Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.04.2006

OVG NRW: körperliche unversehrtheit, gefahr, injektion, dermatologie, eingriff, verfügung, leitlinie, heilpraktiker, gesundheit, universität

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 2495/03
Datum:
28.04.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 2495/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 2549/01
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts
Gelsenkirchen vom 26. März 2003 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des
Verwaltungsgerichts auf 10.000 EUR je Instanz festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin bietet im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kosmetikerin auch die sog.
Faltenunterspritzung im Lippen- und Nasolabialbereich an. Mit der den Gegenstand des
Verfahrens bildenden Verfügung vom 15. Februar 1999 untersagte der Beklagte der
Klägerin die Tätigkeit "Faltenunterspritzung", d. h. das Injizieren von Implantaten in das
Gewebe.
3
Der Senat nimmt zunächst gem. § 130b Satz 1 VwGO, der auch bei Beschlüssen nach §
130a VwGO anwendbar ist,
4
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1999
5
- 8 C 12.98 -, NVwZ 2000, 73 f; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand:
Oktober 2005,
6
§ 130a Rdn. 13; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 130a Rdn. 47; OVG NRW,
Beschlüsse vom 10. April 2006 - 13 A 1414/03 - und vom 7. September 2005 - 13 A
1181/02 -,
7
Bezug auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 26. März 2003 und
macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu Eigen.
8
Durch Urteil vom 26. März 2003, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht der Klage gegen die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 15.
Februar 1999 stattgegeben. Die Klägerin übe mit der Faltenunterspritzung im Lippen-
und Nasolabialbereich keine Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes aus und
bedürfe deshalb keiner entsprechenden Erlaubnis. Bei der Faltenunterspritzung
handele es sich nicht um die Behandlung von Krankheiten oder Leiden, sondern um
einen rein kosmetischen Eingriff. Ärztliches diagnostisches Fachwissen sei dafür nicht
erforderlich. Bei der von der Klägerin praktizierten Faltenunterspritzung sei nur ein
geringfügiges Gefahrenmoment gegeben. Komplikationen bei der konkreten Tätigkeit
der Klägerin habe es während der gesamten Zeit seit 1997 nicht gegeben.
9
Mit der - vom Verwaltungsgericht zugelassenen - Berufung macht der Beklagte
(weiterhin) geltend, die Faltenunterspritzung mit einem injizierbaren Implantat erfordere
heilkundliches Fachwissen und könne bei unsachgemäßer Durchführung zu
erheblichen gesundheitlichen Schädigungen führen. Daher unterliege diese
Behandlungstätigkeit der Erlaubnispflicht nach § 1 des Heilpraktikergesetzes, was auch
der Rechtsauffassung des zuständigen Landesministeriums entspreche und vom
Verwaltungsgericht Trier ebenfalls so entschieden worden sei. Bei der Frage der
Genehmigungsbedürftigkeit der Faltenunterspritzung sei eine generalisierende und
typisierende Betrachtungsweise geboten und nicht auf die konkrete Tätigkeit der
Klägerin abzustellen. Eine Differenzierung danach, in welche Hautpartien gespritzt
werde, sei nicht gerechtfertigt. Die Tätigkeit des Faltenunterspritzens sei grundsätzlich
gefahrgeneigt und unterliege daher dem Genehmigungszwang nach dem
Heilpraktikergesetz. Da es eine statistische Erhebungspflicht für Komplikationsfälle nicht
gebe, würden solche in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Eine Genehmigungspflicht nach
dem Heilpraktikergesetz für Faltenunterspritzungen werde auch vom zuständigen
Landesministerium unter Hinweis auf ein dort erfolgtes Expertengespräch angenommen
sowie in einer Stellungnahme des Leitenden Oberarztes der Klinik für Dermatologie und
Allergologie der S. -Universität C. sowie in Entscheidungen bayerischer
Verwaltungsgerichte. Vom Gesundheitsamt des Landkreises Karlsruhe übersandte
Fotos einer Frau ließen erkennen, welche schlimmen Auswirkungen die
Faltenunterspritzung haben könne.
10
Der Beklagte beantragt,
11
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
12
Die Klägerin beantragt,
13
die Berufung zurückzuweisen.
14
Sie hat geltend gemacht, anders als der Beklagte meine, gebe es das Berufsbild eines
"Faltenunterspritzers" als solches nicht. Faltenunterspritzung sei von der Natur der
Sache her ein Teil der Tätigkeit einer Kosmetikerin, die ihren Beruf unter dem Schutz
des Art. 12 GG ausübe. Die Tätigkeit des Faltenunterspritzens unterliege nicht der
Genehmigungspflichtigkeit nach dem Heilpraktikergesetz. Eine nicht unerhebliche
Gesundheitsgefährdung, die insoweit Voraussetzung sei, sei damit nicht verbunden.
Etwaige Gesundheitsgefahren wären außerdem Folge der Behandlung als solcher und
nicht Folge etwaiger fehlender medizinischer Fachkenntnisse. Gesundheitliche
Folgewirkungen bis hin zu einem allergischen Schock könnten auch bei jedem
ärztlichen Eingriff auftreten und müssten bei der Frage der Genehmigungspflichtigkeit
des Faltenunterspritzens nach dem Heilpraktikergesetz außer Betracht bleiben. Die
ärztliche Stellungnahme eines Mitarbeiters einer Klinik der S. -Universität C. sei
untauglich. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier, das eine Genehmigungspflicht
nach dem Heilpraktikergesetz für Faltenunterspritzungen annehme, sei nicht
überzeugend.
15
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den
Inhalt ihrer Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakte
einschließlich zugehöriger Beiakten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
16
II.
17
Der Senat entscheidet über die Berufung des Beklagten durch Beschluss nach § 130a
VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu dieser
Entscheidungsform gehört worden.
18
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die
Ordnungsverfügung des Beklagten vom 15. Februar 1999 und den
Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises S1. vom 4. Mai 2001 zu Unrecht
stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Tätigkeit des
Faltenunterspritzens ist Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes. Sie erfordert
eine entsprechende Erlaubnis; deren Fehlen rechtfertigt die Untersagungsverfügung.
19
Die angefochtenen Bescheide stützen sich zu Recht auf die ordnungsbehördliche
Generalklausel des § 14 Ordnungsbehördengesetz - OBG -, weil weder das
Heilpraktikergesetz selbst noch die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen eine
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Untersagungsverfügung im Falle einer
unzulässigen Heilkundeausübung enthalten.
20
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1993
21
- 3 C 45.91 -, BVerwGE 94, 269.
22
Zur Gefahrenabwehr gehört insbesondere die Verhinderung von gegenwärtigen oder
zukünftigen Gesetzesverstößen. Dies steht, weil die Ausübung der Heilkunde ohne
entsprechende Erlaubnis strafbar ist (vgl. § 5 Heilpraktikergesetz), auch hier in Frage.
23
In materiell-rechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Tätigkeit des Faltenunterspritzens nach
den Vorschriften des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne
24
Bestallung (Heilpraktikergesetz) - HPG - vom 17. Februar 1939, RGBl. S. 251, und der
Ersten und Zweiten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz - 1. und 2. HPG-
DVO -, RGBl. 1939, 259 bzw. 1941, 368. Zur Geltung und zur Auslegung dieser
vorkonstitutionellen Rechtsvorschriften sind inzwischen zahlreiche verfassungs- und
verwaltungsgerichtliche Entscheidungen ergangen, von deren inhaltlicher Wiedergabe
hier aus Gründen der Übersichtlichkeit abgesehen wird. Insbesondere ist das Ziel des
Heilpraktikergesetzes, die Gesundheit der Bevölkerung durch einen Erlaubniszwang für
Heilbehandler ohne Bestallung zu schützen, grundsätzlich mit Art. 12 Abs. 1 GG
vereinbar.
Vgl. u. a. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Mai 1988
25
- 1 BvR 111/77 -, BVerfGE 78, 155, - 1 BvR 482/84 u. a. -, BVerfGE 78, 179, vom 24.
Oktober 1994 - 1 BvR 1016/89 -, n. v., und vom 2. März 2004 - 1 BvR 784/03 -, MedR
2005, 35; BVerwG, Urteile vom 24. Januar 1957 - I C 194.54 -, BVerwGE 4, 250, vom 25.
Juni 1970 - I C 53.66 -, BVerwGE 35, 308, vom 10. Februar 1983 - 3 C 21.82 -,
BVerwGE 66, 367, vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 -, BVerwGE 91, 356, vom 11.
November 1993 - 3 C 45.91 -, a. a. O., und vom 21. Dezember 1995 - 3 C 24.94 -,
BVerwGE 100, 221; OVG NRW, Urteile vom 24. August 2000 - 13 A 4790/97 - (die
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde durch Beschluss des
BVerwG vom 28. November 2000 - 3 B 182.00 - zurückgewiesen) und vom 2. Dezember
1998 - 13 A 5322/96 -, DVBl. 1999, 1057.
26
Gem. § 1 Abs. 1 HPG bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als
Arzt bestallt zu sein. Nach § 1 Abs. 2 HPG ist Heilkunde im Sinne des Gesetzes jede
berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder
Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie
im Dienste von anderen ausgeübt wird. Das Gesetz macht dabei keinen Unterschied, ob
es sich bei den Krankheiten und Leiden um rein körperliche oder aber um solche auch
oder ausschließlich seelischer Natur handelt. Ebenso wenig stellt es auf die
Behandlungsweise und -methode ab. Vielmehr liegt in verfassungskonformer
Auslegung der Vorschriften stets dann Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes
vor, wenn die Tätigkeit nach allgemeiner Auffassung medizinische Fachkenntnisse
voraussetzt, und wenn die Behandlung - bei generalisierender und typisierender
Betrachtung der in Rede stehenden Tätigkeit - gesundheitliche Schädigungen
verursachen kann, wobei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein nur
geringfügiges Gefahrenmoment nicht ausreicht, um die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1
HPG auszulösen, und das Gefährdungspotential geringer wird, je weiter sich das
Erscheinungsbild des Behandlers von medizinischer/ärztlicher Behandlung entfernt und
sich etwa im Bereich spiritueller Wirkung ("geistiges Heilen") bewegt. Die
medizinischen Fähigkeiten können notwendig sein im Hinblick auf das Ziel, die Art oder
die Methode der Tätigkeit selbst, die, ohne Kenntnisse durchgeführt, den Patienten zu
schädigen geeignet ist, oder im Hinblick auf die Feststellung, ob im Einzelfall mit der
Behandlung begonnen werden darf, ohne dass der Patient durch die Verrichtung selbst
unmittelbar Schaden nimmt. Dabei fallen auch solche Verrichtungen unter die
Erlaubnispflicht, die für sich gesehen ärztliche Fachkenntnisse nicht voraussetzen, die
aber Gesundheitsgefährdungen mittelbar dadurch zur Folge haben können, dass die
Behandelten die Anwendung gebotener medizinischer Heilmethoden unterlassen oder
verzögern, weil der Heilbehandler nicht über das medizinische Fachwissen verfügt, um
entscheiden zu können, wann medizinische Heilbehandlung notwendig ist.
27
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02 -, NJW 2004, 2890, vom 2.
März 2004 - 1 BvR 784/03 -, a. a. O., und vom 17. Juli 2000 - 1 BvR 254/99 -, NJW 2000,
2736; BVerwG, Urteile vom 25. Juni 1970 - I C 53.66 -, a. a. O., vom 20. Januar 1966 - I
C 73.64 -, BVerwGE 23, 140, und vom 14. Oktober 1958 - I C 25.56 -, NJW 1959, 833;
Bay. VGH , Beschluss vom 5. Juli 2005 - 21 CS 04.2729 -, BayVBl. 2006, 115.
28
Nach diesen Kriterien handelt es sich bei der von der Klägerin durchgeführten Tätigkeit
des Faltenunterspritzens im Mund- und Nasolabialbereich um Ausübung der Heilkunde
im Sinne des § 1 Abs. 2 HPG.
29
So auch VG Trier, Urteil vom 23. Januar 2003 - 6 K 867/02.Tr -, MedR 2003, 464; VG
München, Beschluss vom 17. Dezember 1999 - M 16 S 99.4716 -; Bay. VGH, Beschluss
vom 8. August 2001 - 21 ZS 00.29 -.
30
Zwar können altersbedingte Falten im Gesicht, zu deren Beseitigung durch
Unterspritzen sich jemand entschließt, vordergründig nicht als Krankheit oder Leiden i.
S. d. § 1 Abs. 2 HPG angesehen werden, so dass eine auf ihre Entfernung oder
Abmilderung gerichtete Tätigkeit durch eine Kosmetikerin nicht von vornherein dem
Bereich der Heilkunde, sondern an sich dem der Kosmetik zuzurechnen ist.
Andererseits geht mit altersbedingten Hautveränderungen und -falten nicht selten auch
eine gewisse Belastung psychischer Art in der Weise einher, dass jemand "mit seinem
natürlichen Äußeren nicht zufrieden ist" und die Behandlung über rein ästhetische
Überlegungen hinaus auch zur Wiederherstellung und Stärkung des persönlichen
Wohlbefindens und Selbstwertgefühls bzw. zur Beseitigung einer entsprechenden -
wenn auch möglicherweise geringen - "psychischen Belastung" durchführen lässt.
Außerdem lässt das Heilpraktikergesetz durch Hinzufügung der Begriffe "Leiden" und
"Körperschäden" die Tendenz erkennen, den Gegenstand der Heilkunde so weit wie
möglich zu bestimmen, damit auch Körperbeschaffenheiten, die nicht Krankheiten im
eigentlichen Sinne sind, den Vorschriften des Gesetzes unterliegen.
31
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1966 - I C
32
73.64 -, a. a. O.
33
Ob danach das Vorhandensein von Gesichtsfalten dem "Krankheits"- oder "Leidens"-
Begriff in § 1 Abs. 2 HPG zugeordnet werden kann, kann aber letztlich dahinstehen, weil
auch bei Eingriffen in den Körper, die zu ästhetischen Zwecken vorgenommen werden,
die - jedenfalls sinngemäße - Anwendung der Bestimmung geboten ist.
34
Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 1972 - I C 2.69 -, NJW 1973, 579, vom 28.
September 1965
35
- I C 105.63 -, NJW 1966, 418, und vom 14. Oktober 1958 - I C 25.56 -, a. a. O.; VG
München, Beschluss vom 17. Dezember 1999 - M 16 S 99.4716 -.
36
Die in Frage stehende Tätigkeit des Unterspritzens von Gesichtsfalten im Rahmen
kosmetischer Behandlungen erfordert nach Auffassung des Senats, der insoweit eine
Abklärung durch einen (dermatologischen oder chirurgischen) Sachverständigen nicht
für erforderlich hält, ärztliche/medizinische Kenntnisse. Diese Notwendigkeit ergibt sich
zwar nicht vorrangig in Abhängigkeit von dem zum Unterspritzen eingesetzten Material
und dessen physikalischen Wirkungen, so dass es nicht vordergründig
37
entscheidungserheblich ist, ob die Klägerin weiterhin Hyaluronsäure enthaltende
Präparate (zB "Restylane") verwendet oder nunmehr "OutLine" einsetzt und ob das
genannte Produkt in Deutschland zugelassen ist. Das Erfordernis ärztlicher
Fachkenntnisse folgt vielmehr bereits aus der Tätigkeit des Faltenunterspritzens als
solcher, wobei diese Tätigkeit vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck einer Erlaubnis
nach dem Heilpraktikergesetz, dass Patienten nicht an fachlich ungeeignete und
unbefugte Heilbehandler geraten sollen, und eine erforderliche Erlaubnis zur Ausübung
der Heilkunde nur schlechthin und regelmäßig nicht von vornherein beschränkt auf ein
bestimmtes Spezialgebiet erteilt werden kann,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Mai 1964 - I B 183.63 -, Buchholz 418.04 Heilpraktiker
Nr. 6,
38
- einer differenzierenden Betrachtungsweise je nach betroffener Gesichtspartie nicht
zugänglich ist. Eine in Abhängigkeit davon differenzierende (Be-)Wertung von
Behandlungsmaßnahmen würde zu einer unübersehbaren und unübersichtlichen
Zersplitterung begrifflich einheitlicher nach dem Heilpraktikergesetz zu beurteilender
Betätigungen führen, die im Interesse des Behandelten nicht zu verantworten ist. Eine
diesbezügliche Selbstverpflichtung - wie hier seitens der Klägerin, im Bereich der
Augen keine Faltenunterspritzungen durchzuführen - ändert daran nichts, weil eine
solche jederzeit änderbar und zudem nicht kontrollierbar ist.
39
Nach dem von der Klägerin vorgelegten Prospektmaterial sollte OutLine mit einer feinen
Kanüle "intra- bis subdermal injiziert werden". Das Verabreichen von Injektionen, das
einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeutet, kommt aber schon von der
Methode her einer ärztlichen Krankenbehandlung gleich und gehört zum klassischen
Spektrum ärztlicher Behandlungstätigkeit. Zwar können und dürfen Injektionen in
bestimmten Fällen auch von Nichtärzten (z. B. Krankenschwestern oder Arzthelferinnen)
durchgeführt werden. Das Injizieren des Füllmaterials in die Haut bzw. in die oberen
Hautschichten erfordert neben dem notwendigen allgemeinen Wissen bei der
Verabreichung von Injektionen aber zusätzliche Kenntnisse über den Aufbau und die
Schichten der Haut sowie über den Verlauf von Blutgefäßen, Nervenbahnen und
Muskelsträngen in dem für die Injektion vorgesehenen Gesichtsbereich und regelmäßig
auch - selbst wenn nach den Prospektangaben OutLine keine Nebenwirkungen hat und
die Behandlung keinen Hauttest erfordert - eine vorhergehende Diagnose zu möglichen
Ursachen der Faltenbildung sowie eine Beurteilung dazu, ob eine Faltenunterspritzung
aus ästhetischen Gründen in Betracht kommt oder aus dermatologischer/chirurgischer
Sicht, etwa weil eine Hautkrankheit vorliegt, unterbleiben muss.
40
Vgl. VG Trier, Urteil vom 23. Januar 2003 - 6 K 867/02.Tr -, a. a. O.; VG München,
Beschluss vom 17. Dezember 1999 - M 16 S 99.4716 -.
41
Dass die Klägerin die notwendigen anatomischen Kenntnisse hat, ist nicht ersichtlich.
Die Teilnahme an einem Seminar im Rahmen der Tätigkeit als Kosmetikerin, bei dem
offenbar die Technik des Spritzens als solche im Vordergrund stand, reicht dafür nicht
aus. Bezüglich ihrer - längere Zeit zurückliegenden - Ausbildungstätigkeit bei einem
Chirurgen und bei einer Heilpraktikerin wird von ihr ebenfalls nicht behauptet, dass auf
Grund dessen intensive dermatologische oder chirurgische Kenntnisse bestehen. Die
von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Faltenunterspritzung durch eine erfahrene
Kosmetikerin nicht sinnvoller sei als durch einen ungeübten Heilpraktiker, mag zwar im
Sinne der Klägerin beantwortet werden können. Dies ist aber ebenso wie das
42
Vorbringen der Klägerin, die Faltenunterspritzung werde bundesweit von
Kosmetikerinnen durchgeführt, ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, ob diese
Arbeiten von einer Kosmetikerin ohne besondere Erlaubnis ausgeführt werden dürfen
sowie, ob und dass die Klägerin, wenn sie diese Tätigkeit ausüben will, die
entsprechenden medizinischen Kenntnisse hat, und nicht, ob ein anderer Heilpraktiker
ebenfalls das Geschick für Injektionen bei Faltenunterspritzungen und für das Injizieren
des Füllmaterials besitzt oder wie die Handhabung und Durchführung des
Heilpraktikergesetzes in anderen Bundesländern ist.
Die Vornahme von Faltenunterspritzungen durch Unbefugte bzw. durch Personen,
denen die erforderliche Qualifikation fehlt, ist auch, worauf der Beklagte zu Recht
hingewiesen hat, mit mehr als nur geringfügigen Gesundheitsgefährdungen für die
Behandelten verbunden. Ob eine Behandlungstätigkeit gesundheitliche Schädigungen
verursachen kann und deshalb das Heilpraktikergesetz zur Anwendung kommt, kann
nur aufgrund generalisierender und typisierender Betrachtungsweise beurteilt werden.
Eine derartige abstrakte Orientierung am Heilpraktikergesetz und an dessen Zweck ist
geboten, weil das Heilpraktikergesetz wie jedes andere Gesetz auch - abstrakt -
ausnahmslos alle Heilpraktikertätigkeiten erfasst und nicht etwa speziell auf Fälle wie
den der Klägerin zugeschnitten ist.
43
Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. November 1993 - 3 C 45.91 -, a. a. O., und vom 25. Juni
1970 - I C 53.66 -, a.a.O. (S. 315).
44
Bei der somit gebotenen abstrakten Beurteilung ist bezüglich der in Frage stehenden
Tätigkeit des Faltenunterspritzens eine Gefahr gesundheitlicher Schädigungen in einem
nicht nur unbeträchtlichen und daher vernachlässigbaren Ausmaß anzunehmen.
45
VG Trier, Urteil vom 23. Januar 2003 - 6 K 867/02.Tr -, a. a. O.; VG München, Beschluss
vom 17. Dezember 1999 - M 16 S 99.4716 -; Bay. VGH, Beschluss vom 8. August 2001 -
21 ZS 00.29 -.
46
Dies ist nicht nur, aber auch davon abhängig, welches Füllmaterial dabei verwendet
wird, weil jedenfalls bei den von der Klägerin früher benutzten Präparaten mit
Hyaluronsäure - auch materialabhängige - Nebenwirkungen auftreten können.
Beispielsweise ergibt sich aus einer im Laufe des Verfahrens vom Beklagten
vorgelegten und vom Gericht erneut beigezogenen 'Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft für
ästhetische Dermatologie und Kosmetologie e.V. der Deutschen Dermatolgischen
Gesellschaft' (Ästhetische Dermatologie 6/2004)), die als Empfehlungen und
Entscheidungshilfen gewertet werden können und gegen die die Klägerin keine
entscheidenden Einwendungen geltend gemacht hat, dass die Ursache häufiger
Nebenwirkungen die Injektion des Füllmaterials in die falsche Hautschicht sowie die
Injektion zu großer Volumina in einer Sitzung ist und dass beim Einsatz von
resorbierbaren und nicht resorbierbaren Substanzen als Füllmaterial Nebenwirkungen
wie Hämatome an der Injektionsstelle, Wundinfektionen, Unverträglichkeitsreaktionen,
Fremdkörpergranulome oder diffuse granulomatöse Gewebereaktionen,
Lymphknotenschwellungen u.a. festgestellt wurden. Bei neueren Füllmaterialien ergebe
sich zudem das Problem, dass aussagekräftige entsprechende Langzeitergebnisse
bzw. Langzeitstudien nicht verfügbar seien. Auch wenn es sich dabei um eine ärztliche -
aus dermatologischer Sicht begründete - Leitlinie handelt und hinsichtlich der
Faltenunterspritzung ein gewisses Konkurrenzverhältnis zwischen Kosmetikerinnen und
bestimmten ärztlichen Gruppen (z. B. Dermatologen, Chirurgen, HNO-Ärzte)
47
angenommen werden kann, zeigt die Leitlinie doch, dass derartige Nebenwirkungen
nicht nur rein theoretischer Natur waren/sind. Dies ist in diesem Verfahren zudem
eindrucksvoll belegt worden durch die durch das Gesundheitsamt Karlsruhe erfolgte
Vorlage von Fotos einer Frau, bei der eine Faltenunterspritzung im Gesicht durchgeführt
worden war und bei der sich danach erhebliche Entzündungen an den Injektionsstellen
ergeben hatten. Die Frage der nicht unbeträchtlichen Gesundheitsgefährdung orientiert
der Senat auch nicht vordergründig am Auftreten vergleichbar minimaler
Gesundheitsbeeinträchtigungen wie kleiner Schwellungen oder Rötungen, die als
Begleiterscheinungen mehr oder weniger bei jeder Injektion auftreten können,
andererseits aber auch nicht an im Extremfall möglichen Reaktionen wie die eines
anaphylaktischen Schocks, weil sich, wie u.a. Beipackzetteln zu Medikamenten zu
entnehmen ist, diese Extremsituation auch bei medikamentösen Behandlungen ergeben
kann und bei derartigen Reaktionen im Prinzip jeder Behandler, sofern er nicht Arzt ist,
überfordert ist. Des Weiteren kann die Erlaubnispflichtigkeit des von der Klägerin
durchgeführten Faltenunterspritzens auch nicht vorrangig daraus abgeleitet werden,
dass bestimmte Kontraindikationen (zB bei Schwangeren oder bei Entzündungen im
Bereich der geplanten Unterspritzung) bestehen, weil diese regelmäßig erkennbar sein
werden und die Gefahr insoweit bei einer Kosmetikerin nicht größer erscheint als bei
anderen Behandlern.
Die Faltenunterspritzung, die wegen der damit verbundenen Injektion über eine rein
kosmetische Hautpflege hinausgeht, bewirkt einen Eingriff in die körperliche
Unversehrtheit. Die Injektionen können bei nicht sachgemäßer Handhabung zu
erheblichen und entstellenden Entzündungen im Umfeld der Injektionsstellen und zu
behandlungsbedürftigen Gewebeschäden mit entsprechenden Schmerzen führen.
Dieses Risiko ist um so größer, je weniger anatomische Kenntnisse vom Aufbau der
menschlichen Haut allgemein und speziell im Gesicht beim Behandler bestehen. Bei
Kosmetikerinnen kann von dieser für die sachgemäße Faltenunterspritzung unbedingt
notwendigen medizinischen Kenntnis nicht ausgegangen werden. Des Weiteren
können bei ihnen auch keine medizinischen Kenntnisse angenommen werden, die für
den Fall des Auftretens von Komplikationen bei/nach der Behandlung erforderlich sind,
um auf diese zum Schutz des Behandelten sachangemessen reagieren zu können.
Zudem ist die nach Auffassung des Senats nicht völlig unmaßgebliche "Gefahr" zu
berücksichtigen, dass Kosmetikerinnen bei der Frage, ob eine Faltenunterspritzung
durchgeführt wird, wirtschaftliche Überlegungen im Verhältnis zu medizinischen
Erwägungen eher in den Vordergrund stellen als dies der Fall ist bei - dem
hippokratischen Eid verpflichteten - Ärzten, auch wenn bei diesen wirtschaftliche
Erwägungen ebenfalls eine Rolle spielen mögen. Dass bezüglich der genannten
Gesichtspunkte bei der Klägerin eine andere Sicht gerechtfertigt bzw. geboten ist, ist
nicht erkennbar. Darauf, ob die möglichen Nebenwirkungen und Folgen bei von der
Klägerin behandelten Personen aufgetreten sind, kommt es nicht an, da - wie dargelegt -
insoweit eine abstrakte Betrachtungsweise geboten ist. Ihr Vorbringen, in ihrer
jahrelangen Behandlungstätigkeit mit Faltenunterspritzungen sei noch nie ein
gesundheitlicher Schaden bei den Behandelten eingetreten und deshalb könne von
einer Gefahr für die Volksgesundheit keine Rede sein, ist in diesem Zusammenhang
ebenfalls nicht beachtlich. Die Frage, ob Faltenunterspritzungen durch die Klägerin eine
Gefahr für die Volksgesundheit darstellen, erlangt Bedeutung, wenn es um die Erteilung
oder Versagung der Erlaubnis nach § 1 HPG geht (vgl. § 2 Abs. 1 der 1. HPG-DVO). In
diesem Verfahren ist indessen nicht die Erteilung oder Versagung einer Erlaubnis im
Streit, sondern es geht um die Geltendmachung eines - auch der Klägerin gegenüber -
bestehenden gesetzlichen Verbotes. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen
48
Untersagungsverfügung hängt davon ab, ob die fragliche Tätigkeit des
Faltenunterspritzens der Klägerin der Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 HPG unterliegt.
Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob und welche Gefährdungen gerade von
der Klägerin ausgehen, sondern darauf, welche Gefährdungen generell bei Personen zu
besorgen sind, die wie die Klägerin das Unterspritzen von Falten im Gesicht
praktizieren, ohne im Besitz der Erlaubnis nach § 1 HPG zu sein.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. November 1993, 3 C 45.91, a. a. O., und vom 25. Juni
1970 - I C 53.66 -, a.a.O. (S. 315).
49
Nach dem Vorstehenden bedarf es nicht mehr eines Eingehens darauf, ob die o. a.
Kriterien für die Einstufung einer Tätigkeit als Heilkunde um eine Wertung derselben
aus dem Blickwinkel des Patienten erweitert werden müssen.
50
So die sog. "Eindruckstheorie", vgl. BGH, Urteile vom 13. September 1977 - 1 StR
389/77 -, NJW 1978, 599, und vom 4. November 1955 - 5 StR 421/55 -, BGHSt 8, 237;
OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Februar 1993 - 2 Ss 1/93 -, MDR 1993, 793; VG Stade,
Urteil vom 27. April 1989 - 1 A 153/87 -, NJW 1990, 789; VGH Baden- Württemberg,
Urteil vom 9. Juli 1991 - 9 S 961/90 -, MedR 1992, 54.
51
Diese Sichtweise könnte Relevanz erlangen, wenn aus der Sicht der Behandelten mit
einer Faltenunterspritzung gleichzeitig etwaige mit dem Vorhandensein von
Gesichtsfalten einhergehende psychische Belastungen beseitigt bzw. gemindert
würden.
52
Der Senat sieht sich im Übrigen in gewisser Weise in der Wertung, dass das von der
Klägerin praktizierte Faltenunterspritzen im Mund- und Nasolabialbereich eine
Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz erfordert, bestätigt durch im Verfahren
vorgelegte Stellungnahmen anderer Institutionen. Als eine nach dem Gesetz
erlaubnispflichtige Tätigkeit wird das Faltenunterspritzen - jedenfalls im Ergebnis, wenn
auch mit unterschiedlichen Begründungen - beispielsweise gewertet vom Ministerium
für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen im Juni
1998, Januar 1999, Februar 2001 und im Juli 2003 (letztere unter Verweis auf das
Ergebnis eines Expertengesprächs "Piercing, Faltenunterspritzung, Detätowierung" von
Oktober 2000 sowie eine - vom früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin zwar als
untauglich bezeichnete, aber dennoch nicht völlig außer Acht zu lassende -
Stellungnahme des Leitenden Oberarztes Dr. I. der Klinik für Dermatologie und
Allergologie der S. - Universität C. vom 10.07.2003), von der Bundesärztekammer im
September 1999 (nach zuvor anderslautender Äußerung), von der Ärztekammer
Westfalen- Lippe im April 1999 sowie von der Staatsanwaltschaft F. im Rahmen von
Ermittlungsverfahren gegen Faltenunterspritzungen durchführende Kosmetikerinnen, in
denen auch entsprechende Stellungnahmen beispielsweise der Städte Hamburg und
Bremen, der Regierung von Oberbayern, des Niedersächsischen Ministeriums für
Frauen, Arbeit und Soziales eingegangen waren. Eine detaillierte und ins Einzelne
gehende Auseinandersetzung mit diesen Stellungnahmen ist dabei auf der Grundlage
der oben dargelegten Wertung der fraglichen Tätigkeit durch den Senat entbehrlich. Auf
das mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2002 vorgelegte Urteil des LG Kiel vom 5. Mai
1999 kann sich die Klägerin demgegenüber zur Stützung ihrer Auffassung,
Faltenunterspritzungen im Gesicht dürften durch Kosmetikerinnen ohne
Heilpraktikererlaubnis vorgenommen werden, nicht entscheidend berufen. Zum einen
betrifft das Urteil eine Wettbewerbsangelegenheit und zum anderen liegt in jenem Fall
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eine Besonderheit in der Weise vor, dass die betreffende Kosmetikerin ihre Tätigkeit in
den Räumen ihres Ehemannes, eines Arztes, durchgeführt hat und deshalb die Gefahr
bei der Durchführung von Kosmetik mit chirurgischen Mitteln nicht besonders hoch
erschein. Eine solche Zusammenarbeit mit einem Arzt ist bei der Klägerin nicht
gegeben.
Da die Klägerin die Faltenunterspritzung im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kosmetikerin
durchführt, übt sie die darin liegende Heilkunde auch berufsmäßig i. S. d. § 1 Abs. 2
HPG aus.
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Die aufgrund des Erlaubniszwangs nach dem Heilpraktikergesetz gerechtfertigte
Untersagungsverfügung begegnet auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten
keinen Bedenken und verstößt insbesondere nicht gegen den die Berufsfreiheit
schützenden Art. 12 Abs 1 GG. Die Untersagungsverfügung ist auch im konkreten Fall
geeignet, dem Gesetzeszweck des § 1 Abs. 2 HPG Rechnung zu tragen, und in Bezug
auf die Tätigkeit der Klägerin verhältnismäßig, weil die Verfügung (lediglich) zur Folge
hat, dass die Klägerin einen Teilbereich ihrer Tätigkeit als Kosmetikerin nicht mehr
ausüben darf, ihre Tätigkeit im Übrigen durch die Verfügung aber nicht tangiert wird.
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Anhaltspunkte für Ermessensfehler bezüglich der u.a. auf § 14 OBG gestützten
Ordnungsverfügung des Beklagten sind darüber hinaus auch angesichts der
Formulierung in der Verfügung, die Tätigkeit des Faltenunterspritzens sei zu
untersagen, nicht gegeben. Davon, dass der Beklagte und die Widerspruchsbehörde die
Folgen der Ordnungsverfügung für die Klägerin völlig unberücksichtigt gelassen und
eine Gesetzesbindung im Sinne einer zwingenden Untersagungsentscheidung
angenommen haben, kann nicht ausgegangen werden. Sachwidrige Erwägungen
liegen der Entscheidung ersichtlich nicht zu Grunde, zumal bei einer Regelung zum
Schutz öffentlicher Interessen die behördliche Schutzmaßnahme die Regel und ein
Absehen davon, für die besondere Gründe vorliegen müssen, die Ausnahme ist, und es
bei formeller Illegalität einer Tätigkeit regelmäßig geboten ist, die weitere Verwirklichung
eines Straftatbestandes, hier nach § 5 HPG, zu unterbinden.
56
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Dezember 2004 - 13 B 2314/04 -, vom 1. Juli 2004
- 13 B 2436/03 -, NWVBl. 2004, 474, und vom 16. Februar 1987 - 13 B 7049/86 -, MedR
1988, 51; VG Trier, Urteil vom 23. Januar 2003 - 6 K 867/02.Tr -, a. a. O.; VG München,
Beschluss vom 17. Dezember 1999 - M 16 S 99.4716 -.
57
Die Feststellung, dass es sich bei der von der Klägerin praktizierten
Faltenunterspritzung um eine gem. § 1 HPG erlaubnispflichtige Tätigkeit handelt,
bedeutet nicht, dass die Klägerin künftig auf Dauer diese Tätigkeit nicht mehr ausüben
darf. Sie besagt nur, dass sie zur berufsmäßigen Ausübung dieser Tätigkeit einer
Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz bedarf, auf die bei Erfüllung der persönlichen
Zulassungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht und die nur versagt werden
darf, wenn eine der maßgebenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 der 1. HPG-DVO
nicht gegeben ist. Eine etwaige Überprüfung, durch die festgestellt werden soll, ob die
Ausübung der Heilkunde durch die Klägerin eine Gefahr für die Gesundheit der
Bevölkerung bedeutet, ist dabei an den zur ordnungsgemäßen Erfüllung der geplanten
Heilpraktikertätigkeit erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zu orientieren,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1994
59
- 1 BvR 1016/89 -; BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 -, a.a.O., vom 10.
Februar 1983
60
- 3 C 21.82 -, a.a.O., und vom 18. Dezember 1972
61
- I C 2.69 -, a. a. O.
62
Die Frage der Erlaubniserteilung oder -versagung ist hingegen nicht Gegenstand des
Verfahrens.
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Die in der Ordnungsverfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung ist nach den insoweit
genannten Bestimmungen gleichfalls nicht zu beanstanden.
64
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.
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Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 25
Abs. 2 Satz 2 GKG a. F., § 72 Nr. 1 GKG n. F. Der Senat nimmt in Verfahren, die die
Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis oder die Untersagung der Ausübung der
Heilkunde betreffen, regelmäßig einen Streitwert von 25.000,00 EUR (früher: 50.000,--
DM, vgl. Beschluss vom 19. November 1997 - 13 E 1105/96 -) an. Da mit dem
Faltenunterspritzen nur ein Teilbereich der beruflichen Tätigkeit der Klägerin in Frage
steht, erscheint es gerechtfertigt, dem durch Minderung des o.a. Wertes auch
streitwertmäßig Rechnung zu tragen. Der Auffangwert von früher 8.000,00 DM, jetzt
5.000,00 EUR, wird der für die Streitwertfestsetzung maßgebenden Bedeutung der
Sache für die Klägerin aber ersichtlich nicht gerecht. Der Senat hält vielmehr den im
Tenor genannten Streitwert für angemessen.
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