Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.01.2011

OVG NRW (kläger, aeuv, aufenthaltserlaubnis, treu und glauben, aufenthalt, eugh, unionsbürger, grund, richtlinie, nigeria)

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 A 2513/10
Datum:
21.01.2011
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 A 2513/10
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 12 K 2648/09
Schlagworte:
Inländerdiskriminierung Ungleichbehandlung Daueraufenthaltsrecht
Familienangehöriger Unionsbürger
Normen:
FreizügG § 1; FreizügG § 4a; AufenthG § 51; AufenthG § 82; GG Art. 3;
AEUV Art. 18; AEUV Art. 21; AEUV Art. 45; AEUV Art 49; AEUV Art. 56;
Richtlinie 2004/38/EG Art. 3; Richtlinie 2004/38/EG Art. 16
Leitsätze:
Eine Ausländerbehörde ist nach § 82 Abs. 3 AufenthG nicht gehalten,
einen Ausländer vorab über die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen
aller Eventualitäten seines Handelns zu belehren.
Die rechtliche Schlechterstellung (sog. Inländerdiskriminierung) des
Nachzugs von Drittstaatsangehörigen zu Deutschen im Vergleich zum
Nachzug zu Ausländern aus EU-Mitgliedsstaaten in Fällen, in denen es
für den Deutschen an einem freizügigkeitsrelevanten
grenzüberschreitenden Bezug fehlt, verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1
GG noch gegen primärrechtliche gemeinschaftsrechtliche
Bestimmungen.
Zu den Voraussetzungen eines Daueraufenthaltsrechts von
Familienangehörigen eines Unionsbürgers nach § 4a Abs. 1 FreizügG.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 5.000,-- EUR
festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Der Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28. Februar 2001 mit
einem Visum zur Familienzusammenführung zu seiner Ehefrau, einer deutschen
Staatsangehörigen, in das Bundesgebiet ein. Nachdem ihm zunächst befristete
Aufenthaltserlaubnisse zum Zwecke der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft
erteilt worden waren, erhielt er am 4. Mai 2004 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 3 AuslG. Bereits im September 2003 stellte die Ehefrau einen Antrag auf
Ehescheidung. Die Ehe wurde im Mai 2006 geschieden. Im Scheidungsverfahren trug
die Ehefrau vor, die eheliche Lebensgemeinschaft habe bereits seit September 2003
nicht mehr bestanden.
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Mit inzwischen bestandskräftiger Ordnungsverfügung vom 19. September 2006 nahm
die Beklagte die dem Kläger am 4. Mai 2004 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis
mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und erteilte dem Kläger eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG.
4
Am 16. Februar 2008 verließ der Kläger das Bundesgebiet und reiste nach Nigeria. Am
4. Dezember 2008 kehrte er zurück. Mit Bescheid vom 1. April 2009 stellte die Beklagte
fest, dass die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG kraft
Gesetzes erloschen sei und drohte ihm die Abschiebung nach Nigeria an.
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Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Mit seinem Antrag auf Zulassung der
Berufung trägt der Kläger vor, seine Aufenthaltserlaubnis sei nicht nach § 51 Abs. 1 Nr.
7 AufenthG erloschen. Der Aufenthalt in Nigeria habe sich krankheitsbedingt verlängert.
Die Beklagte habe ihn nicht über die Folgen des Auslandsaufenthalts belehrt. Im
Übrigen hätte er, wenn er mit einer in den EU-Mitgliedstaaten gewanderten deutschen
Staatsangehörigen oder einer Bürgerin aus einem anderen EU-Mitgliedstaat verheiratet
gewesen wäre, ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG erworben. Ein
solches wäre nach § 4a Abs. 7 FreizügG nur verloren gegangen, wenn er sich aus
einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund für mehr als zwei
aufeinander folgende Jahre außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hätte. Die
Ungleichbehandlung stelle eine unzulässige Diskriminierung wegen der
Staatsangehörigkeit dar.
6
II.
7
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
8
Dahinstehen kann, ob - wovon die Beteiligten offensichtlich übereinstimmend ausgehen
- der Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise nach Nigeria im Februar 2008 überhaupt noch
im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis war. Dies ist zweifelhaft, weil ausweislich
des Bescheides vom 19. September 2006 eine Gültigkeitsdauer für die nach Maßgabe
des § 31 Abs. 1 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht benannt wurde. Der
gesetzlichen Regelung entsprechend dürfte im Zweifel lediglich von einer
Geltungsdauer von einem Jahr ausgegangen werden. Eine anschließende
Verlängerung hätte sich nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gerichtet. Dass dem Kläger
nach einem Jahr aber weitere Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden wären, ist jedenfalls
den dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen.
9
Wird gleichwohl zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass dieser über eine gültige
10
Aufenthaltserlaubnis verfügt hätte, weckt das Zulassungsvorbringen keine ernstlichen
Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr.
1 VwGO), eine Aufenthaltserlaubnis sei wegen dessen Aufenthalts in Nigeria in der Zeit
vom 16. Februar 2008 bis zum 4. Dezember 2008 nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG
erloschen. Nach dieser Regelung erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer
ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der
Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Dabei kommt es
nicht auf den Willensentschluss des Ausländers und den Grund für seinen
Auslandsaufenthalt an. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist steht vielmehr unwiderleglich
fest, dass der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund
ausgereist und seine Aufenthaltserlaubnis damit erloschen ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 1 C 6.08 -, NVwZ 2009, 1162.
11
Anders als der Kläger meint, bietet der Sachverhalt keinen Anlass für eine
Nachsichtgewährung auf der Grundlage von Treu und Glauben. Soweit eine solche zum
Ausgleich besonderer Härten nach geringfügiger Fristüberschreitung oder in Fällen
höherer Gewalt bei außergewöhnlichen Ereignissen, die nach den Umständen des
Falles auch durch die äußerste dem Betroffenen zuzumutende Sorgfalt weder
abgewehrt noch in ihren schädlichen Folgen verhindert werden könnten, bejaht wird,
12
vgl. BayVGH, Urteil vom 10. Januar 2007 - 24 BV 03.722 -, juris, und Beschluss vom
25. Februar 2004 - 10 ZB 03.187 -; VG Bremen, Urteil vom 30. November 2005 - 4 K
1013/05 -, InfAuslR 2006, 198,
13
liegen derartige Voraussetzungen hier jedenfalls nicht vor. Insoweit trägt der Kläger
zwar vor, er sei in Nigeria wegen einer Erkrankung in der Zeit vom 23. August 2008 bis
zum 28. November 2008 stationär behandelt worden. Dass ihm aber deshalb eine
telefonische oder schriftliche Kontaktaufnahme mit der Ausländerbehörde unmöglich
war, ist nicht ersichtlich. Zur Beantragung der Fristverlängerung hätte es – anders als
der Kläger offensichtlich meint - einer persönlichen Vorsprache bei der Deutschen
Botschaft nicht bedurft. Abgesehen davon war die 6-Monatsfrist am 23. August 2008
schon abgelaufen. Weshalb es ihm zuvor unmöglich gewesen sein könnte, eine
Fristverlängerung zu beantragen, lässt der Zulassungsantrag nicht erkennen.
14
Ohne Erfolg macht der Kläger weiter eine Verletzung der der Beklagten obliegenden
Beratungspflicht nach § 82 Abs. 3 AufenthG und einen daraus folgenden öffentlich-
rechtlichen Wiederherstellungsanspruch geltend. Eine Verletzung der Beratungspflicht
ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil weder dem Zulassungsvorbringen noch den
vorliegenden Verwaltungsvorgängen oder der Gerichtsakte zu entnehmen ist, dass der
Kläger sich vor seiner Ausreise mit der Beklagten in Verbindung gesetzt und diese über
die beabsichtigte Ausreise informiert hat. Fehlt es aber hieran, kann der Beklagten eine
mangelnde Belehrung nicht vorgehalten werden, denn eine Ausländerbehörde ist auch
unter Berücksichtigung des § 82 Abs. 3 AufenthG nicht gehalten, einen Ausländer über
alle Eventualitäten seines Handelns im Vorfeld zu belehren.
15
Aus § 4a Abs. 7 FreizügG kann der drittstaatsangehörige Kläger zu seinen Gunsten
ebenfalls nichts herleiten.
16
Das FreizügG, das die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 29. April 2004 (Unionsbürgerrichtlinie) umsetzt, ist bereits seinem
17
ausdrücklichen Wortlaut nach nicht anzuwenden. Nach seinem in § 1 FreizügG
definierten Anwendungsbereich regelt es die Einreise und den Aufenthalt von
Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ihrer
Familienangehörigen. Entsprechend beschreibt die Unionsbürgerrichtlinie in ihrem
Artikel 3 Abs. 1 den durch diese Richtlinie Berechtigten als Unionsbürger, der sich in
einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder
sich dort aufhält, sowie dessen Familienangehörige. Neben dem Wortlaut folgt aber
auch aus der Zielsetzung der Richtlinie, Unionsbürgern die Freizügigkeit im
Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu erleichtern, dass die Richtlinie nicht im Verhältnis
eines Unionsbürgers zu dem Mitgliedstaat gilt, dessen Staatsangehöriger er ist und in
dem er sich seit jeher aufhält. Entsprechendes gilt für den Familienangehörigen, dessen
Rechte vom Freizügigkeitsrecht des Unionsbürgers abgeleitet sind und dessen
Verwirklichung sie dienen.
Vgl. Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 25. November 2010 - Rs C-434/09
- im Verfahren Mc Carthy gegen Secretary of State for Home Department, Rdnr. 25, 30.
18
Erfolglos beruft sich der Kläger auf ein Verbot der Inländerdiskriminierung. Insoweit trägt
er vor, wäre er mit einer in den EU-Mitgliedstaaten gewanderten deutschen
Staatsangehörigen oder einer Bürgerin aus einem anderen EU-Mitgliedstaat verheiratet
gewesen, hätte er ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG erworben. Ein solches
wäre nach § 4 Abs. 7 FreizügG nur verloren gegangen, wenn er sich aus einem seiner
Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund von mehr als zwei aufeinander folgenden
Jahren außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hätte.
19
Anders als der Kläger meint, verstößt in Fällen der vorliegenden Art, in denen es an
einem grenzüberschreitenden Bezug fehlt, der Ausschluss drittstaatsangehöriger
Familienangehöriger eines deutschen Staatsangehörigen von aufenthaltsrechtlichen
Vergünstigungen nach Gemeinschaftsrecht nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es entspricht
ständiger Rechtsprechung, dass der nationale Gesetzgeber nicht gehalten ist,
europarechtliche Privilegierungen in das nationale Recht zu übernehmen. Ein
sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung liegt darin, dass das Gemeinschaftsrecht
die Familienangehörigen von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern privilegiert. Es
ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Familiennachzug zu deutschen
Staatsangehörigen ebenso aber auch zu allen nicht freizügigkeits- oder
assoziationsberechtigten Ausländern, mithin in der großen Mehrheit aller Fälle, aus
Gründen der Einwanderungsbegrenzung auf das in Abwägung mit dem Schutzgebot
von Ehe und Familie zulässige Ausmaß beschränkt, davon aber beim Nachzug zu
Ausländern aus EU-Mitgliedstaaten wegen der Pflicht zur Umsetzung bindender EU-
rechtlicher Vorgaben abweicht.
20
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43.06 -, DVBl. 2008, 108; OVG
NRW, Beschluss vom 17. März 2008 - 18 B 191/08 -, AuAS 2008, 125; OVG Bremen,
Beschluss vom 15. November 2010 - 1 B 156/10 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 21.
Juni 2010 - 10 ZB 09.2959 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. Juli 2001 -
10 B 10646/01 -, InfAuslR 2001, 429; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. August 1993
Bs VII 90/93 -, EZAR 022 Nr. 4 und Juris, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.
August 1995 - 13 S 329/95 -, NJW 1996, 72.
21
Die Versagung eines Aufenthaltsrechts verstößt zudem nicht gegen primärrechtliche
gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen. Auch diese setzen einen - hier fehlenden -
22
grenzüberschreitenden Bezug voraus.
Zur Begründung des Aufenthaltsrechts eines Drittstaatsangehörigen im Herkunftsland
des mit ihm verheirateten Unionsbürgers kommen sowohl die Grundfreiheiten als auch
der Unionsbürgerstatus (Art. 20 AEUV) und das damit verbundene Freizügigkeitsrecht
(vgl. Art. 21 AEUV) in Betracht.
23
Auf der Basis der Grundfreiheiten ist ein Aufenthaltsrecht nach der Rechtsprechung des
EuGH anerkannt, wenn der Unionsbürger, von dem sich das Aufenthaltsrecht des mit
ihm verheirateten Drittstaatsangehörigen ableiten soll, nicht nur kurzfristig von seinen
Rechten auf Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV, ex. Art. 39 EGV),
Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, ex. Art. 49 EGV) oder seiner
Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex. Art. 43 EGV) in einem anderen Mitgliedstaat
Gebrauch gemacht hat.
24
Vgl. EuGH, Urteile vom 25.Juli 2008 - C 127/08 -, Metock, InfAuslR 2008, 377, Rdnr.
73; vom 11. Dezember 2007 - C-291/05 -, Eind, NVwZ 2008, 402, Rdnr. 45; vom 11.
Juli 2002 - C-60/00 - Carpenter, DVBl. 2002, 1342, Rdnr. 46; vom 7. Juli 1992 - C-
370/90 -, Singh, Slg. I, 1992, I – 4265, Rdnr. 25.
25
Maßgebend hierfür ist - so der EuGH -,
26
Eind, a.a.O, Rdnr. 35; Carpenter, a.a.O., Rdnr. 39; Singh, a.a.O, Rdnr. 19,
27
der Umstand, dass die Grundfreiheiten ihre volle Wirkung nicht entfalten könnten, wenn
der Gemeinschaftsbürger von ihrer Ausübung durch Hindernisse abgehalten werden
könnte, die in seinem Herkunftsland für die Einreise und den Aufenthalt des Ehegatten
bestünden.
28
Insoweit entspricht es aber auch ständiger Rechtsprechung des EuGH,
29
vgl. Metock, a.a.O, Rdnr. 77; 9; Carpenter, a.a.O., Rndr. 28,
30
dass die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit und die zur Durchführung dieser
Bestimmungen erlassenen Maßnahmen nicht auf Tätigkeiten anwendbar sind, die keine
Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das
Gemeinschaftsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen
eines Mitgliedstaats hinausweisen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit der
grenzüberschreitende Bezug stets eine körperliche Grenzüberschreitung voraussetzt.
31
Vgl. hierzu Schlussantrag der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 30. September
2010 im Verfahren Gerado Ruiz Zambrano gegen Office national d’emploi (ONEM) C-
34/09 -, Rdnr. 86 ff.
32
Einen grenzüberschreitenden Anknüpfungspunkt machen auch die primärrechtlichen
Regelungen zur Unionsbürgerschaft in den Art. 18 ff. AEUV nicht entbehrlich, denn die
Unionsbürgerschaft - so der EuGH -
33
Urteile vom 22. Mai 2008, C-499/06 -, Nerkowska, Slg. 2008, I-3993, Rdnr. 25 und vom
2. Oktober 2003 C-148/02, Garcia Avello, Slg. 2003, I11613, Rdnr. 26,
34
bezweckt nicht, den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts auf rein interne
Sachverhalte auszudehnen. Aus der Unionsbürgerschaft ist dementsprechend nach
bisheriger ständiger Rechtsprechung des EuGH ein Verbot der Inländerdiskriminierung
nicht herzuleiten.
35
So Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 25. November 2010 im Verfahren
Mc Carthy gegen Secretary of State for Home Department - Rs C-434/09 -, Rdnr. 41.
36
Unerheblich ist, ob und inwieweit der EuGH dem Vorschlag der Generalanwältin
Sharpston in ihrem Schlussantrag,
37
vgl. a.a.O, Rdnr. 144 ff.,
38
Folge leisten wird, ohne dass es auf ein Gebrauchmachen von der Freizügigkeit
ankäme, Art. 18 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer umgekehrten
Diskriminierung entgegensteht, "die durch ein Ineinandergreifen von Art. 21 AEUV und
nationalem Recht verursacht wird, wenn sie eine Verletzung der im Unionsrecht
anerkannten Grundrechte beinhaltet und wenn nach nationalem Recht kein mindestens
gleichwertiger Schutz zur Verfügung steht".
39
Dass die von der Generalanwältin benannten Voraussetzungen vorliegen könnten, ist
dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass
das nationale Recht dem Kläger während der Dauer seines Status als Ehegatte einer
deutschen Staatsangehörigen (§ 3 Abs. 2 FreizügG/Art. 2 Nr. 2 Unionsbürgerrichtlinie)
keinen entsprechenden Schutz zur Verfügung gestellt hat. Weshalb die Versagung
eines (Dauer-) Aufenthaltsrechts an den drittstaatsangehörigen Kläger nach der
rechtskräftigen Scheidung noch eine Diskriminierung seiner nicht mobilen Ehefrau als
Unionsbürgerin darstellen und deshalb die Anerkennung eines Aufenthaltsrechts für
den Kläger gebieten könnte, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
40
Erfolglos bleibt der Zulassungsantrag aber auch deshalb, weil es an einer
hinreichenden Darlegung fehlt, dass der Kläger, wäre er mit einer gewanderten
deutschen Staatsangehörigen verheiratet gewesen, ein Daueraufenthaltsrecht erworben
hätte.
41
Nach § 4a FreizügG erwirbt der Familienangehörige eines Unionsbürgers unabhängig
von dem weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG das Recht
auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht), wenn er sich seit fünf Jahren
rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Wegen der Anknüpfung des
Aufenthaltsrechts an die Rechtsstellung des Unionsbürgers spricht Vieles dafür, dass
nicht jeder fünfjährige rechtmäßige Aufenthalt, sondern nur der fünfjährige rechtmäßige
Aufenthalt als Familienangehöriger eines Unionsbürgers genügt. Dies dürfte bereits aus
Art. 16 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie folgen, der verlangt, dass Familienangehörige, die
nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates haben, sich rechtmäßig fünf Jahre
lang "ununterbrochen mit dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten
haben" (have legally resided with the Union citizen in the host Member State/qui ont
séjourné légalement pendant une période ininterrompue de cinq ans avec le citoyen de
l'Union dans l'État membre d'accueil). Daraus könnte - ebenso wie aus den
Ausnahmeregelungen des Art. 17 Abs. 3 und 4 Unionsbürgerrichtline - abgeleitet
werden, dass drittstaatsangehörige Familienangehörige, die sich auf Grund eines
anderen nationalrechtlich geregelten Aufenthaltszwecks in Deutschland aufgehalten
42
haben, grundsätzlich kein Daueraufenthaltsrecht zustehen soll.
Vgl. Hailbronner, AuslR, Stand Oktober 2007, § 4a FreizügG, Rdnr. 6.
43
Entsprechendes dürfte Art. 7 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie bestätigen. Danach besteht
ein Aufenthaltsrecht für Familienangehörige, die den Unionsbürger begleiten oder ihm
nachziehen. Dies setzt zwar nicht zwingend eine häusliche, wohl aber eine familiäre
Lebensgemeinschaft voraus. Das Aufenthaltsrecht des Familienangehörigen ist
demgemäß kein originäres Recht des Familienangehörigen, sondern lediglich ein vom
Unionsbürger abgeleitetes, das dazu dient, diesem die Ausübung seiner
unionsrechtlichen Freizügigkeit zu ermöglichen.
44
Vgl. Eind, a.a.O., Rdnr. 23.
45
Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls nicht naheliegend, dass der Familienangehörige
das Daueraufenthaltsrecht bereits dann erwirbt, wenn er sich allein nach Maßgabe
nationaler Bestimmungen zu anderen Zwecken rechtmäßig im Bundesgebiet
aufgehalten hat.
46
Vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 13. Juli 2010 1 C 14.09 -, juris.
47
Vorliegend war der Aufenthalt des Klägers zwar seit der im Februar 2001 mit dem Visum
zum Ehegattennachzug erfolgten Einreise in das Bundesgebiet rechtmäßig. Aufgrund
der mit Bescheid vom 19. September 2006 rückwirkend erfolgten Rücknahme seiner
ihm am 4. Mai 2004 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und der ihm gleichzeitig
erteilten eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG hielt er sich –
jedenfalls in der Rückschau – ab Mai 2004 aber nicht mehr als Familienangehöriger
seiner Ehefrau im Bundesgebiet auf. Ob dieser Aufenthalt und die formale, bis zur
Ehescheidung andauernde Stellung des Klägers als Familienangehöriger nach § 3 Abs.
2 Nr. 1 FreizügG/Art. 2 Abs. 2 a der Unionsbürgerrichtlinie den Anforderungen des § 4a
Abs. 1 FreizügG/Art. 16 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie genügen, ist zweifelhaft.
48
Unabhängig hiervon ist auch fraglich, ob der Kläger die zeitlichen Voraussetzungen für
den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts erfüllt, denn die ehemalige Ehefrau des
Klägers hatte im Scheidungsverfahren – vom Kläger unwidersprochen – erklärt, dieser
sei am 24. September 2002 nach Spanien gefahren, um "Geschäften" nachzugehen. In
Spanien sei er inhaftiert worden. Erst am 17. August 2003 sei er wieder bei ihr
erschienen. Da die Scheidung aber bereits im Mai 2006 erfolgte, hätte er sich – sollte
dies zutreffen - jedenfalls bei Ablauf der Fünf-Jahresfrist nicht mehr als
Familienangehöriger im Bundesgebiet aufgehalten.
49
Aus den obigen Ausführungen folgt, dass sich der Kläger mit Erfolg nicht auf das
Vorliegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache
berufen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten liegen grundsätzlich nicht vor, wenn - wie hier - im Hinblick auf die
insoweit vorgetragenen Gründe ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen
Entscheidung verneint worden sind, weil die Richtigkeit der Entscheidung bereits im
Zulassungsverfahren festgestellt werden kann.
50
Auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Die vom Kläger für
51
grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Fragen,
ob Art 21 AEUV mit der Unionsbürgerschaft ein eigenständiges Aufenthaltsrecht
konstituiert, das vom Freizügigkeitsrecht unabhängig ist, so dass sich auch
Angehörige eines Mitgliedsstaates, die von ihrer Freizügigkeit keinen Gebrauch
gemacht haben, darauf berufen können und ihre (ehemaligen) Familienangehörigen
die aus den aufenthaltsrechtlichen EU-Richtlinen abgeleiteten Rechte geltend machen
können,
52
ob die unterschiedliche Behandlung von grenzüberschreitenden und nicht
grenzüberstreitenden Sachverhalten ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
des Art. 21 Abs. 2 AEUV darstellt,
53
und
54
ob § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG gegen Art. 18, 21 AEUV verstößt, in dem
drittstaatsangehörige (ehemalige) Familienangehörige von deutschen
Staatsangehörigen, die von ihrem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht
haben, ihr Aufenthaltsrecht bereits bei Trennung vom Familienangehörigen bzw. nach
Ablauf von sechs Monaten nach einer Ausreise verlieren, während
drittstaatsangehörige (ehemalige) Familienangehörige von gewanderten Deutschen
oder anderen EU-Bürgen ihre Aufenthaltsrecht erst nach Scheidung bzw. nach
Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts erst nach Ablauf von zwei Jahren nach
Ausreise verlieren,
55
stellen sich vorliegend nicht bzw. sind – wie oben ausgeführt - geklärt.
56
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
57
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig.
58