Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.12.2003

OVG NRW: medien, gefährdung, begriff, zahl, sexualität, gerichtsakte, aufwand, internet, form, anfang

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 A 5599/98
Datum:
05.12.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 A 5599/98
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 17 K 8503/95
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des
Berufungsverfahrens. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor
der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand Die Klägerin produzierte 1994 eine CD-ROM mit dem Titel " ", von der 2.500
Stück zum Preis von 69 DM verkauft wurden. Die CD enthält - in je zwei Qualitätsstufen
- rund 500 Bilder im Bitmap-Format für Windows und zwei wenige Minuten lange
Videosequenzen, die bei Auftritten einer Darstellergruppe in verschiedenen deutschen
Diskotheken aufgenommen wurden. Alle Aufnahmen zeigen wenig bis unbekleidete
Männer und Frauen in erotischen Spiel- und Animationsszenen, in denen teilweise
sexuelle Handlungen simuliert oder angedeutet werden. Die Bilder sind thematisch in
28 untertitelte Bildgruppen geordnet und zeigen entweder Showdarbietungen der
Darstellergruppe (z.B. mit den Titeln Badewanne, Dschungel, Domina oder Geisha)
oder Spiele unter Einbeziehung von Diskothekenbesuchern (z.B. Bodypainting,
Busenwiegen, Wahl der "Miss Busen" bzw. des "Mr. Penis"). Die einzelnen Bildgruppen
können über einen auf dem PC zu installierenden Eingangsbildschirm aufgerufen und
vergrößert werden; Textfenster, die über zugehörige "Info"-Schaltflächen geöffnet
werden können, geben insbesondere Aufschluss über den Ort der Veranstaltung sowie
Name und Telefonnummer der Darstellergruppe. Auf der Rückseite der CD-Hülle findet
sich der Copyright-Vermerk: "Für private, nicht gewerbliche Zwecke ist eine
Weiterverarbeitung aller Motive auf dieser CD erlaubt. Alle Bild-, Film- und
Softwarebeiträge sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nur mit schriftlicher
Genehmigung des Verlages gewerblich genutzt werden." Die Klägerin legte die CD vor
der Veröffentlichung der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) zur Begutachtung
vor. Diese befürwortete eine Freigabe ab 16 Jahren, falls 13 Einzelbilder und die Serie
"Geisha" von der CD entfernt würden. Die Klägerin ließ die CD jedoch unverändert und
versah sie mit der Verkaufsempfehlung "nur an Personen über 16 Jahren". Auf Antrag
des Jugendamtes der Stadt G. am N. beschloss das Zwölfergremium der
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (jetzt: Bundesprüfstelle für
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jugendgefährdende Medien) mit Entscheidung Nr. 4530 vom 5. Oktober 1995, die CD in
die Liste der jugendgefährdenden Schriften einzutragen. In der Begründung heißt es
u.a., wenngleich die Darstellungen nicht als pornographisch einzustufen seien, so
werde doch die gesamte Palette einschlägiger Sexualpraktiken abgedeckt. Die
Abbildungen seien zum Teil frauenverachtend, denn die weiblichen Sexaktricen
nähmen zumeist eine unterwürfige Haltung ein, erschienen als Sexsklavinnen oder
würden durch die Zurschaustellungen ihrer Menschenwürde beraubt. Eine
möglicherweise wirkungsrelativierende Einbettung in einen redaktionellen Kontext
fehle. Von Printmedien mit vergleichbaren Inhalten unterscheide sich die CD durch ihre
hohe Speicherkapazität, die eine Massierung von Darstellungen erlaube, und durch ihre
vergleichsweise höhere Langlebigkeit. Bei der Abwägung mit dem anzuerkennenden
Kunstgehalt der CD überwiege der Jugendschutz. Ein Fall geringer Bedeutung liege
angesichts der Altersangabe in der Verkaufsempfehlung nicht vor, zumal diese einer
flächendeckenden, "zugangsbarrierenlosen" Verbreitung Vorschub leiste. Die
Entscheidung wurde im Bundesanzeiger Nr. 198 vom 20. Oktober 1995 bekannt
gemacht und der Klägerin am 27. Oktober 1995 zugestellt. Mit ihrer am 21. November
1995 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht: Bei der CD handele es sich
entgegen der Aussage in der angefochtenen Entscheidung nicht um Shareware; der
Copyrighthinweis sei eindeutig. Das neue Medium der CD erfreue sich zwar
zunehmender Beliebtheit, sei aber nicht stärker gefährdend als traditionelle Medien. Sie,
die Klägerin, habe sich bei den Inhalten ausschließlich daran orientiert, was im
Printbereich seit Jahren gängige Praxis sei und allgemein akzeptiert werde. Die Zahl
der Jugendlichen, die eine CD nutzen könnten, sei gering. Das Abspielen erfordere
einen erheblichen technischen Aufwand, der Jugendlichen nur selten zur Verfügung
stehe. Auch der im Verhältnis zu Zeitschriften ähnlichen Inhalts recht hohe
Verkaufspreis schrecke Jugendliche vom Kauf ab. Es handele sich um eine reine
Bildersammlung, die eher langweilig wirke. Menschenunwürdige Szenen seien nicht
enthalten; die Darsteller täten nichts Gesetzwidriges und hätten Spaß an ihrer Arbeit.
Inhaltsgleiche Magazine würden nicht indiziert. Den Verkaufshinweis habe sie ohne
Rechtspflicht aus Verantwortungsbewusstsein angebracht, weil sie der Ansicht sei, dass
Jugendliche unter 16 Jahren sich nicht mit dem Inhalt der CD auseinandersetzen
sollten. Es sei zu vermuten, dass die CD gerade wegen der Altersangabe für nicht
besonders interessant gehalten worden sei und daher nicht wie sonst üblich zwischen
3.000 und 5.000 Exemplare abgesetzt worden seien. Die Klägerin hat beantragt, die
Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften vom 5. Oktober
1995 (Nr. 4530) aufzuheben. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat
erwidert, es sei für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung ohne Bedeutung, wenn andere
möglicherweise jugendgefährdende Schriften nicht indiziert würden, da die
Bundesprüfstelle nur auf Antrag tätig werden dürfe. Der Verkaufspreis spreche nicht
gegen eine Indizierung. In deutschen Haushalten seien etwa 2 Mio. PCs vorhanden. Die
CD könne in diesen Haushalten benutzt werden und sei insoweit wesentlich
jugendgefährdender als Printmedien, die angesichts ihrer problemlosen Einsehbarkeit
geschützter aufbewahrt und meist schnell weggeworfen würden. Der Hinweis auf die
geringe Verkaufszahl von 2.500 Exemplaren, der im Indizierungsverfahren nicht
vorgebracht worden sei, könne allenfalls im Rahmen der Prüfung einer geringen
Bedeutung berücksichtigt werden. Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug
genommen wird, hat das Verwaltungsgericht der Klage im Wesentlichen mit der
Begründung stattgegeben, die Bundesprüfstelle habe den Sachverhalt unzutreffend
ermittelt und nicht dargelegt, warum der Inhalt der CD jugendgefährdend sei; sie habe
die Kunstqualität der Darstellungen nicht bewertet und nicht gegen die Belange des
Jugendschutzes abgewogen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Senat
zugelassene Berufung der Beklagten. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Senat
zur Frage, ob die CD geeignet ist, Kinder und Jugendliche sittlich zu gefährden, mit
Beschluss vom 14. November 2002, ergänzt durch Beschluss vom 19. Dezember 2002,
ein schriftliches Sachverständigengutachten von Professor Dr. I. I1. (Institut für
angewandte Kindermedienforschung, T. ) eingeholt. Das Gutachten ist unter dem 7. Juli
2003 mit dem Ergebnis erstattet worden, eine jugendgefährdende Wirkung sei nicht
erkennbar. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 219-238 der
Gerichtsakte Bezug genommen. Das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle hat in
Reaktion auf das Gutachten mit "Ergänzungsbeschluss zur Entscheidung Nr. 4530" vom
6. November 2003 entschieden, die CD bleibe in der Liste der jugendgefährdenden
Medien; das Gutachten I1. überzeuge nicht. Wegen der Einzelheiten dieses
Beschlusses wird auf Bl. 314-323 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Beklagte
macht zur Begründung der Berufung geltend: Ihre Einschätzung der Jugendgefährdung
sei nicht widerlegt; dem Gutachten I1. sei nicht zu folgen. Schon Form und Inhalt des
Gutachtens seien zu bemängeln; es weise sachliche Unvollständigkeiten und Fehler
auf, die Aussagen würden nicht belegt, neuere Literatur sei nicht berücksichtigt, die
Beweisfrage nicht beantwortet worden; zudem deute die Art der Ausführungen auf eine
Befangenheit des Gutachters hin. Demgegenüber ergebe sich die Jugendgefährdung
vor allem aus dem Fehlen jeglicher Einbindung der auf der CD wiedergegebenen
Vorgänge in einen sozialen Kontext. Dadurch werde suggeriert, Sexualität habe einen
Wert unabhängig von sozialer Bindung. Die CD sei für Jugendliche auch interessant;
denn dargestellt würden Vorgänge aus Veranstaltungen, an denen sie nach den
Vorschriften des Jugendschutzrechts nicht teilnehmen dürften; gerade dies errege das
Interesse, die Darbietungen solcher Veranstaltungen zumindest über die CD zu
erfahren. Bezeichnenderweise habe sich die Klägerin nicht verpflichten wollen,
inhaltsgleiche CDs nicht mehr zu produzieren. Eine Gefährdung gehe aber nicht nur von
der CD selbst aus, sondern auch von den erheblichen Verbreitungs- und
Vervielfältigungsmöglichkeiten, u.a. über Ausdrucke und über das Internet. Die im
Vergleich mit Printmedien deutlich dauerhaftere Verkörperung und dadurch gegebene
Verfügbarkeit der Inhalte verstärke deren potenzielle jugendgefährdende Wirkung. Die
Prüfung des Kunstwertes und die Abwägung mit dem Jugendschutz seien
sachangemessen vorgenommen worden. Die Beklagte beantragt, das angefochtene
Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung
zurückzuweisen. Sie hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unter Vertiefung
ihres bisherigen Vortrags für zutreffend. Dass von ihrer CD keine Jugendgefährdung
ausgehe, werde im Gutachten I1. überzeugend bestätigt. Aus dem
Ergänzungsbeschluss vom 6. November 2003 folge nichts anderes. Der
Ergänzungsbeschluss sei schon formell rechtsfehlerhaft, weil an ihm kein Vertreter der
Gruppe Buchhandel teilgenommen habe. Im Übrigen veränderten sich die sittlichen
Maßstäbe im Laufe der Zeit; diesem Wandel sei durch ein angepasstes Verständnis der
Begriffe auch des Jugendschutzrechts Rechnung zu tragen. Der Sachverständige
zeichne den eingetretenen Wandel zutreffend nach. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten mit der streitigen CD Bezug
genommen. Entscheidungsgründe Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die
zulässige Klage ist begründet, weil die Bundesprüfstelle die Jugendgefährdung
unzutreffend gewichtet und die Verbreitungsmöglichkeiten der CD überschätzt hat,
infolgedessen einen Fall von geringer Bedeutung fehlerhaft verneint und es unterlassen
hat, ihr Ermessen auszuüben, von der Listenaufnahme abzusehen.
Die Entscheidung der Bundesprüfstelle vom 5. Oktober 1995 ist nach wie vor zulässiger
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Klagegegenstand; sie ist durch den Ergänzungsbeschluss vom 6. November 2003 nicht
ersetzt, sondern ausschließlich in den Gründen ergänzt worden. Zwar erwecken einige
Formulierungen und Passagen des Ergänzungsbeschlusses wie auch des
Benachrichtigungsschreibens der Bundesprüfstelle an die Klägerin vom 7. November
2003, in dem von einer Entscheidung über einen (nicht gestellten)
"Wiederaufnahmeantrag" die Rede ist, den Eindruck, dass eine erneute (ersetzende)
Entscheidung über die Listenaufnahme auf der Grundlage des neuen
Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730 - JuSchG) getroffen werden
sollte. Die Formulierungen sind jedoch nicht eindeutig und zwingend, zumal in
Anbetracht der im Bereich nachträglicher wertender Erwägungen des Zwölfergremiums
bei noch nicht bestandskräftig in die Liste aufgenommenen Medien bestehenden
Unsicherheiten und Unklarheiten, sodass eine Auslegungsnotwendigkeit besteht. Dabei
kommt der Klarstellung der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat, die nach telefonischer Rücksprache mit der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle,
die die Sitzung am 6. November 2003 geleitet hatte, erfolgt ist, erhebliche Bedeutung zu;
danach ging es lediglich darum, die Begründung der ursprünglichen Entscheidung um
Erwägungen anzureichern, aus denen die Listenaufnahme von Anfang an gerechtfertigt
gewesen sei. Dieses Verständnis deckt sich auch mit der Vorgeschichte und der daraus
resultierenden Interessenlage, den im Berufungsverfahren geäußerten Bedenken des
Senats Rechnung zu tragen und zu dem Gutachten I1. mit dem vollen Gewicht des
sachverständigen Gremiums der Bundesprüfstelle Stellung zu nehmen. Einer neuen
Listenaufnahme, die ohnehin nur für die Zukunft hätte Wirkung entfalten können,
bedurfte es unter keinem Gesichtspunkt, und eine Listenstreichung, die eine erneute
Befassung des Zwölfergremiums erfordert hätte (§ 24 Abs. 4 Satz 3 JuSchG) war von
vornherein nicht ins Auge gefasst. Ist Streitgegenstand mithin nach wie vor
ausschließlich die Indizierungsentscheidung von 1995, so ist der gerichtlichen Prüfung
weiterhin das im Zeitpunkt ihres Ergehens noch geltende Gesetz über die Verbreitung
jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjSM) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 12. Juli 1985 (BGBl. I S. 1502) mit nachfolgenden Änderungen
zugrunde zu legen.
Formale Mängel der Indizierungsentscheidung sind nicht ersichtlich. Soweit die
Klägerin bemängelt, dass am Ergänzungsbeschluss vom 6. November 2003 kein
Beisitzer der Gruppe Literatur mitgewirkt hat, vermag dies nach den vorstehenden
Ausführungen die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Listenaufnahme von
vornherein nicht zu berühren. Im Übrigen ist, soweit es im Weiteren um die Wertung und
Gewichtung der Ausführungen im Ergänzungsbeschluss geht, zu beachten, dass die
Beschlussfähigkeit des Zwölfergremiums nach der im Zeitpunkt der Sitzung am 6.
November 2003 hierfür geltenden Regelung in § 19 Abs. 5 Satz 2 JuSchG nicht
beeinträchtigt war. Der Beisitzer T1. , dessen Fehlen die Klägerin rügt und gegen den
sie ihren Befangenheitsantrag vom 28. Oktober 2003 (Eingang bei der Bundesprüfstelle
am 4. November 2003) gerichtet hatte, war offensichtlich so kurzfristig verhindert, dass
die bis zur Sitzung verbleibende Zeit eine ordnungsgemäße Vorbereitung seines
Vertreters nicht mehr erlaubte.
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Die Indizierungsentscheidung leidet, soweit darin eine Jugendgefährdung dem Grunde
nach bejaht wird, auch nicht an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern. Das
Zwölfergremium hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Voraussetzung
des § 1 Abs. 1 GjSM, nämlich die Eignung, Kinder oder Jugendliche sittlich zu
gefährden, gegeben war.
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Die Beurteilung der Jugendgefährdung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung,
wobei allerdings die diesbezüglichen Erwägungen und Wertungen des
Zwölfergremiums als sachverständige Aussagen zu begreifen sind, die im
Verwaltungsprozess wirksam in Frage zu stellen denselben Aufwand erfordert, der
notwendig ist, um die Tragfähigkeit fachgutachtlicher Äußerungen zu erschüttern.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 1996 - 6 C 15.94 -, Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 20,
S. 2 f.; Urteil vom 26. November 1992 - 7 C 20.92 -, Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 18, S.
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Der Senat hat sich durch Betrachten der CD und Kenntnisnahme von den
Begleitinformationen einen Eindruck verschafft und kommt zu dem Ergebnis, dass die
Schlussfolgerung der Bundesprüfstelle auf einen möglichen schädigenden Einfluss auf
Kinder oder Jugendliche zutrifft. Wenngleich die Indizierungsentscheidung - auch unter
Einbeziehung der Gründe des Ergänzungsbeschlusses - in erheblichem Umfang
Erwägungen zur Jugendgefährdung beinhaltet, die genauer Nachprüfung nicht
standhalten - hierauf ist unten zurückzukommen -, so hat das Zwölfergremium jedenfalls
doch auch überzeugende Gründe dafür aufgezeigt, dass die CD im Sinne des § 1 Abs. 1
GjSM geeignet ist, Kinder oder Jugendliche sittlich zu gefährden. Diese Einschätzung
hält auch vor dem Gutachten I1. stand. Anlass zu weiterer Aufklärung besteht nicht, da
die sachverständig zu beleuchtenden Aspekte im vorliegenden Material umfänglich
behandelt worden sind. Die Einwände der Beklagten gegen die Verwertbarkeit des
Gutachtens I1. greifen nicht. Soweit sie an die Schärfe bestimmter Formulierungen
anknüpfen, gehen sie fehl, weil der Boden der sachlichen Auseinandersetzung unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass mit klarem Text die beste Verfahrensförderung
zu erzielen ist, noch nicht verlassen ist; auf Empfindlichkeiten braucht sich ein
Sachverständiger bei Einrichtungen wie der Bundesprüfstelle und dem Zwölfergremium
nicht um den Preis mangelnder Deutlichkeit seiner Einschätzung einzustellen. Soweit
eine sachliche Fundiertheit des Gutachtens vermisst wird, ist dies - nicht zuletzt
gemessen an dem Standard der ebenfalls als sachverständige Wertungen
anzusehenden Ausführungen der Bundesprüfstelle in ihren Bescheiden - insgesamt, vor
allem aber in den nachfolgend ausgewerteten Passagen nicht zu bestätigen; der
Sachverständige hat insbesondere die von der Bundesprüfstelle als unbeachtet
angeführte Literatur offensichtlich gekannt und ausgewertet. Was andererseits die
Ausführungen im Ergänzungsbeschluss angeht, hat der Senat ebenfalls keine
Bedenken, sie seiner Überzeugungsbildung zugrunde zu legen. Zwar liegt die
Vermutung nahe, dass sie maßgeblich von dem Bemühen getragen sind, das Ergebnis
der ursprünglichen, in ihrer Begründung jedenfalls nicht tragfähigen - und so die
Durchführung der Beweisaufnahme veranlasst habenden - Indizierungsentscheidung zu
halten; die neue Begründung legt aber die Erwägungen so deutlich und umfassend dar,
dass eine sachliche Beschäftigung mit den Einzelaspekten möglich ist.
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Das Zwölfergremium verbindet im Ergänzungsbeschluss die im Katalog des § 18 Abs. 1
Satz 2 JuSchG (entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 2 GjSM) beispielhaft genannten
"unsittlichen" Medien mit dem Verständnis der Voraussetzungen des Grundtatbestandes
(§ 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG, § 1 Abs. 1 Satz 1 GjSM) und geht davon aus, dass ein
Gefährdungspotenzial insbesondere zu bejahen ist, wenn Kinder oder Jugendliche
durch unsittliche Inhalte eines Mediums sozialethisch desorientiert werden können.
Dieser Ansatz ist nicht zu beanstanden. Da Kinder und Jugendliche ihre Sexualität
entwickeln müssen, dabei auf Orientierungspunkte zurückgreifen und somit durch
äußere Einflüsse steuerbar sind, kann all jenen Medien eine jugendgefährdende
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Wirkung zuzusprechen sein, deren Inhalt gesellschaftlich anerkannten sittlichen Normen
eklatant zuwiderläuft. Denn mit dem Begriff der Gefährdung verlangt § 1 Abs. 1 Satz 1
GjSM keine konkrete oder gar nachweisbare Wirkung im Einzelfall; eine Gefährdung ist
vielmehr schon dann zu bejahen, wenn eine nicht zu vernachlässigende
Wahrscheinlichkeit angenommen werden darf, dass überhaupt Kinder und/oder
Jugendliche durch die dargestellten Inhalte beeinflusst werden können. In diesem Sinne
hat das Zwölfergremium im Ergänzungsbeschluss (S. 3 f.) einleuchtende, von der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgegriffene Kriterien dafür aufgestellt, wann
unsittlichen Medien eine als gefährdend einzustufende Möglichkeit zur Desorientierung
über maßgebliche Normen innewohnt. Von diesen Ausgangspunkten des
Zwölfergremiums her ist eine Jugendgefährdung der streitigen CD (noch) zu bejahen.
Die Unsittlichkeit der CD ergibt sich daraus, dass jedenfalls etliche der auf ihr
enthaltenen Bilder eine große Spannweite von Handlungen mit ausgeprägten sexuellen
Bezügen zum Gegenstand haben, wie sie auch Gegenstand pornographischer Medien
sind. Die Abbildungen beschränken sich zwar durchweg auf mehr oder weniger
symbolische Andeutungen der gemeinten Praktiken, stellen diese aber doch in einer
durchaus derben und anschaulichen, auch für Kinder und Jugendliche weithin schon
konkret deutbaren, jedenfalls in ihren Bezügen auf das Geschlechtliche erkennbaren
Weise dar. Dass die deutsche Medienlandschaft von vergleichbaren Darstellungen
durchdrungen ist, worauf die Klägerin und der Sachverständige I1. hinweisen, lässt nicht
den Schluss zu, sie seien gesellschaftlich akzeptiert und müssten deshalb im
vorliegenden Zusammenhang hingenommen werden. Die Abbildungen verletzen auch
heute noch bestehende Tabuzonen und Schamgrenzen und überschreiten den Rahmen
des allgemein sozial Akzeptierten. Auch nach dem Gutachten I1. (S. 5) gehören
vergleichbare Darstellungen nur für "Teile" der Gesellschaft zum Normalverhalten;
selbst die wöchentlich in Millionenauflage erscheinenden Soft-Sex-Zeitschriften wie "Q.
", "X. ", "C. -J. " oder "D. " sind als für Teile der Bevölkerung lediglich "tolerierter"
Bestandteil der Presselandschaft zu betrachten (Gutachten S. 11). Dementsprechend ist
das "visuelle" Überschreiten der hier bestehenden Tabu- und Schamgrenzen im
Fernsehen immer noch vor allem auf die Zeit nach 23.00 Uhr verwiesen (S. 6), und
werden Vorführungen der auf der CD dargestellten Art auf nicht jedermann frei und
unvorbereitet zugängliche Bereiche, wie etwa Diskotheken mit Eingangskontrolle,
beschränkt. Im Sinne einer Jugendgefährdung ist für das Gericht insbesondere der
Aspekt überzeugend, dass die sexuellen Handlungen oder Praktiken unter
Ausklammerung aller sonstigen sozialen Bezüge präsentiert werden. Das
Zwölfergremium hebt im Ergänzungsbeschluss (S. 4 und 6) solche Medien als
jugendgefährdend hervor, in denen das Leben als auf Sexualgenuss zentriert oder die
sexuelle Betätigung und Befriedigung als der das Leben allein beherrschende Wert
dargestellt wird. Der Senat schließt sich dieser Bewertung an, auf die sich die Beklagte
namentlich auch in der mündlichen Verhandlung tragend gestützt hat. Desorientierend
wirken können diese Darstellungen, weil sie dem anerkannten Entwicklungs- und
Erziehungsziel der Jugendschutzgesetzgebung zuwiderlaufen, die Sexualität in eine
gemeinschaftsfähige Gesamtpersönlichkeit zu integrieren. Demgegenüber suggeriert
die streitige CD ein Bild der Ausschließlichkeit, Selbstverständlichkeit sowie Problem-
und Bedenkenlosigkeit rascher sexueller Kontakte, unter Wahrnehmung des anderen
nur in dessen sexuellen Bezügen, mithin frei von einer Einbindung in die Person als
ganze erfassende komplexere Sozialbeziehungen. Dies hat unmittelbare Berührung mit
einem zentralen Punkt der Entwicklung der Persönlichkeit und insbesondere der
Beziehungsfähigkeit. Es ist von der Klägerin über die schon erörterten Ansätze hinaus
substanziell nichts dargetan und auch in Auswertung des Gutachtens I1. nichts
ersichtlich, was der Bewertung der Bundesprüfstelle hinsichtlich dieser Grundannahme
die Überzeugungskraft nehmen könnte. Der Hinweis des Sachverständigen (S. 19), für
eine jugendgefährdende Wirkung von Darstellungen unterhalb der Pornographiegrenze
und ohne Gewaltelemente fehlten wissenschaftliche Beweise, geht an der Zielrichtung
des Gesetzes vorbei, Gefährdungen unter Vorsorgegesichtspunkten auch unterhalb des
wissenschaftlich Greifbaren möglichst auszuschließen. Nicht zuzustimmen ist der
Einschätzung eines "mittleren" Grades der Jugendgefährdung (S. 8 des
Ergänzungsbeschlusses), weil die zum Beleg der Wertung angeführten Umstände nicht
tragen. Das Gericht, das sich wegen der Grundrechtsrelevanz der
Indizierungsentscheidung auch hinsichtlich des Gefährdungsgrades eine Überzeugung
zu bilden hat - BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE
83, 130, 145 (zu 4a) und 147 - vermag auf der Grundlage der gesamten Erkenntnisse
lediglich eine Gefährdung im unteren Bereich festzustellen. Der Ausgangspunkt, eine
Stufung unsittlicher Medien im Grad der Jugendgefährdung zugrunde zu legen, ist
rechtlich zutreffend. Das Maß der Gefährdung variiert dabei vor allem aufgrund der
Kriterien, die die Unsittlichkeit begründen; als qualifizierend sind insbesondere die vom
Zwölfergremium (S. 3 f. des Ergänzungsbeschlusses) genannten Merkmale
anzuerkennen, wie etwa: Verherrlichung von Promiskuität, Gruppensex oder
Prostitution, Präsentation von Menschen als jederzeit verfügbare Lust- und
Sexualobjekte, Gewaltanwendungen oder sonst entwürdigende Darstellungen.
Indessen kommt den Bildern, auch den von der Bundesprüfstelle ausdrücklich
bezeichneten, eine entsprechende Qualität nicht, jedenfalls nicht mit nennenswertem
Gewicht zu. Es ist nach Überzeugung des Senats aufgrund eigenen Eindrucks und der
Wertung des Sachverständigen I1. eine Fehlinterpretation, wenn in der
Indizierungsentscheidung (S. 3 f.) "frauenverachtende" Darstellungen gesehen werden,
bei denen die Darstellerinnen infolge der Zurschaustellungen ihrer Menschenwürde
beraubt würden. Nicht überzeugender ist die diese Behauptung bekräftigende
Bewertung des Ergänzungsbeschlusses (S. 5), zahlreiche Bilder seien als
entwürdigend zu bezeichnen, weil Frauen als "willfährige Sexsklavinnen" dargestellt
und auf einen "Objektstatus degradiert" würden. Die Darstellerinnen, auf die die
Bundesprüfstelle abhebt, agieren in den Augen des Betrachters durchweg
selbstbewusst, teilweise dominierend und erwecken stets den Eindruck, sich wohl zu
fühlen; auch die Frauen aus dem Publikum nehmen erkennbar freiwillig und nicht als
"Sexsklavinnen" an den Diskothekenspielen teil (so auch Gutachten I1. S. 15 f.).
Gleiches gilt für die weiteren - auch die männlichen Darsteller einbeziehenden -
Ausführungen des Ergänzungsbeschlusses zu den Sexualobjekten. Gerade aus der
vermittelten Stimmung der Freiwilligkeit und des Wohlfühlens resultiert ja auch die oben
beschriebene suggerierte Aussage, isoliertes Sexualverhalten mache Spaß und sei ein
Wert an sich. Es kann ferner nicht davon die Rede sein, der Blick der Kamera sei
"unterleibs"-fixiert, denn die Bilder zeigen überwiegend den ganzen Menschen, häufig
sogar Personengruppen. Ebenso wenig sind deviante oder gar entwürdigende
Sexualpraktiken herausgestellt, zumal die Szenen stets und nach dem Eindruck des
Senats deutlich das Moment des Spielerischen wahren. Aus der weiter angeführten
Zahl der auf der CD enthaltenen Bilder lässt sich schon deswegen keine gesteigerte
Jugendgefährdung herleiten, weil die Bundesprüfstelle selbst nur von einem Bruchteil
eindeutig zu beanstandender Abbildungen ausgeht - hingewiesen wird auf 18 Bilder -,
im Übrigen die Quantität hier nicht in eine zu beanstandende Qualität umschlägt,
vielmehr die Masse der Bilder, die weithin - wie auch der Sachverständige I1.
hervorhebt (S. 15) - eher Heiterkeit, Staunen oder irritiertes Kopfschütteln auslösen,
letztlich ermüdet und zu Langeweile führt. Ob schließlich die von der Bundesprüfstelle
herangezogenen Kriterien für die voraussichtliche Verbreitung eines Mediums bei der
Einschätzung bereits des Gefährdungsmaßes zu berücksichtigen ist, bedarf keiner
Entscheidung; denn wie unten noch auszuführen, treffen die Annahmen der
Bundesprüfstelle insofern nicht zu. Eine Abwägung der (geringen) Jugendgefährdung
mit der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) ist nicht geboten. Dem Bereich der Kunst
können weder die CD noch ihre Inhalte zugeordnet werden. Auch insoweit unterliegt die
Auffassung des Zwölfergremiums uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Der
streitigen CD kommt nach Form und Inhalt keines der in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entwickelten Merkmale der Kunst zu. Vgl. zu den Kriterien
Senatsurteil vom 23. Mai 1996 - 20 A 298/94 -, UA S. 13 m.w.N. Tatsächlich handelt es
sich um ohne eigenen Gestaltungswillen aneinandergefügtes Werbematerial in der Art
eines elektronischen Kataloges mit allenfalls Informationscharakter. Dementsprechend
hat auch die Klägerin zu keiner Zeit einen künstlerischen Anspruch der CD geltend
gemacht, sondern spricht lediglich von einer "Bildersammlung". Erforderlich war vor der
Entscheidung über die Listenaufnahme jedoch eine Ermessensausübung gemäß § 2
Abs. 1 GjSM (jetzt § 18 Abs. 4 JuSchG), da die Bundesprüfstelle im Indizierungs- wie im
Ergänzungsbeschluss eine geringe Bedeutung des Falles zu Unrecht verneint hat. Das
Merkmal der "geringen Bedeutung" stellt sich als unbestimmter, gerichtlich voll
überprüfbarer Rechtsbegriff dar. Zu seiner Ausfüllung hat die Rechtsprechung vorrangig
auf das Verhältnis zwischen der Schwere der Jugendgefährdung eines Mediums und
dem Umfang ihrer voraussichtlichen Verbreitung abgestellt. Die Annahme einer
geringen Bedeutung kommt demgemäß bei einem Gefährdungsgrad von Gewicht
grundsätzlich schon bei einer geringen Verbreitungswahrscheinlichkeit nicht mehr in
Betracht. Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1971 - I C 31.68 -, Buchholz
436.52 § 1 Nr. 8, S. 11. Liegt - umgekehrt - die Jugendgefährdung ebenso wie der
potenzielle Verbreitungsgrad im unteren Bereich, so spricht dies regelmäßig für eine
Geringfügigkeit. So liegt der Fall hier: Für die Beurteilung der Geringfügigkeit kommt es
ebenfalls auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Listenaufnahme
an. Hinsichtlich der einzustellenden Verbreitung der CD unter Kindern oder
Jugendlichen geht der Sachverständige I1. davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit im
Jahre 1995 außerordentlich gering war (Gutachten S. 9, 14). Diese Einschätzung
gründet - sachlich überzeugend und ohne durchgreifende Kritik der Beklagten - in der
geringen inhaltlichen Attraktivität der CD sowie in den unzulänglichen technischen
Bedingungen im Indizierungszeitpunkt (S. 8 f.). Was die technischen
Nutzungsmöglichkeiten anlangte, so stand schon die geringe Zahl geeignet
ausgestatteter Heimcomputer einer weiteren, erst recht der von der Beklagten
gesehenen "flächendeckenden" Verbreitung entgegen; denn Heimcomputer waren
seinerzeit noch nicht serienmäßig mit CD-ROM-Laufwerken ausgerüstet und verfügten
überdies meist nicht über ausreichend dimensionierte, d.h. teure, Prozessoren. Die CD
konnte mithin von vornherein nur einen sehr kleinen Adressatenkreis ansprechen,
vorwiegend junge Erwachsene mit technischen Neigungen und überdurchschnittlichen
finanziellen Möglichkeiten, weshalb der Sachverständige sie treffend als "Special-
interest"-CD kennzeichnet (S. 16). Dies mag auch die von der Klägerin angegebene
seinerzeit übliche Auflage ähnlicher CDs erklären, die mit bis zu 5.000 Stück immer
noch gering ist. Die Kaufneigung Jugendlicher wurde zudem ersichtlich durch den im
Vergleich zu Printmedien mit ähnlichen Inhalten und - wie der gerade mit dem vollen
Spektrum der Medien vertraute Sachverständige erklärt hat - ebenfalls beträchtlicher
Bilderzahl von 100 bis 150 (Gutachten S. 16) hohen Preis gedämpft. Die vom
Zwölfergremium weiter angenommene Möglichkeit zur "einfachsten Weiterverbreitung
und Vervielfältigung" trifft nicht zu. Private Nutzung ist zwar erlaubt, doch war die
Vervielfältigung durch Kopieren der CD in der Praxis des normalen Nutzers nicht
möglich und ergab das Ausdrucken einzelner Bilder, die sich dann ohnehin wieder den
Printmedien annäherten, ergab Produkte von mäßiger Qualität (vgl. Gutachten I1. S. 8).
Einer gewerblichen Verbreitung steht schon das Urheberrecht entgegen, auf das die
Klägerin nicht verzichtet hat. Die Einstufung der CD als "Shareware" durch die
Bundesprüfstelle ist, wenn dieser Begriff im Sinne einer freien, auch kommerziellen
Verfügbarkeit verstanden wird, schlicht falsch. Vgl. zum Begriff der Shareware
Computerlexikon, Ausgabe 2002, Stichwort "Shareware". Auch das Internet stand als
Übertragungsweg einzelner Bilder und Sequenzen erst am Anfang seiner Entwicklung.
Die im Ergänzungsbeschluss (S. 8) enthaltene These vom "Hauptgefährdungsweg" der
Verbreitung einzelner Bilder, die für Jugendliche unter 16 Jahren von großem Interesse
seien, ist daher ohne nennenswertes Gewicht. Im Übrigen vermochte und vermag die
CD auch von ihrer Handhabung und ihrem Inhalt her nur geringes Interesse zu wecken:
Sie bietet keine Verknüpfung verschiedener Medien, keine Interaktion und keine
Optionen zu spielerischem, individuellem Umgang mit den Inhalten; technisch möglich
ist lediglich ein starres Abrufen der vorgegebenen Bilder. Die spezifische Stimmung der
abfotografierten Partys stellt sich beim Betrachter über die schlichte Abfolge der Fotos
nicht ein, die Bildqualität ist wegen der geringen Auflösung von schlechter Qualität
("Mäuse-Kino") und selbst die Videosequenzen sind nicht mit dem Originalton, sondern
mit elektronisch generierten Musikschleifen unterlegt. Eine Einbindung in einen
redaktionellen Kontext, der stimulierend wirken könnte, fehlt gänzlich. Handelt es sich
mithin entgegen der Ansicht der Bundesprüfstelle um einen Fall von geringer
Bedeutung, so kommt eine Listenaufnahme nur nach Maßgabe einer
Ermessensentscheidung in Betracht, in der die für und gegen die Indizierung
sprechenden Gründe - unter Einbeziehung der Interessen der von den Folgen der
Indizierung Betroffenen - fehlerfrei abgewogen werden. Dieses Ermessen, für das eine
Reduzierung auf Null im Sinne der Indizierung jedenfalls nicht zu konstatieren ist, hat
die Bundesprüfstelle von ihrem unzutreffenden Ausgangspunkt her weder in der
ursprünglichen Entscheidung noch im Ergänzungsbeschluss ausübt
(Ermessensausfall). Dem Senat ist es verwehrt, die Ermessensausübung nachzuholen
oder den Fehler zu heilen, sodass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision ist
nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben
sind.