Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 03.11.2009

OVG NRW (universität, unechte rückwirkung, sitzung, hochschule, festsetzung, verhältnis zu, zugang, abgabe, zuhörer, beitragspflicht)

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 2318/07
Datum:
03.11.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 A 2318/07
Tenor:
Das angegriffene Urteil wird geändert und wie folgt neu gefasst:
Soweit die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt haben
(Beitragsfestsetzungen für das Wintersemester 2007/2008 und die
folgenden Semester), wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist das
angegriffene Urteil wirkungslos.
Die Klage im übrigen wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge tragen die Klägerin zu
1/8 und der Beklagte zu 7/8.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin studierte seit dem Wintersemester 2004/2005 Germanistik und
Sozialwissenschaft. Der Senat der Universität C. befasste sich am 12. Juli 2006 mit
der Einführung von Studienbeiträgen. In der Einladung vom 29. Juni 2006 dazu teilte der
Senatsvorsitzende mit, dass das Sitzplatzangebot im Senatssitzungssaal für diese
Sitzung wie auch bei der letzten Sitzung erweitert worden sei und für den
Tagesordnungspunkt "Studienbeiträge" eine audiovisuelle Übertragung in einen
Hörsaal vorgesehen sei, damit alle Interessierten der Beratung zu diesem
Tagungsordnungspunkt folgen könnten. Eine solche Übertragung fand statt. Die für das
2
allgemeine Publikum bereitgestellten 19 Plätze im Sitzungssaal nahmen Studenten als
Zuhörer ein. Vor und während der Sitzung kam es zu Blockaden der Türen zum
Sitzungssaal. Ein Antrag des AStA-Vorsitzenden, wegen Fehlens zweier studentischer
Senatoren, die Abstimmung über die Studienbeitragssatzung zu vertagen, wurde
abgelehnt und die Beitragssatzung verabschiedet.
Nach § 1 der Studienbeitragssatzung der Universität C. vom 20. Juli 2006 (BS) wird
von Studierenden, die in einem Studiengang an der Universität C. eingeschrieben
sind, für jedes Semester ihrer Einschreibung ein Studienbeitrag in Höhe von 500,-- Euro
erhoben. Nach § 1 Abs. 3 BS wird von Studierenden, die vor dem Wintersemester
2006/07 bereits an der Universität C. eingeschrieben waren, ein Studienbeitrag
erstmals für das Sommersemester 2007 und für die weiteren Semester in Abhängigkeit
ihres Hochschulsemesters, in dem sie sich im Wintersemester 2006/07 befunden haben,
in folgender Höhe erhoben:
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2. und 3. Hochschulsemester 400,-- Euro
4
4. und 5. Hochschulsemester 300,-- Euro
5
6. und 7. Hochschulsemester 200,-- Euro
6
8. bis 14. Hochschulsemester 100,-- Euro.
7
Bei Überschreitung der 1,5fachen Regelstudienzeit oder des 15. Hochschulsemesters
und ab dem Sommersemester 2012 wird der volle Studienbeitrag in Höhe von 500,--
Euro erhoben.
8
Mit Bescheid vom 22. Januar 2007 erhob der Beklagte gegenüber der Klägerin
Studienbeiträge, u.a. für das Sommersemester 2007 über 300 Euro. Den dagegen
erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid
vom 29. Januar 2007, der am 30. Januar 2007 zur Post gegeben wurde, zurück.
9
Mit der am 1. März 2007 erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen den
Beitragsbescheid gewandt und vorgetragen: Der Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da
die ihm zugrundeliegenden Rechtsvorschriften unwirksam seien. Das
Studienbeitragsgesetz verstoße gegen den als Bundesrecht geltenden Internationalen
Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie gegen die
grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit. Auch sei die Ermächtigung jeder einzelnen
Hochschule, über die Einführung von Beiträgen zu entscheiden, nach dem
Gleichheitsgebot problematisch. Schließlich sei auch die Beitragssatzung nicht
ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Senatsmitglieder J. C1. und J1. N.
seien an der Teilnahme durch die Sicherheitsmaßnahmen der Universität und die
Blockaden des Senatssitzungssaals gehindert worden. Darüber hinaus liege eine
Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit vor, da lediglich 19 Studenten als Zuhörer
hätten teilnehmen können, dann aber die Türen geschlossen worden seien. Faktisch sei
daher der Sitzungssaal des Senats nicht mehr zugänglich gewesen. Ein Ausschluss der
Öffentlichkeit sei aber unzulässig gewesen, da dies nur erfolgen dürfe, wenn ein
Diskretionsinteresse bestehe, was hier nicht der Fall gewesen sei.
10
Die Klägerin hat beantragt,
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den Studienbeitragsbescheid vom 22. Januar 2007 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2007 aufzuheben.
12
Der Beklagte hat beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Er hat vorgetragen: Die Rechtsgrundlagen des Beitragsbescheides seien wirksam. Das
Studienbeitragsgesetz verstoße weder gegen den genannten Pakt noch gegen die
Vorschriften des Grundgesetzes zur Berufsfreiheit und zum Gleichbehandlungsgebot.
Die Beitragssatzung sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Senatssitzung sei
öffentlich gewesen, etwa 20 Studenten seien anwesend gewesen. Außerdem sei die
Sitzung in die zentrale Halle audiovisuell übertragen worden. Den Senatsmitgliedern
C1. und N. sei der Zugang nicht verweigert worden. Das Senatsmitglied N. sei
in der Sitzung anwesend gewesen und habe sich an der Verhandlung beteiligt. Das
Senatsmitglied C1. sei wegen seines eigenen Verhaltens nicht im Senatssaal
erschienen, was sich bereits daran zeige, dass die übrigen Senatsmitglieder den
Sitzungssaal erreichen konnten, und zwar auch die Personen, die dem Senatsmitglied
C1. den Zugang verschaffen wollten. Die Sicherungsmaßnahmen seien notwendig
gewesen, um die Funktionsfähigkeit des Senats zu erhalten. Angesichts der Störungen
in vorausgegangenen Sitzungen und der für diese Sitzung angekündigten und auch
tatsächlich erfolgten Störungen hätten die Zugänge kontrolliert und der Zugang
zahlenmäßig begrenzt werden müssen.
15
Die Beitragssatzung sei auch inhaltlich fehlerfrei. Die Hochschulen dürften die Höhe der
Gebühr davon abhängig machen, wie lange der betroffene Student bereits an der
jeweiligen Hochschule studiere. Dies sei eine sachgerechte und daher zulässige
Ausfüllung des satzungsgeberischen Spielraums, die aus Gründen des
Vertrauensschutzes und der besonderen Situation der Altstudenten hinsichtlich der
durch die Studienbeiträge verfolgten Studienverbesserungen vorgenommen worden sei.
Dabei dürfe die Vergünstigung auf C2. Altstudenten beschränkt werden, da die
Beitragspflicht hochschulbezogen sei, so dass sie der Profilbildung der jeweiligen
Hochschule diene. Außerdem würden durch die Regelung unkontrollierte
Zuwanderungsbewegungen vermieden.
16
Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, weil
die Beitragssatzung mit ihrer Beitragsstaffelung gegen das Gleichheitsgebot verstoße
und damit nichtig sei.
17
Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig erhobene und begründete
Berufung des Beklagten, mit der er vorträgt: Es sei verfehlt, wenn das
Verwaltungsgericht Grundsätze über die Gebührenhöhe bei Benutzungsgebühren auf
den Studienbeitrag anwende. Studienbeiträge und Benutzungsgebühren seien nämlich
nicht zu vergleichen. Während Benutzungsgebühren grundsätzlich erhoben werden
müssten, stehe es den Hochschulen frei, auf Studienbeiträge vollständig zu verzichten.
Diese größere Freiheit über das Ob der Erhebung von Beiträgen schlage sich auch in
einer größeren Freiheit der Differenzierung der Beiträge nieder. Im Übrigen bemesse
sich die Beitragshöhe ohnehin nicht vorrangig an der Kosten, sondern verfolge, wie es
das Gesetz ausdrücklich festschreibe, das Ziel, ein effizientes und hochwertiges
Studium zu erreichen.
18
Mit Bescheid vom 11. Juli 2007 hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid insoweit
aufgehoben, als Studienbeiträge auch für das Wintersemester 2007/2008 und die
folgenden Semester festgesetzt worden waren. In diesem Umfang haben die Beteiligten
die Hauptsache für erledigt erklärt.
19
Der Beklagte beantragt,
20
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
21
Die Klägerin beantragt,
22
die Berufung zurückzuweisen.
23
Sie trägt vor: Das Verwaltungsgericht habe zwar zu Unrecht in der Beitragsstaffelung
eine unzulässige Ungleichbehandlung gesehen. Es handele sich um eine zulässige
Übergangsregelung, da die Altstudenten bereits unter der Regelungswirkung des
Studienkonten- und finanzierungsgesetzes das Studium begonnen hätten und daher
bereits mit dem Anreiz eines zügigen Studiums studiert hätten, was für erstmalig im
Wintersemester 2006/2007 immatrikulierte Studenten erst durch das
Studienbeitragsgesetz bewirkt werde. Auch hätten Altstudenten kurz vor dem Examen
praktisch keine Vorteile mehr von den Studienverbesserungen, die durch die
Studienbeiträge erreicht werden sollten. Im Ergebnis sei das verwaltungsgerichtliche
Urteil aber aus den erstinstanzlich von ihr, der Klägerin, vorgetragenen Gründen richtig.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen
Unterlagen Bezug genommen.
25
Entscheidungsgründe:
26
Soweit die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist entsprechend § 92
Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 269 Abs. 3 Satz 1 der
Zivilprozessordnung (ZPO) das Verfahren einzustellen und das angegriffene Urteil für
wirkungslos zu erklären.
27
Die zulässige Berufung im übrigen ist begründet, weil die noch rechtshängige
gebliebene Klage unbegründet ist. Der angefochtene Beitragsbescheid mit seiner
Beitragsfestsetzung für das Sommersemester 2007 ist nämlich rechtmäßig (vgl. § 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28
Der Bescheid rechtfertigt sich aus §§ 2 Abs. 1, 7 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1, 21 Abs.
1 des Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetzes vom 21. März 2006 (GV. NRW.
S. 119 - StBAG NRW , = Art. 2 des Gesetzes zur Sicherung der
Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen) i.V.m. § 1 Abs. 3 BS.
29
Diese Normen sind wirksam.
30
Das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz ist verfassungsgemäß. Das hat der
Senat mit Urteil vom 9. Oktober 2007,
31
15 A 1596/07, DVBl. 2007, 1442, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom
32
29. April 2009 6 C 16.08 ,
entschieden. Die Berufung wirft keine Gesichtspunkte auf, die zu einer veränderten
Beurteilung Anlass gäben.
33
Das gilt auch für die Frage des in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten
Prinzips der Rechtssicherheit in der Form des Rechtsgrundsatzes des
Vertrauensschutzes. Richtig ist allerdings, dass der Gesetzgeber nicht völlig frei ist, die
Rechtsfolge eines Gesetzes zwar nach Verkündung der Norm eintreten zu lassen, aber
tatbestandlich Sachverhalte zu erfassen, die bereits vor der Verkündung "ins Werk
gesetzt" worden sind (tatbestandliche Rückanknüpfung oder unechte Rückwirkung).
Verfassungsrechtlich wird in diesen Fällen dem allgemeinen Grundsatz des
Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit kein genereller Vorrang vor den jeweils
verfolgten gesetzgeberischen Anliegen eingeräumt. Denn die Gewährung vollständigen
Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem
Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen
und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der
Notwendigkeit ihrer Änderung in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der
Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Es muss dem Gesetzgeber daher
möglich sein, Normen, die auch in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit
liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen und durch Änderung der künftigen
Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren. Die
Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis ergeben sich dabei aus einer
Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der
Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl.
34
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 2 BvR 1387/02 , BVerfGE 114,
258 (300 f.); Urteil vom 5. Februar 2004 2 BvR 2029/01 , BVerfGE 109, 133
(181 f.); BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 6 C 8/00 , Juris Rn. 51.
35
Diese Maßstäbe sind hier anzulegen, da es um die Begründung einer Abgabe für ein
begonnenes, also ins Werk gesetztes, ursprünglich abgabenfreies Erststudium geht. Bei
der hier vorzunehmenden Abwägung überwiegt das im Interesse der Allgemeinheit
verfolgte Ziel rascher Einführung der Abgabenpflichtigkeit des Studiums. Die
Abgabenpflichtigkeit des Studiums wurde aus einem Motivationsbündel heraus
eingeführt. Neben dem Gesichtspunkt der Mittelbeschaffung für die Hochschulen wurde
das Ziel einer veränderten Beziehung zwischen den Studenten und ihren Hochschulen
angestrebt, indem die Mitfinanzierung des Studiums durch die Studenten auch deren
Mitverantwortung stärken sollte. Darüber hinaus wurde es als ungerecht empfunden,
dass besondere staatliche Leistungen wie die Bereithaltung eines Studienplatzes, die
sich regelmäßig auch in einem zukünftigen höheren Einkommen niederschlagen,
vollständig aus allgemeinen Steuermitteln finanziert wurden und damit vor allem von
Personen, denen derartige Leistungen nicht zugewandt wurden oder werden.
36
Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 14/725, S.1 f.
37
Diesen Gesichtspunkten stünde es entgegen, wenn die Einführung von
Studienbeiträgen nur auf Studenten beschränkt worden wäre, die erst nach Inkrafttreten
des Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetzes ihr Studium aufgenommen
haben. Denn dann würden die genannten Ziele, deren Verfolgung in die Hand der
jeweiligen Hochschule gelegt wurde, erst wesentlich später erreicht.
38
Demgegenüber kann das Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen gesetzlichen
Regelung in § 10 des Hochschulgesetzes vom 14. März 2000 und § 1 Abs. 1 des
Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes, die ein gebührenfreies Studium bis zu
einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss vorsahen, nicht gravierend ins Gewicht
fallen. Gleiches gilt für die Regelung des § 27 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes
i.d.F. des Sechsten Änderungsgesetzes vom 8. August 2002 (BGBl. I S.3138), die
allerdings wegen Kompetenzwidrigkeit nichtig und daher nicht wirksam war.
39
Vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Januar 2005 2 BvF 1/03 , NJW 2005, 493.
40
Alle diese gesetzgeberischen Entscheidungen waren Ausfluss der jeweiligen
parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse und politisch hoch umstritten. Sie sind gegen
die Stimmen zumindest des größten Teils der Opposition zustande gekommen.
41
Vgl. für § 27 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes den
Gesetzesbeschluss, BT-PlPr. 14/233, S. 23196, und die Zurückweisung des
Einspruchs des Bunderates durch den Bundestag, BT-PlPr. 14/248, S.
25089, sowie die Ablehnung der Festschreibung der Gebührenfreiheit des
Erststudiums bei der Beratung des 6. Änderungsgesetzes zum
Hochschulrahmengesetz am 25. April 2002 durch die Abgeordneten Rachel
(CDU/CSU), Flach (FDP) und Friedrich (CDU/CSU), BT-PlPr. 14/233, S.
23183, 23188 und 23192 f.; für § 10 des nordrhein-westfälischen
Hochschulgesetzes vgl. den Gesetzesbeschluss, LT-PlPr. 13/80, S. 8072,
und die Forderung nach Einführung von Studiengebühren auch für das
Erststudium bei der Beratung des Studienkonten- und
finanzierungsgesetzes am 22. Januar 2003 durch die Abgeordnete
Düttmann-Braun (CDU), LT-PlPr. 13/80, S. 8062 ff.
42
Daher durften Studenten und insbesondere die seit dem Wintersemester 2004/2005
immatrikulierte Klägerin von vorneherein nicht darauf bauen, dass auch bei Änderung
der politischen Mehrheitsverhältnisse nach Wahlen es bei diesen Entscheidungen in
Zukunft bleiben würde. Schließlich ist dem Interesse der Studenten an einer
Verschonung von Abgaben für ein bereits aufgenommenes Erststudium auch
hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass für Altstudenten nach § 21 Abs. 1
StBAG NRW der früheste Zeitpunkt einer Beitragspflicht das Sommersemester 2007
statt des Wintersemesters 2006/2007 ist.
43
Vgl. zur Verfassungsgemäßheit des Studienbeitrags- und
Hochschulabgabengesetzes unter Vertrauensschutzgesichtspunkten OVG
NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2009 15 A 3141/07 , S. 7 ff. des amtlichen
Umdrucks.
44
Auch die Beitragssatzung der Universität C. ist wirksam. Formelle Mängel ihres
Zustandekommens bestehen nicht. Gegen das Öffentlichkeitsgebot ist nicht verstoßen
worden. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 des Hochschulgesetzes vom 31. Oktober 2006 (GV.
NRW. S. 474 - HG -) sind Sitzungen des Senats grundsätzlich öffentlich.
Sitzungsöffentlichkeit bedeutet, dass eine ungehinderte Zugangsmöglichkeit für
jedermann im Rahmen der verfügbaren Kapazität besteht.
45
Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl., Art. 42 Rn. 26, für den Bundestag;
46
Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, Loseblattsammlung (Stand:
Februar 2009), § 48 Anm. IV 2 und 3, und Zacharias, Nordrhein-
westfälisches Kommunalrecht, S. 152, beide für den Gemeinderat. Vgl. auch
OVG NRW, Urteil vom 21. Juli 1989 - 15 A 713/87 -, NVwZ 1990, 186 (187),
zur Möglichkeit der Sitzungsteilnahme für jedermann als Kernelement der
Sitzungsöffentlichkeit.
Die Sitzungsöffentlichkeit in diesem Sinne war hergestellt: 19 Sitzplätze für Zuhörer
standen zur Verfügung und wurden auch tatsächlich in Anspruch genommen. Da die
Kapazität danach erschöpft war, konnte weiteren Interessierten der Zugang verweigert
werden. Unerheblich ist, dass nach Auffassung des Klägers mit 19 Sitzplätzen zu wenig
Plätze zur Verfügung standen. Zuhörer sind zur Wahrung der Sitzungsöffentlichkeit nur
zuzulassen, soweit Plätze vorhanden sind. Eine Pflicht zur Erweiterung der üblichen
Kapazität, insbesondere durch Wahl eines größeren Raumes, besteht unter dem
Gesichtspunkt der Sitzungsöffentlichkeit nicht.
47
Vgl. zur entsprechenden Problematik der Öffentlichkeit von
Gerichtssitzungen BGH, Urteil vom 6. Oktober 1976 - 3 StR 291/76 -, NJW
1977, 157 f.; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 169 Rn. 25 f.; Ule, Anselm
Feuerbach heute, DVBl. 1979, 797 (805).
48
Eine Grenze wird da erreicht sein, wo ein so kleiner Raum gewählt wird, dass die
Öffentlichkeit faktisch ausgeschlossen ist, weil nicht nur - was unschädlich ist - eine sehr
begrenzte Zahl von Zuhörern Zutritt hat, sondern so wenige, dass sie nicht mehr als
Repräsentanten einer keiner besonderen Auswahl unterliegenden Öffentlichkeit
angesehen werden können. Das ist etwa der Fall, wenn nur für einen einzigen Zuhörer
ein Sitzplatz vorgesehen ist und weitere Zuhörer allenfalls in ganz geringer Zahl und
unter unzumutbaren Bedingungen Zutritt erhalten können.
49
Vgl. zu solchen Konstellationen für Gerichtssitzungen BGH, Urteil vom
10. November 1953 5 StR 445/53 -, NJW 1954, 281; OLG Köln, Beschluss
vom 8. September 1983 - 3 Ss 63/83 (185), NStZ 1984, 282; BayObLG,
Beschluss vom 30. November 1981 1 Ob OWi 331/81 -, NJW 1982, 395.
50
Auch dürfte das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit verletzt werden, wenn in Abkehr von
der gewöhnlichen Sitzplatzbereitstellung oder Raumverteilung die Zahl der
Zuhörerplätze gezielt verringert oder zur Verringerung der Zuhörerzahl ein kleinerer
Sitzungssaal ausgesucht wird.
51
Vgl. Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 169 Rn. 28.
52
All diese Ausnahmen liegen im vorliegenden Fall, in dem die Kapazität der verfügbaren
Sitzplätze im Senatssitzungsaal sogar auf 19 erhöht wurde, nicht vor.
53
Unerheblich ist, dass das Senatsmitglied C1. nicht an der Sitzung teilnahm. Die
Wirksamkeit des Senatsbeschlusses über die Studienbeitragssatzung hing nicht von
dem Erscheinen und der Mitwirkung dieses Mitglieds ab. Gemäß § 12 Abs. 2 der
Grundordnung der Universität C. vom 15. Januar 2003 und § 9 Abs. 1 der
Geschäftsordnung des Senats der Universität C. vom 2. Juni 2003 war der Senat
beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder
anwesend war. Die Klägerin behauptet nicht, dass dies nicht der Fall gewesen sei.
54
Dafür ist auch nichts ersichtlich: Die Satzung wurde mit 14 Ja- gegen 6 Nein-Stimmen
verabschiedet, wobei der Senat nach § 28 Abs. 1 Satz 1 der Grundordnung über 22
stimmberechtigte Mitglieder verfügte. Da es somit auf die Anwesenheit des
Senatsmitglieds C1. schon vom Ansatz her nicht ankommt, waren erst recht die
Gründe seiner Nichtteilnahme unerheblich.
Unerheblich ist schließlich auch, ob die Universität alles Erforderliche unternommen
hatte, um dem Senatsmitglied C1. gegen die randalierenden Demonstranten Zugang
zu verschaffen, und ob die Sicherheitsvorkehrungen über das Maß des Zulässigen den
Zugang dieses Senatsmitglieds behindert haben. Diese Fragen mögen das
Mitgliedschaftsrecht dieses Mitglieds zu den Organen der Universität berühren, nicht
aber die Wirksamkeit des Beschlusses des Senats. Für die Wirksamkeit des
Satzungsbeschlusses hätte allein ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften über das
Zustandekommen eines Satzungsbeschlusses Bedeutung.
55
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. August 1996 15 A 32/93 , NWVBl. 1997, 69.
56
Das wäre etwa der Fall, wenn gegen die gesetzlichen Vorschriften über die
Zusammensetzung des Senats (heute § 22 Abs. 2 Satz 1 des Hochschulgesetzes i.V.m.
der jeweiligen Grundordnung der Hochschule) in der Form verstoßen würde, dass ein
für die Vorbereitung und Durchführung der Sitzung zuständiges Hochschulorgan gezielt
die Möglichkeit der Teilnahme von Senatsmitgliedern an einer Sitzung manipuliert und
damit eine von der gesetzlich vorgesehenen Zusammensetzung abweichende Präsenz
in der Sitzung bewirkt. Davon kann hier keine Rede sein. Zur Sicherstellung einer
ungestörten Verhandlung waren angesichts der Störungen in der vorhergehenden
Sitzung und der Störer vor dem Sitzungssaal am Sitzungstag Zugangssicherungen und
das Verschließen der Türen nach Erschöpfung der Sitzplatzkapazität geboten.
57
Vgl. dazu, dass eine ungestörte Gerichtsverhandlung ebenso wesentlich ist
wie die Kontrolle einer Sitzung durch die Allgemeinheit, BGH, Urteil vom 23.
April 1980 3 StR 434/79 (S), NJW 1981, 61.
58
Wenn es dem Senatsmitglied C1. nicht gelang, sich gegen die Störer Zugang zu
verschaffen, hat dies - unbeschadet der alleine seine Mitgliedschaftsrechte gegenüber
Hochschulorganen berührenden Fragen - ebenso wenig Auswirkungen auf die
Wirksamkeit des ohne ihn getroffenen Satzungsbeschlusses wie andere, nicht von ihm
verschuldete Hinderungsgründe für eine Teilnahme.
59
Soweit die Klägerin auch die fehlende Zugangsmöglichkeit des nichtstimmberechtigten
Mitglieds N. geltend macht, trifft dies in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Ausweislich
der vorläufigen Niederschrift der Sitzung vom 12. Juli 2006 war Frau N. anwesend
und hat sich an der Diskussion um Studienbeiträge beteiligt. Dies wird auch so vom
Beklagten dargestellt, dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist. Im übrigen würden
aber die vorstehenden Ausführungen bezüglich des Senatsmitglieds C1. auf Frau
N. ebenso zutreffen.
60
Die Beitragssatzung ist auch materiell rechtmäßig.
61
Die Beitragssatzung verstößt nicht deswegen gegen das Gleichbehandlungsgebot des
Art. 3 Abs. 1 GG, weil von erstmals im Wintersemester 2006/07 oder später an der
Universität C. eingeschriebenen Studenten der volle Beitrag von 500, Euro erhoben
62
wird, während Studenten, die bereits zuvor an der Universität C. eingeschrieben
waren, nach Hochschulzugehörigkeit bis zu einer Höchststudienzeit gestaffelt geringere
Beiträge bezahlen müssen, so auch die Klägerin 300,-- Euro statt 500, Euro.
Zutreffend meint das Verwaltungsgericht, dass eine Ungleichbehandlung von
Personengruppen nur zulässig ist, wenn zwischen beiden ungleich behandelten
Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchen Gewicht bestehen, dass sie die
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können.
63
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 , BVerfGE 120,
125 (144).
64
Die Grenze ist also nicht erst bei willkürlicher Ungleichbehandlung im Sinne des
Fehlens eines sachlichen Grundes für die Differenzierung überschritten, sondern schon
dann, wenn sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu
dem Grund der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt.
65
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 1 BvL 16/96 u. a. , BVerfGE
102, 68 (87).
66
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Beitragsregelung nach diesen
Maßstäben jedoch gerechtfertigt.
67
Soweit es darum geht, den Altstudenten bis zu einer Höchststudiendauer einen
geringeren Beitrag aufzuerlegen, rechtfertigt sich die Regelung unter dem Gesichtspunkt
des Vertrauensschutzes gegenüber den Studenten, die im Wintersemester 2006/07 oder
später eingeschrieben wurden. Jene Studenten haben nämlich ihr Studium zu einer Zeit
begonnen, als das Erststudium nach der damals geltenden Gesetzeslage noch
abgabenfrei war, so dass ihre Entscheidung zum Studium auch damit motiviert sein
kann. Diese Hoffnung wurde durch das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz
und die Beitragssatzung der Universität C. enttäuscht, wenngleich wie oben
ausgeführt verfassungsrechtlich zulässig. Damit war die Hochschule berechtigt, das so
enttäuschte Vertrauen durch einen gesenkten Beitrag auszugleichen. Der Umstand,
dass diese von der Satzung vorgesehene Differenzierung verfassungsrechtlich zulässig
ist, aber nicht vom Gesetzgeber im Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz
vorgenommen wurde, führt nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes durch das
Gesetz, wenn das, was an Differenzierung zulässig ist, nicht auch verfassungsrechtlich
geboten ist.
68
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 1994 1 BvL 8/85 , BVerfGE 90, 226
(239).
69
Der Satzungsgeber war an der Differenzierung nicht deshalb gehindert, weil der
Gesetzgeber bereits durch § 21 Abs. 1 StBAG NRW einen Vertrauensschutz in der
Weise gewährt hat, dass für Altstudenten die frühestmögliche Beitragspflicht ein
Semester später als für die übrigen Studenten festgelegt wurde. Ein Hindernis für
weitergehenden Vertrauensschutz in der Beitragssatzung durch diese gesetzliche
Vertrauensschutzregelung wäre nur dann anzunehmen, wenn aus ihr gefolgert werden
könnte, sie sei auch für den Satzungsgeber eine abschließende
Vertrauensschutzregelung. Wie der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs zu
entnehmen ist, sah sich der Gesetzgeber dazu veranlasst, für Altstudenten einen
70
späteren Zeitpunkt für die Beitragspflicht vorzusehen, weil zwar keine unechte
Rückwirkung vorliege, aber dennoch durch das Studienkonten- und finanzierungsgesetz
mit der dort getroffenen Regelung eines Studienguthabens ein Vertrauenssachverhalt
geschaffen worden sei.
Vgl. LT-Drs. 14/725, S. 56.
71
Die Erhebung von Studienbeiträgen wurde den Hochschulen als
Selbstverwaltungsangelegenheit zugewiesen (§ 106 Abs. 1 Satz 2 des
Hochschulgesetzes in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur Sicherung der
Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen vom 21. März 2006, GV. NRW. S. 119).
Die Einschränkung dieses Selbstverwaltungsrechts setzt eine hinreichend eindeutige
gesetzliche Regelung voraus.
72
Ebenso für die Einschränkung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts,
OVG NRW, Urteil vom 28. Juni 2005 15 A 4221/03 , NWVBl. 2006, 30 (31);
Urteil vom 30. März 2004 15 A 2360/02 , NVWBl. 2004, 378 (380); Urteil
vom 18. Juni 2002 15 A 1958/01 , NWVBl. 2002, 384 (386).
73
Von einem solchen hinreichend eindeutigen gesetzlichen Verbot weitergehender
Differenzierung nach Vertrauensschutzgesichtspunkten ist § 21 Abs. 1 StBAG NRW
weit entfernt. Ihm ist nichts dafür zu entnehmen, dass der so vom Gesetzgeber
vorgeschriebene Mindestvertrauensschutz vom Satzungsgeber nicht noch aufgestockt
werden dürfte.
74
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist auch die Differenzierung nach der
Dauer des begonnenen Studiums zulässig. Je länger der Student bereits studierte,
desto stärker hat sich sein Vertrauen auf die Unentgeltlichkeit des Erststudiums
verfestigt und desto schwerer würde ihn ein mit Rücksicht auf die Beitragspflicht
herbeigeführter Abbruch des Studiums treffen.
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Schließlich ist auch die Beschränkung der Vergünstigung ermäßigten Beitrags auf
C2. Altstudenten unbedenklich. Zwar werden durch diese Regelung alle
Studenten von der Vergünstigung ausgeschlossen, die im Wintersemester 2006/07 oder
später von einer anderen Hochschule zur Universität C. gewechselt sind, obwohl
auch sie ihr Studium unter Geltung der Abgabenfreiheit für das Erststudium begonnen
haben. Das ist aber zulässig. Studienbeiträge sind Selbstverwaltungsangelegenheiten
jeder einzelnen Hochschule. Daher ist die Hochschule auch nur verpflichtet, den
Gleichheitssatz in ihrem Bereich zu wahren.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1966 1 BvR 33/64 , BVerfGE
21, 54 (68), für Gemeindesatzungen.
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Unter diesem hochschulindividuellen Maßstab ist es ein sachgerechtes
Differenzierungskriterium, nur den Studenten einen über den gesetzlichen
Mindestvertrauensschutz hinausgehenden weiteren Vertrauensschutz zu gewähren, die
von der Einführung von Studiengebühren gerade in C. enttäuscht wurden, also
solchen Studenten, die bereits vor dem Wintersemester 2006/07 - dem Semester
erstmalige Einführung von Studienbeiträgen an der Universität C. - an dieser
Universität immatrikuliert waren. Studenten, die erst im Wintersemester 2006/07 oder
später zur Universität C. gewechselt sind, hat die Einführung von Studienbeiträgen
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an dieser Universität nicht in einem Vertrauen auf ein abgabenfreies Erststudium an
dieser Universität enttäuschen können. Würde man diese Studenten einbeziehen,
würde lediglich ein allgemeines Vertrauen darauf geschützt, dass an anderen
Hochschulen als der, der man angehört, keine Studienabgaben eingeführt werden.
Auch dies wäre zwar zulässig, ist jedoch nicht geboten. Eine Hochschule ist wegen der
Regelungsbeschränkung auf ihren Bereich nicht verpflichtet, ein solches früheres
Vertrauen von zum damaligen Zeitpunkt nicht ihr angehörenden Studenten nach
Begründung der Zugehörigkeit zu ihr in gleicher Weise zu schützen wie das
entsprechende Vertrauen ihr auch im Vertrauenszeitpunkt angehörender Studenten.
Vgl. zur Zulässigkeit der Förderung nur von Landeskindern BVerfG,
Beschluss vom 23. November 2004 - 1 BvL 6/99 -, BVerfGE 112, 74 (86 ff.).
79
Der angefochtene Bescheid kann sich, soweit er noch in Streit steht, auf diese gültigen
normativen Grundlagen stützen.
80
Unbedenklich ist, dass überhaupt ein Beitragsbescheid erlassen wurde
(Verwaltungsaktsbefugnis). Zwar entsteht gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 StBAG NRW die
Pflicht zur Entrichtung des Studienbeitrags mit der Stellung des Antrags auf
Immatrikulation oder Rückmeldung. Die Abgabe wird gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 StBAG
NRW mit der Entstehung der Abgabepflicht fällig. Einer Festsetzung des Beitrags durch
Bescheid bedarf es somit nicht. Gleichwohl darf er aber gemäß § 1 Abs. 2 StBAG NRW
i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen
(GebG NRW) ergehen.
81
Allerdings entsteht die Beitragspflicht nach den eingangs genannten Bestimmungen erst
mit der Rückmeldung. Hier ist der Bescheid jedoch während der noch laufenden
Rückmeldefrist und damit möglicherweise vor Rückmeldung der Klägerin und damit vor
der Beitragsentstehung ergangen. Grundsätzlich darf eine Abgabe nicht im Voraus für
alle Fälle zukünftiger Verwirklichung des Abgabentatbestandes festgesetzt werden.
Eine Abgabefestsetzung im Voraus ist nur für Pauschgebühren vorgesehen (§ 1 Abs. 2
StBAG NRW i.V.m. § 9 Abs. 3 GebG NRW).
82
Die Festsetzung im Voraus darf grundsätzlich auch nicht durch Beifügung einer
Bedingung geschehen. Die Festsetzung einer Abgabe unter der Bedingung, dass sie
entsteht, widerspricht nämlich den Zweck einer Festsetzung (§ 36 Abs. 3 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen). Mit der Festsetzung
einer Abgabe wird ein kraft Gesetzes entstandener Abgabeanspruch durch
Entscheidung über ihn und durch dessen Konkretisierung geltend gemacht.
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Vgl. für Steuerbescheide BFH, Urteil vom 12. August 1999 - VII R 92/98 -,
BStBl. 1999 II, S. 751 (752); Alber, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO,
FGO, Loseblattsammlung (Stand: Oktober 2009), § 218 AO Rn. 4; Rüsken,
in: Klein, AO, 10. Aufl., § 218 Rn. 1.
84
Diesem Entscheidungs- und Konkretisierungszweck einer Festsetzung würde es
zuwiderlaufen, wenn nur durch Wiederholung des gesetzlichen Abgabentatbestands die
Abgabe für zukünftige Fälle "festgesetzt" würde, so dass die Beifügung einer solchen
Bedingung grundsätzlich unzulässig ist. Nur dann, wenn der Abgabentatbestand in der
Entstehung begriffen ist, widerspricht die Abgabenfestsetzung unter der Bedingung der
endgültigen Verwirklichung des Abgabentatbestandes nicht dem Zweck einer
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Abgabenfestsetzung.
So liegt der Fall für die Beitragsfestsetzung für das Sommersemester 2007, wenn sich
die Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beitragsbescheides noch
nicht rückgemeldet habe sollte. Denn der Bescheid wurde im Zusammenhang mit der
Eröffnung des Rückmeldeverfahrens für dieses Semester und daher im Zusammenhang
mit der Verwirklichung des Abgabentatbestandes erlassen.
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Vgl. zur Zulässigkeit der Festsetzung in einer solchen Konstellation OVG
NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2009 15 A 3141/07 , S. 6 des amtlichen
Umdrucks.
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Der Beitragsbescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Klägerin ein
kostenfreies Erststudium durch die ihr vom Beklagten unter dem 13. April 2005
übersandten "Bescheinigung über den Stand des Studienkontos" nach § 1 Abs. 1 der
Verordnung über die Einrichtung und Führung von Studienkonten mit Regelabbuchung
sowie über die Erhebung von Gebühren an den Universitäten, Fachhochschulen und
Kunsthochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. September 2003 (GV.
NRW. S. 570) gewährt worden wäre. In dieser Bescheinigung wird unter der Rubrik
"Stand des Studienkontos" ein "verbleibendes Guthaben" von 8 Semestern
ausgewiesen und als letztes voraussichtliches Semester mit Guthaben nach dem
Studienkonten- und finanzierungsgesetz das Wintersemester 2008/2009 genannt. Der
Kontoauszug stellt also lediglich die Rechtslage zum Kontostand nach dem
Studienkonten- und finanzierungsgesetz im Zeitpunkt des Erlasses des Kontoauszugs
dar. Er gewährt daher nicht losgelöst vom Bestand dieses Gesetzes einen Anspruch auf
ein kostenfreies Erststudium in vorgegebener Höchstzeit. Insbesondere liegt in dem
Kontoauszug und dortigen Mitteilung des verbleibenden Guthabens sowie der
Benennung des voraussichtlich letzten Semesters mit Guthaben keine Zusicherung,
dass auch bei geänderter Rechtslage keine allgemeine Abgabe für das Erststudium in
der Zukunft erhoben wird.
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Vgl. zum förmlichen Wegfall von Restguthaben § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur
Aufhebung des Studienkonten und finanzierungsgesetzes vom 21. März
2006 (GV. NRW. S. 119 = Art. 1 des Gesetzes zur Sicherung der
Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen); zur Frage, ob
Restguthaben verfassungsrechtlich Eigentum sind, und zum Vertrauen auf
den Bestand von Restguthaben vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung,
LT-Drs. 14/725, S. 31 f.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach
hat die Klägerin die Kosten zu tragen, soweit die Klage erfolglos bleibt. Hinsichtlich des
erledigten Teils entspricht es der Billigkeit, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da -
wie sich aus dem Vorstehenden ergibt - die Festsetzung von Beiträgen für zukünftige
Semester rechtswidrig war. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision
ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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