Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.06.2007

OVG NRW: marokko, europa, diskriminierungsverbot, arbeitserlaubnis, eugh, erwerbstätigkeit, abkommen, lebensgemeinschaft, scheinehe, genehmigung

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 722/07
Datum:
22.06.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 722/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 L 1070/06
Schlagworte:
Aufenthaltserlaubnis Arbeitserlaubnis Arbeitnehmer Marokko Europa-
Mittelmeer-Abkommen
Normen:
Europa-Mittelmeer-Abkommen/Marokko Art. 64
Leitsätze:
Der Senat hält auch in Ansehung des Urteils des Europäischen
Gerichtshofs vom 14. Dezember 2006 - C-97/05 - (Gattoussi), InfAuslR
2007, 89, daran fest, dass sich aus dem Diskriminierungsverbot in Art.
64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko grundsätzlich kein
aufenthaltsrechtlicher Anspruch für marokkanische Arbeitnehmer ergibt.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,--
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, die
vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zu prüfen sind, rechtfertigen keine
Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, mit der das
Verwaltungsgericht den Aussetzungsantrag der Antragstellerin abgelehnt hat.
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Die Antragstellerin wendet sich in erster Linie mit dezidierten Darlegungen gegen die
Ausführungen des Verwaltungsgericht, wonach die Antragstellerin, die im Besitz einer
unbefristeten Arbeitsgenehmigung ist, aus Art. 64 des Europa-Mittelmeer-
Abkommens/Marokko keinen Verlängerungsanspruch herleiten könne.
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Der Senat hat diesbezüglich in seiner Rechtsprechung
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- vgl. die Senatsbeschlüsse vom 25. Juli 2005 - 18 B 983/05 - und vom 18.
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Mai 2006 - 18 B 509/06 -
bislang die Auffassung vertreten, dass Art. 64 des Europa-Mittelmeer-
Abkommens/Marokko bereits vom Ansatz her kein Aufenthaltsrecht zu vermitteln
vermag. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
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vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Juli 2003 - 1 C 18.02 -, BVerwGE 118, 249 =
EZAR 029 Nr. 24 = DVBl 2004, 119 = InfAuslR 2004, 50, und - 1 C 32.02 -,
InfAuslR 2004, 54 = NVwZ 2004, 245,
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welcher der Senat ebenso wie die übrigen mit Ausländerrecht befassten Senate des
Gerichts
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- vgl. deren Beschlüsse vom 5. Februar 2004 - 17 B 893/03 - und vom 26.
Oktober 2004 - 17 B 1542/03 - sowie vom 25. August 2004 - 19 B 1312/04 -
und vom 26. Oktober 2004 - 19 B 563/04 -
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dabei gefolgt ist, ist geklärt, dass sich aus dem Diskriminierungsverbot in Art. 64 des
Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko grundsätzlich keine aufenthaltsrechtlichen
Ansprüche für marokkanische Arbeitnehmer ergeben. Allenfalls ausnahmsweise kann
unter dem Gesichtspunkt der praktischen Wirksamkeit der Rechte aus dem
Diskriminierungsverbot ein Anspruch auf weiteren Aufenthalt zur Fortsetzung der
Erwerbstätigkeit hergeleitet werden (effet utile). Dies kommt in Betracht, wenn der
Mitgliedstaat dem marokkanischen Arbeitnehmer in Bezug auf die Beschäftigung durch
eine Arbeitserlaubnis für eine bestimmte Zeit weitergehende Rechte verliehen hat als in
Bezug auf den Aufenthalt.
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Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 2. März 1999 - C-416/96 - (El-Yassini), InfAuslR
1999, 218.
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Das ist indes bei einer nach deutschem Recht erteilten unbefristeten Arbeitserlaubnis in
der Regel nicht der Fall. Eine solche Genehmigung vermittelt wegen des Vorrangs des
Aufenthaltsrechts kein von diesem unabhängiges, gleichsam überschießendes Recht
auf Fortsetzung einer nicht selbständigen Erwerbstätigkeit. Insofern ist es auch ohne
Bedeutung, wenn die Arbeitsgenehmigung aufgrund einer vorläufigen
verfahrensrechtlichen Position des Ausländers die Aufenthaltsgenehmigung überdauert.
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Die Antragstellerin meint, die vorstehend skizzierte Rechtsauffassung könne angesichts
einer neueren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
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- EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-97/05 - (Gattoussi) -, InfAuslR
2007, 89
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nicht aufrechterhalten werden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Der Senat ist im
Ergebnis ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass dem Urteil Gattoussi
eine Ausweitung der aufenthaltsrechtlichen Rechtspositionen tunesischer Arbeitnehmer
gegenüber den in der Entscheidung El-Yassini für Marokkaner entwickelten
Grundsätzen mit möglichen Rückschlüssen auch für diesen Personenkreis nicht zu
entnehmen ist. Dies folgt bereits daraus, dass der Europäische Gerichtshof sich in
seinem Urteil Gattoussi in allen tragenden Aussagen auf die Entscheidung El-Yassini
beruft (vgl. Rdnrn. 22, 26, 27, 29, 30, 36 37 und Rdn. 40). Insofern ist namentlich der
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Verweis in Rdn. 40 auf das Urteil El-Yassini Rdn. 64 bedeutsam, wo der Europäische
Gerichtshof ausgeführt hatte, dass das dort in Rede stehenden Diskriminierungsverbot
des Art. 40 Abs. 1 des Kooperationsabkommens EWG-Marokko ausnahmsweise auf ein
Recht zum weiteren Aufenthalt führe, "
wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte
(Hervorhebung durch den Senat), dass der Aufnahmemitgliedstaat dem
marokkanischen Wanderarbeitnehmer in bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung
weitergehende Rechte als in bezug auf den Aufenthalt verliehen hätte". Angesichts
dessen geht der Senat davon aus, dass der Europäische Gerichtshof nach wie vor
daran festhält, dass die vorstehend zitierte und letztlich entscheidende Frage nach der
Verleihung weitergehender Rechte (von den nationalen Gerichten) nach deutschem
Recht zu beantworten ist, und dass daher die oben wiedergegebene Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Oberverwaltungsgerichts
unverändert Geltung beansprucht.
In dieser Auffassung sieht sich der Senat im Übrigen auch durch das Urteil des
Europäischen Gerichtshofes im Verfahren Güzeli
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- EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - C-4/05 -, InfAuslR 2007, 1-
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bestätigt. Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Urteil, das auf ein
Vorabendscheidungsersuchen zu Art. 10 ARB 1/80 ergangen ist,
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vgl. dazu nur den den Beteiligten bekannten Senatsbeschluss vom 13.
Februar 2007 - 18 B 108/07 -,
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(erneut) hervorbehoben (Rdn. 36), dass der "Gerichtshof ... gemäß Artikel 234 EG nicht
befugt" sei, "durch Vorabentscheidung über die Auslegung innerstaatlicher
Rechtsvorschriften zu entscheiden." "Daher" sei "es Sache des nationalen Gerichts, die
insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen".
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Nach alledem erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen der
Antragstellerin unter Punkt 4 der Begründungsschrift. Dazu sei somit lediglich
ergänzend Folgendes angemerkt:
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Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung u.a. die Gründe
darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit
der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Dies erfordert nach der ständigen
Senatsrechtsprechung, dass die Antragstellerin mit schlüssigen Gegenargumenten auf
die entscheidungstragenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses eingeht.
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Vgl. hierzu z. B. die Senatsbeschlüsse vom 16. März 2005 - 18 B 1751/04 -,
vom 2. Juni 2005 - 18 B 817/05 und vom 6. März 2007 - 18 B 231/07-.
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Das ist vorliegend insoweit nicht der Fall. Der bloße Hinweis darauf, weder in der
Ordnungsverfügung des Antragsgegners noch im Widerspruchsbescheid seien sichere
Feststellungen mit Blick auf eine Scheinehe getroffen worden, vermag die unter
Anführung zahlreicher einzelner Tatsache erschöpfend begründete Einschätzung des
Verwaltungsgerichts, wonach eine eheliche Lebensgemeinschaft nie begründet worden
sei, nicht ernsthaft in Frage zu stellen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
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Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 iVm §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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