen nicht zu verlangen und wird nicht erwartet. Die Gleichwertigkeit der Module ist
dabei gegeben, wenn sie einander in Inhalt, Umfang und Anforderungen im
Wesentlichen entsprechen. Dabei ist kein schematischer Vergleich, sondern eine
Gesamtbetrachtung und –bewertung vorzunehmen. Diese Kriterien gelten zudem nicht
nur bei medizinischen Studiengängen, sondern allgemein und daher auch für den in
diesem Verfahren betroffenen Studiengang Psychologie Bachelor, der bundesweit
Kapazitätsbeschränkungen unterliegt.
Vgl. VG Bremen, Beschluss vom 25. November 2009 – 6 V 1334/09 -, juris
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Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg darauf berufen,
dass die curricularen Festlegungen für den Bachelorstudiengang Psychologie an der
Bergischen Universität X. , wo sie einen Studienplatz hat, und an der Heinrich-
Heine-Universität Düsseldorf, an der sie einen entsprechenden Studienplatz erlangen
möchte, gravierend voneinander abweichen und "es auf der Hand liege, dass die
Studiengänge völlig unterschiedlich ausgestaltet seien". Auf die Anzahl der Module mit
ausdrücklicher Namensgleichheit kommt es dabei nicht entscheidend an. Maßgebend
ist, dass auch an der Universität X. ein Bachelorabschluss in Psychologie erreicht
werden kann und sie dafür nicht auf einen Studienplatz an der Universität Düsseldorf
angewiesen ist. Die von der Antragstellerin vorgetragene Gegenüberstellung der
Ausbildungsinhalte und Module für die betroffenen Studiengänge an den beiden
Universitäten lässt auch nicht erkennen, dass nach den vorgenannten Kriterien bei der
gebotenen Gesamtbewertung eine Vergleichbarkeit im Sinne einer Gleichwertigkeit der
Ausbildungen zwingend verneint werden muss. Konkrete Unterschiedlichkeiten, die
diesen Schluss rechtfertigen würden, sind auch von der Antragstellerin nicht
substantiiert vorgetragen worden. Angesichts des Hintergrunds und des Zielsetzung,
dass bei Bachelorstudiengängen eine Gleichwertigkeit der Ausbildungen erreicht
werden soll, besteht zudem eine Vermutung, dass dies regelmäßig auch der Fall ist.
Dementsprechend obliegt es dem Studienbewerber, konkrete Erwägungen und
Gegenüberstellungen darzulegen, wenn er diese Vermutung der Gleichwertigkeit der
Ausbildungen entscheidend erschüttern will. Das ist seitens der Antragstellerin nicht
erfolgt.
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Angesichts der vorstehenden Erwägungen rechtfertigt auch das unter dem Stichwort
"Wunschhochschule höherer Priorität" (hier: Düsseldorf) zusammenfassbare Vorbringen
der Antragstellerin keine Entscheidung zu ihren Gunsten. Im Kern stellt sich das
Begehren der Antragstellerin als "Ortswechsler"-Wunsch dar. Insoweit tangiert ihre
geltend gemachte Berechtigung auf einen Studienplatz an der Universität Düsseldorf
außerhalb der festgesetzten Ausbildungskapazität die gesicherten Ansprüche der
Studierenden, die dort in dem betroffenen Studiengang einen Studienplatz innerhalb der
Kapazität erhalten haben. Das Begehren erscheint außerdem als Versuch, doch noch
an die favorisierte Hochschule zu kommen, obwohl möglicherweise eine Zulassung
innerhalb der festgesetzten Ausbildungskapazität nicht betrieben wurde oder erfolglos
war. Dass der Antragsgegner die Antragstellerin außerkapazitär problemlos in dem
gewünschten Studiengang unterbringen könnte, ist angesichts der von ihm dargelegten
Zahlen der tatsächlich eingeschriebenen Studierenden im Studiengang Psychologie
(Bachelor), die mit 111 Studierenden deutlich über der in der
Zulassungszahlenverordnung vorgesehenen Zahl von 91 Studienplätzen für das
1. Fachsemester liegt, zudem nicht anzunehmen.
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Die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des
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Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, Beschluss vom 16. September
2008 – 81/08 u. a., -juris,
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vermag eine Entscheidung zu ihren Gunsten ebenfalls nicht zu bewirken. Die darin
enthaltene Aussage, dass das Recht auf freie Wahl des Studienorts und der
Studienrichtung durch die Möglichkeit der Immatrikulation an einer anderen Hochschule
nicht verbraucht wird, steht nicht in Einklang mit der bisherigen Entscheidungspraxis
des Senats und anderer Obergerichte. Diese Frage, die in rechtlicher Hinsicht
schwierige Probleme aufwirft, bedarf umfassender Erwägungen, die im Rahmen dieses
Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht angezeigt sind. Sie stellt
außerdem vordergründig auf die Notwendigkeit der Gewährung effektiven vorläufigen
Rechtsschutzes ab, ohne sich dezidiert damit auseinander zu setzen, inwieweit das aus
Art. 12 Abs. 1 GG folgende Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte als Teilhaberecht
begrenzt ist und wie sich das in einem - regelmäßig nicht mit einer Prüfung wie in einem
Hauptsacheverfahren verbundenen - Verfahren auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung, gerichtet auf die Zuteilung eines Studienplatzes, auswirkt. Auch wird das in
der Entscheidung genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober
1996 – 6 C 1/94 – aus der der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin das Recht auf
freie Wahl des Studienorts herleitet, insoweit nicht hinreichend ausgewertet, weil auch
die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von einem aus Art. 12 Abs. 1 GG
abgeleiteten Recht auf Teilhabe an vorhandenen Ausbildungsplätzen ausgeht. Letztlich
beurteilt der Senat das Merkmal des wesentlichen Nachteils, der durch den Erlass einer
einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO abgewendet werden soll, gerade bei
der hier gegebenen Konstellation, dass die Antragstellerin einen (endgültigen)
Studienplatz in ihrem gewünschten Studiengang an einer anderen Hochschule hat,
anders. Darin, dass die Antragstellerin den Studiengang Psychologie (Bachelor) nicht
an ihrer Wunschuniversität Düsseldorf absolvieren kann, liegt kein schwerwiegender,
eine einstweilige Anordnung rechtfertigender Nachteil.
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Da die Antragstellerin ihr Begehren damit begründet, Düsseldorf sei ihre
"Wunschuniversität", und keine sonstigen Gründe für diesen Studienort benannt hat, ist -
sofern dieses Kriterium überhaupt noch für berücksichtigungsfähig gehalten wird - auch
ein sonstiger gewichtiger und besonderer Grund für die Studienzulassung gerade an der
Universität Düsseldorf nicht zu bejahen.
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Die von der Antragstellerin erbetene Übersendung der Unterlagen zur
Kapazitätsberechnung vor der Entscheidung war nach dem Vorstehenden nicht
geboten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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