Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.09.2005

OVG NRW: sitz im ausland, zweigniederlassung, geschäftsführer, erwerbstätigkeit, euv, verfügung, dienstleistungsverkehr, freiheit, eingriff, versicherung

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 A 1468/05
Datum:
09.09.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 A 1468/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 4933/04
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 8.000 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO gestützte
Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der Kläger sei wegen nachhaltiger Verletzung
seiner steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten sowie wegen Fortsetzung der
selbstständigen gewerblichen Tätigkeit trotz wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit
gewerberechtlich unzuverlässig. Zur Begründung hat es auf die angefochtenen
Verfügungen und die im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
ergangenen Entscheidungen (Beschluss des VG Düsseldorf vom 13. September 2004 -
3 L 2244/04 - und Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2004 - 4 B 2183/04 -[juris])
Bezug genommen.
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Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht, dass der Rechtssache eine
grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Die
grundsätzliche Bedeutung ist nur dann dargelegt, wenn in dem Zulassungsantrag eine
konkrete Frage aufgeworfen wird und ein Hinweis auf den Grund enthalten ist, der das
Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll. Daran fehlt es.
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Die Darlegungen des Klägers begründen auch keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Dies gilt zunächst, soweit der Kläger auf einen Beschluss des OLG Oldenburg,
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Beschluss vom 28. Mai 2001 - 5 W 71/01 -, GewArch 2002, 430,
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hinweist. Die Entscheidung des OLG Oldenburg befasst sich mit der Frage, ob der
Antrag einer in Bristol/England eingetragenen Gesellschaft auf Eintragung einer
Zweigniederlassung in Deutschland abzulehnen ist, wenn dem Geschäftsführer der
Gesellschaft die Ausübung eines entsprechenden Gewerbes untersagt worden ist. Das
OLG Oldenburg verneint dies und führt abschließend aus:
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„Personen, die in Deutschland nach § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 GmbHG nicht
Geschäftsführer sein können, dürfen also als Geschäftsführer einer ausländischen
Gesellschaft über deren inländische Zweigniederlassung ihre Geschäfte im Inland
weiter betreiben."
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Dieser Auffassung ist, abgesehen davon, dass es darauf für die Entscheidung gar nicht
ankam, nicht zu folgen.
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Kritisch auch AG Limburg a.d. Lahn, Beschluss vom 15. November 2004 - 07 AR 77/04 -
, GewArch 2005, 28.
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Aus den Regelungen über die Eintragung von Zweigniederlassungen von
Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland lässt sich für die
Unzulässigkeit einer Gewerbeuntersagungsverfügung nichts herleiten. § 13 g Abs. 2
HGB bestimmt, welche Unterlagen bei der Anmeldung der Zweigniederlassung
vorzulegen sind. Nach Absatz 2 Satz 2 sind die Vorschriften des § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4
und 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)
anzuwenden. § 8 Abs. 3 GmbHG ist von dieser Verweisung ausdrücklich
ausgenommen. Die Geschäftsführer müssen bei der Anmeldung der
Zweigniederlassung deshalb nicht versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer
Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 GmbHG entgegenstehen. Demgemäß
brauchen sie auch nicht offen zu legen, ob ihnen durch gerichtliches Urteil oder durch
vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufs,
Berufszweigs, Gewerbes oder Gewerbezweigs untersagt worden ist (vgl. § 6 Abs. 2 Satz
4 GmbHG). Diese Regelungen stehen dem Erlass einer
Gewerbeuntersagungsverfügung aber nicht entgegen.
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§ 13 g HGB ist durch das „Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftlichen
Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und über
Gebäudeversicherungsverhältnisse" vom 22. Juli 1993 (BGBl. I, 1282) in das Gesetz
eingefügt worden. Bis dahin war es in der Rechtsprechung umstritten, ob anlässlich der
Anmeldung der Zweigniederlassung einer ausländischen GmbH die Versicherung über
das Fehlen von Bestellungshindernissen nach § 8 Abs. 3 GmbHG einzureichen war.
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Vgl. etwa BayObLG, Beschluss vom 18. September 1986 - 3 Z 96/86 -, DB 1986, 2530.
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Nach der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs wollte der Gesetzgeber
insoweit Rechtsklarheit schaffen. Er war der Auffassung, dass § 8 Abs. 3 GmbHG nicht
für Vorstandsmitglieder ausländischer Gesellschaften mbH passe. Die Bestellung dieser
Vorstandsmitglieder beurteile sich nach dem jeweiligen ausländischen Recht. Deshalb
könne von den ausländischen Vorstandsmitgliedern nicht verlangt werden zu
versichern, dass keine Umstände vorlägen, die ihrer Bestellung nach § 8 Abs. 3 GmbHG
entgegenständen.
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BT-Drucks. 12/3908, S. 17 und 18; vgl. ferner: Kindler, NJW 1993, 3301, 3305, und
Seibert, DB 1993, 1705, 1706.
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Vor diesem Hintergrund bedeutet der Verzicht des Gesetzgebers auf die Vorlage einer
Erklärung nach § 8 Abs. 3 GmbHG bei Vorstandsmitgliedern einer ausländischen
Kapitalgesellschaft anlässlich der Anmeldung einer Zweigniederlassung also nicht,
dass er sich auch des Instrumentariums begibt, das ihm zur Verfügung steht, um die
Tätigkeit unzuverlässiger Gewerbetreibender zu unterbinden. Entgegen der Auffassung
des Klägers steht die Gewerbeuntersagung deshalb auch nicht in einem
Wertungswiderspruch zu den für die Anmeldung einer Zweigniederlassung
maßgeblichen Regelungen.
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Die weitere pauschale Bezugnahme des Klägers auf das erstinstanzliche Vorbringen
kann ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils schon deshalb
nicht begründen, weil es an der gebotenen Auseinandersetzung mit der
erstinstanzlichen Entscheidung fehlt. Abgesehen davon hat der Senat bereits im
zugehörigen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
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Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2004 - 4 B 2183/04 - [juris],
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unter anderem folgendes ausgeführt: „Im Übrigen vermittelt das Recht auf freie
Niederlassung, das sowohl für natürliche Personen als auch für Gesellschaften gilt (Art.
43, 48 EG), nur einen Anspruch darauf, eine selbstständige Erwerbstätigkeit unter den
Bedingungen und mit den Rechten aufzunehmen und auszuüben, die auch für die
Staatsangehörigen des Aufnahmestaates gelten (Gebot der Inländergleichbehandlung).
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Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 43 Rn. 8; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11.
Mai 1993 - 1 B 68.93 -, GewArch 1993, 323.
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...Ein Eingriff in die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 ff. EG) scheidet bei der
vorliegend allein möglichen summarischen Prüfung aus. Die Antragstellerin zu 2. (sc.:
die Gesellschaft) erbringt ihre Dienstleistungen nämlich von einer im Inland gelegenen
Niederlassung, so dass es an dem erforderlichen grenzüberschreitenden
Dienstleistungsverkehr fehlt.
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Geiger, a.a.O., Art. 49 Rn. 1 und Art. 50 Rn. 1."
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Nach alledem kann schließlich auch keine Rede davon sein, dass die Rechtssache
besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt
sich aus § 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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