Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.07.2003

OVG NRW: sicherheitsleistung, abgrabung, bauschutt, genehmigung, abnahme, herausgabe, auflage, form, firma, ersatzvornahme

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 3607/02
Datum:
30.07.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 A 3607/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 8526/97
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts
Düsseldorf vom 27. Juni 2002 für wirkungslos erklärt, soweit es den
Klageantrag auf Herausgabe der von der Rechtsvorgängerin der
Klägerin, der vormaligen Firma H.u.G. H. Verkaufs- und
Vertriebsgesellschaft mbH & Co.KG, in Form der Bürgschaftserklärung
der Kreissparkasse L. vom 30. Januar 1995 bei der Beklagten
hinterlegten Sicherheitsleistung in Höhe von 202.180,- DM an die
Klägerin sowie den Klageantrag auf Feststellung der ordnungsgemäßen
Rekultivierung des Abgrabungsgeländes durch die Rechtsvorgängerin
der Klägerin betrifft.
Im übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2002 zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Klägerin und die
Beklagte je zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Firma H. und G. H. Verkaufs- und
Vertriebsgesellschaft mbH & Co.KG. Diese betrieb auf den Grundstücken in der
Gemarkung N. bach -I. (alt), Flur 8, Flurstücke 3 und 4 auf einer Fläche von ca. 60 950
2
qm eine Trockenabgrabung zur Gewinnung von Sand und Kies. Das Gelände liegt im
Außenbereich der Stadt N. bach und wurde früher landwirtschaftlich genutzt.
Die Abgrabung, Wiederverfüllung und Herrichtung (Rekultivierung) der Grundstücke war
der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom
25. Februar 1988 genehmigt worden. Mit diesem Bescheid wurde eine der
Rechtsvorgängerin der Klägerin unter dem 15. September 1982 erteilte Genehmigung
zur Abgrabung und Herrichtung sowie zur Wiederverfüllung der Grundstücke insgesamt
neu gefasst. Gemäß der Abgrabungsgenehmigung vom 25. Februar 1988 darf für die
Verfüllung ausschließlich Abraum aus dem Abgrabungsbereich und reiner
Bodenaushub, d.h. nicht nachteilig verändertes natürliches Locker- und Festgestein
verwendet werden. Eine Verfüllung mit Bauschutt o.ä. wird ausdrücklich nicht
zugelassen.
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Die Genehmigung wurde unter Befristungen (Nr. 1), Bedingungen (Nr. 2) und Auflagen
(Nr. 3) erteilt. In Ziffer 2.01 der Bedingungen heißt es u.a.:
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"Die gemäß § 10 AbgrG zur Sicherung der Herrichtung (Rekultivierung) der zur
Abgrabung genehmigten Flurstücke zu leistende Sicherheit wird neu festgesetzt auf
327.000,--DM. ...
5
Die Inanspruchnahme der Sicherheitsleistung richtet sich nach § 10 Abgrabungsgesetz.
Die Sicherheit kann auch für die Beseitigung von Schäden in Anspruch genommen
werden, die durch Abweichung von evtl. Herrichtungspflichten entstehen (§§ 7 Abs. 5, 9
Abs. 2 AbgrG). ...
6
Die Abnahme der Rekultivierungsmaßnahmen und die anschließende - ggf. teilweise -
Freigabe der Sicherheitsleistung sind von Ihnen nach Abschluss der Herrichtung des
gesamten Grubengeländes beim Oberstadtdirektor N. bach und mir zu beantragen."
7
Die Auflagen enthalten u.a. folgenden Regelungen:
8
"3.11 Der Mutterboden ist in voller Mächtigkeit von 30 cm sorgfältig und getrennt von der
ebenfalls vor der Abgrabung zu entfernenden Schicht aus 70 cm mächtigem lehmigem
Schluff (insgesamt also ca. 100 cm) auf der gesamten Abgrabungsfläche je nach dem
Vorrücken des Baggerbetriebes abschnittsweise abzutragen, zur späteren
Wiederverwendung getrennt von anderem Abraum sachgemäß in Mieten zu lagern und
mit geeigneten Mitteln lebend zu erhalten. Für diese Arbeiten gilt DIN 18915."
9
"3.4.2 Zur Rekultivierung, d.h. zur Wiederverfüllung auf das Ursprungsniveau, darf in
das Grubengelände - wie einleitend bereits beschrieben - nur reiner, neutraler
Bodenaushub verwendet werden. Bodenaushub umfasst natürlich gewachsene, nicht
kontaminierte Boden- und Felsarten, die beim Tief- und Erdbau ausgehoben oder
abgetragen werden und die keine wasserverunreinigenden Stoffe (z.B. Öle, Teere,
chemische Rückstände und Abfälle aus Gewerbe- und Industriebetrieben, keine
organischen Abfälle wie z.B. Papier, Hausmüll, Baustellenabfälle und Grünabfälle)
enthalten. Bevor Bodenaushub zur Verfüllung gelangt, ist dessen Qualität, wie
nachstehend unter Ziffer 3.43 bis 3.45 festgelegt, nachzuweisen."
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"3.5.3 Die in Anspruch genommenen Flächen sind nach Fortschreiten der Verfüllung mit
dem gelagerten Mutterboden in mindestens 30 cm Stärke abzudecken."
11
"3.5.4 Vor Aufbringen des Mutterbodens ist zunächst eine 70 cm starke Deckschicht aus
bindigem Material aufzutragen."
12
Die Abgrabungsgenehmigung wurde auf die Widersprüche der Rechtsvorgängerin der
Klägerin mit Abhilfebescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 10. August 1989
hinsichtlich der Nebenbestimmungen in Nr. 3.25, 3.32, 3.43, 3.44 und 3.45 teilweise
geändert und die Sicherheitsleistung auf 257.000,--DM festgesetzt.
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Nach Abnahme der Rekultivierungsmaßnahmen für Teilflächen des
Abgrabungsgeländes und teilweiser Freigabe der Sicherheitsleistung hielt die Beklagte
als nach Änderung des Abgrabungsgesetzes zum 20. Juli 1994 nunmehr zuständige
Behörde noch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 202.180,--DM (= 103.373,--Euro) in
Form einer selbstschuldnerischen und unbefristeten Bürgschaft der Kreissparkasse L.
zurück.
14
Unter dem 4. März 1996 beantragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die
Durchführung eines Schlussabnahmetermins. Beim Ortstermin am 30. April 1996 stellte
die Beklagte Mängel des Oberbodens fest; insbesondere waren zahlreiche
Gesteinsbrocken in der obersten Erdschicht vorgefunden worden. In der Folgezeit nahm
die Rechtsvorgängerin der Klägerin Nachbesserungen vor, indem erneut Mutterboden
aufgetragen sowie Lockerungsmaßnahmen zur Aufbrechung der Bodenverdichtungen
durchgeführt wurden. Unter dem 10. Juli 1997 bat die Rechtsvorgängerin der Klägerin
die Beklagte um Abnahme der Restflächen. Mit weiterem Schreiben vom 28. August
1997 wies sie unter Bezugnahme auf die gutachterlichen Stellungnahmen des
Diplomagraringenieurs X. vom 10. Juni 1996, 28. August 1996 und 20. Juni 1997 darauf
hin, dass der Nachweis der ordnungsgemäßen Rekultivierung nunmehr erfolgt sei und
beantragte einen Abnahmetermin innerhalb der nächsten 14 Tage.
15
Die Beklagte holte nach Durchführung einer weiteren Ortsbesichtigung eine schriftliche
Stellungnahme von Prof. Dr. C. von der Landwirtschaftskammer Rheinland vom 1.
Dezember 1997 ein, in der festgestellt wird, dass durch die nesterweise Vernässung der
Böden die horizontale wie vertikale Homogenität des Gefüges nachhaltig gestört und
eine gezielte, den Zielvorstellungen des integrierten Pflanzenbaues angemessene
Bewirtschaftung erheblich erschwert sei.
16
Bereits zuvor hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 17. Oktober 1997 Klage
erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Zurückbehaltung der
Sicherheitsleistung durch die Beklagte könne nicht auf § 10 AbgrG gestützt werden.
Zweck der Sicherheitsleistung sei die Sicherung einer angemessenen Herrichtung des
Abgrabungsgeländes. Die Sicherheitsleistung diene ferner der Erfüllung der
Nebenbestimmungen. Die Herrichtung sei den Stellungnahmen des Gutachters X.
zufolge vollständig und ordnungsgemäß abgeschlossen. Damit sei die erforderliche
Rechtsgrundlage für die Erbringung einer Sicherheitsleistung entfallen und die
Sicherheit herauszugeben. Die Behauptungen von Prof. C. seien nicht belegt und
würden bestritten. Im übrigen sei die Stellungnahme nicht geeignet, die vom Gutachter
X. getroffenen Feststellungen zu widerlegen. Dass die ursprünglich vom Eigentümer
praktizierte Fruchtfolge (Zuckerrüben/Kartoffeln/Getreide) derzeit unmöglich sei, beruhe
darauf, dass der natürliche Aufbau der Böden mit den unterliegenden Kies- und
Sandschichten, die zur Ableitung des Wassers beigetragen haben, vollkommen
verändert sei. Es sei ein Zeitraum von zehn Jahren erforderlich, um die ursprüngliche
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Ertragsfähigkeit des Bodens wiederherzustellen. Hierzu bedürfe es einer angepassten
landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Die Klägerin schulde nach der
Abgrabungsgenehmigung lediglich die Herrichtung zur Nutzbarkeit als
landwirtschaftliche Fläche. Nr. 3.42 der Nebenbestimmungen des
Genehmigungsbescheides sehe nicht vor, dass der Bodenaushub frei von jeglichen
Fremdbestandteilen sein müsse und kein sauberer Bauschutt unterhalb der seit jeher
anerkannten Toleranzschwelle beigefügt sein dürfe. Angesichts der durchgeführten
Tiefenlockerung sei es durchaus möglich, dass sich der humose Oberboden mit dem
verfüllten Bodenaushub mit geringen Anhaftungen von Bauschutt vermischt habe. Das
Auftauchen geringer Bauschuttmengen könne einen für den Einbehalt der
Sicherheitsleistung relevanten Verstoß gegen die Auflagen zur Herrichtung nicht
belegen. Die Behörde sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dazu verpflichtet,
alsbald nach Kenntnis von Verstößen gegen Nebenbestimmungen eine Entscheidung
darüber herbeizuführen, ob und in welcher Form Maßnahmen vom
Abgrabungsunternehmer verlangt werden. Die Freigabe der Sicherheitsleistung sei
schon wegen der verstrichenen Zeit seit der Abnahme durch die Beklagte, ohne dass
eine Ordnungsmaßnahme ergriffen worden sei, zwingend. Der Feststellung eines der
Klägerin zurechenbaren Schadens bedürfe es daher nicht. Aus den Nrn. 3.42 und 4.43
sowie 3.53 bis 3.59 lasse sich eine unzureichende Rekultivierung nicht herleiten. Das
verfüllte Gelände stelle keine Gefahr für die in § 3 Abs. 3 AbgrG genannten Schutzgüter
dar. Eine Beeinträchtigung des Grundwassers scheide gemäß den Prüfberichten des
Ingenieurbüros Dr. K. & Partner vom 26. Juni 2000 und 4. Februar 2002 aus. Diese
enthielten auch die Feststellung, dass Anhaltspunkte, die auf Schadstoffe im
Verfüllmaterial schließen ließen, nicht ersichtlich seien. Im Hinblick auf Schaden und
verletzte Rechtsgüter trage die Beklagte die Substantiierungs- und Beweislast.
Die Klägerin hat beantragt,
18
1. die Beklagten zu verurteilen, die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der
vormaligen Firma H.u.G. H. Verkaufs- und Vertriebsgesellschaft mbH & Co.KG, in Form
der Bürgschaftserklärung der Kreissparkasse L. vom 30. Januar 1995 (Aktenzeichen
521/1 su-jg 8312 810003) bei der Beklagten hinterlegte Sicherheitsleistung in Höhe von
DM 202.180,- DM an die Klägerin herauszugeben;
19
2.
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3. festzustellen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin das Abgrabungsgelände
ordnungsgemäß rekultiviert hat;
21
4.
22
5. festzustellen, dass die Weigerung der Beklagten, die hinterlegte Sicherheitsleistung
nach Abschluss der Herrichtung des Abgrabungsgeländes im Juni 1997 frei zu geben,
rechtswidrig war.
23
6.
24
Die Beklagte hat beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, das Abgrabungsgelände sei nicht vollständig und ordnungsgemäß
hergerichtet worden. Nach der Ortsbesichtigung von der Landwirtschaftskammer am 7.
November 1997 sei gutachterlich festgestellt worden, dass das Gelände derzeit nicht
landwirtschaftlich nutzbar sei. Mit schwerem landwirtschaftlichem Gerät zur
landwirtschaftlichen Nutzbarmachung sei das Gelände wegen der verschiedenen
Verdichtungen derzeit nicht befahrbar. Wegen berechtigter Zweifel an der
ordnungsgemäßen Rekultivierung des Grubengeländes sei eine Endabnahme der
Grube und eine Herausgabe der Sicherheitsleistung abgelehnt worden. Im Gutachten
von Prof. C. werde belegt, dass der Boden entgegen den Nebenbestimmungen zur
Abgrabungsgenehmigung nicht ordnungsgemäß aufgelockert und der ursprüngliche
Mutterboden wohl nicht wieder aufgebracht worden sei. Für den Grubenbereich sei eine
landwirtschaftliche Nutzung festgesetzt worden. Der Sicherung dieses Nutzungszwecks
dienten die Nebenbestimmungen in Nrn. 3.42 und 3.43 sowie 3.53 bis 3.59. Diese
Nutzung der Fläche sei nach dem Gutachten im jetzigen Zustand nicht möglich. Bei
einer weiteren Ortsbesichtigung am 14. Oktober 1999 sei festgestellt worden, dass sich
in Teilbereichen Bauschutt an der Oberfläche befinde. Das sei nach der Genehmigung
ein unzulässiges Verfüllmaterial für die obersten Horizonte. Wäre den Auflagen
entsprechend verfahren worden, hätte sich an der Mutterbodenqualität nichts geändert.
Die Sicherheitsleistung werde in Anspruch genommen, sobald das Klageverfahren
seinen Abschluss gefunden habe.
27
Das Gericht hat zur Frage, ob die Rekultivierung des Abgrabungsgeländes den
Anforderungen entspricht, die in der Abgrabungsgenehmigung und nachfolgenden
Änderungen geregelt sind, Beweis erhoben durch Vernehmung der Herren X. und C. als
sachverständige Zeugen sowie des Verfüllwartes Herrn S. als Zeugen.
28
Durch Urteil vom 27. Juni 2002, zugestellt am 26. Juli 2002, hat das Verwaltungsgericht
die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Freigabe der von ihrer
Rechtsvorgängerin geleisteten Sicherheit, da der Rechtsgrund für die Leistung noch
fortbestehe. Rechtsgrund sei die Sicherung der Herrichtung, die ihrerseits gemäß den
Auflagen der Abgrabungsgenehmigung zu erfolgen habe. Die Berechtigung der
Behörde, unter den Voraussetzungen des § 10 Satz 2 AbgrG NRW die
Sicherheitsleistung in Anspruch zu nehmen, schließe die gesetzlich nicht ausdrücklich
geregelte Befugnis ein, die Sicherheitsleistung so lange festzuhalten, als der durch
Tatsachen begründete Verdacht bestehe, dass von der Abgrabungsgenehmigung
und/oder den Auflagen abgewichen worden sei und es dadurch zu Schäden an den
Rechtsgütern des § 3 Abs. 3 AbgrG kommen könne. Des vollen Beweises hierfür
bedürfe es daher nicht. Es bestehe der konkrete Verdacht, dass die Klägerin gegen
mindestens zwei wesentliche Auflagen der Abgrabungsgenehmigung verstoßen habe.
Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass die Verfüllung der beiden letzten
Schichten entgegen der Auflagen in Nrn. 3.11, 3.12, 3.53 und 3.54 nicht ausschließlich
mit zuvor zwischengelagertem Mutterboden und Schluff, sondern auch mit angeliefertem
Fremdmaterial erfolgt sei. Ferner bestehe aufgrund der vom Zeugen X. im Sommer 1996
festgestellten Bodenverdichtungen der begründete Verdacht, dass gegen die Auflage
Nr. 3.55 verstoßen worden sei, indem die Rechtsvorgängerin der Klägerin die
Rekultivierung nicht nur bei trockener Witterung vorgenommen und/oder es unterlassen
habe, auch vor Aufbringung der Mutterbodenschicht den Boden zu lockern. Infolge
dieser Verstöße bestehe die Gefahr einer nachhaltigen Schädigung des Bodens in
seiner Funktion als Produktionsgrundlage für die Landwirtschaft. Der Boden sei nach
dem Inhalt der Abgrabungsgenehmigung in seiner Eigenschaft als
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erwerbslandwirtschaftlich nutzbare Fläche geschützt. Die Möglichkeit der
Bewirtschaftung des Bodens sei aufgrund der vorgefundenen Einschlüsse in Gestalt
von Holzresten, Steinen und Bauschutt sowie aufgrund der übermäßigen Verdichtung
gefährdet. Durch die Verstöße bestehe ferner die Gefahr einer nachhaltigen
Verunstaltung des Landschaftsbildes. Wenn die landwirtschaftliche Nutzung nicht
wieder aufgenommen werden könne, entstehe eine mit Unkraut besetzte Brache, die
inmitten landwirtschaftlich genutzter Flächen einen Fremdkörper darstelle und geeignet
sei, von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden zu
werden. Ein etwa zu langes Zuwarten der Beklagten mit weiteren Maßnahmen sei für
die Frage des Vorliegens der Freigabevoraussetzungen unerheblich.
Am 8. August 2002 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus:
Weder das Abgrabungsgesetz noch die Abgrabungsgenehmigung enthielten
Bestimmungen über die an die Freigabe der geleisteten Sicherheit zu stellenden
Anforderungen, so dass es sich um einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch handele. Die Herausgabe der Sicherheit habe unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 10 Satz 2 AbgrG zu erfolgen, wenn keine
Abweichung von der Genehmigung und den Auflagen vorliege, durch die Schäden
entstehen könnten. Es sei auch in tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen, ob die
Voraussetzungen für die Freigabe der Sicherheit gegeben seien. Die Beweisaufnahme
habe den Nachweis, dass bei der Ausführung der Rekultivierungsarbeiten von den
Auflagen der Abgrabungsgenehmigung abgewichen worden sei, nicht erbracht. Das
Zufahren von zusätzlichem Material zur Verfüllung der letzten 100 cm sei deshalb
erforderlich gewesen, weil auf dem Gelände vor dem Abtragen des Erdreichs nicht
flächendeckend eine Schicht von 30 cm Mutterboden und 70 cm lehmigem Schluff
vorhanden gewesen sei. Der zugefahrene Bodenaushub sei nicht mit Bauabfällen
verunreinigt gewesen. Der Zeuge C. habe eigene repräsentative Untersuchungen des
Abgrabungsgeländes nicht vorgenommen. Auch könnten Fremdbestandteile nach
Abschluss der Rekultivierungsarbeiten im Juni 1997 aufgebracht worden sein. Ein
Verstoß gegen die Auflage Nr. 3.55 liege nicht vor. Eine Beweislastentscheidung zu
Ungunsten der Klägerin wegen Unerweislichkeit der ordnungsgemäßen Herrichtung
des Geländes scheide aus. Ein etwaiger Verstoß gegen die Auflage sei durch die im
Juni 1997 durchgeführten Tiefenlockerungen geheilt. Es fehle jedenfalls an einer
Gefährdung der in § 3 Abs. 3 AbgrG genannten Schutzgüter. Geschützt sei die Funktion
des vorhandenen Bodens; dieser werde durch die Abgrabung zulässigerweise
unwiederbringlich zerstört. Die Abgrabungsgenehmigung setze lediglich voraus, dass
auf der rekultivierten Fläche überhaupt eine landwirtschaftliche Nutzung möglich sei.
Das sei zu bejahen. Etwaige Fremdstoffe in störender Größe könnten beseitigt werden
und berechtigten die Beklagte nicht zur Einbehaltung der Sicherheitsleistung in voller
Höhe. Im Hinblick auf die Brachfläche fehle es bereits an einem der Klägerin
zurechenbaren Eingriff in das Landschaftsbild. Es könne ihr nicht angelastet werden,
wenn der Grundstückseigentümer die grundsätzlich kulturfähigen Flächen stillgelegt
habe. Eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sei nicht gegeben. Ferner sei nicht
belegbar, dass infolge einer Brachfläche eine erhebliche oder nachhaltige
Beeinträchtigung des Naturhaushaltes zu erwarten stehe. Die Klägerin habe auch ein
berechtigtes Interesse an den begehrten Feststellungen, da sie beabsichtige, gegen die
Beklagte Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Die Beklagte habe schuldhaft
gegen die Amtspflicht zur sachgemäßen Sachverhaltsaufklärung verstoßen.
30
Die Beklagte hat ein Gutachten des Ingenieurbüros Dr. U. & Partner GmbH vom 15. Juli
2003 zur Untersuchung der oberflächennahen Auffüllungsböden im Bereich des
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Abgrabungsgeländes zur Feststellung ihrer Eignung im Hinblick auf eine
landwirtschaftliche Nutzung eingeholt. Sie hat daraufhin der Klägerin die Endabnahme
der Abgrabung bestätigt und die Rückgabe der Bürgschaftserklärung veranlasst.
Hinsichtlich der mit der Klage begehrten Herausgabe der Sicherheitsleistung sowie der
Feststellung der ordnungsgemäßen Rekultivierung haben die Klägerin und die Beklagte
das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und
33
1. festzustellen, dass die Weigerung der Beklagten, die hinterlegte Sicherheitsleistung
nach Abschluss der Herrichtung des Abgrabungsgeländes im Juni 1997 frei zu geben,
rechtswidrig war,
34
2.
35
hilfsweise
36
3. festzustellen, dass die Ablehnung der Endabnahme im Juli 1997 rechtswidrig war,
37
4.
38
hilfsweise
39
5.festzustellen, dass die Ablehnung der Endabnahme rechtswidrig war.
40
6.
41
Die Beklagte beantragt,
42
die Berufung zurückzuweisen.
43
Sie trägt vor, dass aufgrund der Feststellung des Gutachters, dass Boden mit
Bauschuttbeimengungen aufgebracht worden sei, feststehe, dass die Klägerin gegen
die Abgrabungsgenehmigung verstoßen habe. Nach Abwägung der nunmehr zu
ergreifenden Maßnahme - Abtragung der oberen Bodenschicht - habe sie sich unter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dazu entschlossen, die
Bauschuttbeimengungen auf Basis des Gutachtens zu tolerieren. Wegen des
Ergebnisses der Bodenuntersuchung wird auf das Gutachten des Ingenieurbüros Dr. U.
& Partner GmbH vom 15. Juli 2003 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
44
Entscheidungsgründe:
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Das Verfahren ist einzustellen und das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären,
soweit es den Klageantrag auf Herausgabe der von der Rechtsvorgängerin der
Klägerin, der vormaligen Firma H.u.G. H. Verkaufs- und Vertriebsgesellschaft mbH &
Co.KG, in Form der Bürgschaftserklärung der Kreissparkasse L. vom 30. Januar 1995
bei der Beklagten hinterlegten Sicherheitsleistung in Höhe von 202.180,- DM an die
46
Klägerin sowie den Klageantrag auf Feststellung der ordnungsgemäßen Rekultivierung
des Abgrabungsgeländes durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin betrifft (§ 92 Abs. 3
Satz 1, § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1, Halbsatz 2 ZPO in entsprechender
Anwendung). Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt. Die gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO vom
Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin hat, soweit das Verfahren sich
nicht erledigt hat, keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie noch
anhängig ist, zu Recht abgewiesen.
1. Es kann offen bleiben, ob die Feststellungsklage hinsichtlich des Klageantrags zu 1.
zulässig ist oder ob das auf die Vorbereitung eines späteren Schadensersatz- oder
Entschädigungsprozesses gestützte berechtigte Interesse der Klägerin an der
Feststellung fehlt, weil die Klägerin sogleich das zuständige Zivilgericht hätte anrufen
können. Die Klage ist insoweit jedenfalls unbegründet. Die Weigerung der Beklagten,
die hinterlegte Sicherheitsleistung nach Abschluss der Herrichtung des
Abgrabungsgeländes im Juni 1997 freizugeben, war rechtmäßig. Die Beklagte war zur
Abnahme der Rekultivierungsarbeiten nicht verpflichtet. Sie durfte die
Sicherheitsleistung zurückhalten, weil das Risiko kostenintensiver
Rekultivierungsmaßnahmen im Wege der Ersatzvornahme gegeben war. Es lagen
konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihre
Rekultivierungspflicht nicht erfüllt hat.
47
Rechtsgrundlage für die Forderung einer Sicherheitsleistung ist § 10 Satz 1 des
Gesetzes zur Ordnung von Abgrabungen (Abgrabungsgesetz - AbgrG) in der Fassung
der Bekanntmachung vom 23. November 1979. Danach ist die
Abgrabungsgenehmigung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen.
Gemäß § 10 Satz 2 AbgrG kann die Sicherheitsleistung in Anspruch genommen
werden, um Schäden, die durch Abweichung von der Genehmigung und den Auflagen
entstehen, auszugleichen oder beseitigen zu lassen. Über die Freigabe einer
geleisteten Sicherheit entscheidet nach § 10 Satz 3 AbgrG die Genehmigungsbehörde.
Die Voraussetzungen für das Zurückhalten der Sicherheitsleistung bzw. deren Freigabe
sind gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Sie ergeben sich aber aus dem Sinn und
Zweck der Sicherheitsleistung. Diese zielt auf die Pflicht des Abgrabungsunternehmers,
die durch Abgrabungen verursachten Landschaftsschäden durch eine sinnvolle
Herrichtung des ausgebeuteten Geländes zu beseitigen und das Abbau- und
Betriebsgelände nach Abschluss der Abgrabungen wieder nutzbar zu machen.
48
Vgl. Begründung zu § 2 des Gesetzesentwurfs der Landesregierung, Landtags-
Drucksache 7/1780.
49
Dem Verursacherprinzip folgend obliegt die Verpflichtung zur Oberflächengestaltung
und Wiedernutzbarmachung des in Anspruch genommenen Geländes während und
nach Abschluss der Abgrabung dem Unternehmer, der durch die Abgrabung
Schädigungen des Naturhaushaltes und eine Verunstaltung des Landschaftsbildes
verursacht (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 AbgrG). Die Herrichtung ist für den
Abgrabungsunternehmer allerdings regelmäßig von geringerem Interesse, weil sie ihm
keine wirtschaftlichen Vorteile bringt. Die mit den Rekultivierungsmaßnahmen
verbundenen Aufwendungen sind oft erheblich und über einen langen Zeitraum
notwendig. Daher besteht die Gefahr, dass der Abgrabungsunternehmer die
Rekultivierungsarbeiten nach beendeter Abgrabung nicht oder nicht vollständig
durchführt und das abgebaute Gelände nicht wieder einer sinnvollen Nutzung zugeführt
50
wird. Dadurch können dauerhafte Störungen des Naturhaushalts und des
Landschaftsbildes eintreten. Zudem kann das Risiko, dass ein privates Unternehmen
nach Beendigung der Abgrabung und damit nach dem Wegfall der aus dem Betrieb
erzielten Einkünfte zahlungsunfähig wird oder sonst nicht mehr zur Verantwortung
gezogen werden kann, beträchtlich sein. In beiden Fällen wäre eine Herrichtung nur
noch im Wege der Ersatzvornahme auf Kosten der Allgemeinheit erreichbar. Zur
Abdeckung des wirtschaftlichen Risikos sieht die Vorschrift des § 10 Satz 1 AbgrG
deshalb vor, dass die Genehmigung von der Leistung einer Sicherheit abhängig
gemacht wird. Zweck der Sicherheitsleistung ist es sicherzustellen, dass der
Abgrabungsunternehmer die erforderlichen Rekultivierungsmaßnahmen auch wirklich
auf seine Kosten durchführt und das Risiko einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit im
Hinblick auf nach Beendigung der Abgrabung erforderliche, oft erheblich
kostenaufwändige Maßnahmen zur Beseitigung der Landschaftsschäden auf jeden Fall
den unmittelbaren Verursacher trifft, der zugleich wirtschaftlicher Nutznießer der
Abgrabung ist, und nicht zu Lasten der Allgemeinheit geht.
Zu einer abfallrechtlichen Sicherheitsleistung: BVerwG, Urteil vom 29. November 1991 -
7 C 6/91 -, BVerwGE 89, 215; OVG NRW, Urteil vom 30. August 1999 - 21 A 2945/96 -;
zu einer naturschutzrechtlichen Sicherheitsleistung: VGH Mannheim, Urteil vom 28. Juli
1983 - 2 S 299/81 -, NuR 1984, 102.
51
Die Genehmigungsbehörde kann die Sicherheitsleistung festhalten, soweit und solange
sie zur Sicherstellung der Rekultivierung erforderlich ist, d.h. ein Sicherungsbedürfnis
besteht. Die Sicherheitsleistung ist an die zu sichernden Verpflichtungen gebunden.
Zulässiger Umfang und zulässige Dauer der Sicherheitsleistung bestimmen sich nach
Umfang und Dauer einer ordnungsgemäßen Rekultivierung. Der Höhe nach richtet sich
die festzusetzende Sicherheitsleistung nach dem wirtschaftlichen Risiko der nicht
ordnungsgemäßen Umsetzung der Rekultivierungspflicht.
52
Vgl. Linke, Abgrabungsgesetz NRW, § 10 Anm. III.
53
In zeitlicher Hinsicht deckt die Sicherheitsleistung den Zeitraum bis zur vollständigen
Erfüllung der Rekultivierungsmaßnahmen ab, wie sie in den Nebenbestimmungen zur
Abgrabungsgenehmigung konkretisiert sind. Eine Sicherung ist danach so lange und
soweit erforderlich, als bei der Rekultivierung Abweichungen von der
Abgrabungsgenehmigung nicht ausgeschlossen werden können; denn dann besteht
das Risiko kostenaufwändiger Ersatzmaßnahmen zur Schadensbeseitigung fort. Ein
Anspruch auf Freigabe der geleisteten Sicherheit besteht demnach erst, wenn der
Sicherungszweck entfallen ist.
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Vgl. zur Sicherheitsleistung für Deponien: Kunig/Paetow/Versteyl, Kreislaufwirtschafts-
und Abfallgesetz, Kommentar, § 32 Rz. 82; Nr. 3.2.3b der TA Abfall. Das ist dann der
Fall, wenn die Rekultivierungspflicht der Abgrabungsgenehmigung gemäß erfüllt ist und
eine Ersatzvornahme mithin nicht mehr in Betracht kommt.
55
Die Prüfung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist Gegenstand der von der
Beklagten nach der Abgrabungsgenehmigung vom 25. Februar 1988 durchzuführenden
Abnahme. Die Abnahme der Rekultivierungsmaßnahmen beinhaltet, ähnlich wie die
bauordnungsrechtliche Abnahme von baulichen Anlagen, die Feststellung, dass die
Klägerin ihre Pflicht zur Herrichtung des Abgrabungsgeländes erfüllt und die mit der
Genehmigung verbundenen Nebenbestimmungen eingehalten hat. Anschließend ist die
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Sicherheitsleistung - gegebenenfalls teilweise - freizugeben (vgl. Nr. 2.01 der
Bedingungen der Abgrabungsgenehmigung, S. 5).
Ausgehend von diesen Maßstäben war die Weigerung der Beklagten, die
Rekultivierungsmaßnahmen im Anschluss an die Nachbesserungsmaßnahmen der
Klägerin im Juni 1997 abzunehmen und die Sicherheit freizugeben, berechtigt. Auf der
Grundlage der der Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisse war nicht
auszuschließen, dass die Rechtsvorgängerin das Abgrabungsgelände abweichend von
den Anforderungen der Genehmigung hergerichtet hat und daher weitere
Rekultivierungsmaßnahmen notwendig werden könnten.
57
Nach dem Inhalt der Abgrabungsgenehmigung vom 25. Februar 1988 durfte zur
Rekultivierung der Abgrabung ausschließlich Abraum aus dem Abgrabungsbereich und
reiner Bodenaushub verwendet werden. Eine Verfüllung mit Bauschutt war ausdrücklich
ausgeschlossen (Seite 2 der Genehmigung). Ferner war die Rechtsvorgängerin der
Klägerin verpflichtet, für die oberste, 1 m mächtige Schicht den zwischengelagerten
ursprünglichen Boden zu verwenden. Gemäß den Auflagen Nrn. 3.11, 3.12, 3.53 und
3.54 zur Abgrabungsgenehmigung durfte zur Wiederverfüllung des
Abgrabungsgeländes auf das Ursprungsniveau (nur) der ursprüngliche Mutterboden
sowie die darunter liegende Schicht aus lehmigem Schluff aufgebracht werden. Auflage
Nr. 3.11 verpflichtete die Rechtsvorgängerin der Klägerin, den Mutterboden in voller
Mächtigkeit von 30 cm sorgfältig und getrennt von der ebenfalls vor der Abgrabung zu
entfernenden Schicht aus 70 cm mächtigem lehmigen Schluff (insgesamt also ca. 100
cm) auf der gesamten Abgrabungsfläche abzutragen, zur späteren Wiederverwendung
getrennt von anderem Abraum sachgemäß in Mieten zu lagern und mit geeigneten
Mitteln lebend zu erhalten. Der Verkauf und die sonstige Verwendung des Abraums war
gemäß Nr. 3.12 ausdrücklich untersagt. Nach Fortschreiten der Verfüllung waren die in
Anspruch genommenen Flächen mit dem gelagerten Mutterboden "in mindestens 30 cm
Stärke abzudecken" (Auflage Nr. 3.53). Vor Aufbringen des Mutterbodens war zunächst
eine 70 cm starke Deckschicht aus bindigem Material aufzutragen. Das Aufbringen von
zugefahrenem Mutterboden war danach nicht zugelassen und hätte einer
ausdrücklichen nachträglichen Genehmigung bedurft.
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Der Beklagten lagen nach Abschluss der Nachbesserungsarbeiten im Juni 1997
konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen diese
Bestimmungen der Abgrabungsgenehmigung verstoßen hat. Bei den
Ortsbesichtigungen am 31. Juli 1996, 9. Oktober 1996 und 16. Dezember 1996 hatten
Mitarbeiter der Beklagten bzw. der Landwirtschaftskammer Rheinland in dem an der
Erdoberfläche sichtbaren Material Anteile von Kies, Bauschutt, Kabeln und Holz
vorgefunden. An der Zusammensetzung des Bodens änderte sich durch die im
Anschluss hieran am 5. Juni 1997 durchgeführten Tiefenlockerungsmaßnahmen nichts.
Die aus den tatsächlichen Feststellungen resultierenden Zweifel an der
ordnungsgemäßen Rekultivierung vermochten die von der Klägerin vorgelegten
gutachterlichen Stellungnahmen von Dipl.-Ing. X. nicht auszuräumen. Zwar sind darin
Bauschuttfunde nicht dokumentiert. Die Erkenntnisse des Gutachters beruhten jedoch
auf lediglich vier Grabungen bis in etwa 50 cm Tiefe und ließen schon im Hinblick auf
die Größe des Abgrabungsgeländes nicht den sicheren Schluss zu, die gesamte Fläche
sei bauschuttfrei. Der Stellungnahme von Dipl.-Ing. X. vom 20. Juni 1997 war ferner
nicht zu entnehmen, ob die Klägerin das Abgrabungsgelände der Genehmigung
entsprechend hergerichtet und die Nebenbestimmungen eingehalten hat. Sein
gutachterlicher Auftrag beschränkte sich auf die Feststellung, ob auf der verfüllten
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Teilfläche eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung möglich ist. Auch der Verdacht der
Beklagten, die Klägerin habe entgegen Nr. 3.11 und 3.53 der Nebenbestimmungen den
ursprünglichen Mutterboden verkauft und stattdessen minderwertiges Material
aufgefahren, wurde durch die Untersuchungen des Sachverständigen nicht widerlegt. Im
Gegenteil weist Dipl.-Ing. X. in seiner Stellungnahme vom 10. Juni 1996 ausdrücklich
darauf hin, dass die Frage, ob die obere, 1 m starke Deckschicht tatsächlich aus dem
ursprünglich vorhandenen Boden besteht, nur ein geologisches Gutachten klären
könne. Seine Bodenproben bestärkten im übrigen die Vermutung, es handele sich um
Fremdmaterial. Die Bodenanalyse ergab schluffigen Sand, während es sich bei dem
ursprünglichen Boden dem Auszug aus dem Liegenschaftskataster zufolge um
sandigen Lehm handelte. Dass zusätzlich angefahrenes Material in die Abdeckschicht
eingebracht worden war, hat die Klägerin ausdrücklich zugestanden. Ferner lagen der
Beklagten das Ergebnis der Ortsbesichtigung vom 7. November 1997 sowie die
Stellungnahme von Prof. Dr. C. von der Landwirtschaftskammer Rheinland vom 1.
Dezember 1997 vor. Bei den 4 bis 6 Probegrabungen waren ebenfalls Einschlüsse von
Holzresten, Steinen und Bauschutt festgestellt worden. Dass die Feststellungen des
Sachverständigen C. eine repräsentative Aussage in Bezug auf den Zustand der
gesamten Fläche ebenso wenig zulassen wie zum Zeitpunkt sowie zur Art und Weise
des Aufbringens der Fremdstoffe, ist unerheblich. Bereits auf der Grundlage der
stichprobenhaften Erkenntnisse lagen der Beklagten hinreichende tatsächliche
Anhaltspunkte vor, dass die Klägerin gegen die Abgrabungsbestimmungen verstoßen
und unzulässiges Material - fremden Mutterboden bzw. Bauschutt - verfüllt haben
könnte. Dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin fremden Mutterboden verfüllt hat, steht
im übrigen fest. Damit bestand das konkrete Risiko kostenintensiver
Nachbesserungsmaßnahmen mit dem Ziel, Bauschuttreste zu beseitigen bzw. den
angefahrenen Boden auszutauschen. Angesichts der Größe des in Rede stehenden
Abgrabungsgeländes war nicht auszuschließen, dass die für die Schadensbeseitigung
aufzuwendenden Kosten die Höhe der Sicherheitsleistung überstiegen. Das berechtigte
die Beklagte dazu, die Abnahme der Rekultivierung und die Freigabe der
Sicherheitsleistung nach Abschluss der Nachbesserungsarbeiten im Juni 1997 zu
verweigern.
Die Beklagte war auch nicht in dem nachfolgenden Zeitraum bis zur Erledigung des mit
dem ursprünglichen (erstinstanzlichen) Klageantrag zu 1. verfolgten Begehrens
verpflichtet, die Sicherheitsleistung herauszugeben. Neue Erkenntnisse, die die
dargelegten konkreten Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Rekultivierung
entscheidend entkräftet hätten, lagen nicht vor. Vielmehr hat auch das von der
Beklagten eingeholte Bodengutachten des Ingenieurbüros Dr. U. & Partner GmbH vom
15. Juli 2003 bestätigt, dass zur Verfüllung des Abgrabungsgeländes Böden mit
vereinzelten Bauschuttbeimengungen verwendet wurden und damit ein Verstoß gegen
die Bestimmungen der Abgrabungsgenehmigung gegeben ist. Zweifel an der
Unparteilichkeit des Gutachters und an seiner Sachkunde bestehen nicht. Dem
Gutachten liegt eine systematische und detaillierte Untersuchung der gesamten
streitigen Abgrabungsfläche zugrunde. Hierzu wurde das Gelände in 5 Teilflächen
unterteilt, denen jeweils 2 Proben aus den Teufenbereichen 0,0-0,3 m und 0,3-1,0 m
entnommen wurden. Sodann wurden diese Proben chemisch und bodenmechanisch
auf die Parameter Wassergehalt/Trockensubstanz, Korngrößenverteilung und
organischer Anteil, bestimmt über den Glühverlust, untersucht. Dabei wurden außer in
der Teilfläche OB 5 in allen Proben aus dem Teufenbereich 0,3-1,0 m vereinzelte
Bauschuttbeimengungen von 5 Gew.% nachgewiesen. Aufgrund der Entnahmetiefen
der Proben kann ausgeschlossen werden, dass die Fremdbestandteile nach Abschluss
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der Rekultivierungsarbeiten von Dritten aufgebracht wurden. Wenn in Übereinstimmung
mit der Abgrabungsgenehmigung das Gelände mit dem 1 m mächtigen ursprünglichen
bzw. zugefahrenen Boden abgedeckt wurde, kann es sich bei den
Bauschuttbeimengungen auch nicht um die Reste der mit Ziegelbruch befestigten
Fahrspuren handeln. Für die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin, dass die
vom Gutachter festgestellten Einschlüsse von Bauschutt im Bereich des Oberbodens
des ehemaligen Abgrabungsgeländes in qualitativer und quantitativer Hinsicht ebenso
auf den Nachbargrundstücken vorzufinden seien, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Es
handelt sich um eine aus der Luft gegriffene Behauptung, für die eine hinreichende
Tatsachengrundlage fehlt. Wenn es sich, wie die Klägerin behauptet, bei den
Nachbargrundstücken um seit Jahrhunderten bewirtschaftete Ackerflächen handelt, ist
das Vorhandensein von vergleichbarem (z.B. mit Kabelteilen vermischtem) Bauschutt
auch gänzlich unwahrscheinlich. Tatsächliche Anhaltspunkte für die unter Beweis
gestellte Behauptung der Klägerin ergeben sich auch nicht daraus, dass auf den
umliegenden Flächen ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme von Dipl.- Ing. X.
vom 28. August 1996 (Seite 3, Abschnitt "3. Steinbesatz") Kieselsteine und kleinere
Gesteinsbrocken gefunden wurden. Der Stellungnahme sind keine Hinweise auf das
Vorhandensein von Bauschutt auf den Nachbargrundstücken zu entnehmen. Die vom
Gutachter erwähnten Steine sind natürliches, geologisches Ausgangsmaterial, während
es sich bei Bauschutt um künstliche Steine und sonstiges Material handelt, das
typischerweise auf Baustellen verwendet wird. Der auf eine unzulässige Ausforschung
gerichtete Beweisantrag war daher abzulehnen.
Aufgrund der im hier maßgeblichen Zeitraum nicht ausgeräumten hinreichenden
Anhaltspunkte für erhebliche Verstöße gegen die Abgrabungsgenehmigung vom 25.
Februar 1988 bestand das Risiko fort, dass für eine notwendige Schadensbeseitigung
Kosten bis in Höhe der Sicherheitsleistung entstehen konnten. Dies rechtfertigte die
Zurückhaltung der Sicherheitsleistung.
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Auf etwaige Bodenverdichtungen sowie auf die Frage, ob die durchgeführten
Tiefenlockerungsmaßnahmen erfolgreich waren, kommt es nach dem Vorstehenden
nicht mehr an. Ebenso unerheblich ist, ob der Boden - ggf. unter welchen Bedingungen -
landwirtschaftlich genutzt werden kann.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die hier zu beantwortende Frage,
ob die Beklagte berechtigt war, die Sicherheitsleistung zurückzuhalten, auch nicht
darauf an, ob sie es möglicherweise pflichtwidrig unterlassen hat, mögliche Schäden
wegen nicht ordnungsgemäßer Rekultivierung frühzeitig abzuklären und
gegebenenfalls eine Ordnungsverfügung zu erlassen. Ein etwaiger Verstoß der
Beklagten gegen ihre Sachaufklärungspflicht mit der Folge, dass sich die Freigabe der
geleisteten Sicherheit verzögert hätte, würde zwar einen Schadensersatzanspruch
begründen können; als Schaden kämen etwa höhere Zinsen für die längere
Bereitstellung der Sicherheit in Betracht. Ein derartiger Pflichtenverstoß würde jedoch
grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Beklagte vor der endgültigen Klärung, ob
beseitigungspflichtige Schäden bestehen, zur Rückgabe der Sicherheitsleistung
verpflichtet wäre. Allein eine etwaige pflichtwidrige Verzögerung bei der Aufklärung
möglicher Schäden begründet noch keine Pflicht zur Rückgabe der Sicherheit, solange
weiterhin das durch Tatsachen belegte Risiko einer kostenaufwändigen
Ersatzvornahme zur Beseitigung von Schäden besteht.
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Es bedarf daher auch keiner Ausführungen dazu, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet
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war, ein weiteres Gutachten einzuholen, oder ob die Klägerin als Störerin die
ordnungsrechtliche Pflicht traf, den Umfang der - teilweise bereits feststehenden -
Verstöße gegen die Abgrabungsgenehmigung aufzuklären.
2. Die Hilfsanträge sind - ungeachtet ihrer Zulässigkeit - ebenfalls unbegründet. Nach
den obigen Ausführungen war die Ablehnung der Endabnahme durch die Beklagte
rechtmäßig.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, soweit sie das noch anhängige
Klagebegehren betrifft, und auf § 161 Abs. 2 VwGO, soweit die Beteiligten den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist
über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Der Billigkeit entspricht es, der
Beklagten die Kosten des Verfahrens insoweit aufzuerlegen, als sie dem Begehren der
Klägerin auf Herausgabe der Sicherheitsleistung (ursprünglicher Klageantrag zu 1.)
entsprochen hat. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglichen
Klageantrags zu 2. auf Feststellung der ordnungsgemäßen Rekultivierung des
Abgrabungsgeländes für erledigt erklärt haben, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin
die Kosten aufzuerlegen, weil sie mit ihrer Klage nach den vorstehenden Ausführungen
voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte. Danach war die Kostenlast zu teilen, weil
dem ursprünglichen Klageantrag zu 1. einerseits und dem ursprünglichen Klageantrag
zu 2. sowie den zuletzt gestellten Klageanträgen andererseits eine vergleichbare
wirtschaftliche Bedeutung zukommt.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 VwGO
nicht vorliegen.
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