Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.04.1998

OVG NRW (plangenehmigung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, schutz der rechte anderer, gutachten, körperliche unversehrtheit, aufschiebende wirkung, genehmigung, beurteilung, anordnung, umfang)

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 B 960/97.AK
Datum:
24.04.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
20 B 960/97.AK
Tenor:
Die Anträge werden abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen. Der Streitwert beträgt 20.000,-- DM.
Gründe Die Anträge der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage OVG
NW 20 D 76/97.AK gegen die Plangenehmigung der Antragsgegnerin vom 17. März
1997 wiederherzustellen, hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen
Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ("unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichtes") zu verpflichten, der Beigeladenen gemäß § 9 Abs. 2 LuftVG die
Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzugeben, die zur Sicherung der Benutzung
ihres Grundstücks gegen Gefahren und Nachteile notwendig sind, bleiben ohne Erfolg.
I. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist nicht begründet. Die
sofortige Vollziehung der Plangenehmigung vom 17. März 1997 liegt im überwiegenden
Interesse der Beigeladenen und zudem im öffentlichen Interesse, §§ 80 a Abs. 3, 80
Abs. 5 VwGO. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin
gegen die genannte Plangenehmigung bietet keinen zwingenden Anlaß für eine
Aussetzung der Vollziehung. Die Erfolgsaussichten als Element der Abwägung sind in
die Entscheidung nach § 80 a Abs. 3 VwGO nicht zuletzt deshalb verstärkt
einzubeziehen, weil das Postulat des Suspensiveffektes als Regelfall, vgl. § 80 Abs. 1
VwGO, bei der Anfechtung eines - begünstigenden - Verwaltungsaktes durch
Drittbetroffene wegen der notwendigerweise gebotenen gleichrangigen
Berücksichtigung der Rechtsposition des durch den Verwaltungsakt Begünstigten an
Grenzen stößt; dessen Rechtsposition ist nämlich grundsätzlich nicht weniger
schützenswert als diejenige des Drittbetroffenen. Vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.
Februar 1987 - 20 D 55/86 -, vom 1. Juni 1995 - 20 B 1266/95.AK - und vom 21.
Dezember 1995 - 20 B 2864/95.AK -. Bei der danach gebotenen, allerdings wegen der
Art des Verfahrens nur summarischen Prüfung sind die Erfolgsaussichten der
hauptsächlich verfolgten Anfechtungsklage als eher offen einzustufen. Einer
vertiefenden Befassung mit der Frage, ob die Voraussetzungen für ein
Plangenehmigungsverfahren und für die Erteilung einer Plangenehmigung objektiv - mit
Blick auf alle möglicherweise Betroffenen - vorliegen, bedarf es nicht.
Streitentscheidend ist vielmehr, ob die Plangenehmigung aus Gründen rechtswidrig
sein könnte, die eine Rechtsverletzung der Antragstellerin beinhalten und eine
Aufhebung der Plangenehmigung rechtfertigen. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2
1
Satz 1 LuftVG, unter denen an Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine
Plangenehmigung erteilt werden kann, dürften jedenfalls insoweit vorliegen, als sie dem
Schutz der Rechte der Antragstellerin dienen. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LuftVG verlangt
zunächst durch die sachliche Bezugnahme auf Abs. 1 Satz 1 ("An Stelle ...") eine
grundsätzlich planfeststellungsbedürftige Maßnahme im Sinne des Absatzes 1, also
eine Änderung der (baulichen) Anlagen des Flugplatzes, vgl. Hofmann/Grabherr,
Luftverkehrsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. (Stand: Februar 1997), § 8 Rdnr. 26, ein
Erfordernis, das von der plangenehmigten Befestigung der Stoppbahnen und ihrer
Einbeziehung in die Start- und Landebahn des Verkehrslandeplatzes (A. I. und II. 2 zu
Nr. 4) erfüllt wird. Die grundsätzliche Planfeststellungsbedürftigkeit der Maßnahme
eröffnet mithin, anders als die Antragstellerin meint, überhaupt erst die rechtliche
Befugnis zur Erteilung einer Plangenehmigung; auf die Wesentlichkeit oder
Geringfügigkeit der Maßnahme kommt es hingegen nicht an. Auch eines
planfestgestellten oder gar objektiv rechtmäßigen Status des Flugplatzes als
Anknüpfungspunkt für die Erteilung einer Plangenehmigung bedarf es nicht. Dies erhellt
schon aus der Erwägung, daß ein Betroffener ansonsten im Rahmen der Prüfung einer
Plangenehmigung mehr verlangen könnte als im Rahmen der Anfechtung
vorausgegangener Zulassungsakte. Es spricht derzeit nicht viel dafür, daß die
Maßnahmen, die Gegenstand der Plangenehmigung geworden sind, Rechte der
Antragstellerin im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LuftVG beeinträchtigen. Dem Begriff
"Rechte anderer" unterfallen subjektiv-rechtlich verfestigte Positionen, insbesondere
Eigentums- oder eigentumsgleiche (dingliche) Rechte sowie das Recht auf körperliche
Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), vgl. Bundestags-Drucksache 12/4328, S. 22 (zu Nr. 1)
oder S. 19 (zu § 36b) und schon Bundestags-Drucksache 12/1092 (S. 10) zu § 4
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgese tz, nicht aber die bei jeder
raumbeanspruchenden Planung wertend in die Abwägungsentscheidung
einzubeziehenden Belange Dritter. Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 1996 - 11 A
100.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 18 (S. 71); Beschluß vom 29. Dezember 1994 -
7 VR 12.94 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 3; Hofmann/Grabherr, a.a.O. § 8 Rdnr. 44;
Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. 1998, § 74 Rdnr.
143; Rosenbach, DVBl. 1997, 1223 f.; a.A. Jarass, DVBl. 1997, 795 (796 f.). Die
Antragstellerin macht geltend, durch die Regelungen der Plangenehmigung vom 17.
März 1997 in Gesundheit und Eigentum beeinträchtigt zu sein - andere möglicherweise
beeinträchtigte Rechte sind nicht ersichtlich -, weil der durch sie ermöglichte Luftverkehr
sie mit zusätzlichen Immissionen, insbesondere in der Gestalt von Lärm, belaste. Diese
Auffassung kann sich derzeit nicht auf einen greifbaren Anhalt stützen. Die Bestimmung
der Grenze, jenseits derer die Belastung durch Fluglärm der Antragstellerin nicht mehr
zugemutet werden kann, so daß ihre Rechte verletzt sind, hat sich an der durch die
Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse im übrigen bestimmten Schutzwürdigkeit
und Schutzbedürftigkeit des konkret zu betrachtenden Grundstücks zu orientieren.
Dabei können sich tatsächliche wie plangegebene Geräuschvorbelastungen, zu denen
gegebenenfalls auch die Lärmeinwirkungen durch den bestehenden Flugplatz selbst
gehören, schutzmindernd auswirken. Sie bilden allerdings unter den Faktoren, die die
Zumutbarkeitsgrenze situationsbedingt und einzelfallbezogen festlegen, nur eines der
Wertungskriterien. Es ist deshalb nicht zwingend, eine Ausbaumaßnahme ungeachtet
sonstiger Umstände allein deswegen für unbedenklich zu halten, weil sie nur zu einer
geringfügigen Erhöhung der Lärmwerte führt. Ebensowenig dürfte die Rechtsprechung
zur Vorbelastung ein tauglicher Ansatz sein, um die Grenze der Zumutbarkeit im Wege
mehrerer kleiner Ausbauschritte (in der Art einer "Salamitaktik") zu Lasten der
betroffenen Umlieger hinauszuschieben. Dies vorausgeschickt, entnimmt der Senat im
vorliegenden Verfahren die Vorbelastung dem "Fluglärmtechnischen Gutachten auf der
Basis der Prognose von 43.000 Bewegungen/Jahr" des Sachverständigen X. vom 8.
Juli 1994. Dieses Gutachten beleuchtet die Lärmbelastung aus dem Flugbetrieb, der
sich nach der - gegenüber der Antragstellerin bestandskräftigen - Genehmigung vom 14.
Juli 1986 und der dieser zugrundeliegenden Prognose zumutbarerweise einstellen
durfte und den die Antragstellerin deshalb jedenfalls mit Bezug auf diese Genehmigung
als Vorbelastung gegen sich gelten lassen muß. Vgl. auch Senatsurteil vom 2. Februar
1995 - 20 A 3485/91 -, UA S. 46 ff. Hingegen erscheint es kaum zu vertreten - wie die
Antragsgegnerin es tut -, darüber hinaus ein gedachtes weiteres Anwachsen der
Flugbewegungen auf der Grundlage der genannten Genehmigung von 1986 auf
48.000/Jahr als Vorbelastung zu Lasten der Antragstellerin in Ansatz zu bringen. Es ist
schon fraglich, ob ein solches Anwachsen hier eine realistische Grundlage hat, was
angesichts der rückläufigen Bewegungszahlen der Jahre 1991 bis 1996 und der
Aussage der Plangenehmigung (S. 40), der Flugplatz stoße "bereits heute in seinem
bisherigen Zustand ... in Spitzenzeiten an seine Kapazitätsgrenze", eher fernliegt. Vor
allem aber dürfte die Auffassung der Antragsgegnerin den Begriff der Vorbelastung
verkennen: Nicht jeder Zustand, der sich in einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich
eingestellt hat oder sich aufgrund der Zulassung des Flugplatzes einstellen könnte, ist
als Vorbelastung zu berücksichtigen. Vielmehr muß der jeweilige Zustand (etwa
aufgrund seines langfristigen Bestehens) tatsächlich prägend geworden sein oder - als
absehbare Veränderung - die schutzwürdigen Erwartungen des betroffenen Nachbarn
steuern, vgl. Kühling, Fachplanungsrecht, Rdnrn. 260-278, Voraussetzungen, die im
Falle der Antragstellerin mit Blick auf eine Bewegungszahl von 48.000/Jahr schwerlich
erfüllt sein dürften. Die Lärmauswirkungen, die auf die Plangenehmigung vom 17. März
1997 zurückzuführen sind, lassen sich mit Hilfe des Fluglärmtechnischen Gutachtens
des Sachverständigen X. vom 29. März 1996 in der Fassung des Nachtrags vom 28.
November 1997 bestimmen. Dieses Gutachten legt nach jetzigem Erkenntnisstand ein
realistisches Flugbetriebsszenario auf der Basis einer Bahnlänge von 1.450 m
zugrunde, insbesondere was die Flugbewegungszahl (48.000 pro Jahr) und die
Zusammensetzung des zu erwartenden Luftverkehrs (nach Hinzutreten einer
Flugzeugklasse S5R) anlangt; dies ist in der Plangenehmigung (S. 39 f.)
nachvollziehbar dargelegt. Es wäre auch nicht sachgerecht, durch Zugrundelegung
anderer Werte - etwa eines Flugzeugmix unter Einrechnung der gesamten
Flugzeuggruppe S 5 - die Wirkungen eines Flugbetriebes in Ansatz zu bringen, der von
der Anlage der Beigeladenen schon nach der Genehmigungslage keinesfalls ausgehen
kann. Deshalb ist es im Ausgangspunkt gerechtfertigt, daß der Sachverständige die
Flugzeuggruppe S 5 (Strahlflugzeuge mit einem Höchstabfluggewicht bis zu 150 t) nach
der von ihm herangezogenen Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen
(AzB) des Bundesministers des Innern vom 27. Februar 1975 (GMBl. 1975, 162), vgl. die
Ergänzung der AzB durch Erlaß des Bundesministers des Innern vom 20. Februar 1984
- U II 4 - 560 120/43 -, S. 28, den maßgeblichen Verhältnissen am Verkehrslandeplatz
der Beigeladenen entsprechend zu einer Gruppe S5R (Strahlflugzeuge mit einem
Höchstabfluggewicht bis zu 55 t, vgl. A. II.2.a der Plangenehmigung) modifiziert und die
vorgestellte Belastung auf dieser Grundlage berechnet hat. Der zu dem
Ausgangsgutachten erstellte Nachtrag vom 28. November 1997 berücksichtigt weiter zu
Recht die Änderungen, die sich bei den Flugstrecken durch die von der DFS Deutsche
Flugsicherung GmbH verfügte und bereits praktizierte Absenkung des Sinkwinkels für
Instrumentenanflüge auf 3 Grad ergeben. Diesen Nachtrag in die Betrachtung
einzubeziehen ist gerechtfertigt, geht es in ihm doch allein um die Feststellung von
Tatsachen im Zusammenhang mit der - uneingeschränkter richterlicher Überprüfung
unterliegenden - Frage, ob die Lärmbelastung Rechte der Antragstellerin beeinträchtigt.
Der Verwertung des Fluglärmtechnischen Gutachtens steht bei summarischer
Betrachtung nichts Durchgreifendes entgegen. Konkrete Berechnungsfehler behauptet
die Antragstellerin nicht. Ihre Kritik an der Heranziehung des äquivalenten
Dauerschallpegels (Leq) sowie des mittleren Maximalpegels als Maß für die Beurteilung
ihrer Belastungssituation dringt nicht durch. In der Rechtsprechung ist allgemein
anerkannt, daß die im Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 (BGBl. I
S. 282) und in der dazu ergangenen Anleitung zur Berechnung von
Lärmschutzbereichen vom 27. Februar 1975 bereitgestellten Rechenverfahren -
Vorgaben, derer sich der Sachverständige bedient hat - tragfähige Grundlage auch für
individuelle Lärmprognosen sein können. Ganz vorherrschende Überzeugung ist ferner,
daß die rechtliche Beurteilung von Tagfluglärm, wie er auch hier zu bewerten ist,
vorrangig an Mittelwerten wie dem Leq und dem mittleren Maximalpegel (MMP) zu
orientieren ist. Vgl. Senatsurteile vom 23. Januar 1998 - 20 A 3642/91 -, UA S. 33 f. und -
20 A 3484/91 -, UA S. 38; VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 19. Juni 1989 - 5 S
3111/87 -, VBlBW 1990, 56 (62, Nr. 4.2 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 7. Juli
1978 - 4 C 79.76 -, UA S. 38 und 63, Nr. 4.3.2.1), bestätigt durch BVerwG, Beschluß vom
5. Oktober 1990 - 4 CB 1.90 -, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10; BGH, Urteil vom 25.
März 1993 - III ZR 60/91 -, DVBl. 1993, 1089 (1090). Daß in Ergänzung dieser
Betrachtung hier zusätzlich auf die Verteilung, die absolute Zahl oder Charakteristika
von Einzelschallereignissen Bedacht zu nehmen sein könnte, ist derzeit nicht
erkennbar. Der Hinweis, die Einhaltung des im Gutachten X. vom 29. März 1996/28.
November 1997 zugrunde gelegten Flugbewegungsaufkommens und damit die
Ergebnisse des Gutachtens seien völlig ungesichert, geht am Wesen der Prognose
vorbei. Prognosen haften sachlogisch Unsicherheitsmomente an; sie sind deshalb
letztlich von der hierzu legitimierten Verwaltung zu verantworten und
verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkter Kontrolle unterworfen. Zu überprüfen sind
Prognosen allein darauf, ob sie auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe
methodisch sachgerecht erstellt worden sind. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4
C 13.85 -, BVerwGE 75, 214 (234); Beschluß vom 5. Oktober 1990 - 4 CB 1.90 -,
Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10 (S. 6). Daß diese Maßstäbe verletzt sein könnten,
läßt sich dem Vorbringen der Antragstellerin nicht entnehmen. Schon der bisher
genehmigte Betriebsumfang ließ den von der Antragstellerin als "Nischentourismus"
bezeichneten Charterverkehr - in begrenztem Umfang - zu. Die Plangenehmigung mag
hier zu einer gewissen Zunahme führen; dies entwertet die von der Antragsgegnerin
veranschlagte Bewegungszahl von 48.000/Jahr aber nicht, weil auch das nunmehr
zugelassene Fluggerät eine nennenswerte Ausdehnung des Charterreiseverkehrs nicht
zuläßt, wie in der Plangenehmigung (S. 44 f.) schlüssig dargelegt ist. Wie diese Frage
bei einer Verlängerung der Start- und Landebahn auf 2.000 m zu beurteilen wäre -
hierauf beziehen sich die von der Antragstellerin angeführten Zeitungsmeldungen -, ist
hier nicht zu entscheiden. Demgemäß ist nichts dafür ersichtlich, daß ein wesentlich
höheres Aufkommen an Flugbewegungen in der Klasse S5R erreicht werden könnte,
zumal der Betrieb auf dem Verkehrslandeplatz der Beigeladenen bislang - abgesehen
vom Jahr 1991 - nicht einmal die in der Genehmigung vom 14. Juli 1986
prognostizierten 43.000 Flugbewegungen/Jahr erreicht hat. Die in Parallelverfahren
vorgebrachten weiteren Einwände gegen die Gutachten müssen ggf. im
Hauptsacheverfahren geklärt werden. Für das Grundstück der Antragstellerin errechnet
sich nach dem Fluglärmtechnischen Gutachten vom 29. März 1996/28. November 1997
ein äquivalenter Dauerschallpegel von 60,3 dB(A) (statt bisher 59,7 dB(A)) und ein
mittlerer Maximalpegel von 82,9 dB(A) (statt bisher 82,8 dB(A)); die Werte erhöhen sich
mithin um 0,6 dB(A) bzw. 0,1 dB(A) gegenüber den entsprechenden Werten der
Vorbelastung. Die genannten Pegelerhöhungen gelten nach allgemeinen
Erkenntnissen der Akustik als nicht wahrnehmbar oder bewegen sich sogar im Bereich
des Meßfehlers. Vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Januar 1998 - 20 A 3642/91 -, UA S. 38
m.w.N. Schließlich ist nicht erkennbar, daß ungeachtet der Geringfügigkeit der
Geräuschimmissionszunahme eine Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin vorliegt,
sei es, weil die Immissionszunahme auf eine bereits eigentumsverletzende oder
gesundheitsgefährdende Vorbelastungssituation trifft, sei es, weil die genannten
Schwellen gerade durch die Immissionserhöhung überschritten werden. Daß die
enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle durch die oben bezeichnete
Endbelastung auch nicht näherungsweise erreicht ist, steht außer Frage. Zu den
insoweit anzusetzenden Werten vgl. bereits Senatsurteil vom 2. Februar 1995 - 20 A
3485/91 -, UA S. 46. Nichts anderes gilt für die Beurteilung der Gefährdung der
körperlichen Unversehrtheit. Der Gutachter K. weist in seinem medizinischen Gutachten
für den Ausbau des Verkehrslandeplatzes D. vom 2. November 1994, in seiner
medizinischen Stellungnahme "über die Auswirkungen des Fluglärms bei der
Vollnutzung der bestehenden S/L-Bahn" vom 5. Mai 1996 und in seiner Stellungnahme
zur Einschätzung von Guski vom 16. Januar 1997 die im Falle der Antragstellerin in
Rede stehenden Dauerschall- und Maximalpegelwerte dem Bereich lediglich einer
Belästigung zu; auch der Bereich des sog. Gefährdungsplateaus werde nicht erreicht.
Der Senat sieht weiterhin (vgl. S. 46 des vorgenannten Senatsurteils) keinen Grund,
dieser Bewertung nicht zu folgen, soweit sie die Frage der Gefährdung der
menschlichen Gesundheit betrifft; durchgreifende Bedenken hiergegen hat auch die
Antragstellerin nicht aufgezeigt. Eine Rechtsbeeinträchtigung zu Lasten der
Antragstellerin liegt weiterhin insoweit nicht vor, als es sich um sonstige Immissionen,
hier also um die Luftverunreinigungen, handelt; nachteilige Wirkungen auf Rechte der
Antragstellerin gehen von den durch den plangenehmigten Flugbetrieb verursachten
Luftverunreinigungen nicht aus. Das "Gutachten zu flugverkehrsbedingten gasförmigen
Immissionen in der Umgebung des Flughafens D. ", das der TÜV-Rheinland (Institut für
Umweltschutz und Energietechnik) unter dem 4. August 1994 zu dem geplanten Ausbau
der Start- und Landebahn auf 2.000 m erstellt hat, sowie dessen auf die streitige
Plangenehmigung bezogene Stellungnahme vom 20. März 1996 verdeutlichen, daß die
Immissionen von Kohlenwasserstoffen, Kohlenmonoxid und Stickoxiden in die
Umgebung des Flugplatzes als geringfügig einzustufen sind und keine
gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen haben (vgl. auch Plangenehmigung S. 58 f.).
Die Einwände der Antragstellerin stellen nicht in Frage, daß diese gutachtlichen
Äußerungen fachgerecht erstellt sind und die Bewertung zulassen, die
Schadstoffbelastung sei sozialadäquat und unschädlich. Die behauptete Wertlosigkeit
der Gutachten läßt sich mit dem Einwand, die Gutachten berücksichtigten bestimmte
Sondersituationen (z.B. besondere Wetterlagen) nicht, nicht begründen. Das Gutachten
vom 4. August 1994 geht ausdrücklich auf die Verteilung der Schadstoffe aufgrund
unterschiedlicher Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten ein (vgl. Seite 3-2). Es
zeigt Immissionswerte detailliert für einzelne Beurteilungsfelder auf, die auch ein
verläßliches Bild der Immissionslage für die Antragstellerin zeichnen. Anhaltspunkte für
eine besondere Belastung der Antragstellerin sind nicht gegeben. Das Interesse der
Antragstellerin daran, auch von einer Zunahme der Immissionen im oben dargelegten
Umfang verschont zu bleiben, ist nach dem Vorstehenden allenfalls - sieht man diese
Erhöhungen nicht ohnehin letztlich als unbeachtlich an - als abwägungserheblicher
Belang der Antragstellerin zu betrachten, aber nicht als Recht (im Sinne einer
ungeachtet gegenläufiger Interessen durchsetzbaren Position), das einer
Verfahrensweise nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LuftVG entgegenstehen könnte. Den
Anforderungen des auch bei der Erteilung von Plangenehmigungen zu beachtenden
Abwägungsgebotes, vgl. Bonk, a.a.O. § 74 Rdnr. 137; Ramsauer in: Kopp, VwVfG,
Nachtrag zur 6. Aufl. (Stand: November 1996), § 74 Rdnr. 96, dürfte die Antragsgegnerin
in bezug auf etwa zu berücksichtigende Belange der Antragstellerin genügt haben.
Gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG sind Mängel bei der Abwägung nur erheblich, wenn
sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind. Die
Antragsgegnerin hat Umfang und Auswirkungen der Immissionszunahmen aufgrund der
von ihr eingeholten fluglärmtechnischen und sonstigen Gutachten erkannt und in
Ansehung auch abweichender Vorstellungen gewürdigt (vgl. Plangenehmigung S. 53 ff.,
59 ff.); sie ist bei ihrer Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis gelangt, die betroffenen
Belange würden durch entgegenstehende Interessen überwunden. Es deutet - soweit
sich die Gutachten als zutreffend erweisen - nichts darauf hin, daß der Antragsgegnerin
insofern mit Rücksicht auf Belange der Antragstellerin eine Fehlgewichtung unterlaufen
wäre. Anderweitige (offensichtliche und kausale) Abwägungsmängel sind nicht
erkennbar. Bei der weiteren, von den Erfolgsaussichten der Klage gelösten
Interessenabwägung ergibt sich, daß es der Antragstellerin zuzumuten ist, die
Ausnutzung der hier zu beurteilenden Änderungen der Anlage und des Betriebs des
Verkehrslandeplatzes vorerst hinzunehmen. Dem eher gering zu veranschlagenden
Interesse der Antragstellerin stehen beachtliche Belange der Beigeladenen gegenüber,
mit denen öffentliche Interessen einhergehen. Die Erweiterung der Anlage und des
Betriebs dient vorrangig dazu, den Verkehrslandeplatz in seiner bisherigen Funktion -
als Station für den regionalen Linienluftverkehr und als Schwerpunkt für den
Geschäftsreiseverkehr - zu erhalten und zu festigen. Die Plangenehmigung verdeutlicht
in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise, daß die genehmigten Änderungen im Blick
auf den Erhalt des Landeplatzes vernünftigerweise geboten sind (Plangenehmigung S.
37 ff.), nämlich als Anpassungen an die gestiegene, aktuelle Nachfrage nach
regionalluftverkehrstypischen Beförderungsmöglichkeiten und an den auf diesen Bedarf
abgestellten Entwicklungsfortschritt beim Fluggerät. Die Änderungen sollen einen Weg
eröffnen, bereits verkehrende Flugzeugtypen wirtschaftlicher zu nutzen und
zwischenzeitlich speziell für den Regionalluftverkehr entwickelte Baumuster
(insbesondere BAe 146/Avro und Saab 340) fortan einsetzen zu können.
Durchgreifende Einwände gegen diese Einschätzung der Antragsgegnerin sind nicht
vorgebracht. Daß Entwicklungen der Nachfragesituation und beim Fluggerät
berücksichtigt werden müssen und planerisch bewältigt werden dürfen, ergibt sich aus
der Eingliederung des Luftverkehrs in das allgemeine Verkehrsgeschehen wie auch aus
der Einbindung von Flugplätzen des allgemeinen Verkehrs in die
Luftverkehrsinfrastruktur. Vgl. Senatsbeschluß vom 7. Juli 1987 - 20 B 28/87 -, BA S. 15.
In beidem hat der Verkehrslandeplatz der Beigeladenen seit Jahren seinen festen Platz
gefunden, so daß es nicht gerechtfertigt erscheint, der Beigeladenen die alsbaldige
Wahrnehmung sich abzeichnender Chancen zu verwehren, diesen Status angesichts
gewandelter Anforderungen zu bekräftigen und auszubauen. Den Notwendigkeiten und
Chancen der aktuellen Situation hat die Antragstellerin, wie im Rahmen der Beurteilung
der Erfolgsaussichten ihrer Klage bereits gewürdigt, zur Zeit kaum etwas von
vergleichbarem Gewicht entgegenzusetzen. Entscheidend tritt hinzu, daß die
angesprochene Prognose einer zusätzlichen Lärmbelastung auf einer Abschätzung des
Luftverkehrs beruht, die dem heutigen und in nächster Zeit - jedenfalls während der
voraussichtlichen Dauer des Hauptsacheverfahrens - zu erwartenden tatsächlichen
Verkehr nicht entspricht. Unabänderliche Tatsachen zu Lasten der Antragstellerin
werden im Gefolge der Entscheidung des Senats nicht geschaffen. Nach einem
etwaigen Erfolg der Anfechtungsklage wäre die Beigeladene ohne weiteres und
sogleich verpflichtet und in der Lage, Anlage und Betrieb des Platzes auf den
bisherigen, mit Genehmigung vom 14. Juli 1986 zugelassenen Umfang
zurückzuschneiden. Sich bis dahin auf den plangenehmigten Betrieb einzurichten bleibt
das Risiko der Beigeladenen. Wenn der Antragstellerin zugemutet wird, den vor dem
Abschluß des Hauptsacheverfahrens abgewickelten Flugbetrieb auf der Grundlage der
plangenehmigten Änderungen hinzunehmen, so hat dies seinen Grund darin, daß das
Postulat des Suspensiveffektes als Regelfall - wie eingangs dargelegt - bei einem
Verwaltungsakt mit Doppelwirkung an Grenzen stößt. II. Der weiter gestellte Antrag auf
Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat - unabhängig davon, ob man ihn überhaupt als
hinreichend bestimmt ansehen kann - ebenfalls keinen Erfolg. Die einstweilige
Anordnung zielt hier auf eine Vorwegnahme der Hauptsache: Die Anordnung von
Schutzanlagen nach § 9 Abs. 2 LuftVG würde wirtschaftlich nicht umkehrbare
Verhältnisse im Sinne der Antragstellerin schaffen und befriedigte damit bereits den mit
der Klage hilfsweise verfolgten Anspruch. Ob bereits dies dem Erlaß einer einstweiligen
Anordnung entgegensteht, braucht nicht erörtert zu werden. Jedenfalls hat die
Antragstellerin nicht mit dem zu verlangenden Grad an Erkenntnissicherheit glaubhaft
gemacht, daß aufgrund der bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens zusätzlich zu
erwartenden Flugbewegungen ein Anordnungsgrund gegeben wäre. Dies folgt
namentlich daraus, daß die von der Antragsgegnerin prognostizierte Auslastung mit
48.000 Bewegungen/Jahr jedenfalls bis zur Entscheidung über die Klage
voraussichtlich auch nicht annähernd erreicht wird. Im Gegenteil spricht alles dafür, daß
sich die Flugbewegungszahl (und damit der aus ihr resultierende Fluglärm) vorerst im
Rahmen des in der Genehmigung vom 14. Juli 1986 zugrunde gelegten Aufkommens
von 43.000/Jahr halten wird, also innerhalb einer Größenordnung, der die
Antragstellerin in den vergangenen Jahren bereits ausgesetzt war. Überdies ist eine
Rechtsgrundlage nicht ersichtlich, auf die die Antragstellerin einen
Planergänzungsanspruch stützen könnte. Die §§ 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG und 9
Abs. 2 LuftVG gelten nur für den Planfeststellungsbeschluß, nicht aber für die
Plangenehmigung. Dies folgt aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften und des § 8
Abs. 2 Satz 2 LuftVG, aber auch aus der Systematik des Luftverkehrsgesetzes, die den
bei Planfeststellungen u.a. durch Schutzanlagen zu bewerkstelligenden Schutz der
Rechte anderer bei der Plangenehmigung durch die Erteilungsvoraussetzungen des § 8
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LuftVG sicherstellt. Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. September
1996 - 11 A 20.96 -, UPR 1997, 100 (101). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154
Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1
GKG. Der für Verfahren der vorliegenden Art übliche Wert von 10.000,-- DM ist wegen
der mit dem Hilfsantrag verfolgten Vorwegnahme der Hauptsache zu verdoppeln.