Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.08.2000

OVG NRW: anerkennung, weiterbildung, kieferorthopädie, gleichwertigkeit, ausbildung, bulgarien, berechtigung, begriff, berufsausübung, diplom

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 1317/98
Datum:
24.08.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 A 1317/98
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 10362/95
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der 1959 in Syrien geborene Kläger absolvierte von 1980 bis Mitte 1985 eine
Ausbildung an der medizinischen Akademie S. /Bulgarien in der Fachrichtung
Stomatologie und erhielt im Juli 1985 das Diplom über den Hochschulabschluss mit der
Qualifikation STOMATOLOGE. Von November 1985 bis Dezember 1988 absolvierte der
Kläger an der medizinischen Akademie S. die Fachausbildung Kieferorthopädie; nach
dem von ihm vorgelegten Diplom über anerkannte Fachausbildung vom 04.12.1988
wurde ihm "nach erfolgreich abgelegtem Staatsexamen seit 25.11.1988 laut Verordnung
über postgraduale Weiterbildung der medizinischen Hochschulkader das Recht eines
Facharztes für KIEFERORTHOPÄDIE anerkannt".
2
Im Oktober 1992 wurde der Kläger eingebürgert. Im Dezember 1992 erteilte ihm die
Beklagte die Approbation als Zahnarzt, nachdem ihm zuvor seit Juli 1989 Erlaubnisse
zur vorübergehenden Ausübung des zahnärztlichen Berufs (§ 13 Zahnheilkundegesetz)
erteilt worden waren. Von Mitte 1989 bis Mitte 1992 war der Kläger an der AOK-
Zahnklinik in D. und von Mitte 1992 bis Ende Januar 1993 als Assistent einer
Kieferorthopädin in D. tätig; nach der Praxisübernahme betreibt er dort seit Februar 1993
eine eigene kieferorthopädische Praxis.
3
Anfang 1993 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung seiner im
Ausland erworbenen fachzahnärztlichen Ausbildung als Kieferorthopäde. Im September
1993 lehnte die Beklagte (erstmals) den Antrag des Klägers auf Anerkennung der
Gebietsbezeichnung "Kieferorthopädie" ab, nachdem ein Prüfungsgespräch im August
1993 vor ihrem Prüfungsausschuss für den Kläger negativ ausgegangen war. Nach
einem weiteren Prüfungsgespräch Anfang Dezember 1993, bei dem der Kläger nach
Ansicht des Prüfungsausschusses gravierende Mängel in der kieferorthopädischen
Diagnose und ihrer Planung gezeigt habe, lehnte die Beklagte den Antrag auf
Anerkennung der Gebietsbezeichnung "Kieferorthopädie" mit Bescheid vom 17.
Dezember 1993, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 5. April 1994, erneut ab.
Die anschließende Klage (3 K 4716/94 VG Düsseldorf) nahm der Kläger nach
außergerichtlicher Einigung mit der Beklagten, bei der ihm eine weitere
Wiederholungsprüfung zugestanden wurde, zurück.
4
Im Juli 1995 fand ein weiteres Gespräch des Klägers vor dem Prüfungsausschuss
Kieferorthopädie der Beklagten statt, bei dem auch der damalige
Verfahrensbevollmächtigte des Klägers anwesend war. Nach Darstellung der Mitglieder
des Prüfungsausschusses habe der Kläger dabei die Wirkungsweise eines von ihm
selbst vorgeschlagenen Behandlungsgerätes eindeutig falsch wiedergegeben, was bei
einem Patienten negative Folgen für den Behandlungsablauf gehabt hätte, sowie kein
ausreichendes Wissen zur Biologie der Zahnbewegung gehabt. Die Beklagte lehnte
deshalb mit Bescheid vom 19. Juli 1995 den Antrag auf Anerkennung der
Gebietsbezeichnung "Kieferorthopädie" ab. Den Widerspruch des Klägers, in dem
dieser auf die Gleichwertigkeit seiner in Bulgarien abgeleisteten Weiterbildung verwies
und die Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Prüfung geltend machte, wies die Beklagte
durch Bescheid vom 11. Oktober 1995 zurück. Sie nahm dabei u.a. Bezug auf eine
Stellungnahme der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der
Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland,
Bonn, vom 9. Februar 1995, nach der für die zahnärztliche Weiterbildung die
Empfehlung gelten müsse, dass die Anerkennung zur Führung der Gebietsbezeichnung
"Kieferorthopädie" vom positiven Ergebnis entsprechender Fachprüfungen abhängig zu
machen sei.
5
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe aufgrund seiner in Bulgarien
absolvierten Fachausbildung "Kieferorthopädie" Anspruch auf Anerkennung der
entsprechenden Gebietsbezeichnung. Seine dreijährige Spezialisierung in S. sei
gleichwertig mit der Weiterbildung Kieferorthopädie nach der Weiterbildungsordnung
der Beklagten. Er sei seit mehr als 6 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland als
Kieferorthopäde tätig und geniesse als solcher große Anerkennung. Bei den
durchgeführten Prüfungsgesprächen seien verfassungsrechtlich gebotene
Prüfungsgrundsätze verletzt worden. Die Entscheidungen, ihm die Anerkennung der
Gebietsbezeichnung "Kieferorthopädie" zu versagen, seien mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht
vereinbar.
6
Der Kläger hat beantragt,
7
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juli 1995 und des
Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1995 zu verpflichten, ihm die Anerkennung
zur Führung der Gebietsbezeichnung Kieferorthopädie zu erteilen.
8
Die Beklagte hat beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Sie hat insbesondere weiterhin geltend gemacht, die vom Kläger in Bulgarien
absolvierte Weiterbildung sei nicht gleichwertig im Sinne des § 39 Abs. 7
Heilberufsgesetz.
11
Das Verwaltungsgericht hat zur Frage der Gleichwertigkeit Beweis erhoben durch
Einholung eines Gutachtens des Prof. Dr. Dr. G. von der privaten Universität W. -H. .
Dieser hat in seinem Gutachten vom 20. Oktober 1997 ausgeführt, nach den
Ausbildungsgegenständen ergebe sich Gleichwertigkeit zwischen dem
Weiterbildungsprogramm der Abteilung für Kieferorthopädie der Medizinischen
Akademie S. in der Zeit von 1985 bis 1988 mit dem Inhalt der Weiterbildung nach der
Weiterbildungsordnung der Beklagten; die Wirksamkeit der Vermittlung von
Ausbildungsgegenständen sei besonders hinsichtlich Didaktik und Art der
Leistungskontrolle gleichwertig, und wegen dieser Schlussfolgerungen gelte die vom
Kläger durchlaufene Weiterbildung, unabhängig von seinem individuellen und
konkreten Kenntnisstand, als gleichwertig mit den Anforderungen der
Weiterbildungsordnung der Beklagten. Unter Berücksichtigung dieses Gutachtens hat
das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Januar 1998, auf dessen Gründe Bezug
genommen wird, die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Anerkennung zur Führung
der Gebietsbezeichnung Kieferorthopädie zu erteilen.
12
Mit der - vom Senat zugelassenen - Berufung macht die Beklagte geltend, das
Verwaltungsgericht habe unter Verwertung des Gutachtens des Prof. Dr. Dr. G. die
Gleichwertigkeit der vom Kläger in S. absolvierten kieferorthopädischen
Fachausbildung mit einer Ausbildung nach ihrer Weiterbildungsordnung zu Unrecht
angenommen. Die Feststellungen des Gutachters, dessen Qualifikation zweifelhaft sei,
beschränkten sich auf die reine "Papierlage", die zur Feststellung der materiellen
Gleichwertigkeit nicht ausreiche. Weil die Kieferorthopädie in der zahnmedizinischen
Ausbildung in den ehemaligen Ostblockstaaten nur einen geringen Stellenwert gehabt
habe, und wegen dortiger allgemeiner materialtechnischer Probleme sei die
Kieferorthopädie in Bulgarien sowohl in der Lehre als auch in der praktischen Tätigkeit
zumindest bis 1990 mit der Kieferorthopädie in der Bundesrepublik nicht zu vergleichen.
Das vom Kläger insoweit vorgelegte Ausbildungsprogramm sei nicht schlüssig, weil
Angaben über den Zeitpunkt der Aufstellung des Programms sowie über die Abhaltung
der festgesetzten Kolloquien fehlten. Die maßgebenden Vorschriften des
Heilberufsgesetzes (§§ 35 ff.) könnten nicht dahin verstanden werden, dass im Falle
einer zahnmedizinischen Weiterbildung z.B. in einem ehemaligen Ostblockstaat eine
Anerkennung der Gebietsbezeichnung ohne vorheriges Prüfungsfachgespräch erfolgen
müsse. Eine solche Prüfung sei praktisch immer Voraussetzung für die Anerkennung
einer Gebietsbezeichnung und insbesondere auch notwendiges Element bei der Frage
der Gleichwertigkeit der Weiterbildung. Die negativ verlaufenen Prüfungsgespräche mit
dem Kläger hätten erkennen lassen, dass von ihm eine ordnungsgemäße
kieferorthopädische Behandlung, die auch theoretisch begründet werden müsse, nicht
zu erwarten sei. Die gesundheitliche Unversehrtheit der einem Zahnarzt anvertrauten
Patienten müsse aber höher eingeschätzt werden als der Wunsch des Klägers, als
Kieferorthopäde mit der entsprechenden Gebietsbezeichnung tätig sein zu wollen.
13
Die Beklagte beantragt,
14
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
15
Der Kläger beantragt,
16
die Berufung zurückzuweisen.
17
Er macht geltend, nach dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. G. sei von einer
Gleichwertigkeit seiner in Bulgarien absolvierten Fachausbildung Kieferorthopädie
auszugehen. Er habe deshalb einen Anspruch auf Anerkennung dieser
Gebietsbezeichnung durch die Beklagte. Die durchgeführten Prüfungsgespräche seien
unzulässig und auch im Konkreten mit prüfungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar.
Zwischenzeitlich habe er mit einer Arbeit aus der Kieferorthopädie promoviert, so dass
ihm fachliche Grundkenntnisse sicher nicht abgesprochen werden könnten.
18
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den
Inhalt ihrer Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakte und
die Verwaltusngsvorgänge der Beklagten.
19
Entscheidungsgründe:
20
Die Berufung hat Erfolg.
21
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Anerkennung der Gebietsbezeichnung "Kieferorthopädie".
22
Maßgebend für das Begehren des Klägers sind die §§ 33 ff., §§ 49 bis 51 des
Heilberufsgesetzes - HeilBerG - in der Fassung vom 27. April 1994 (GV NRW S. 204)
bzw. - wegen der bei Verpflichtungsklagen grundsätzlich maßgebenden Sach- und
Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - die §§ 33 ff., §§ 51 bis
53 des Heilberufsgesetzes in der am 17. Mai 2000 in Kraft getretenen Fassung vom 9.
Mai 2000 (GV NRW S. 403) iVm der Weiterbildungsordnung der Zahnärztekammer
Nordrhein - WO - vom 9. Dezember 1978 (MBl. NRW 1979, 420), die u.a. in ihrem 1.
Abschnitt allgemeine Vorschriften und in ihrem 4. Abschnitt mit "Prüfungsordnung"
überschriebene Bestimmungen enthält. Bezüglich der Vorschriften des
Heilberufsgesetzes kommt den unterschiedlichen Gesetzesfassungen aber keine
Bedeutung zu, weil die einschlägigen Bestimmungen insoweit wortgleich sind.
23
Generelle verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der
Weiterbildungsordnung von 1978 bestehen nicht. Die wesentlichen Elemente für die
Anerkennung der Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung
"Kieferorthopädie", wie beispielsweise die Voraussetzungen für die Anerkennung der
Gebietsbezeichnung, die Mindestdauer der Weiterbildung, das Verfahren für die
Anerkennung, sind im Heilberufsgesetz selbst und nicht nur in der in Form einer
Satzung erlassenen Weiterbildungsordnung der Beklagten enthalten. Damit wird den
verfassungsrechtlichen Anforderungen Genüge getan, dass jedenfalls "statusbildende"
Normen und solche Bestimmungen über Berufspflichten, die sich von diesen
unterscheiden, aber in mehr oder minder starkem Maße die freie Berufsausübung
einschränken, in den Grundzügen durch ein förmliches Gesetz festgelegt werden
müssen,
24
vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 u.a. -, BVerfGE 33, 125.
25
Auch im Hinblick auf Art. 12 GG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken an
der Wirksamkeit der maßgebenden Weiterbildungsordnung. Bei Regelungen, die einem
(Zahn-)Arzt die Führung weiterer Bezeichnungen neben seiner Berufsbezeichnung
zugestehen, handelt es sich um solche der Berufs- a u s ü b u n g,
26
vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972, a.a.O., Beschlüsse vom 27. Mai 1986 - 3 B
54/85 - und vom 10. Sep- tember 1986 - 3 B 4.86 - zu OVG NRW, Urteil vom 30. Oktober
1985 - 13 A 2573/84 -.
27
Derartige Berufsausübungsregelungen sind verfassungsrechtlich zulässig, soweit
vernünftige Gründe des Gemeinwohls eine Beschränkung der Freiheit der
Berufsausübung zweckmäßig erscheinen lassen.
28
BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377, 405.
29
Dass derartige Gemeinwohlinteressen sowohl den das Führen von
Gebietsbezeichnungen betreffenden Regelungen des Heilberufsgesetzes als auch der
Weiterbildungsordnung zugrunde liegen, liegt angesichts dessen, dass die Patienten
damit qualifizierte (zahn-)ärztliche Leistungen verbinden, auf der Hand und bedarf
keiner näheren Erörterung.
30
Die maßgebenden Weiterbildungsvorschriften des Heilberufsgesetzes, die ihre
Entsprechung gefunden haben in §§ 6 bis 8 bzw. in §§ 13 ff. der Weiterbildungsordnung
der Beklagten, enthalten differenzierende Regelungen. Diese können nach Auffassung
des Senats bei objektiv vernünftiger Auslegung nur dahin verstanden werden, dass
Voraussetzung für die Anerkennung zum Führen einer Gebietsbezeichnung (hier: der
Kieferorthopädie) auf jeden Fall - auch und erst recht im Falle des Klägers - eine
erfolgreich zu absolvierende Prüfung ist, in der die vom Anerkennungsbewerber
erworbenen Kenntnisse darzulegen sind (§ 39 Abs. 1 Satz 2 HeilBerG).
31
Gem. § 35 Abs. 1 HeilBerG darf eine (Teil-)Gebietsbezeichnung führen, wer eine
Anerkennung erhalten hat; die Anerkennung erhalten Kammerangehörige, die die
vorgeschriebene Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen haben. Nach § 39 Abs. 6
HeilBerG kann, wenn die Prüfung nicht erfolgreich abgeschlossen wird, der
Prüfungsausschuss die vorgeschriebene Weiterbildungszeit verlängern und besondere
Anforderungen an die Weiterbildung stellen. In dieser Bestimmung wird, weil andernfalls
die Möglichkeit der Verlängerung der Weiterbildungszeit nach erfolgloser Prüfung
keinen Sinn macht, deutlich, dass die Prüfung, bei der (auch) die erworbenen
Kenntnisse mündlich darzulegen sind, praktisch Bestandteil der gesamten
Weiterbildung ist.
32
Andererseits ist eine Prüfung mit der mündlichen Darlegung der erworbenen Kenntnisse
nicht vorgesehen und eine Anerkennung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 HeilBerG nicht
abhängig von einer solchen im Falle des § 39 Abs. 8 HeilBerG für Staatsangehörige
eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen
Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit einem -
gegenseitig anerkennungsfähigen - fachbezogenen Diplom, einem Prüfungszeugnis
oder einem sonstigen fachlichen Weiterbildungsnachweis.
33
Für das Begehren des Klägers findet sich die konkrete gesetzliche Grundlage in § 39
34
Abs. 7 HeilBerG 1994/2000, die der Senat auch im vorliegenden Verfahren, in dem die
Anerkennung einer zahnärztlichen Weiterbildung in einem nicht zu den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union zählenden Staat in Frage steht, zu Grunde legt. Danach erhält,
wer in einem von § 36 und § 37 HeilBerG abweichenden Weiterbildungsgang eine
Weiterbildung abgeschlossen hat, auf Antrag die Anerkennung, wenn die Weiterbildung
gleichwertig ist. Eine entsprechende Bestimmung findet sich in § 7 Abs. 1 Satz 1 WO.
Der Begriff der "Gleichwertigkeit" wird weder in § 39 Abs. 7 HBG 1994/2000 noch in § 7
Abs. 1 WO definiert. Eine Auslegungshilfe ergibt sich insoweit auch nicht aus den
Gesetzesmaterialien zum Änderungsgesetz für das Heilberufsgesetz von April 1975
(LT-Drucks. 7/4489), weil auch dort die "Gleichwertigkeit" nicht kommentiert oder
erläutert worden ist. Dies deutet auf die seinerzeitige Vorstellung des Normgebers hin,
dem Begriff dieselbe Bedeutung und Auslegung zukommen zu lassen wie dies
beispielsweise der Fall war bei der Gesetzesberatung der Änderung der
Bundesärzteordnung (BT- Drucks. V/3838) im Februar 1969, bei der in § 3 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 BÄO ebenfalls der Begriff der "Gleichwertigkeit" in Zusammenhang mit dem
Ausbildungsstand nach einer zahnärztlichen Ausbildung im Ausland gegeben war. Für
den Begriff der "Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes" i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
BÄO bzw. des - gleichlautenden - § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Zahnheilkundegesetz - ZHG -
ist in der Rechtsprechung
35
- vgl. BVerwG, Urteile vom 29. August 1996 - 3 C 19.95 -, BVerwGE 102, 44, vom 27.
April 1995 - 3 C 23.93 -, BVerwGE 98, 180 und vom 18. Februar 1993 - 3 C 64.90 -,
BVerwGE 92, 88; Beschlüsse vom 17. März 1993 - 3 B 128.92 -, Buchholz 418.01
Zahnheilkunde Nr. 21, vom 23. September 1987 - 3 B 39.87 -, Buchholz 418.01
Zahnheilkunde Nr. 20; vgl. auch OVG NRW, Urteile vom 11. Mai 2000 - 13 A 2563/97 -
rechtskräftig - und 13 A 5574/97 - nicht rechtskräftig -,
36
anerkannt, dass es sich bei der "Gleichwertigkeit" um einen gerichtlich voll
nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff handelt. Für die Gleichwertigkeit (des
Ausbildungsstandes nach einer zahnärztlichen Ausbildung im Ausland) kommt es
danach bei Zugrundelegung objektiver Umstände des jeweiligen Ausbildungsganges
und unter Berücksichtigung der Studiendauer, der Art und Weise der Vermittlung der
Ausbildungsgegenstände sowie der Art der Leistungskontrolle auf einen wertenden
Vergleich der Ausbildung im Ausland zu der Ausbildung, die das Zahnheilkundegesetz
und die Approbationsordnung für Zahnärzte vorsehen, an. Auf diese Kriterien kann,
wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, im Grundsatz auch abgestellt
werden, wenn nicht die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nach einer
zahnärztlichen Ausbildung im Ausland, sondern - wie hier - die Gleichwertigkeit einer
zahnmedizinischen Weiterbildung im Ausland in Frage steht.
37
Auch wenn dieses Merkmal nicht ausdrücklich in § 39 Abs. 7 HeilBerG erwähnt ist, so
ergibt sich das Erfordernis einer - unabhängig von der Gleichwertigkeit der
Weiterbildung - durchzuführenden Prüfung, in der die vom Anerkennungsbewerber
erworbenen Kenntnisse mündlich darzulegen sind, aufgrund sachgerechter Auslegung
aller für die Anerkennung der Weiterbildung im Ausland maßgebenden Vorschriften.
38
§ 35 Abs. 1 HeilBerG macht die Anerkennung zum Führen einer Gebiets- oder
Teilgebietsbezeichnung abhängig vom erfolgreichen Abschluss der vorgeschriebenen
Weiterbildung und kennzeichnet durch die Begriffspaarung "vorgeschriebene
Weiterbildung" und "erfolgreicher Abschluss" die Notwendigkeit des Vorliegens zweier
39
Merkmale für die Anerkennung, nämlich der Absolvierung einer Weiterbildung einerseits
und deren erfolgreichen Abschluss andererseits. Der in einer Norm vorgesehene
"erfolgreiche Abschluss" wird regelmäßig durch das Bestehen einer entsprechenden
Prüfung dokumentiert; dies muß auch im vorliegenden Fall gelten. Dementsprechend
kann mit der Formulierung eines "von § 36 und § 37 HeilBerG abweichenden
Weiterbildungsganges" in § 39 Abs. 7 HeilBerG nur das Merkmal der "vorgeschriebenen
Weiterbildung" nach § 35 Abs. 1 Satz 2 HeilBerG betroffen sein, während das weitere
Erfordernis des "erfolgreichen Abschlusses" insoweit unberührt bleibt.
Dass im Rahmen der begehrten Anerkennung zur Berechtigung des Führens einer
bestimmten Gebietsbezeichnung grundsätzlich Raum ist für die Berücksichtigung
subjektiv-individueller Leistungsmerkmale ergibt sich schon aus dem Heilberufsgesetz
selbst. Dieses führt aus, dass eine Gebietsbezeichnung auf besondere Kenntnisse in
einem bestimmten beruflichen Gebiet hinweist (§ 33 HeilBerG), dass die Weiterbildung
die für den Erwerb der jeweiligen Bezeichnung erforderliche Vertiefung der beruflichen
Kenntnisse und Fähigkeiten umfasst (§ 36 Abs. 7 HeilBerG) und dass im Rahmen der
Prüfung zur Anerkennung der Berechtigung zum Führen einer Gebietsbezeichnung
auch die erworbenen Kenntnisse mündlich darzulegen sind (§ 39 Absätze 1, 3
HeilBerG). Diese Vorgaben waren auch bereits inhaltlicher Bestandteil des
Änderungsgesetzes vom 8. April 1975, durch das erstmals Vorschriften über
Weiterbildung in das nunmehr als Heilberufsgesetz bezeichnete Gesetz eingefügt
wurden. In Konsequenz dessen findet sich auch in § 6 Abs. 2 WO die mündliche
Darlegung der vorgeschriebenen Kenntnisse als Voraussetzung für die Anerkennung.
Nach der Begründung zum Änderungsgesetz von April 1975 (LT-Drucks. 7/4489, S. 24)
sollte der mündlichen Darstellung der in einer Weiterbildung erworbenen Kenntnisse
eigenständige Bedeutung zukommen, weil die vorgesehene Prüfung zur Berechtigung
zur Führung einer Bezeichnung nicht allein von der zeitlichen Ableistung einer auf das
Fach beschränkten Berufsausübung und den darüber ausgestellten Testaten abhängig
gemacht werden sollte, "sondern auch mit der mündlichen Darstellung erworbener
Spezialkenntnisse und -erfahrungen ein qualifizierter Nachweis in besonders
objektivierter Form" erbracht werden sollte.
40
§ 39 Abs. 1 Satz 3 HeilBerG, wonach bei der Anerkennung zur Führung einer
Zusatzbezeichnung auf die Prüfung verzichtet und über sie aufgrund der vom
Anerkennungsbewerber vorgelegten Zeugnisse und Nachweise entschieden werden
kann, lässt, weil nur insoweit der ein Absehen von einer Prüfung erlaubende
Ausnahmetatbestand einschlägig ist, im Zusammenspiel mit den Sätzen 1 und 2 des §
39 Abs. 1 HeilBerG ebenfalls die Notwendigkeit einer Prüfung als generelles Erfordernis
erkennen. Da der Kläger die Anerkennung einer Gebietsbezeichnung (und nicht einer
Teilgebietsbezeichnung) begehrt, steht dieser Ausnahmefall im vorliegenden Verfahren
nicht in Frage.
41
Des Weiteren erscheint auch aufgrund einer Gesamtschau aller Bestimmungen in § 39
HeilBerG die Notwendigkeit einer Prüfung mit dem Nachweis individueller Kenntnisse
gerechtfertigt. Die Erteilung einer Anerkennung zum Führen einer Gebietsbezeichnung
nach § 39 Abs. 8 HeilBerG an die dort genannte Personengruppe ohne Prüfung
rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass die zahnärztliche Weiterbildung in Staaten
des europäischen Wirtschaftsraumes auf einem vergleichbar hohen Niveau wie in
Deutschland erfolgt und dieses praktisch Grundlage ist für die wechselseitige
Anerkennung erworbener fachbezogener Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger
fachlicher Weiterbildungsnachweise. Von einer solchen Prämisse kann aber
42
insbesondere bei Ländern des ehemaligen Ostblocks vor dem Hintergrund der früheren
politischen und wissenschaftlichen Abschottung gegenüber dem Westen, die eine
umfassende und fundierte Meinungsbildung über die dortigen zahnmedizinischen
Ausbildungsgegebenheiten schwierig gemacht hat, nicht ausgegangen werden.
Vgl. Urteile des Senats vom 11. Mai 2000 - 13 A 2563/97 - und - 13 A 5574/97 - zu
zahnärztlichen Ausbildungen in Belgrad/Jugoslawien bzw. in Neumarkt/Rumänien.
43
Bei einem Absehen von einer Prüfung, in der vom Anerkennungsbewerber auch die
während der Weiterbildung erworbenen Kenntnisse mündlich darzulegen sind, würde
gerade in den Fällen einer zahnmedizinischen Weiterbildung im osteuropäischen
Ausland in den 70er oder - wie hier - 80er Jahren, für die ohnehin nur spärliche
allgemeine Informationen zur Verfügung stehen, auf verifizierbare Erfahrungswerte, die
Rückschlüsse auf die Qualität der Weiterbildung dort zulassen, verzichtet. Wenn schon
für Bewerber, die eine zahnmedizinische Weiterbildung nach den in §§ 36, 37 HeilBerG
vorgesehenen Verfahren absolviert haben, eine Prüfung mit dem Nachweis der
individuellen Kenntnisse vorgesehen ist, muss dies deshalb erst recht gelten für
Anerkennungsbewerber, die die nach dem Heilberufsgesetz vorgesehene
Weiterbildung nicht absolviert haben und die auch nicht der Personengruppe des § 39
Abs. 8 HeilBerG unterfallen.
44
Aus der Systematik des Heilberufsgesetzes und der Platzierung der auch für das
Begehren des Klägers maßgebenden Vorschrift (§ 39 Abs. 7 HeilBerG) in § 39 HeilBerG
lässt sich das Entfallen einer zusätzlichen Prüfung - unabhängig von der Frage der
Gleichwertigkeit der Weiterbildung - nicht zwingend herleiten. Die Zusammenfassung
von ausschließlich das Prüfungsverfahren betreffenden Bestimmungen mit solchen, die
weitere materielle Anerkennungsvoraussetzungen enthalten, in einem Paragrafen ist
unsystematisch und logisch nicht nachvollziehbar und kann daher nur als
gesetzgeberische Ungeschicklichkeit angesehen werden. Sinnvoller wäre es vielmehr
gewesen, sowohl den Regelungsbereich des Absatz 7 von § 39 HeilBerG als auch den
des Absatz 8 der Vorschrift, u.U. zusammen mit dem jetzigen § 40 HeilBerG, in einem
eigenständigen Paragrafen zusammenzufassen und von den das Prüfungsverfahren
betreffenden sonstigen Bestimmungen in § 39 HeilBerG abzukoppeln.
45
In Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften ergibt sich auch aus § 7 Abs. 1
WO der Beklagten - unabhängig von der Frage der Gleichwertigkeit der Weiterbildung -
die Notwendigkeit einer Prüfung des Anerkennungsbewerbers mit der mündlichen
Darlegung der von ihm erworbenen Kenntnisse. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 WO findet,
wenn die Weiterbildung gleichwertig ist, auf das Verfahren der Anerkennung § 6 WO
entsprechende Anwendung; dieser macht in seinem Absatz 2 die Entscheidung der
Zahnärztekammer aber gerade von einer Prüfung, in der u.a. die als Voraussetzung für
die Anerkennung vorgeschriebenen Kenntnisse mündlich darzulegen sind, abhängig.
46
Die für das Führen der Gebietsbezeichnung "Kieferorthopädie" erforderlichen
besonderen Kenntnisse hat der Kläger bisher nicht nachgewiesen. Er hat die
Prüfungsgespräche vor dem Prüfungsausschuss der Beklagten im August und
Dezember 1993 nicht mit Erfolg absolviert und war auch bei dem vergleichsweise
eingeräumten weiteren Prüfungsgespräch am 4. Juli 1995 nicht erfolgreich. Nach dem
Protokoll über die letztgenannte Prüfung war der aus drei Mitgliedern bestehende
Prüfungsausschuss einstimmig der Ansicht, dass dem Kläger auch nach dieser Prüfung
die Anerkennung der Gebietsbezeichnung nicht ausgesprochen werden könne.
47
Entscheidend dafür war nach dem Protokoll die Tatsache, dass der Kläger die
Wirkungsweise des von ihm selbst vorgeschlagenen Behandlungsgerätes eindeutig
falsch wiedergegeben habe und dieses bei einem Patienten negative Folgen für den
Behandlungsablauf gehabt hätte und daher nicht toleriert werden konnte. Nach dem
Protokoll waren bei dem Kläger in verschiedenen Bereichen (z.T. elementare)
Wissenslücken vorhanden, die entscheidend waren für die Ablehnung der
Gebietsbezeichnung. Dass eine für einen Patienten nachteilige und schädliche
Behandlung im Ergebnis die Ablehnung der Anerkennung der Gebietsbezeichnung
rechtfertigen kann, ist nachvollziehbar und sachlich nicht zu beanstanden; das Ergebnis,
die Anerkennung zu versagen, ist insoweit in sich schlüssig. Konkrete Anhaltspunkte für
die Missachtung verfahrensrechtlicher Grundsätze bei Durchführung dieses
Prüfungsgesprächs oder für eine inhaltliche Unangemessenheit desselben sind nicht
ersichtlich; sie ergeben sich auch nicht aus dem entsprechenden Protokoll des
Prüfungsausschusses Kieferorthopädie. Von einem ordnungsgemäßen Verlauf des
Prüfungsgesprächs kann auch deshalb ausgegangen werden, weil bei der Prüfung der
damalige Verfahrensbevollmächtigte des Klägers anwesend war und dieser insoweit
keine Einwendungen oder Beanstandungen geltend gemacht hatte. Dass das
Prüfungsgespräch nach Angaben des Klägers ca. 1 ½ Stunden gedauert haben soll,
somit die in § 15 Abs. 2 WO genannte Prüfungszeit von in der Regel dreißig Minuten
überschritten worden sei, bewirkt nicht die Unverwertbarkeit des Ergebnisses des
Prüfungsgesprächs. Es ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht geltend
gemacht, dass die zeitliche Ausdehnung der Prüfung über die regelmäßige Prüfungszeit
hinaus ursächlich war für den Mißerfolg in der Prüfung. Im übrigen lässt das Prüfungs-
Protokoll, das keine Angaben zur Zeitdauer der Prüfung enthält, aber auch erkennen,
dass während des Prüfungsgesprächs schon bald Defizite beim Kläger offenkundig
geworden sind. Die Verlängerung der Prüfungszeit lag daher gerade auch in seinem
Interesse, um ihm die Chance zum Ausgleich des entstandenen Negativeindrucks zu
geben.
Für eine Berücksichtigung des Wunsches des Klägers, die Beklagte möge ihn als
"einmaligen Sonder- und Ausnahmefall behandeln und ihm deswegen die Anerkennung
zum Führen der Bezeichnung 'Kieferorthopäde' erteilen", besteht kein Raum.
48
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708, 710, 711, 713 ZPO.
49
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.
50